Freitag
13. April 1928
Unterhaltung und Wissen
In der ersten Gymnasialflaise sammelt man Kugeln, neue Federn und reines Papier. In der zweiten und dritten Marken, in der vierten Mineralien, in der fünften Pflanzen, in ber fechften Käfer und Schmetterlinge. So gelangt man schön langsam zum Geldsammeln, das manche Menschen von der achten Klasse bis an ihr Lebensende fortfeßen. Seinerzeit verfiel auch ich dieser Sammlerleidenschaft, und ich Seinerzeit verfiel auch ich dieser Sammlerleidenschaft, und ich darf mich wohl deffen rühmen, daß im Jahre 1891 mein Herbarium darf mich wohl dessen rühmen, daß im Jahre 1891 mein Herbarium das schönste der Klasse mar. Es war nicht allzu abwechslungsreich, was es aber enthielt, war funstvoll präpariert. Nur so nebenbei, ohne damit zu prahlen, will ich erwähnen, daß ich der einzige, der Klasse war, der auch Pilze zu erhalten verstand. Auch war ich es, der den Schülern die zwei nierenartigen Blätter des Azarum Europaeum so geschickt preßte, daß die fleine, unter der Erde blühende Blume genau zwischen die zwei Blätter zu liegen fam; wie eben falls ich es war, der für das Herbarium anderer die fünffternartig Eines Tages fam nun unser Professor mit einem sonderbaren Werkzeug zum Unterricht. Es fonnte sowohl ein Löffel als auch eine Schaufel sein, Spaten und Haue in einer Person. Der Stiel war aus Holz und die sonderbare Spatenhaue selbst paßte sich in einem Hals an den Stiel. Der Professor legte sie neben sich auf den Tisch und setzte den Unterricht bei den Farnen, wo er in der lezten Stunde stehengeblieben war, fort. Bergebens sprach er aber von Farren mit den saftigen Stengeln, vergebens führte er uns vor Augen, wo diese spanngroßen Pflänzchen in so riesigen Formen die Erde bedecken, daß in ihrem Schatten Mammut und Ichthyo. faurus ruhten, vergebens zeigte er uns das prähistorische Landschaftsbild des 3fitales, auf welchem nie gesehene Pflanzen in die Höhe strebten. Wir hatten nur für das Werkzeug ein Auge. In den letzten Bänken wurde nur über das Werkzeug geflüstert, dies interessierte uns mehr als die Geschichte der Mutter Erde mit all ihren apokalyptischen Bundern.
placierten Blätter der Asperula adorata präparierte.
Als die Stunde zu Ende war, nahm der Professor das Wert zeug in die Hand und sagte:
,, Das hier ist ein Pflanzenspaten. Ich habe ihn gebracht, um ihn euch zu zeigen. Mit diesem werden die Pflanzen samt den Wurzeln aus der Erde herausgehoben, denn von dem Standpuntte der Naturgeschichte ist die Wurzel ein ebenso wichtiger Teil der Pflanze, wie die Blätter oder die Blüten. Ein richtiger Botaniter ist immer mit einem Pflanzenspaten versehen."
Sandor Jarota, ein langer Junge mit einer Brille, der Primus der Klaffe, hielt die zwei Finger in die Höhe. ,, Was willst du?" fragte der Professor. Jarota stand auf:
,, Bitte, wo bekommt man einen solchen Spaten zu laufen?" fragte er mit erhobener Stimme.
In jeder Eisenhandlung," entgegnete der Profeffor und er ging hinaus, den Spaten mit sich nehmend. Die Augen von sechs unboierzig Knaben begleiteten bas trummnadige Wertzeug bis zur Tür. II.
Sandor Jarota war der erste, der sich den Spaten anschaffte. Bon ihm erfuhren wir, daß er nur vierzig Kreuzer getoftet hatte. Bei den nächsten Ausflügen benußte er ihn auch schon und mich schmerzte es einigermaßen, daß nicht mehr mein Herbarium das Dollständigste sein wird.
Von nun an ließ ich meinen Bater nicht in Ruhe, bis er mir endlich die vierzig Kreuzer zum Ankauf des Spatens gab. Ich machte mich auch sofort auf den Weg, um in die nächste Eisenhandlung zu gehen.
