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Morgenausgabe

Nr. 185

45. Jahrgang

A 94

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag

19. April 1928

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die etRipaltige Nonpareiftezelle 80 Pfennig Reflamezeile 5.- Reichs. nart Kleme Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( guläffig met fettgedruckte Borte), jedes mettere Wort 12 Pfennig Stellengefuche das erfte Bort 15 Brennig. jedes weitere Bort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben sählen für gwes Worte Arbeitsmarkt Beile 60 Bfennig Familianzeigen für Abonnenten Seite 40 Bfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Binden Straße 3. wochentägi non 8, bis 17 lbs.

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Das Wahlmanöver Keudells. Länderproteste gegen den deutschnationalen Innenminister.

Dem Schritt der preußischen Regierung, die gegen die Neudellsche Aufforderung zum Verbot des Rotfront­kämpferbundes Einspruch erhoben und den Staatsge­richtshof angerufen hat, haben sich die Regierungen von Hessen , Braunschweig , Mecklenburg , Sam burg und Lübeck angeschlossen.

Der Reichstagsausschus zur Wahrung der Nechte der Volksvertretung ist durch seinen Vorsitzenden, den Neichstagsabgeordneten Henke( Soz.) zum nächsten Dienstag, dem 24. April, einberufen worden. Auf der Tagesordnung steht die Stellungnahme zu der Aufforde rung des Reichsministers des Innern v. Keudell an die Länderregierungen, ein Verbot des Roten Frontkämpfer­ bundes zu erlassen.

Das Parteimanöver des Herrn v. Keudell wird durch einen Feldzug der Hugenberg- Preffe fräftig unterstüßt, der übrigens schon vor dem Bekanntwerden der Keudellichen Ab­sichten eingesetzt hat.

Der Lokal- Anzeiger" hat dem Amtlichen Breußischen Pressedienst vorgeworfen, daß er einen Bertrauensbruch be gangen habe, um den Rotfrontkämpferbund zu begünstigen. Auf diesen Anwurf antwortet der Preußische Pressedienst:

,, Der Berliner Lokal- Anzeiger" glaubt in seiner Abendausgabe Dom 18. April den Amtlichen Preußischen Pressedienst des Ber trauensbruches bezichtigen zu dürfen, weil eine demokratische Berliner Zeitung die Nachricht verbreitet hatte, daß Reichsminister von Keudell die Regierungen der Länder um das Berbot des Roten Frontkämpferbundes ersucht hatte. Der Lokal- Anzeiger" hat an­scheinend übersehen, daß die im gleichen Berlage wie er selbst er­scheinende, a chtausgabe" zur selben Stunde wie das demokratische Blatt in nicht misverständlicher Form das Berbot des Roten Frontfämpferbundes von dem Reichsministerium des Innern und von den Regierungen der Länder gefordert hat. Aus der ganzen Darstellung der Nachtausgabe" geht herpor, daß dieser Artikel nicht aus einem gefühlsmäßigen" Borempfinden der Absichten des Reichsministeriums des Innern entstanden sein kann, fondern nur auf Grund einer genauen Kenntnis dessen, was beabsichtigt war.

Die erste Anfrage bei der Amtlichen Preußischen Pressestelle am 17. April war auf die Mitteilung gegründet, daß die Reichs­regierung bereits die Tatsache des an die Länderregierungen ergangenen Ersuchens bestätigt hatte. Nunmehr setzte sich die Preußische Pressestelle erst mit dem zuständigen preußischen Mi­nisterium des Innern in Verbindung und stellte fest, daß das preußische Ministerium des Innern auf Grund einer Rücksprache mit dem Reichsministerium des Innern die Tatsache des bereits er­gangenen Erfuchens an die Länderregierungen bestätigen konnte, und daß diese Tatsache auch der Oeffentlichkeit bekanntgegeben werden dürfe. Hiernach sind die Beschuldigungen des Berliner Lokal Anzeigers" gegen die Amtliche Preußische Pressestelle sa chlich in jeder Hinsicht ungerechtfertigt. Wenn das Blait zum Ausdruck bringen will, daß die Amtliche Preußische Pressestelle Berbände, die des Hochverrats beschuldigt sind, durch den Bruch amtlicher Bertraulichkeit de facto begünstigt habe, so steht diese Be­hauptung nicht nur mit der Wahrheit, sondern auch mit den Ge­pflogenheiten eines fairen Journalismus in fraffem Widerspruch." Die Wirkung des Keudellschen Manövers wird sicht­bar. Die Kommunistische Partei und ihre Presse benutzt die Reudell- Aktion zu einer verlogenen Hege gegen die Sozial­

der nach der Verfassung die Richtlinien der Politik bestimmt.

Er wird doch nicht bestreiten wollen, daß es sich um eine bebauerliches Gegeneinanderarbeiten, das bei bem politische, nicht um eine polizeiliche Altion handelt?

Die Presse gegen Keudell.

Der Pressedienst der Zentrumspartei schreibt zu der Aktion des deuschnationalen Innenministers: ,, In der Tat ist es schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, daß die Attion des Reichsinnenministers von feiner sinseitigen Parteilichtet diftiert ist."

