Nr. 193• 45. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Dienstag, 24. April 1925
wohl neben den Geldgebern auch den Berufsorganisationen zuga- standen werden muffen. Die in der Umgebung von Berlin errichteten Gewächs» hansanlogen haben vielfach eine Grundfläche, die einem Morgen (2300 Quadratmeter) gleichkommt, so in Lichtenrade : 125X20 Meter, in Mariendorf -Britz : vier Häuser a 56X10,50 Meter— 2350 Quadratmeter, in Mariendorf : 58 X 22 Meter— 1275 Quadratmeter, in M a h l s d o r f: 90 X 50 Meter= 4500 Quadratmeter usw. In der letzterwähnlen Anlage sind ZZ 000 Rosen angepflanzt worden. Neue Kuüurmethoden, eine Anzucht an Draht- stäbcn nach amerikanischem Muster, kommen zur Anwendung. Zlls Maßstab für die finanzielle Tragweite möge gelten, daß der Preis für Bedeckung einer Fläche von einem Morgen sich auf etwa 54000 M. stellt. Wie schon hervorgehoben, ist die Lösung des Problems davon abhängig, daß der Konsument, resp. der diesen repräsentierende Händler, das ganze Jahr hindurch genügend reichlich bestes Materiol— sei es nun Gemüse oder Blumen— erhält. Dann wird der Absatz sicher sein und Publikum und Händler lieber zu dem gleichguten deutschen Erzeugnis greifen, das den Borzug der Frische hat. Aber darüber hinaus muß der deutsche Gartenbau bemüht sein, die alte Stellung im Export wieder zu gewinnen. Nordische und östliche Länder waren gute Abnehmer— sie werden bei Höchst- leistungcn wieder gewonnen werden können.
Deutschland erwacht. Auch der Dümniste sieht ein, daß es mit dem bisherigen Schlendrian in Landwirtschaft und Gartenbau nicht mehr weitergehen kann und daß der Ruf: Kauft nur deutsche Er- Zeugnisse', sinnlos wird, wenn keine solchen Erzeugnisse vorhanden find. Deutschland braucht zurzeit mehr Butter, mehr Eier, mehr Frichgemüse als es liefern kann— es braucht auch mehr Blumen. Erst wenn die deutschen Produzenten mit ihrer Uel>erschußau-.fuhr auf den Weltmarkt kommen werden, wird es Zeit sein, sich mit der Einfuhr aus dem Auslände auseinanderzusetzen— ober dazu gehört, daß die übermäßig gesalzene..DauernbiUter", das allzu kleine Ei, nicht als die höchsten Güter der Nation gepriesen werden, die zu verschmähen Landesverrat ist. Ein Umschwung bricht sich endlich Bahn. Was an dieser Stelle oft kewnt worden ist, daß nur gemeinsames Handeln, genossen- schaftlicher Zusammenschluß dem kleinen kapitalschwachen Produzenten eine Macht auf dem Markt« verschafft, daß ferner Weg« gefunden werden müssen, um die vielfachen— nickst immer notwendigen— Zwischenstationen auf dem Wege der Ware vom Produzenten zum Konsumenten auf dos notwendige Maß zu de- schränken— diese Erkenntnis hat schon vielfach Fuß gefaßt und die Anschauungen selbst der im Banne des Londbundes stehenden Er- zcuger beeinflußt. Nun— das Reich, die Länder und, fügen wir hinzu, auch ein- zelne Städte, so vor allem Berlin , haben diesem Selbsthilfe- trieb ein« energische Unterstützung gegeben durch Kredite, die n die Millicinen gehen(z. B. Reich 5 Millionen, Länder 5 Mil- . l-onen) und die dazu bestimmt sind, dem deutsche« Gartenbau die Einrichtungen zu schassen, die nötig sind, wenn er mit der Erzeugung der von der Natur mehr begünstigten Länder gleichen Schritt halten