Unter einem Zor stand ein armes, schmutziges, fleines Mädchen, das Zuckerwert, Datteln und türkischen Honig feilhielt. Hier blieb ich für einen Augenblid stehen und überlegte, daß ich für mein Geld achtzig Feigen bekommen tönnte. Ich zögerte ein wenig, dann trat ich näher und faufte mir für zwei Kreuzer Feigen. Ich dachte, die zwei Kreuzer vom Preise des Spatens abzuhandeln, oder falls der Kaufmann nichts nachlassen sollte, werde ich mir eben morgen zur Zehnurpause feine Semmel faufen, sondern die zwei Kreuzer zu den achtunddreißig hinzulegen. Und es blieb auch bei diesem Borhaben, da der Eisenhändler von den Dierzig Kreuzern nicht einen einzigen nachlassen wollte.
Am nächsten Morgen legte ich die daheim erhaltenen zwei Kreuzer tatsächlich zu den achtunddreißig und der ursprüngliche Betrag war wieder beisammen. Aber um zehn Uhr wurde ich fehr hungrig. Die anderen liefen alle in den Keller hinunter, wo die Frau des Pedelles Semmeln verkaufte, und ich, der unter ihnen vielleicht das meiste Geld besaß, hätte hungern müssen. Nur 10 um herumzuschauen ging auch ich in den Keller hinab. ,, Etwas ganz Neues!" rief mir Gerbner, der fleine fraushaarige Gerbner zu, an einer Buttersemmel tauend. ,, Was?" sagte ich ,,, eine Buttersemmel?"
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,, llhüm!" sprach Gerbner mit vollem Mund und eilte hinauf. Ich trat zum Tisch. Tatsächlich, die Frau des Pepelles verfaufte heute zum ersten Male auch mit Butter bestrichene Semmein zu vier Kreuzer das Stüd. Ich konnte der Versuchung nicht wieder- stehen und taufte gleichfalls eine Butterfemmel. Die Semmel war bald zu Ende und ich konstatierte erschrocken, daß ich nun schon zwei Tage lang werde hungern müssen, um mir den Spaten anschaffen zu können. Betritt man aber einmal den Abhang, dann geht es mit Riesenschritten abwärts. Ich aß auch am nächsten Tage eine Butterſemmel, ja, ich gab fogar noch drei Kreuzer für eine Karminfarbe Nr. 2 aus. Es blieben mir neunundzwanzig Kreuzer. Ach mas, dachte ich für mich, ich werde mein vorjähriges Lateinbuch verkaufen. Und in dieser Zuversicht schaffte ich mir am selben Nachmittag noch drei verschiedene Farben an. Es blieben zwanzig Kreuzer.
Mein Bater, der den Pflanzenspaten schon ganz vergessen hatte und dem ich während diefer Zeit beständig ausgewichen war, tam am Abend zu mir in das Zimmer.
Was machst du?" fragte er.
Arbeiter und Museum.
Praktische Erziehung zum Kunsterleben.
polution pollbrachte, gehörte auch die Deffnung der großen Samm Zu den fulturellen Laten, die die fiegreiche französische Re Lungen und Museen, die dem Bolte bis dahin vollkommen ver schlossen gewesen waren. Damit wurde ein neuer großer Gedante der Menschheitskultur ausgesprochen und gleichzeitig tatkräftig verwirklicht. Er umschloß die Forderung, daß ein Bolt, das sich selbst regiert, auch das Recht hat, an den großen fulturellen Gütern der Menschheit teilzunehmen. Dieser Gedanke bildete den Schlußstein einer langen Entwicklungsfette. Er stand in engstem Zusammenhang mit den politischen Verhältnissen und ist einer der vielen Beweise dafür, daß Kunst und Wissenschaft nicht als für sich daftehende, von der Politik vollkommen getrennte Gebiete betrachtet werden fönnen. Gewiß werden unzählige wissenschaftliche und fünstlerische schaffen. Aber ob die Auswertung dieser Schöpfungen in ihrer GeEinzelwerfe unabhängig von den politischen Zeitverhältnissen ge= samtheit für das ganze Volk möglich ist, das hängt nicht von der Runft, sondern von den Machtverhältnissen im Staate ab. Es ist fein künstlerisches, sondern ein politisches Problem.
