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BERLIN Dienstag 12. April

10 Pf. Nr. 162 B 90 45. Jahrgang.

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Lebendig ins Grab geworfen? Die Hintergründe des Giettiner Kememord-prozesses.

Im Fememordprozest Greifenhagen gestand der « Hauptbeschuldigte Leutnant Heines vor dem Ttettiner Gericht den Roßbach-Mann Paul Schmidt alsVerräter" niedergeschossen zu haben. Er verschanzt sich dabei hinter die offenbar zwischen mehreren Angeklagten vereinbarte Aus- rede, er sei von Schmidt angegriffen worden. Die Persönlichkeit Heines', der zu den Rechtsputschisten gehörte, verdient eine nähere Beleuchtung. Der Hauptangellagte ini Stettiner Fememordprozeß, Leutnant a. D. Heines, ist einer der bekanntesten und meistgenannten politischen Führer der Münchener Putschisten. Heines, der die schauerliche Mordtat in Pommern im Jahre 1920 begangen hat, war zwei Jahre später Führer der Abteilung Roßbach in München . Im Auftrag seines Führers Oberleutnant Roßbach gliederte Heines die Gruppe München der Abteilung R o tz b a ch alsSiebente Hundertschaft" in die nationalsozialistische Sturmabteilung Adolf Hitlers ein. Bei den Putschoorbereitun- gen 1923 wurde der Fememörder Heines Führer der gesamte« nationalsozialistischenSturmarmee". Für seine Mitwirkung am Hitler.Putsch erhielt Heines eine längere Freiheitsstrafe. Jetzt, nach nahezu acht Jahren, steht er wegen des Fememordes vom Juli 1920 vor Gericht, also wegen einer der scheußlichsten Mordtaten, die je verübt stnd. Stundenlang fuhren Heines und Ottow den überwältigten und gefesselten Schmidt im Walde hin und her, um eine Stelle, wo ste ihn ungestört erschießen und begraben könnten, zu finden. Schmidt, der schließlich sein Bewußtsein wieder- erlangt halle , wußte ganz genau, was mit ihm vorging und mußte stundenlang die Reden der Mardbeflien mit anhören, die fich über seine bevorstehende Ermordung unterhielten. Es lohnt nicht, die Einzelheiten der unglaublich bestialischen Dorbereiwngen der Tat noch einmal aufzurollen, die in Stettin ja zur Sprache kommen. Wesentlich ist folgendes. Den e r st e n Schuh auf den wehrlosen und seit vielen Stunden gemarterten Schmidt gab Leuwant Heines ab. Heines und Ollow haben jeder mehrere Male aus ihren Pistolen geschossen. Der Schwerverletzte wurde von den Roßbachern noch schwer mißhandelt und mit Füßen getreten. Die grauenhafte Szene findet ihren Höhepunkt in der fast unvorstellbaren Tatsache, daß der unglückliche Schmidt noch lebend in sein Grab geworfen wurde! Die Roßbacher haben dann in Gegenwart von Leutnant Heines das Grab zugeworfen und die Stelle durch darüber gestreutes Laub unkenntlich gemacht. Später beschlossen die Roßbacher, die Leiche des Schmidt umzubetten. Auch das neue Grab ist festgestellt worden, die Leiche jedoch nicht gefunden. Leutnant Heines, der durch die Angaben feiner Mitange- klagten auf das schwerste belastet ist, konnte trotz seiner bestialischen Mordtat noch 8 Jahre lang in der putschistischen und nationalistisch«« Bewegung Bayerns eine führende Rolle spielen. Zweifellos hat Oberleutnant Roßbach, zweifellos hat auch Adolf Hitler von dieser Tat gewußt. Der Femcbandit war der Verbindungsmann von Oberleutnant Roßbach zu Hitler und General Ludendorff ! Unzählige Male weilte dieser Mörder in der Villa Luden- dorffs in Prinz Ludwigshöhe bei München . Wie eng die Be- Ziehungen Ludendorffs zur Abteilung Roßbach und zu Leutnant Heines waren, beweist auch die Tatsache, daß General Ludendorff seinen Diener, den Kriegsfreiwilligen Neubauer gerade in die Abteilung Rohbach abkommandiert hatte, in der er die Rolle eines Adjutanten von Heines spielte, bis er am Tage des Hitler- Putfches auf dem Münchener Odeonsplatz fein Leben verlor. Wer wundert ssch, daß auch der berüchtigte Student Bauer, der die Rathenau -Mörder bei sich beherbergt hatte und ein Attentat auf Scheidemann vorberellete, sich in der Abteilung Roßbach sehr (Fortsetzung auf der 2. Settel

Landung derItalia" bei Stolp .

