Einzelbild herunterladen
 

Beilage

Freitag, 13. April 1928

MAC

Я

OSTAHD OSTAH Der Abend

In der Grotte von Lourdes .

Mit dem Glauben werden Geschäfte gemacht.

Hart am Fuße der Pyrenäen , am Gave du Pau, liegt das Städtchen Lourdes , so hübsch und romantisch wie noch tausend andere französische Städtchen. Doch eins hat es vor allen voraus: einen unaufhörlichen Pilgerstrom aus aller Herren Länder. Scho.1 am Bahnhof stehen fahrbare Bahren, ausgediente Autobusse, Hotel: wagen, ein Tramwägelchen erwarten den Pilgerstrom. Im August ist Saison, täglich rollen viele, viele Ertrazüge in Lourdes ein, an einem Tage tamen allein aus der Provinzstadt Rouen sechs Züge. Schon das Aussteigen all der Pilger bietet furchtbare Anblicke: Blinde, Gelähmte, Epileptiker, Hautkrante, Menschen, die sich sonst scheu den Blicken der Welt entziehen, werden aus den Zügen ge­hoben und auf Krantenbahren durch die Stadt gefahren. Mächtige Hospitäler sind am Ausgang der Stadt errichtet, der Eintritt ist hier verboten, denn die Elendsbilder würden zu schlimme Wirkungen hervorrufen.

An dem Ausgang der Stadt liegen die Grotten mit dem wunder­tätigen Quell. Ununterbrochen beten Leichtkranke vor der Quell­grotte, durchschreiten den Grottengang, betasten mit den Händen die glatten Steinwände, die Rosentränze mit ihnen in Berührung bringend. Ein altes Mütterchen schlürft das Quellwasser, Grotten­diener drängen sie unfreundlich weiter. Inbrünstig werden Gebete

Pilger stellen sich zum Photographieren auf.

Spalausgabe des Vorwärts.

andern wird in das Becken getaucht und wieder herausgehoben. Plöglich ein Schrei: Ich bin geheilt!", alles fällt verzückt in die Knie, füßt die Erde, Lobgefänge werden angestimmt, die Pilger sind in höchster religiöser Efstase, die nur ganz allmählich abflaut, bis wieder ein anderer vom Wasser, geheilt wird.

Wer auch nur ein flein wenig diese Dinge fritisch betrachtet, der muß aufs tiefste empört diesen Ort verlassen. Die Kranken, die unter unsäglichen Entbehrungen und Qualen einen weiten Weg bis Lourdes machen mußten, die ihre letzten Habseligkeiten opferten, um überhaupt diese Wallfahrt zu ermöglichen, gehen ungeheilt zurüid. Troß der Hunderte von Krücken, die über der Grotte hängen, trotz der angeblich täglichen Heilungen, die zumeist, außer bei nervösen Leiden, durchaus fragwürdiger Natur sind. Ja noch mehr, durch diese Bäder in dem Quellwasser selbst entsteht mehr Schaden als Nuzen. Kranke, die jede Aufregung vermeiden müssen, erleiden nicht wieder gutzumachende Nachteile. In Lourdes werden höhere Breise gefordert als in Modebädern; auf den Wegen segnen Geist­liche Rosenkränze für einen fleinen Obulus, überall stehen Opfer­stöde, für alles mögliche muß man Abzeichen faufen, die erst zum Betreten berechtigen. Nur hier Brot, Bonbons und Gebäck aus dem Lourder heiligen Wasser" verkündet ein Bäcker, und durch die Straßen laufen Mädchen, die das Wasser verkaufen.

Und die Kirche verteilt Prospekte, nach denen man für 25 M. in der neuerrichteten Totenhalle den Namen eines vermißten Kriegs­angehörigen in fleinèn Mosaiken anbringen laffen kann... En.

Die Kinderfreunde in Dänemark

Eine internationale Osterfeier in Kopenhagen .

In Kopenhagen fand zu Ostern ein deutsch - dänisches| möglichen Hervorbringung von materiellen und geistigen Lebens. Treffen der Kinderfreunde statt. Der Sozialdemokrat Ras- werten. Wenn ihr an einem vernünftigen und gut geordnetemi mussen, dänischer Reichstagsabgeordneter, Leiter des staat- Lagerleben teilnehmt, erlebt ihr deshalb einen täglichen, praf lichen Lehrerseminars in Kopenhagen hielt folgeude Betischen Sozialismus. Ihr erlebt im kleinen das Ideal der grüßungsansprache an die 100 deutschen Arbeiterkinder: Gemeinschaft, das für eure Eltern das Ideal der großen Gemein­schaft ist, das ihr hoffentlich einmal verwirklicht seht. D

Deshalb wünsche ich: Glück und gutes Fortschreiten aller Arbeit der Jugendfreunde" in Deutschland . Denn in den Reihen der Jugendfreunde" erzieht man den sozialistischen Gemeinschafts­bürger und Weltbürger der Zukunft, Friedens­freunde und Gemeinschaftausbauer.