Beder Altertum noch Mittelalter tannien Museen in unserem Sinne. Damals stand das Kunstwert noch im Zusammenhang mit einem Bauwert, einem Balaft, einem Tempel, und es beftand fein Grund, es aus diefer organischen Verbundenheit herauszureißen. Dagegen gab es schon an den Höfen der Diadochen große Kunst fammlungen und Kunstkammern, in denen, Kostbarkeiten und feltene Kunstgegenstände aufbewahrt wurden. Das Mittelalter tannte die Runst- und Reliquienkammern der reichen, Klöfter und Kirchen, in denen kostbare Altargefäße, seltene Kleinodien und Kunstgegenstände aller Art zu finden waren. Die Frührenaissance sah ein gewaltiges Aufblühen fünstlerischer Neigungen. In Italien war es vor allem die Familie der Medici, deren Kunst und Raritätenkabinett berühmt war. Auch in Deutschland hatte nahezu jeder fürstliche Hof seine Kunst- und Wunderfammer". Ein intereffantes Beispiel dafür ist das Grüne Gewölbe " in Dresden , eine herrüche Sammlung von Elfenbeinarbeiten, Kleinodien, Mosaiken, Emaillen usw., die aus der furfürstlichen Schazkammer hervorging. Eine wertvolle Kunsttammer, deren Inhalt im Jahre 1875 an Museen verteilt wurde, besaß auch Kurfürst Joachim II. , der im 16. Jahrhundert in Brandenburg regierte. Eine außerordentliche Sammeltätigkeit ent falteten in dieser Zeit auch die Könige von Frankreich , Spanien und England. Das Bolt hatte nicht die geringste Berührung mit diesen Bestrebungen, die sowohl ihrer Entstehung als ihrem 3wed nach einzig und allein der Ausdruck einer in sich abgeschlossenen, aristotratischen Kultur waren. Im 17 und 18. Jahrhundert fammelten reiche Bürger, Künstler und Gelehrte. Die Wandlung der politischen Machtverhältnisse, das Aufkommen der Bürgerklasse und der Städte fand darin feinen Ausdrud. Dem Volte aber murde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ein Weg zur Kunst und Wissenschaft gebahnt. Borher diente es nur dazu, durch seine Arbeit der herrschenden Slaffe jene Einnahmen zu schaffen, die es dieser ermöglichte, die tostbaren Kunstsammlungen anzulegen, die später den Grundstod der öffentlichen Museen bildeten. Das Bolt murde von den Herrschenden nur als Kulturdünger betrachtet. Durch das unfägliche Elend der breiten Maffen murde eine Spizentultur der Auserwählten, d. h. der Besitzenden, gezüchtet, die in ihrem innersten Kern verderbi mar. Die Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit war fo gering, daß eine Erhöhung der Leistung bei dem Fehlen technischer
ihn
,, Wo ist er denn?"
Ich habe ihn einem Mitschüler geliehen." Er sah mir streng in die Augen.
Hast du ihn dazu gekauft, um ihn herzuleihen? Wem haft du geliehen."
Es fiel mir plöglich ein, daß Sandor Jaroka der einzige war, der einen solchen Spaten besaß. Ich antwortete leise: ,, Dem Jarofa."
Wie?" sagte er, dem Jarota fann sein Vater keinen Spaten kaufen? Der brei Häuser in Best hat oder hast du vielleicht Er schaute mir fest in die Augen. Ich starrte zu Boden. ,, Oder hast du vielleicht gelogen?" fragte er. ,, Nein!" rief ich so energisch, wie es nur einer tann, der gelogen hat und schaute ihm entschlossen in die Augen wie einer, der weiß, daß davon seine Glaubwürdigkeit abhängt.
Er ging hinaus und kehrte auch gleich darauf mit Hut und Stod zurüd. ,, Nimm deinen Hut," sprach er ,,, und tomme mit mir zu Jarofa. Wenn du aber gelogen hast, haue ich dich wie noch nie".
Das war ein großes Wort, denn um die Wahrheit zu gestehen, pflegte ich tüchtige Haue zu bekommen. Wie ich sie nie bekommen bas mußte etwas Schreckliches sein.
Im Borzimmer nahm mich die Mutter beiseite. ,, Gestehe es, wenn du das Geld für etwas anderes ausge. geben hast."
Rein," sagte ich meinend, ich habe das Geld nicht ausgegeben! Ich habe den Pflanzenspaten getauft und ihn Jarofa geliehen". Wir machten uns also auf den Weg zu Jarofa.
( Schluß folgt.)
Bon B. Zeitlin.
Der Operateur der Wuftu- Filmgesellschaft B. Zeitlin besuchte Bürzlich Jasnaja Boljana, wo er einige Aufnahmen zu dem großen Tolstoi- Jubiläumsfilm gemacht hat.
Merander Alexejewitsch, der stellvertretende Beiter des Tolstoi Museums, fezte sich statt des Rutschers in den Schlitten, und wir fuhren langsam durch den tiefen Schnee zur Grabftätte Tolstois! Dicht hinter dem Gutshause befindet sich ein Pfosten, und daran
Ich erschraf. Ich mußte ihm immer über alles Rechenschaft ein Täfelchen nebst Pfeil mit der Aufschrift: Zum Grabe". Der
ablegen.
