Der Abend
Erscheint täglich außer Sonntags. Zugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis für beide Ausgaben 70 Pf. pro Woche, 3 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr. 3
Spätausgabe des„ Vorwärts
10 Pf.
Nr. 192
B 95 45. Jahrgang.
Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Posscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Dönhoff 292 bis 297
Bisher 15 Sozialisten, fein Kommunist gewählt.- 175 Mandate endgültig besetzt.- Stichwahlen nächsten Sonntag.
V. Sch. Paris , 23. April. ( Eigenbericht.)
Der geftrige Wahlgang der französischen Wahlen hat erwar tungsgemäß nur in einem Bruchteil der Wahlkreise ein end. gültiges Ergebnis gebracht. In 427 Fällen hat Stichwahl stattzufinden,
nur 175 Sige find endgültig besetzt worden.
Da die Entscheidung zumeist in sogenannten sicheren Wahlkreisen" erzielt worden ist, lassen sich aus den Zahlen des ersten Wahlganges teine weitgehenden Schlüsse ziehen. Es sind bisher gewählt:
Sozialisten
Kommunisten
Radikale und sozialistische Republikaner.
Gemäßigte Radikale( Loucheur- Gruppe)
Gemäßigte Gruppe( Richtung Poincaré
tung Marin)
Rechtsrepublikaner( Nationalisten der Rich
Konservative( Royalisten und dergleichen)
15
0
20
15
41
72
13
Unzweifelhaft hat der Regierungsblock einen starken Er folg erzielt. Die Parole Poincarés:„ Schüßt den Franken und Schaffung einer stabilen Regierungsmehrheit" hat gezogen. Aber auch der rechte Flügel der Regierungsfoalition, die nationalistische Gruppe. Marin, hat fast durchweg sehr gut abgeschnitten.
Die Sozialisten haben in Paris und Umgebung, mo die Partei seit der Spaltung nur über eine schwache Organisation verfügt, mäßig, zum Teil sogar schlecht abgeschnitten. In der Provinz, besonders in Marseille , Lyon und im industriellen Norden, sind
die Resultate für die Sozialisten im allgemeinen erheblich besser, zum Teil fogar sehr gut.
Léon Blum ist allerdings entgegen den zuversichtlichen Erwartungen der letzten Tage, der kommunistischen Stimmungsmache zugunsten des geflüchteten Abgeordneten Duclos zum Opfer gefallen. Blum hat nur 6000 Stimmen erhalten, rund 1400, weniger, als der zu 30 Jahren Gefängnis verurteilte Duclos . Eine Stichwahl ist notwendig, da aber infolge des mörderischen Rampfes zwischen den beiden Arbeiterparteien eine Wahl des reaktionären Kandidaten in diesem überwiegend proletarischen Bezirk droht, ist Blum entschlossen, zugunsten von Duclos zurüdzutreten. In ganz Paris und Umgebung ist nur ein einziger Sozialist, der Führer der Autodroschtenchauffeure Fiancette, endgültig gewählt; weitere vier bis fünf Sozialisten haben günftige, zum Teil sogar sichere Aussichten einer Stichwahl, es sei denn, daß die Kommunisten die wahnsinnige Barole Mostaus durchführen und ihre Kandidaten gegen sie aus reiner Bosheit auf rechterhalten und den Sieg der Reaktion, die in der Hauptstadt bereits nur allzu erfolgreich gewesen ist, dadurch fördern.
16
Andererseits werden die Kommunisten die sozialistischen Stimmen am nächsten Sonntag bringend benötigen. Sie haben zwar im allgemeinen gut abgeschnitten, aber in ganz Frankreich bisher teinen einzigen Abgeordneten aus eigener Kraft durchbekommen. Selbst Ca chin, weiter Vaillent- Coutu rier, Marty und Doriot , denen die Regierung einen Märtyrer- Nimbus verschafft hatte und die in ficheren" Wahlkreisen aufgestellt waren, müssen sich zur Stichwahl stellen.
Die Sozialisten betrachten es als ihre Pflicht, den kommunisten dort zum Erfolge zu verhelfen, wo die Reaffion sonst fiegen fönnte.
Vielleicht wird diese Tatsache die Kommunisten zur Gegenseitigkeit veranlassen. Die Kommunisten sind zwar bisher leer ausgegangen, aber sie können mit sozialistischer Hilfe etina 15 Mandate im zweiten Wahlgang erobern, vor allem in Paris und Umgebung.
