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Nr. 175 45. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Ein zweckloses Gerüst.

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RIALTORIAL

NOMMET

Seit mehreren Jahren ist auf dem Grundstüd kantstr. 155| geführt werde und das Gerüst keineswegs eine Verschönerung der in Charlottenburg  , gegenüber dem Theater des Westens, Gegend darstelle. ein haushohes großes vierediges Baugerüst er­richtet worden, das zum Bau eines großen Film- und Tanzpalastes Rialto" dienen sollte. Dieser Bau hat aber niemals begonnen, und das Gerüst hat also feinen eigentlichen Zweck völlig verfehlt und stellt eine Berschandelung der Straße dar. In der legten Zeit beginnt das riesige Baugerüst aber infolge des Einflusses des Regens und der Witterung zu verfallen, so daß Holzteile über den hohen Bauzaum auf die Straße fliegen und die vorübergehenden Fuß gänger aufs äußerste gefährden. Die Charlottenburger   Baupolizei hat schon vor einiger Zeit die Inhaberin des Baugrundstücs, die Baugesellschaft Berlin   Weft A.-G., beauftragt, das Gerüft abzureißen, meil offensichtlich der projettierte Bau des Filmpalastes nicht durch

" Italia  " noch nicht gestartet. Abflug des italienischen Luftschiffes zunächst verschoben. Unter dem Eindruck des Attentats?

Nach einer im Laufe des gestrigen Donnerstagnachmittag beim Reichsnertehrsministerium aus Italien   eingetroffenen Meldung hat General Nobile den Start seines Nordpolluftschiffes Italia", der nach den ursprünglichen Dispositionen noch am Donnerstagabend in Mailand   erfolgen sollte, wegen des schlechten Wetters vorläufig auf den heutigen Freitag früh verschoben. Für beide in Frage fom­menden Routen von Mailand   nach Stolp   lauteten die Wettermel­bungen ungünstig. Von den Ostalpen fam die Nachricht, daß dort Schneefälle eingetreten feien, unter welchen Umständen eine Ueberquerung der Alpen mit dem Luftschiff ausgeschlossen schien. Auf dem Kurs über Wien  , Breslau  , Posen sah es gestern nicht viel besser aus infolge eines Kaltlufteinbruchs zwischen Preßburg   und Buda pest und schlechtem Wetter in Schlesien  . Zudem herrschte gestern

Menschen, Göttern gleich...

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Roman von Herbert George Wells  .

Aber angenommen, Utopien hätte feine Arbeit für ihn?" Crystall fonnte sich das nicht vorstellen. Hier gibt es immer etwas zu tun." ,, Aber früher, in den alten Zeiten, hattet ihr Arbeits­Lofigkeit in Utopien?"

,, Sie war ein Teil der Verworrenheit. Es gab eine Art Ueberentwicklung der Verschuldung, sie hatte lähmend ge­wirft. Ja, es gab Arbeitslosigkeit und andererseits waren zu gleicher Zeit weder genug Häuser, noch Nahrung, noch

Kleidung vorhanden. Zu ein und derfelben Zeit hatten sie

Arbeitslosigkeit und Mangel. Es ist unglaublich."

"

,, Erhält jeder ungefähr die gleiche Bezahlung?" Energischen und schöpferischen Leuten werden oft große Unterſtügungen gewährt, wenn sie die Hilfe anderer oder die Verfügung über natürliche Hilfsquellen zu benötigen scheinen. Und Künstler werden manchmal reich, wenn ihr Werf viel verlangt wird."

taufen?"

Muß man eine solche goldene Kette, wie du sie hast, ,, Vom Hersteller in seinem Laden. Meine Mutter faufte fie."

,, Es gibt also Kaufläden?" " Du sollst welche sehen. Orte, wohin man geht, um neue and föftliche Dinge zu sehen." ,, Und wenn ein Künstler reich wird, was fann er mit feinem Gelde anfangen?"

,, Er fann Zeit und Material in Anspruch nehmen, um etwas überwältigend Schönes für unsere Welt zu schaffen. Oder er fam es sammeln und damit die Arbeit anderer Künst­ler unterstüßen. Oder was ihm sonst gefällt, unterrichten und den allgemeinen Schönheitsfinn in Utopien verfeinern. Oder eben gar nichts tun... Utopien fann es sich erlauben wenn er es fann."