Liebe deutsche Knaben! Es ist mir eine große Freude, euch hier zu fehen. Ihr seid Gesandtschaft aus Deutschland , Beweise der Freundschaft zwischen den Arbeiterparteien eures großen Vater landes und unseres fleinen Landes. Sozialdemokraten find Inter nationalisten, aber um ein guter Internationalist zu sein, muß man auch gut national denken, und um gut national zu sein, muß man auch ein tüchtiger, guter Mensch sein. Es ist nicht die Gemein­schaft, oder die Menschheit, die den Menschen schafft", auch nicht der Mensch, der der Gemeinschaft und Menschheit schafft". Wir werden in eine Gemeinschaft geboren, deren Wert abhängt vom Wert des einzelnen; deshalb muß man sich alle Mühe geben, das Höchstmög lichste in jedem Menschen hervorzubringen. Die große Aufgabe unserer Zeit ist, die demokratische Gemeinschaft von Menschen ersten Ranges voll durchzuführen, aber selbstverständlich läßt sich das nicht machen, ohne daß die Gemeinschaft dem einzelnen gute Ent­brennen auch etliche Kerzen, doch die Grottendiener nehmen sie zu bestrebungen ist die Arbeit, die von den Kinderfreunden" gemacht 30gen wird als in Deutschand. widlungsbedingungen bietet. Ein Teil dieser Fortschritts. meist den Pilgern ab, um sie in einen großen Holztasten zu legen, wird, weil ihre Aufgabe ist, auf ihre Weise ein jedes Kind zu einem anstatt sie anzuzünden. Opferbüchsen werden am Ausgang entgegen- starken und guten Menschen, gehalten, dann werden Pläge zugewiesen, um noch vor der Grotte beten zu können.

Eine der zahlreichen Kapellen. gemurmelt, jeder hat ein förperliches Gebrechen. Neben der Grotte ist ein Kerzenverkaufsraum, ein Priester übergibt die Kerzen, die in allen Preislagen vorhanden sind, bis zu über einem Meter Länge. Gleich daneben liegt die Grotte; mit den geweihten Kerzen, den Rosenkranz um das Gelent, so schreiten die Pilger in die Grotte. Schwarz ist der Felsvorsprung von dem Ruß des Paraffins, es

Bon unerhörter Furchtbarkeit ist der Zug der Schwertranfen, Gefichte von Krankheit und Elend gezeichnet, wachsgelb, mit flackern den Augen, fast visionär, werden sie auf Bahren zur Grotte ge­fahren. Führer und Stranke beten, flämisch, englisch, französisch,

Das Geschaft blüht.

einzelnen; deshalb muß man fich alle Mühe geben, das Höchstmög: Hinrichtungen in

einem guten Staatsbürger und einem guten Weltbürger

zu entwickeln. Die Kinderfreunde" treiben alle mögliche Art von Sport und Turnen, und das ist gut so. Man muß zuerst für den Körper sorgen. In früheren Zeiten verachtete man den Körper und dachte, die Seele sei um so vornehnier und besser, je ärmer und fümmerlicher der Körper fei. Man ist flüger geworden und hat begriffen, daß im Körper nicht eine Seele wohnt, die des nachts aussahren fann und spuken, sondern daß der Mensch gleichzeitig ein förperlicher und geistiger Organismus ist, und daß das geistige Leben um so viel fräftiger und besser werden kann, wie der Körper voll­ständig gesund und kraftvoll ist. Deshalb sind Sport und Turnen nicht nur von Wert für den Körper, sondern auch für eure garize geistige Arbeit. Turnen, Ausflüge, Ballspiele und jeder andere ver nünftige Sport sind auch eine Stärkung und Bereicherung der Seele. Man geht wohl mit seinen Beinen; um aber immer gehen zu können, muß man den Willen dazu haben. Man macht wohl schwierige Turnübungen mit dem ganzen Körper, um sie aber machen zu fönnen, muß man sich alle Bewegungen lebendig vorstellen können. In den Ballspielen aller Art muß man die höchste Aufmerksamkeit, die schärfste Beobachtung und sehr große Geschwindigkeit haben; dazu kommt, daß es in den Ballspielen so viel Zusammenwirken gibt, was seine besondere große Bedeutung hat. Wenn ,, Kinderfreunde" aber Ausflüge auf das Land machen, tommen neue Seiten des Geisteslebens in Funktion. In der Natur erlebt man so überaus vieles. Man lernt die Ohren aufmachen, um den Gesang der Vögel zu hören. Man reißt die Augen auf, um alle Schönheiten und Wunder aufzunehmen. In der Natur merden Phantasie und Nachdenken in Bewegung gefeßt. ,, Kinderfreunde" sind deshalb auch Naturforscher, die Schönheitsein drücke und Wissen sammeln.

