Morgenausgabe
Rr. 193
A 98
45.Jahrgang
Böchentlich 70 Bfg. monatlich 3,- im voraus zahlbar. Boftbezug 3,72 einscht Bestellgeld. Auslandsabonne ment 5,50 M pro Monat
Der„ Borwärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend, Illuftrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund" Ferner Unterhaltung und Wissen"." Frauen imme". Technif". Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Barwärts"
Vorwärts
Beeliner Boltsblatt
Dienstag
24. Apríl 1928
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 P
Die etsipelttge Ronparethegella 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs. mart Rietne Anzeigen" das fettge. brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Bfennig Stellengesuche das erste Bort 15 Brennig, tebes mettere Bort 10 Blennig Borte über 15 Buchstaben ählen für gwet Borte Arbeitsmarkt Seile 60 Bfennig Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden traße& wochentagl von 8 bis 17 Uhe
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Fernsprecher: Donhoff 292-297 Telegramm- Abr.: Sozialdemokrat Berlin
Sozialistisches Wachstum.
Mehr fozialdemokratische Stimmen in Frankreich als vor der Spaltung!
V. Sch. Paris , 23. April( Eigenbericht.) Die im foglalistischen Parteisekretariat vorgenommene Zählung der für die fozialistischen Kandidaten in ganz Frankreich abgegebenen Stimmen ergibt ein bemerkenswertes und erfreuliches Resultat. Bis jetzt sind 1 620 000 sozialistische Stimmen gezählt, das find 25 000 mehr, als die Sozialistische Partei am 16. November 1919 bei den erften Wahlen nach dem Kriege erzielt hat, als sie noch nicht durch bie Bolschewiften gespalten wat. Dabei ist die Zahl der Wahlberech figten seit 1919 faum gestiegen. Ein Vergleich mit 1924 ist deshalb nicht möglich, weil damals die Partei zum großen Teil gemeinsame Liften mit den bürgerlichen Linfsparteien gebildet hatte.
Es fehlen noch einige Ergebnisse aus den überfeeischen Kolonien, In denen sozialistische kandidaten in mehreren Fällen aufgestellt murden, einer von ihnen ist bereits als gewählt gemeldet, nämlich
der auf der westindischen Jufel Guedeloupe aufgeftellte ehemalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Frossard, der feit etwa drei Jahren wieder der Sozialistischen Partei angehört und feit einigen Monaten Redakteur am Populaire" ist.
Die Konzentration der Linken.
Die rabitale Partei des Departements 3fère hat befchloffen, thre im ersten Wahlgang in die Minderheit verjetten Kandidaten zugunsten der aussichtsreichsten sozialistischen Kandidaten im zweiten Wahlgang zurückzuziehen. Auch aus Amiens werden bereits Einzelfälle von Berzichtleistungen radikaler Randi daten zugunsten begünstigterer fozialistischer Kandidaten und um gefehrt gemeldet.
Die Deutsche Boltsvartei hat unter Herrn Strefeschaft" die and reichte. Es muß wahrhaft erhebend manns Assistenz am Sonntag in Berlin eine Wahlfund gewesen sein. Der Bericht verzeichnet Stürmischen Beifall gebung veranstaltet und bei dieser Gelegenheit ihren Wahl- Als einmal in den Sechziger Jahren des vergangenen aufruf ausgehen lassen. Der Aufruf rühmt die Außenpolitik Jahrhunderts in einem liberalen Berein ein Diskussionsredner Stresemanns allerdings ohne zu bemerken. daß die die Sprache auf die Arbeiterfrage brachte, schnitt der VorSozialdemokratie für diese Politit schon fämpfte, als igende eine weitere Erörterung diefes Themas ab, indem er fie von der Boltspartei noch nach deutschnationaler Manier bie Bersammlung aufforderte, sich zu Ehren des braven bekämpft wurde. Er fordert dann, die Beseitigung der Arbeiterstandes von den