5.

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,, Ceder und Lion", sagte Mr. Barnstaple ,,, erklärten uns, wieso eure Regierung sich gleichsam aufgelöst und sich unter die Leute, die eine besondere Kenntnis der in Betracht tom­menden Angelegenheiten haben, aufgeteilt habe. Das Gleich­gewicht zwischen den Interessen, vernahmen wir, werde von jenen, die allgemeine Psychologie und das Erziehungswesen Utopiens ftudieren, aufrechterhalten. Zuerst erschien es

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Die Baugesellschaft hat jedoch auf dem üblichen Be­schwerdewege dagegen Einspruch erhoben. Auf Grund der jetzt zugegangenen Klagen über die Gefährdung der Sicherheit in­folge des Verfalls hat aber die Baupolizei ihr Augenmerk wiederum auf die Angelegenheit gerichtet. Wie versichert wird, revidiert die Baupolizei von Zeit zu Zeit das Gerüst auf seine Stabilität und wird nun, da sich Verfallserscheinungen zeigen, mit allen Mitteln dafür sorgen, daß das Gerüst von der Bildfläche verschwinde. Falls die Eigentümerin des Grundstücks weiterhin sich gegen die Beseiti­gung des Gerüftes wehrt, wird die Baupolizei nötigenfalls von ihren Machtbefugnissen Gebrauch machen und selbst den Abriß veranlassen.

abend in Pommern   außerordentlich starter Wind, der sich zeitweilig zu einem Sturm steigerte. Unter diesen Umständen, viel­leicht aber auch unter dem Eindrud des Mailänder Attentats auf den König von Italien wurde am gestrigen Don­nerstagnachmittag der Start des Luftschiffes, für den schon alle Vor­bereitungen getroffen waren, wieder abgefagt.

ministerium mit der Deutschen Lufthansa verabredet, daß während der Fahrt der Italia" über deutsches Gebiet der Funtverkehr mit den Verkehrsflugzeugen der Lufthansa auf das äußerste ein geschränkt werden soll, damit die in diesem Verkehr übliche Welle 900, mit der auch die FL.- Station des italienischen Luftschiffes arbeitet, für den Funtverkehr mit der Italia  " möglichst freigehalten werden kann. Die Funkstation in Berlin- Tempelhof   wird während der fraglichen Zeit für den Empfang der von dem Luftschiff kommen­den Nachrichten und für die Uebermittlung von Wettermeldungen und eventuell für Funfpeilung und Standortmeldungen bereitstehen, so daß Nobile über deutschem Gebiet alle Unterstützung erhält, die er für eine sichere Durchführung seines Fluges nach Stolp   benötigt.

Auf Ersuchen der italienischen Behörden hat das Reichsverkehrs­

unferem Erdlingsverstand merkwürdig, daß nirgends ein an-| gebliches Alleswissen und eine tatsächliche Alleinmacht vor handen sei, das heißt eine höchste Stelle, eine Person oder eine Körperschaft, deren Es geschehe" endgültig wäre. Mr. Burleigh und Mr. Catskill waren der Ansicht, daß eine folche Stelle unbedingt notwendig sei, und auch ich war der entscheiden?" war für sie das Rätsel. Sie erwarteten, zum gleichen Meinung, allerdings weniger überzeugt. Wer mill Präsidenten oder dem Obersten Rat Utopiens geführt zu wer­den. Ich nehme an, es erscheint euch als das natürlichste, daß es nichts Derartiges gebe und daß eine Aufgabe einfach davon versteht. und natürlicherweise an denjenigen gelange, der am meisten

Freie Kritik vorausgesezt," sagte Crystall.

"

,, Und das gleiche Verfahren vorausgesezt, das ihn an hervorragende und verantwortliche Stelle gefegt hat. Aber drängen sich die Leute nicht auch hier voraus Eitelkeit? und werden sie nicht gerade gegen die Besten durchdringen - aus Bosheit?"

"

Es gibt eine Menge Bosheit und Eitelkeit in jeder utopischen Seele," sagte Crystall. Aber die Leute sprechen offen und die Kritif ist sehr durchdringend und frei. So lernen wir unsere Beweggründe prüfen, ehe mir loben oder

tadeln."