Kölnische Volkszeitung"( 3.): Niemand wünscht, daß ein Be völferungsteil, und feien es selbst die so wenig angenehmen Zeit­genoffen wie die Roten Fronttämpfer, aus parteipolitischen Gründen unter ein Ausnahmerecht gestellt werden. Das politische Romentum beschränkt sich leider nicht nur auf die Roten Fronttämpfer, und die Mitglieder der anderen Kampf verbände bestehen ja auch nicht aus lauter Tugendbolden. Das Instrument der staatlichen Macht zur Sicherung der Wahlfreiheit muß fo gerecht nach allen Seiten unparteiisch gehandhabt werden, daß jeder Verdacht parteipolitischer Neben abfichten von vornherein ausgefchloffen ift."

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Kölnische Zeitung "( Boltspartei): Es handelt sich hier um ein Schroffen Gegensatz von Sozialdemokraten und Kommunisten leicht zu einer Stärtung der Kommunisten führen könnte, wenn etwa der sozialdemokratische preußische Minister des Innern ge. zwungen wäre, den Roten Frontkämpferbund zu verbieten. Die Roten Frontkämpfer sind wirklich feine angenehmen Mitbürger, aber verbietet man sie jetzt, so könnten die Länderregierungen auf den naheliegenden Gedanken tommen, diese Maßnahmen auf alle Organe auszudehnen, von denen Wahlterror zu be­fürchten ist. Die politischen Erfahrungen lehren jedoch, in Wahl­zeiten mit Berboten äußerst sparsam umzugehen."

Die Frankfurter Zeitung " weist in einem längeren Artikel zunächst darauf hin, daß von Keudell die ihm noch verbliebene kurze Frist seiner Ministertätigkeit nach Kräften ausnüße, um Wahlpropaganda zu treiben. Das Blatt meist dann nach, daß der Innenminister teinerlei rechtliche Handhabe be­fije, um nach einer Seite hin ein Verbot zu erlassen. Wenn er das Sündenregister der rechts- und linksradikalen Verbände zusammen­ftellen würde, müßte er genau so viel Ausschreitungen auf der rechten Seite buchen. Aufreizungen der rechten Seite hätten im übrigen wiederholt zu Morden geführt.

Nieder mit Matteottis Mördern!

Sozialistische Antwort auf faschistische Herausforderung.

Budapest , 18. April.

flärte, die italienischen Faschisten seien nicht Gäste Heute vormittag erschienen die in Budapest weilenden des ungarischen Boltes, sondern der ungarischen italienischen Abgeordneten und Senatoren auf der Ga- Negierungspartei. Das ungarische Volt fühle sich eng lerie des Abgeordnetenhauses. Als die italienischen verbunden mit dem Italien Mazzinis und Gari. Gäste Plak nahmen, erhoben sich sämtliche Mitglieder baldis und es sehne den Augenblick herbei, wo Italiens der Regierungspartei, der Christlichsozialen, der Wirt- Volt wieder zur Politik dieser großen Freiheitshelden schaftspartei und die parteilojen Abgeordneten, darunter zurückkehrt. Die Faschisten, die nach Ungarn gekommen Graf Apponyi , und brachten Kundgebungen für wären, seien in den Augen des ungarischen Volkes die Italien und die erschienenen Gäste aus. Neun Sozial. Mitschuldigen an der Ermordung Matte. demokraten bieben sitzen. Als in den Reihen der Regie- ottis und der unzähligen anderen Opfer des Fa rungspartei der Ruf laut wurde: Soch Mussolini!", schismus. riefen die Sozialdemokraten stürmisch:., Matteotti ! Nieder mit den Mördern Matteottis! Nieder mit den faschistischen Arbeitermördern!" Die italienischen Gäste dankten für die Kundgebungen der Mehrheit mit römischem Gruß.

Erst nach einer halben Stunde konnte sich ein Regie rungsredner verständlich machen und die faschistischen Ab­geordneten begrüßen. Als ein Monarchist den Sozial. demokraten vorwarf, sie hätten durch ihre Kundgebung die Gastfreundschaft verletzt, meldete sich der sozialdemo­kratische Abgeordnete Malasits zum Wort und er

Faschisten stehlen Arbeiterzeitungen.

Brüssel, 18 April.( Eigenbericht.)

fogenannten Nationalen Jugend" auf offener Straße unweit der Am Mittwoch abend überfielen faschistische Studenten von der Druckerei des Be Peuple" einen Lastwagen mit einem Teil der ersten Abendausgabe des sozialdemokratischen Blattes. Sie stahlen die Zeitungen und schleppten sie in das nahe faschistische Lokal. Augenzeugen benachrichtigten sofort die Polizei, die in das Faschisten­haus eindrang, ehe die Flegel sich entfernen oder die gestohlenen Zeitungen verschwinden lassen konnten.- Die sofort alarmierte Arbeiter miliz dürfte umgehend zu Abwehrmaßnahmen gegen die faschistischen Radaubrüder schreiten.