Wer hat Schuld an dem Unglück? Die Giraßenbahnkaiastrophe auf der Heerstraße. wäre gar keine Zeit gewesen. Als Beweis eine einfache Rechnung: Die Rennbahnstraße ist, sehr gut gerechnet, 400 Meter lang. Wenn sich die drei Unglückswagen auch mir mit einer Geschwindigkeit van 40 Kilometer vorwärts bewegt haben(es sind sicher viel mehr ge- wesen), so haben die Wagen für die 400 Meter eine runde halbe Minute gebraucht. Es ist aber zu berückfickstigen, daß die Wagen erst im letzten Drittel der Straße die gefahrbringende Geschwindigkeit erreichten. Wenn der Fahrer nun das Notsignal nach hinten gegeben hätte, wäre es den Schaffnern einfach unmöglich gewesen, in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit von etwa 10 Sekunden sich durch den Knäuel der Fahrgäste hindurchzuwinden, um die Bremsen betällgen zu können. Irgendeinen Einfluß auf die Geschwindigkeit hätte atsa selbst die stritte Innehaltung der Dienst­vorschriften nicht gehabt. Viel besser wäre es vielmehr gewesen, wenn die verantwortlichen Leute der Straßenbahndirettion bei allen abschüssigen Straßen die Schaffner unter allen Umständen verpflichten würden, an den Hinteren Handbremsen zu stehen, um bei Gefahr sofort eingreifen zu können. Neben einer Verkettung von unglücklichen Umständen unbestreute, glitschige Schienen, außerordentliche Ueberfüllung der Wagen und dadurch vergrößerte Schwungkraft derselben sind also bei dem Heerstraßenunglück auch Unterlassungssünden der leitenden Stellen vorhanden. -i- Zur Klärung der Schuld an der Straßenbahnkatastrophe wurden gestern von der Kriminalinspektion Charlottenburg noch mehrere Schaffner und andere Personen vernommen, deren Aussagen sich mit der Darstellung des Fahrers Redlich mehr oder weniger decken. Leider konnte von den Fahrgästen, die mit dem Fahrer auf der vorderen Plattform des Triebwagens standen, noch keiner ermittelt werden. Diese Zeugen werden deshalb noch einmal gebeten, sich umgehend bei Kriminalkommissar Brandt, 2. ffriminalbezirt des Polizeianits Eharlottenburg, am Kaiser- dämm, zu melden. NoMles Erlebnisse in Aviv. Was rnadil dieBremen "? Berichte auf der 2. Seite»

Zu dem Slraßenbahnunglück erhallen wir aus Leser. kreisen eine Zuschrift, der wir folgendes entnehmen: Die Bezirksverordnetenversammlung Chor- l Ottenburg hat sich mit den Verkehrsverhältnissen an der Un- glücksstelle wie auch mit den Verhältnissen am Spandauer Bock wiederholt beschäftigt. Di« sozialdemokratische Fraktion hat die Straßenbahninspektion West darauf hingewiesen, daß die Verkehrsverhällnisse an den genannten Stellen über kurz oder lang zu einer Katastrophe führen müssen, und sie fand dabei die Unterstützung aller anderen Fraktionen. An der Unglücksstelle ist es besonders die sehr steil abfallende Rennbahnstraße, die in einer scharfen Kurve endet, die immer Gefahren ergibt; am Spandauer Bock schneidet die abfallende Straßcnbahnstreck« die Kreuzung der Reichsstraße, aus der«in starker Automobilvertehr in die Spandauer Chaussee mündet. An beiden Stellen kann ein versagen der Bremsen oder das Zusammenfallen Unglück- licher Umstände zu Unglücken führen. Die Warner in der Bezirks- verordnetenverfammlung versuchte man stets damit abzutun. daß man ihnen fachliche Unkenntnis vorhielt. Daß sie nicht unrecht hatten, beweist das furchtbare Unglück an der Heerstraße. Wenn die Straßenbahndirektion sich jetzt bemüht, herauszutüfteln, welche DienstvorschriftenderFahrerdesUnglückswagens unbeachtet gelassen hat, so sollte sie andererseits auch ver- suchen, festzustellen, ob nicht Unterlassungssünden der Direktion and des Aussichtspersonals vorliegen. Es ist z. B zu fragen, warum die Gleis« der ab- schüssigen Rennbahnstraße nicht in gewissen kurzen Abständen mit Sandhäufchen bestreut wurden, die den Fahrer unabhängig von der Sandstreuvorrichtung des Wagens gemacht hätten. Bei dem Schneewetter am Unglückssonntag wäre dies« Maßnahme sehr an- gebracht gewesen. Auf jeden Fall hätten die drei Wagen nicht die ungeheure Geschwindigkeit erreichen können, die ein Entgleisen in der Kurve zur Folge haben mußte. Auf anderen abschüssigen Strecken soll Sand auf diese Art und Werse gestreut werden. Die Straßenbahndirektion macht dem Fahrer weiter zum Vorwurf, daß er beim Erkennen der Gefahr nicht das Notsignal nack» hinten zu den Schaffnern gegeben hätte, wodurch dies« veranlaßt worden wären» dt« Handdremfen auf den Hinterperrons anzuziehen. Dazu