3d male," entgegnete ich.
Pfeil meist auf einen ganz in Schnee gehüllten Hain, durch den sich ein faum sichtbarer schmaler Pfad hinschlängelt. Auf dieser Wege
Er schaute sich im Zimmer um und wollte wieder hinaus fpur bringen wir in behutsamer Fahrt waldeinwärts. Dreihundert gehen. Er öffnete die Tür und sprach von dort zurüd:
Beige mir einmal den Pflanzenfpaten!"
Es überlief mich talt
Er ist nicht da," fagte th
Meter etwa, und wir erreichen einen halbverfallenen Zaun mit einer Meinen Pforte.
Dies ist die Umfriebung des Grabes.
Beilage des Borwärts
beutung der Arbeitermassen möglich war. Die Folge davon war ein | Hilfsmittel nur durch eine bis zur äußersten Grenze gehende Aus geistiger und fultureller Tiefstand des Boltes, der wiederum dazu beitrug, den Dünfel der Befizenden zu steigern. Dieser Tiefstand ließ ja auch die Vorläufer des modernen Sozialismus nicht daran glauben, daß die Befreiung der Arbeiterklasse von dieser selbst ausgehen könnte. Sie glaubten an den Meffias, der als ein dem Bolke freundlich gesinnter Diktator das große Befreiungswerk durchführen müsse.
Die Revolutionierung der Wirtschaft führte aber langsam auch zur Aenderung der sozialen Verhältnisse. Aus den neuen Bedingun gen entstanden gesellschaftliche und pädagogische Anschauungen, die alsbald in den Massen tiefe Wurzeln faßten. Das Aufkommen einer vorerst bescheidener Platz angewiesen war, tat das Uebrige, um neuen Erziehung, in der auch der bildenden Kunst ein wenn auch Kunst, Gemäldegalerie, Museum und Volt mit einander zu vernüpfen. Schon Basedow hatte in seinem berühmten Erziehungswert vom Jahre 1774 die Forderung aufgestellt, daß in den Schulen auch Unterricht in der bildenden Kunst stattfinden solle. Pestalozzi hatte den Gedanken begeistert aufgegriffen, und in seiner Schule bildete das Zeichnen ein wesentliches Hilfsmittel zur Vertiefung von Anschauung und Vorstellung. Die gefeßliche Einführung dieses zur Entwicklung der Auffassungsgabe und des Formfinns so wichtigen Faches fand jedoch erst ein Jahrhundert später statt. Bis dahin fristete es ein bescheidenes Dasein in den höheren Schulen. Kunstgeschichte im Rahmen des Bolksschullehrplans, Betrachten von Kunstwerfen, erklärende Führungen von Klassen durch Gemäldegalerien und Museen, Zeichenunterricht durch entsprechend vorgebildete Fachlehrer, das find Probleme, deren Lösung auch heute noch nicht restlos gefunden ist. Und doch ist nur auf dieser Grundlage die Auswertung der Kunstsammlungen und Museen für den Arbeiter möglich. Ohne Borbildung, ohne Borbereitung auf ihren Inhalt wird er dem Mufeum fremd, gleichgültig gegenüberstehen. Reinen hervorragenderen Anschauungsunterricht aber gibt es gerade für den Arbeiter, dessen Blick für die Vergangenheit durch mangelhaften, der objektiven Wahrheit oft geradezu ins Gesicht schlagenden Geschichtsunterricht noch nicht zu voller Klarheit gelangt ist, als die Sammlungen der Museen, wenn fie ihm in voltstümlicher, feinem Berständnis angepaßter Weise gezeigt werden. Ihre Kunstschäße, ihre technischen, volfstundlich so bedeutsamen Erzeugnisse dermögen durch ihre Anschaulichteit beffer als alles Bücherftudium, ihn in das Wesen des eigenen Boltes und in den Geist anderer Zeiten und Bölfer einzuführen. Daher ist es auch besonders zu begrüßen, wenn Partei und Gewerkschaften Führungen durch Museen veranstalten und wenn auch die mit Kulturaufgaben dieser Art betrauten Stellen der Gemeinden sich in gleicher Weife betätigen. Als ein Ueberbleibel aus vergangenen Tagen muten jedoch die gerade für die arbeitende Bevölkerung ungünstigen Besuchszeiten der Museen an. Sie fönnen an Wochentagen von den meisten Schaffenben nicht besucht werden. Ferner ist es als ein großer Mangel zu betrachten, baß vielfach zwar Führer", aber feine billigen, allgemein verständlichen Einführungen, die zur Erklärung des Borhandenen dienen fönnten, vorhanden find. Mit der Deffentlichkeit der Museen allein ist es nicht getan. Die Büde zwischen Bolt und Museum wird bleiben, wenn es nicht gelingt, lebendige Zusammenhänge zwischen der Vergangenheit und dem Leben der Gegenwart herzustellen. E. Möbus.