Befehlsmäßig erschossen?!

demokratie und die preußische Regierung. Sie feit frei er Kreisleiter Schulz II vor dem Stettiner Gericht. - Die Beziehungen zwischen

fundene Tartarennachrichten in die Welt, die von dunklen reaktionären Plänen erzählen: Verschwörung mit englischen Offizieren. Ueberfall auf die Sowjetbotschaft genlant. Herr v. Keudell hat die gröbste und plumpste Wahl= lüge und Wahlheze entfesselt mas der Zweck der Uebung war.

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Herr v. Reudell ist noch Reichsinnenminister, aller­dings auf Abbruch. Hat er dies Wahlmanöver im Einver­ständnis mit dem Rabinett unternommen? Es steht fest, daß der Reichskanzler, Herr Marx, daß mit ihm die Minister Dr. Stresemann und Dr. Curtius von den Keudell fchen Absichten unterrichtet waren. Sie haben dazu geschwie­gen und verstecken sich jetzt dahinter, daß ein 3 ustimmung gen und verstecken sich jetzt dahinter, daß ein Zustimmung von ihnen weder erbeten, noch erteilt worden ist. Herr v. Keudell wieder verschanzt sich hinter seine reffort mäßige Zuständigkeit.

es geht in der Reichsregierung auf Abbruch drunter und drüber. Jeder Minister handelt auf eigene Fauft. Die Parteien, die in der Reichsregierung vertreten sind, be­fämpfen fich untereinander in den schärfsten Formen. In dieser Regierung ist keine Autorität, sie hat feine Autorität nach außen. Um so deutlicher tritt der parteipolitische Charakter der Keudellschen Aktion hervor.

Herr v. Keudell ist dem Ueberwachungsausschuß des Reichstages verantwortlich. Er wird dort gestellt werden. Mit ihm trägt die Berantwortung der Reichstanzler,

Reichswehr und Roßbach.

Steffin, 18. April.

In der heutigen Berhandlung des Fememordprozesses wurde zunächst die Befragung des Untersuchungsrichters über das erste Berhör Fräbels zu Ende geführt.

Es folgt die Bernehmung des Studenten Lewin, der seinerzeit als Kreisorganisator Roßbachs die Umbettung der Leiche vor­genommen und in der Boruntersuchung angegeben hat, von eines über die Mordtat orientiert worden zu sein und von Roß ba ch selbst den Auftrag zur Umbettung erhalten zu haben. Heute bach erflärt er plötzlich, sich nicht erinnern, die Aussage nicht aufrecht­erhalten und nichts beschwören zu können! Bon dem Borfizenden in zurückgenommen zu haben. Der Untersuchungsrichter sowohl wie der die Enge getrieben, verfällt er auf die Ausrede, das Protofoll später Kriminalfommiffar, den Lewin an die Mordstelle führte, bestreiten das energisch. Es folgt

ein neuer Borstoß der Berteidigung. Sie wirft die Verantwortlichkeitsfrage auf und bemüht sich, die das Reichsgericht entschieden habe, daß Straflosigkeit eintreten fann, Reichswehr in den Berhandlungsgegenstand einzubeziehen, da wenn die Angeflagten sich über ihr wirkliches Dienstverhältnis im Irrtum befinden. Der Oberstaatsanwalt pariert: die An­flagebehörde vertrete die Auffaffung, daß es fich hier um einen ganz profanen Mord handle, mit dem staatliche Stellen nichts

zu tun haben. Das Gericht beschließt dementgegen, dem Antrag der Verteidigung stattzugeben und die entsprechenden Aften heran­auziehen.

Der nächste Zeuge ist der damalige militärische Kreisleiter und birefte Borgefehte des Angeklagten Heines, Leutnant a. D. Wal­ther Schult II. Der Vorsitzende fragt: Gab es damals joge­nannte Rollfommandos?" 3euge: In meinem Kreis nicht, weil ich fein Freund von solchen Einrichtungen war. Anderwärts haben sie wohl bestanden. Ben dieser Tat habe ich erst später gehört, wann, tann ich nicht mehr bestimmt fagen."

Vorf.: Was hätten Sie nun getan, wenn Sie von dem Vor­handenfein eines Berräters Kenntnis erhalten hätten?"

3euge: Ich hätte durch meine Geschäftsstelle Ermittlungen anstellen lassen.

War Berrat erwiesen, dann hätte ich unsere Waffen umgebettet und( mit lauter und entschiedener Stimme) den Mann hätte ich befehlsmäßig er schossen."( Bewegung.)

Borf: Und von wem hätten Sie den Befehl bekommen?" Beuge: Das fage ich nicht. Ich als militärischer Leiter hatte nur die Verantwortung für die Waffen, ich hätte den Mann befehls­mäßig erschießen müssen."( Große Bewegung im ganzen Saal.)

RA. Bloch: Bisher war uns der Mund verschloffen. Jetzt tönnen wir sagen, daß diefer Spigel dem Juft mitgeteilt hatte,