,, Was ihr sagt und tut, deckt den wahren Wert einer jeden Sache offen auf," sagte Mr. Barnstaple. Ihr fönnt nicht unangefochten in Lärm und Dunkelheit mit Schmutz fchleudern oder im Wirrwarr zu Unrecht Anerkennung,

ernten."

,, Bor   einigen Jahren gab es einen Mann, einen Künstler, der das Werk meines Baters heftig angriff. Oft ist fünftle­rische Kritik hier sehr scharf, aber er war scharf über alle Maßen. Er faritierte meinen Bater und schmähte ihn un­aufhörlich. Er folgte ihm von Ort zu Ort, er versuchte, die Buteilung von Material an ihn zu verhindern. Er erreichte nichts, einige Leute antworteten ihm, aber von der Mehrzahl

wurde er nicht beachtet..."

Der Knabe brach furz ab. Nun?"

,, Er tötete sich selbst. Er fonnte seinem eigenen Wahn­finn nicht entfliehen, jeder wußte, was er gesagt und getan hatte..."

,, Aber in früheren Zeiten gab es Könige, Räte und Kon­ferenzen in Utopien," sagte Mr. Barnstaple zur Hauptfache zurückkehrend.

M

Meine Brüder lehren, daß unser Staat in feiner andern

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Freitag, 13. April 1928

Keine Meldung über die Ozeanflieger.

Schlechtes Flugwetter im westlichen Atlantik.

Bon den deutschen   Ozeanfliegern lag bis zum gestrigen Donnerstagabend keine meldung vor, daß sie irgendwo auf ihrem Kurse über dem Atlantik gesichtet worden seien. Diese Tat­fache ist nicht weiter verwunderlich oder besorgniserregend, da die ,, Bremen  " von der Galway- Bucht an der Westküste Irlands   geradea Kurs auf St. Johns  ( Neufundland  ) genommen hat und infolgedessen fehr viel nördlicher als die üblichen Schiffs­routen fliegt, die von der Südfpike Irlands   nach New- York  führen. Auf diesem nördlichen Kurse besteht nur sehr geringe Möglichkeit, daß das Flugzeug von einem der zwischen Kanada  und Schottland   verfehrenden Schiffe gesichtet wird. Erst bei der Annäherung an Neufundland   wäre diese Möglichkeit in ver­stärktem Maße gegeben, doch dürften die Flieger bei programm­mäßigem Verlauf des Unternehmens in der Nacht oder in der frühen Morgendämmerung des heutigen Freitags die Küfte von Neufundland   erreichen, so daß auch hier nicht ohne weiteres damit gerechnet werden muß, daß die Bremen  von Schiffen oder vom Festland aus gesichtet wird, es sei denn, daß fie einen der Flughäfen von Neufundland   direkt ansteuert.

Amerifa in Erwartung der Flieger.

New Bort, 12. April.

Die amerikanische Bevölkerung erwartet in fieberhafter Span­nung Nachrichten über den Flugverlauf der deutschen   Ozeanflieger. Eine Extraausgabe nach der anderen kommt heraus, aber immer wieder mit der Feststellung, daß keine weiteren Nachrichten über den Ozeanflug vorlägen. Die Berichte der ameritanischen Wetterwarten laufen ungünstig. Nach der Meldung des New Yorker Wetterdienstes werden die Flieger auf starte fie die amerikanische Küste erreichen. Die Bremen  " würde, wenn Winde, heftige Rälte und Schneefälle stoßen, sobald fie an ihrem Reiseweg festhalten sollte, über Kap Grace auf heftigen Sturm stoßen, der sich von Kap Cod heranbewegt. Nach Ansicht von Beamten der Wetterwarte werde die Bremen  " nur mit Mühe den

ftarken winden im westlichen Atlantit entgehen können. Sie find Ozeans dauernd gegen starke Winde werde ankämpfen müffen. der Ansicht, daß das Flugzeug nach Ueberschreitung der Mitte des

Freispruch im Goldminenprozeß.

Enthüllte Börsengeheimnisse.