Fast alle Minister, die sich als Deputierte zur Wahl stellen mußten, sind im ersten Wahlgang wiedergewählt worden, insbesondere der Außenminister Briand , der Marineminister Lengues, der Unterrichtsminister Herriot und der Eisenbahnminister Tardieu, die sämtlich erdrückende Mehrheiten erzielt haben. Der Handelsminister Bokanowski, von dem man an nahm, daß ihm die Enthüllungen der beiden Weltflieger Costes und Le Brig das Genic brechen würden, ist wider Erwarten mit 15 Stimmen abfoluter Mehrheit in einem Bariser Borort bereits gewählt worden. Noch nicht wiedergewählt sind der Kriegsminister Painlevé , der Ackerbauminister Queuille und der Arbeitsminister Fallieres. Die beiden ersten sind jedoch ihrer Wieder wahl sicher. Es fehlten Painlevé mur 70 Stimmen, um schon im
|
S.PD
Redner sprach für die Zentrumspartei das Mitglied des Gauvor standes Fest. Mit einem Hoch auf die Republik schloß die Kundgebung.
Das Reichs banner hat gestern in einem großen Aufmarsch| Parteien im Kampf gegen die Reaktion zu unterstüßen. Als letzter im Bezirk Brenzlauer Berg wieder ein Bild von seiner Stärke gegeben. Auf dem Arnswalder Plaz sammelten sich die Reichsbannerkameraden und die Abteilungen der Sozialdemofratischen Partei des Bezirks Prenzlauer Berg . Die Beteiligung des Publikums war außerordentlich gut. Der Zug, an der Spize die Musikkapelle und die Fahnendelegationen des Reichsbanners, bemegte sich in zweistündigem Ummarsch durch die Straßen des Bezirks zum Ererzierplay. Der Aufmarsch der Festteilnehmer auf dem Ererzierplay dauerte 25 Minuten. Vor dem Podium nahmen die Musikkapellen des Reichsbanners und die Fahnen Aufstellung. Nach Begrüßungsworten durch das Vorstandsmitglied des Reichsbanners, Krank, nahm als erster Redner im Auftrage der Demofratischen Partei Chefredakteur Georg Bernhard das Wort. Als zweiter Redner sprach Reichstagsabgeordneter Aufhäuser für die Sozialdemokratische Partei . In packenden Worten umriß der Redner die Aufgabe des Reichsbanners, die republikanischen
Im Bezirk Kreuzberg veranstaltete die Sozialdemokra tische Partei am Sonnabend eine gut gelungene Straßenkund. gebung. An der Spiße des Zuges marschierte das Reichsbanner mit seinen Musikkapellen und Fahnen. Dann folgte das Parteibanner, die Jugend und die Kinderfreunde. Abteilung auf Abteilung mit ihren Fahnen schlossen sich an. Nach etwa zweistündigem Marsch durch den Bezirk zogen die Festteilnehmer auf dem Marheinete plaz auf. In kurzen, anfeuernden Worten forderte Landtagsabgeordneter Otto Maier die Versammelten auf, sich mit aller Kraft dafür einzusehen, daß im Reichstag die Front der Arbeiter durch einen Sieg der Sozialdemokratie gestärkt wird.
Bericht auf der 2. Seite.
Bericht auf der 4. Seite.
ersten Wahlgang gewählt zu werden. Abgeordnete haben das Schicksal von Blum geteilt.
Nur wenige sozialistische| naudel in Toulon , Brade in Roubaix , Longuet in der Pariser Bannmeile, Grumbach in Mülhausen , Peirotes und Georg Weil in Straßburg . Im Elsaß ist übrigens eine über. raschend starke Stimmenzahl für die offenen oder versteckten Auto. nomisten abgegeben worden.
Besiegt ist bisher keiner,
aber einige werden den Kampf zugunsten eines besser gestellten fommunistischen oder radikalen Kandidaten aufgeben müssen. Der sozia- Unter den bekannten bürgerlichen Politikern befindet sich der liftische Präsident der Deputiertentammer Bouiffon ist bei Mar- Großindustrielle Loucheur in einer schweren Stichwahl in einem seille mit erdrückender Mehrheit wiedergewählt worden. Ebenfalls proletarischen Wahlkreis von Nordfrankreich, doch sind seine Auswiedergewählt ist der Finanzspezialist der Fraktion, Bincent fichten nicht schlecht., Der steinreiche Verleger des Petit Parifien" Auriol, bei Toulon , von dem allgemein behauptet wurde, er Dupuy, der für seine Wahlproraganda ungeheure Summen aus sei in schwerer Bedrängnis. Auch Paul Boncour wurde leicht gegeben hatte, ist in einem Pariser Bezirk endgültig durchwiedergewählt. Der Generalsekretär der Partei Paul Faure be- gefallen. Bei Baron von Rothschild dagegen hat sich die findet sich für die Stichwahl in sehr günstiger Position, ebenso Re- Geldverschwendung gelohnt. Er ist in den 2pen wiedergewählt.
" 1