will. Da.zu gehört Herbeiführung einer künstlichen Wann«, die den Treibprozeß so fördert, daß die hier geschützt wachsende Pslnuzc das gleiche Wachstum aufzeigt wie die unter südlicher Sonn« wachsende. Die gewährten Kredite setzen nun deutsche Gärtner in den Stand, in gewaltigen, oft einen Morgen und mehr Land bedeckenden heizbaren Glashäusern Frühgcwüse in großen Mengen heranzuziehen. Auf die Worte.in großen Mengen" ist das Haupt- gewicht.zu legen, denn nur dann, wenn«ine ausreichende Beliefe- ru.ng das ganze Jahr hindurch gesichert ist, kann d«r ausländische Import zurückgedrängt werden. Was bisher wagemutig« Pioniere im kleinen mit eigenen Mitteln durchführten, konnte die Signatur des Marktes nicht ändern, und darauf— auf die Beherrschung
des Marktes— kommt es an. Ztzenn nun bei den kleinen Gärtnern die Befürchtung sich geltend macht, daß sie von den Riesen- etoblissements völlig an die Wand gedrückt würden, so ist dieser Pessimismus nicht berechtigt, sofern die Betriebe sich eben zu ge- meinsamer Arbeit zusammentun. Freilich werden für den Absatz neue Wege zu fmden sein: gerade in dieser Frage wird sich die Beteiligung der Städte an dem Gartenbau ihrer Gegend besonders nutzbringend erweisen. In Berlin ist der Kredit für Blumen bewilligt worden und man kann dies verstehen:«ine Weltstadt wie Berlin hat eine große Schar von Bewohnern und Besuchern, die dem Luxus huldigen können. Für sie im Winter wertvolle Blumen zu liefern und damit der einheimischen Wirtschaft bedeutende Summen zu erhalten, ist schon eine berechtigte Aufgabe. Zu wünschen wäre es natürlich, daß den mit der rentableren Blumenkullnr bedachten kreditempfängera auch die Heranzucht von Frühgemüse auferlegt würde. Eine Kon- trolle Über die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen wird r>
Blick in eine der Rosenhallen.
l �Ozeanflüge" auf dem Wannsee . Demonstrationen der lusthansa. Durch den kühnen Flug der.Bremen " ist abermals die Frag« aufgeworfen worden, ob es in absehbarer Zeit möglich ist, regelmäßige transozeanische Passagen ein- zurichten. Der Flug der.Bremen " will für die Beantwortung dieser Frage gar nichts besagen. Köhls Flug war eln Wagnis auf gut Glück. Wenn dieses Wagnis auch von anderen in nächster Zeit mit demselben Glück wiederholt werden sollte, so wird es noch lange dauern, bis wir auch nur mit annähernder Sicherheit van Berlin nach New Park fliegen können, wie wir heute beispicls- weise von Berlin nach Prag fliegen. Die Sachverständigen aller lustfahrttreibenden Länder sind sich jedoch darüber einig, daß ein Weg gefunden werden kann, der das Gefahrmomcnt des lleberfeefliegens ebenso erfolgreich ausschaltet, wie es bei dem Ueberlondfliegen schon geschehen ist. Noch im vorigen Jahre stritt man sich darüber, ob transozeanische Flüge anr zweckmäßigsten mit Wasser- oder Landslugzcugen zu unternehmen seien. Heute stehen olle Fachleute auf dem Standpunkt, daß für derartige Flüge nur das Wasserflugzeug in Frag« kommt (die Besatzung der.Bremen " benutzte bekanntlich ein einmotoriges Landfwgzeug). Vom technischen Standvunkt gesehen sind hier zwei Fragen zu lösen: Einmal muffen Flugzeuge konstruiert werden, deren Seefähigkeit bei der Landung und beim Start außer