Das Schöffengericht Berlin- Mitte hat gestern in späten Abend stunden die Kaufleute Endin und Kljatschkin, die angeflagt waren, gefälschte Lena- Goldfield- Aktien verkauft zu haben, freige­sprochen. Der Staatsanwalt hatte für jeden der Angeklagten Jahre Gefängnis beantragt. Das Gericht konnte sich jedoch zu einer Berurteilung nicht entschließen. Die Beweise, daß Endin und Kljatschkin tatsächlich gewußt haben mußten, daß sie gefälschte Aftien verkauft hatten, schienen nicht vollkommen schlüssig. Die be­lastende Aussage des tatsächlichen Fälschers Rubin tonnte aus beträchtlichen Gründen nicht verlesen werden.

Was aber kommt es schließlich in diesem Fall auf die beiden Angeflagten an. Sie haben ja ohnedies bereits fast 1% Jahre in Untersuchungshaft verbracht. Das Interessante am Prozeß waren allein die Einblicke, die man in die Tätigkeit gewisser Börsenkreise erhielt. Die Lena- Goldfield- Gesellschaft betrachtet sich noch immer als Eigentümerin der Lenger. Goldminen. Sie will nichts davon wissen, daß sie bereits seit langem von der Sowjet­regiequng beschlagnahmt sind. Sie schützen ihren Altbesitz durch Ab­stempelung der Aktien. Der Detektiv Meier, der im Auftrage der Lena- Goldfield- Gesellschaft in der Aktienfälschungsaffäre Geschäfte gemacht hatte, erflärte vor Gericht, daß alle Aktien, die sich im Be­fitze der Gesellschaft befinden, gestohlene Attien sein müssen.

Weise sich hätte entwickeln können. Wir mußten Leute haben, die sich in der Hauptsache mit der Gesellschaftsordnung be­faßten, Politiker und Geseggeber als eine notwendige Stufe in der politischen und sozialen Entwicklung. Ebenso wie wir Soldaten und Polizei haben mußten, um das Volk vor Ge­walttätigkeiten zu bewahren. Nur sehr allmählich kamen die Spezialtenntnissen in den Dingen, mit denen fie fich zu be­Politiker und Gesetzgeber dazu, die Notwendigkeit von faffen hatten, zuzugeben: Politifer zogen Grenzen ohne Kennt­nis der Ethnologie oder der Wirtschaftsgeographie, und Ge­feggeber entschieden über Willen und Zweck mit den gröbsten Kenntnissen in der Psychologie. Sie brachten die verkehrte­sten und stümperhaftesten Anordnungen in feierlichster Weise vor."

,, Wie Tristram Shandys feierliche Bulle, die es unter­nimmt, den Frieden der Welt in Versailles   herstellen zu wollen," jagte Mr. Barnstaple.

Crystall blickte ihn erstaunt an.

,, Eine komplizierte Anspielung auf eine rein irdische An­gelegenheit," sagte Mr. Barnstaple. Die vollkommene Auf­teilung fängt jetzt auch auf der Erde an. Leute, die das Weltwohl im Auge haben, verhalten sich zum Beispiel gegen­über politischen und gesetzgeberischen Methoden ablehnend, dasselbe tun viele unserer besten Wirtschaftler. Die meisten Gerichtsverhandlung nicht einmal in eigenen Angelegen Leute gehen niemols, von der Wiege bis zum Grabe, zu einer heiten. Was wurde aus euren Politikern und Gesetzgebern? Gab es einen Kampf?"

,, Als die Erleuchtung wuchs und sich die Bildung weiter verbreitete, wurden sie offenbar immer unnötiger. Schließlich versammelten fie fich nur, um Fachleute als Beisitzer und so meiter zu ernennen. Und nach einiger Zeit wurden auch diese Ernennungen eine bereits vorher ausgemachte Sache. Ihre Tätigkeit verschmolz mit den allgemeinen Funktionen der Kritik und Diskussion. Es gibt Orte, wo noch alte Gebäude vorhanden sind, die als Ratstammern und Gerichtshöfe ge­dient hatten. Der letzte Politiker, der in eine gesetzgebende Versammlung gewählt worden war, starb in Utopien vor etwa tausend Jahren. Er war ein erzentrischer und schwazz­hafter alter Herr; er war der einzige Kandidat und ein Mann ftimmte für hin; er bestand darauf, als Einzelner Versamm­lungen abzuhalten, und daß seine Reden und Handlungen stenographisch aufgenommen wurden. Knaben und Mäd­chen, die Stenographie lernten, machten gewöhnlich die Be­richte für ihn, legten Endes wurde er als geistige Abnormität behandelt."

( Fortsetzung folgt.)