Hierzu kommt aber noch, daß die Kinderfreunde" auch am Lagerleben teilgenommen haben, und damit ist ein großer Fortschritt gemacht. Im Lager muß Ordnung und Friede herrschen, und im Zelt müssen alle Freunde sein. Deshalb ist

das Lagerleben eine Erziehung zum Frieden und gegenseitiger Hilfe", das Hauptprinzip des Sozialismus.

portugiesisch- alle Sprachen sind vertreten, ohne Ende der Zug. Bor der Grotte ein turzes Halten, dann werden sie in die Bäder geführt, die faltes Quellwasser durchströmt. Sie tauchen in drei nebeneinanderliegende Beden, jeder ein Inappe halbe Minute, dann An die Stelle des Kampfes aller gegen alle will der Sozialismus tommt der nächste dran. Vor dem heiligen Bad werden ihnen alle Kräfte sammeln in gemeinsamer Arbeit zur gegenseitigen Hilfe Brothejen, Sonden, Stredverbände abgenommen, einer nach dem i gegen alle Schwierigteiten und Gefahren des Lebens und zur größt.

Frankreich .

Der Henter noch immer an der Arbeit!

Bier Hinrichtungen in etwa zehn Tagen. Eine zufällige Häufung! Trotzdem ein Beweis, daß die Todesstrafe in Frankreich öfters voll­

Der Muttermörder. In Epinal wurde der wegen Muttermordes zum Tode verurteilte Vaillan hingerichtet. Er hatte in der Absicht, sich der Habe seiner Mutter zu bemächtigen, sie mit Arjenit zu vergiften versucht. Die Dosis war aber zu gering. Da schlug er ihr das Nachts mit dem Hammer den Schädel ein. Baillan bestieg schweigend das Schafott.

Das Geständnis vor der Hinrichtung. In Rouen wurde Paul Lagie, wie dies in Frankreich üblich ist, öffent­lich hingerichtet. Er hatte im Juli des vorigen Jahres in der Nähe von Dieppe den Gutspächter Foquon und dessen alten Knecht er­mordet und hinterher das Gut angezündet, um die Spuren seines Verbrechens zu verdecken. Als er am Morgen der Hinrichtung ge­fragt wurde, ob er vor dem Tode noch irgendeine Mitteilung machen wolle, sagte er: ,, Ja, ich will ein Geständnis machen; ich hatte bei der Tat einen Spießgefellen, Renaud aus Newchatelle. Von ihm stammt der Plan, die beiden Alten zu töten. Er war es auch, der an Foquon die Hand angelegt hat. Die 1100 Fr. haben wir geteilt. Ich schmieg vor Gericht, weil wir einander geschworen hatten, reinen Mund zu halten. Jetzt ist mir aber alles gleich." Der Staatsanwalt nahm die Aussage zu Protokoll, und Lagie unterschrieb sie. Sein Geständnis schob aber nicht die Hinrichtung hinaus. Sie hatte sich nur um 45 Minuten verzögert.

Die polnischen Banditen Sintichuf und Pasch to miti. Beide waren wegen mehrfachen Raubmordes und einer Reihe anderer Verbrechen vom Pariser Gericht zum Tode verurteilt und sind am Morgen des 3. April auf dem Boulevard Arago durch die Guillotine hingerichtet worden. Zur Hinrichtungsstätte begleiteten sie der russisch - französische Anwalt Rudenfo und die Anwältin Ehr lich, zum erstenmal erfüllte eine Frau diese traurige Pflicht. Ihr Klient Sitschek bat, ihr die Hand füssen zu dürfen, was sie ihm ges ftattete. Baschtowsti sang seinem Anwalt Rudenko zum Abschied eine Strophe aus dem Liede vom Räuberhauptmann Stenka Rasin ". In der Nähe des Boulevard Arago hatten sich trotz der Geheim. haltung der Hinrichtung einige hundert Neugierige versammelt. Die Guillotine war eben erst aufgestellt worden. Die Hinrichtung wurde vom Henter Deibler zollzogen. In wenigen Augenblicken war fie vorüber. Sintschut betrat das Schafott mit der Zigarette im Mund. Bevor die Henkersgehilfen ihn packten, besaß er noch die Kaltblütig. teit, feiner lingebung ein Auf Wiedersehen" zuzurufen. Dann sagte er noch: Vorsichtiger, vorsichtiger!" Im nächsten Moment faufte das Messer der Guillotine herab.

Es waren dies die 238. und 239. Hinrichtung des Henters

Deibler,