Blägen zu erheben. Und so geschah unmöglichen Grenze im Often", ohne freilich zu sagen, auf es. Heutzutage reicht man sogar schon Arbeitervertretern welchem Wege die Erfüllung dieser Forderung erreicht werden öffentlich die Hand- da sieht man den Fortschritt! fann. Innerpolitisch wird die Stärtung der ReichsBom Kampf der Boltspartei gegen den Achtstundentag einheit" verlangt. In verhältnismäßig breiter Form wird mar am Sonntag in der Philharmonie nicht die Rede, eben bann die Frage des Reichsschulgefeges abgehandelt: sowenig von der Erhöhung der Zölle. Und Herr Stresemann Bei den Beratungen des Reichsschulgesetzes haben wir stets den hielt eine Ansprache. die zwar sehr schwungvoll war, aber chriftlichen Grundcharakter der Schule betont. Wir haben uns ge- lange nicht so intereffant wie seine Rede vor den Vertretern mehrt gegen die Antastung der Schulhoheit des der deutschen Provinzpreffe am 21. März. Damals sagte der Staates, gegen die Klerikalisierung des Schulwesens, gegen die Führer der Voltspartei, die tapitalistischen Mächte Berlegung der Lehr- und Gewissensfreiheit der Lehrer, gegen die hätten heute einen größeren Einfluß als je, und heutzutage fomme es vor, daß hochangesehene Poliunnötige Aufbürdung hoher Kosten auf die Gesamtheit der Steuertiter zur Seite weichen müssen, um Männern Blaz zu machen, zahler durch Errichtung lebensunfähiger Zwergschulen. Wie wir für die für das Mandat bares Geld zahlten. Dieses Die Aufrechterhaltung der tonfeffionellen Schule ein getreten sind in den Gebieten, in denen sie dem Willen der Be- Thema wurde am Sonntag in der Philharmonie nicht weiter Dölferung entsprach, ebenso haben wir uns für die Sicherung der vertieft. Für eine Wahlfundgebung der Volkspartei wäre es chriftlichen Simultanſchule dort eingesetzt, wo diese sich in jahr- ja auch so ungeeignet wie nur möglich gewesen. Seinen bisherigen Ministerkollegen v. Keudell, zehntelanger Entwicklung bewährt und dem konfessionellen Frieden hergit, Schiele und Koch widmete Stresemann ein gebient hat. Unser Ziel war das Zustandekommen des Reichsschul- paar herzliche Abschiedsmorte. Er sagte nämlich: gefeßes auf der Grundlage der Reichsverfassung.
Es gibt manche Parteien, von denen wir mit Gretchen fagen tönnten: Wir haben soviel für dich getan, daß uns zu tun faft nichts mehr übrig bleibt! Sonst fäßen manche heute nicht im Gattel Wenn sie nicht reifen fönnen, wenn sie wieder herunter
Das Gesez ist gescheitert durch die Schuldderer, bie überspannte tleritale Forderungen im Sinne ber Schulbestimmungen des bayerischen Kontor bats erhoben, die Koalition ohne Grund gekündigt und dadurchfallen, dann mögen fie liegen bleiben. die Weiterberatung des Gesetzes verhindert haben.
Dagegen hat der Aufruf über die Sozialpolitit weiter nichts zu fagen als einige ganz allgemeine, zu nichts verpflichtende Redensarten. Bei der Wahlkundgebung feierte der christliche Gewerkschafter Gerhard die angeblichen Sozialpolitischen Verdienste des Bürgerblocks. Darüber mar der Fabritbefizer Hembed aus Westfalen fo gerührt, daß er Herrn Gerhard nicht nur in öffentlicher Rede dankte, sondern ihm auch zum Zeichen der wahren Boltsgemein
Es stedt Humor in dieser Aeußerung, aber auch eine ganze Dosis Zynismus. Die Volkspartei hat jahrelang mit einer Konsequenz, die man sonst bei ihr nicht findet, zum Bürgerblod getrieben. Ihr Führer gibt das zu, er gibt aber auch ganz vergnügt zu, daß der Bürgerblod eine Pleite gewesen ist. Trägt für den mißlungenen deutschnationalen Sonntagsritt nicht die Bolkspartei die Mitverantwortung? Was sagt der Reitlehrer, Herr Scholz, dazu?
Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. S
Im Laufe des Montag ist in der Beurteilung des Wahl ergebnisses ein unverkennbarer Stimmungsumschwung eingetreten, der in allen Blättern von rechts bis links zum Ausdrud tommt. Der erste Eindrud in der Nacht vom Sonntag zum Montag stand im Zeichen der zunächst eingetroffenen Ergebnisse von Paris und Umgebung. Daher die Zufriedenheit der Rechten und die Gedrücktheit bei den Sozialisten, auf die vor allem das schlechte Abschneiden Leon Blums deprimierend wirkte. Inzwischen sind aber die Ergebnisse aus dem ganzen Lande eingetroffen, zuletzt die für die Partei sehr wichtigen Meldungen aus dem industriellen Norden und aus den ländlichen Gegenden Südfrankreichs . Es sind zwar dort fast ausschließlich Stichmahlen notwendig, aber in den meisten Fällen sind die Aussichten für die sozialistischen Kanbidaten recht gut. Im Norden brauchten die Sozialisten allerdings wenigstens einen Teil der tommunistischen Stimmen, im Süden vielfach die radikalen Stimmen, um die reaktionären Randidaten zu schlagen. In den meisten Fällen dürften sie diese Stimmen sowohl von der einen wie von der anderen Seite erhalten.
Die Parole Moskaus , die aussichtslosen kommunistischen Randidaten aufrechtzuerhalten, ist einfach undurchführ bar gemorden; denn einmal würden sich die fommunistischen. Wähler angesichts der drohenden reaktionären Gefahr zum großen Teil um diese Parole einfach nicht fümmern, auf der anderen Seite brauchen die Kommunisten unbedingt sozialistische Stimmen, um überhaupt Kandidaten im zweiten Wahlgang durchzubringen.
Da unfere führenden Genossen sich in ihren Prognosen unzmeifelhaft getäuscht haben, wie fte felbft offen zugeben und besonders in der Hauptstadt wesentlich schlechter abgeschnitten haben als sie dachten, möchten wir diesmal nicht allzu fest auf den neuerdings wiedergefehrten Optimismus bauen, der sogar abermals die Möglichkeit eines sozialistischen mandatszuwachjes gegenüber der alten Rammer für gegeben hält. Aber noch charakteristischer sind die besorgten Kommentare der Rechtspresse, vor allem in ,, Intransigeant", über die Gefahr eines geschlossenen Vorgehens der Linksparteien, d. h. der Sozialisten mit den Kommunisten und der Radikalen mit den Sozialisten am nächsten Sonntag.
Alle Blätter ftimmen ebenfalls darin überein, daß man
einstweilen noch gar nichts jagen fann, daß der erste Wahlgang das Land in einen Zustand der Konfusion und das fünftige Antlig des Parlaments und die RegierungsUngewißheit gelassen hat und erft der zweite Wahlgang das fünftige Antlig des Parlaments und die Regierungspolitit der nächsten Zeit entscheiden wird.
In den nächsten Tagen werden die sozialistischen Bezirks verbände zu den Ergebnissen des ersten Wahlganges Stellung nehmen und die Parole für den zweiten Wahlgang ausgeben. Nach den Beschlüssen des letzten Parteitages fann von einer einheitlichen Parole für ganz Frankreich nicht die Rede sein, vielmehr haben die einzelnen Bezirksverbände freie Hand. Auch innerhalb der einzelnen Bezirksverbände, namentlich in Seinedepartement, wird es eine einheitliche Tattit nicht geben, sondern man wird sich von Fall zu Fall in jedem einzelnen Wahlkreis entscheiden.
Eine vorläufige Zählung der im ganzen Lande erzielten sozialistischen Stimmen ergibt ungefähr 1600 000 Stimmen. Die Kommunisten bleiben mit etwa 1 100 000 Stimmen erheblich dahinter zurüd, allerdings haben sie rund eine Viertelmillion Stimmen gewonnen. Das haben sie vor allem der Unzufriedenheit der Massen über die Teuerung, der Empörung über die Verfolgungen durch die Regierung und über die ma ßlofen Gefängnisurteile der Gerichte zu verdanken. Außerdem ist nicht zu verkennen, daß die nicht immer tonfequente Taktik der sozialistischen Fraktion. in den letzten vier Jahren dazu beigetragen hat, den Kommunisten einen Stimmenzuwachs zu verschaffen. Man hatte
Morgen Mittwoch, Sportpalast, 19% Uhr:
Sozialdemokratie und Wahlen!