allem Zweifel steht: des anderen gilt es, Großapparate zu bauen. die bequem die mitzuführende Last, Nutzlost und Brennmaterial, transportieren können. Mit der Lösung dieser technischen Probleine hat sich die Deutsche Lusthansa seit langem beschäftigt. Am Montag nahm sie Gelegenheit, vor Vertretern der Preffe zu zeigen, wie weit diese Arbeiten gediehen sind. In einem Vortrag über die Entwicklung des Seefluges wies Herr Direktor M i l chjmn der Deutschen Lusthansa darauf hin, daß die Hansa seit 1925 Seelinien betreibt. Augenblicklich werden vier Seelinien bcflogcn. Es kam für die Hansa erst einmal darauf an, die nötigen Erfahrungen zu sammeln. Die gewonnenen Kenntnisse Hot man bei der Konstruktion von Seeflugzeugen benutzt. Was die Hansa am Montag zeigte, war durchaus überzeu- g e n d und ließ den Eindruck zurück, daß wir dem Ziel, Atlantik- paffagen einzurichten, um einen großen Schritt näherge- kommen sind. Bei den Darbietungen wurden zwei Flugzeuge benutzt, die ein Gewicht von 4 bzw. 12 Toimen haben. Bei dem 12-Tomten-Apparot handelt es sich uin den bekannten.D o r n i e r S u p e r w a l". Die Flugzeuge, bei denen wegen des Rollens auf dem Waffer großer m——————— m
Menschen, Göttern gleich... 761 Roman von Herbert George lvells. 5. Man brachte Mr. Barnstaple mit einem Flugzeug an die Stelle auf der gläsernen Straße zurück, wo er zum erstenmal Utopien betreten hatte. Mit ihm kamen Lßchnis und Crystall, der neugierig sehen wollte, was man machen würde. Eine Gruppe von zwanzig bis dreißig Utopen, einschließ- lich Chryseos, erwarteten ihn. Das zerstörte Loboratorium von Ardenn und Chrysolagone war durch neue Gebäude er- setzt worden und auf der anderen Seite der Straße waren Ergänzungsbauten hinzugekommen; aber Mr. Barirstaple konnte ganz deutlich die Stelle erkennen, wo Mr. Catskill dem Leoparden gegenübergetreten war und Mr. Burleigh ihn an- gesprochen hatte. Es waren jetzt mehrere neue Blumenarten herausgekommen, doch die blauen Blumen, die ibn bei der Ankunft so entzückt hatten, überwogen noch. Sein alter Wagen, die„Gelbe Gesahr", der aussah wie das plumpeste Stück Eisenzeug, das man sich denken tonnte, stand aus der Straße. Er ging hin und prüfte ihn. Er schien vollkommen in Ordnung zu sein, er war sorgfältig geölt und der Benzin- tank gefüll!. In einem kleinen Pavillon war sein Gepäck und alle seine sehr sauber zusammengelegten und gebügelten Erdenkleider, die er anzog. Sein Hemd schien ihm über die Brust etwas knapp zu sein und sein Kragen war ganz entschieden zu eng. der Rock schnitt ihm ein wenig unter den Armen ein. Biel - leicht waren diese Kleider eingeschrumpft, als sie desinfiziert wurden. Er packte seinen Koffer und Crystall stellte ihn in den Wagen. Chryseos erklärte in sehr einfacher Weise alles, was Mr. Barnstaple zu tun hatte. Ouer über die Straße, dicht bei dem wiederhergestellten Laboratorium war eine Schnur, so dünn wie ein Spinnenfaden, gezogen.„Steuern Sie Ihren Wagen darauf zu und zerreißen Sie den Faden," sagte Chryseos, das ist alles, was Sie zu tun haben. Dann nebmen Sic diese rote Blum« und legen Sie sie genau an der Stelle nieder, wo die Spuren Ihrer Ränder anzeigen, daß Sie in Ihre eigene Welt zurückgekommen find."