geschmückt; vier hohe Birken und einige fleinere. Es sind die Lieblingsbäume Tolstois, und dort steht eine Bant. Seine Bant. Alles hier ist so bescheiden, so wundervoll einfach faft zu einfach und dürftig für das Objektiv eines Kameramannes. Irgendwo unweit des Grabes ist später auch das Lieblingspferd Tolstois bestattet worden. Bange tappen wir im Schnee um das Grab herum, und mögen uns von dieser Stätte nicht trennen.
Im Dorfe, wohin unser Weg uns weiterführt, mache ich einige Aufnahmen vom heutigen Leben und Treiben in Jasnaja Boljana mit seinem neuerbauten großen Schulhaus und dem noch im Bau befindlichen Krankenhaus, deren Eröffnung am Tage der Jahrhundertfeier erfolgen soll.
Und dann furble ich die Königstochter". Diese ,, Königstochter" ift die Bäuerin Rjafunowa, auf deren Feld Tolstoi jahrein jahraus pflügte und mähte.
Ich frage die Frau, ob sie sich an Lem Nikolajewitsch erinnere. Gegenfrage. Wie follt ich mich nicht feiner erinnern, hat er mir ,, Lem Nikolajewitsch?" lautet ihre erstaunte und beinahe empörte doch mit eigener Hand meinen Ader gepflügt und die Ernte eingebracht," und nun folgt eine umständlich wortreiche Erzählung: mie Tolstoi den Acer bestellt, was er dabei geredet, wem von den Bauern im Dorf er die Hütte gezimmert habe und welch ein grimmiger Feind jeglicher Obrigkeit er gewesen sei
Da gefellt sich noch ein alter Bauer zu uns, ebenfalls ein Zeitgenosse Lew Nikolajewitschs, und berichtet, wie Tolstoi eines Tages auf einem sehr ungünstigen Wiesengrund, der ihm durch das Los zugefallen war, Gras mähen mußte, wie er bis an die Knie im Waffer gestanden habe und wie ihm dann plötzlich die Ankunft des weigerte, da er sich nicht von seiner Arbeit fosreißen mochte. Gouverneurs gemeldet worden sei, den zu empfangen Tolstoi sich
Aus all diesen Erzählungen und Erinnerungen weht tiefe Liebe zu einem großen Menschen.
Wir nähern uns dem Hause, wo Lew Nikolajewitsch gewohnt und geschaffen hat. Eine hochgewachsene Frau eilt uns mit freundlichem Lächeln entgegen.
Ich ertenne in ihr sofort Alexandra Lwowna die Tochter Tolstois. Eine verblüffende Aehnlichkeit. Unser Begleiter Alexander Alegejewitsch bemerkt im Scherz, man brauche Alexandra Lwowna bloß einen Bart anzufleben und der lebendige, leib. haftige Lew Nitolajewitsch stünde vor uns.
Ich mache mich prompt an die Arbeit und begehe ebenso prompt eine Ungeschicklichkeit. Man hatte mir bereits vorbeugend verraten, daß Alexandra Lwowna es nicht liebt, photographiert zu werden, dennoch beginne ich mit ihr davon zu sprechen, versuche sie zu überreden, flehe fie an, ärgere mich doch alles erfolglos.
,, Sie hätten meinen Bater furbeln sollen, aber wozu demn mich?" erklärt Alexandra Lwowna kategorisch.
Und da mußte ich unwillfürlich an unser Gebrechen denken: mieniel Meter Film wenden wir an, um die Leichenbegängnisse unserer großen Zeitgenossen aufzunehmen, und wie wenig fümmern wir uns darum, fie bei Lebzeiten auf die Leinwand zu zaubern. Lebte Tolstoi noch in unseren Lagen, so würden wir ihn bestimmt auch erst nach seinem Tode filmen und gar noch in einer Bilder=
Ein Hügel von Menschenlänge, mit einfachen Tannengmeigen folge von Taufenden von Metern,