Mr. Barnstaple wurde neben seinem Wagen zurückge- lassen. Die Utopen zogen sich zwanzig bis dreißig Yards zurück und stellten sich im Kreis um ihn herum. Einige Augenblicke waren alle still. 6. Mr. Barnstaple stieg in den Wagen, ließ die Moschine an, ließ sie eine Minute laufen und rückte dann die Kupplung ein. Die„Gelbe Gefahr" bewegte sich auf den Spinnenfaden zu. Barnstaple machte mit einer Hand eine Bewegung, die Lychnis erwiderte. Chryseos und auch andere Utopen machten freundliche Zeichen. Nur Crystall lauerte zu ge- spannt auf das, was kommen sollte. .Leb wohl, Crystall!" rief Mr. Barnstaple und der Knabe winkte heftig. Mr. Barnstaple gab Gas, preßte die Zähne zusammen und trotz seiner Absicht, sie offen zu halten, schloß er die Augen, als er den Spinnenfaden berührte. Wieder kam jenes Gefühl nicht endenwollender Spannung und jener Ton einer zerspringenden Saite. Er hatte den unwiderstehlichen Drang, zu halten— zurückzukehren. Er nahm den Fuß vom Akzelerator fort, der Wagen schien etwa ein Fuß tief zu fallen und blieb dann so heftig und plötzlich stehen, daß Barnstaple vornüber gegen das Steuerrad geschleudert wurde. Der Druck löste sich. Er öffnete die Augen und sah um sich. Der Wagen stand in einem Feld, von dem vor kurzem das Heu abgefahren worden war. Er stand wegen einer Bodenerhebung geneigt da. Eine Heck«, in welcher«in offenes, schwarzes Tor vorhanden war, trennte dieses Feld von der Landstraße. Dicht daneben stand die Ankündigung»- tafel eines Hotels in Maidenhead . An der gegenüberliegen- den Straßenseite lagen flache Felder vor einem Hintergrund niedriger bewaldeter Hügel. Ein Stück wetter zur Linken stand ein kleines Wirtshaus. Er wandte den Kopf und sah Windsor Castle , das sich in weiter Ents«nung über mit Pappeln bestandenen Wiesen erhob. Es war nicht, wie es ihm die Utopen versprochen hatten, die gleiche Stelle, von welcher aus er unsere Erde verlassen hatte, aber sie war gewiß keine hundert Yards davon entfernt. Einige Augenblicke saß er still da und sagte sich un Geiste vor. was er zu tun hatte. Dann setzte er die„Gelbe Gefahr" wieder in Bewegung und fuhr bis dicht an das schwarze Tor heran. �
Er stieg aus und stand mit der roten Blume in der Hand da. Er hatte genau zu der Stelle zurückzugehen, an welcher er wieder in dieses Weltall eingetreten war, und die Blume dort niederzulegen. Es würde ganz leicht sein, durch die Spur des Wagens, die er im Stoppelfeld hinterlassen hatte, diesen Punkt festzustellen. Aber er fühlte ein außerordentliches Widerstreben, diesen Befehlen zu gehorchen. Er wollte diese Blume behalten, es war das letzte, das einzige, was ihm von jener goldenen Welt geblieben war. Dies und der süße Duft an seinen Händen. Es war merkwürdig, daß er nicht mehr als dies mit- gebracht hatte. Warum hatte er nicht eine ganze Menge Blumen mitgenommen? Warum hatten sie ihm nichts ge- geben? Nicht eine Kleinigkeit von ihrem ganzen Schönheits- reichtum? Er wünschte innig, diese Blume zu behalten. Er war versucht, sie durch einen Zweig des Geisblattes von der Hecke zu ersetzen, aber dann erinnerte er sich, daß dies ein Krankheitsträger für die Utopen wäre. Er muhte handeln, wie man es ihm gesagt hatte. Er schritt die Spuren seines Wagens entlang zu deren Anfang zurück, blieb einen Augen- blick stehen, zog ein eiyzelnes Blatt aus der glühendroten Blüte und legte dann den Rest der Blume vorsichtig genau in der Mitte seiner Spur nieder. Das Blütenblatt steckte er in die Tasche. Dann ging er schweren Herzens langsam zu seinem Wagen zurück, stellte sich daneben und beobachtete den Stern von fast leuchtendem Rot. Sein Kummer und seine Erregung waren sehr groß, er mar jetzt tief betrübt, daß er Utopien oerlassen hatte. Offenbar währte die große Dürre noch immer; denn das Feld und die Hecken waren vertrockneter und gebräunter, als er es je zuvor in England gesehen hatte, llever der Straße lag eine dünne Staubwolke, die durch oorüberfahrende Wagen fortwährend erneuert wurde. Diese alte Welt war sichtlich von unangenehmen Erscheinungen, Geräuschen und Gerüchen, die er schon halb vergessen hatte, erfüllt. Da war das Hupen von Wagen in der Entfernung, das Geknatter eines Eisen- bahnzuges, eine durstige Kuh, die sich über ihr Unbehagen beklagte, der Staub und Geruch von kochendem Teer be- lästigen feine Nasenlöcher. Ueber der nahen Hecke und über dem schwarzen Tor war Stacheldraht und zu seinen Füßen lagen Pferdemist und schmutzige Papicrsetzen. Die liebliche Welt, aus der er vertrieben worden war, war nmi auf ein scharlachrotes leuchtendes Fleckchen zusammengeschrumpft., (Fortsetzung folgt.)