Wählt deutschnational
und laßt euch begraben!
Durch die Straßen Berlins flattert ein Blättchen von maigrünem Papier. Die Vorderseite sieht ungefähr so aus: Das Fanal
Wählt
D
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Klettermagens Reinfall.
Von Hans Bauer.
zur Wahl: Deutschnational! fall betroffen worden. Es hat ihn sein Geschick erreicht: Seine Ber
Tragen Sie diesen Ruf weiter und werben Sie gleich zeitig für die Sterbegeldversicherung der Deutschnatio. nalen Boltspartei! Sie bietet gegen faum nennenswerte Monatsbeiträge außerordentliche Leistungen Beachten Sie die Rückseite und erklären Sie Ihren Beitritt zur
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durchaus Makulatur sind und daß man ihnen teine Träne nachzu
Klettermage wer tennte ihn nicht von den Litfaßsäulen| Druckschriften endgültig für Jugendliche verboten worden: Ein anschlägen her, wo er viele Wochen hindurch als schwarzer Menschen. Hamburger Skandalblättchen und drei Kolportageromane. Es muß flects an einer Häuserfassade gezeigt war- Klettermage ist von ohne weiteres gesagt werden( ich habe Einblick in die Schriften einem peinlichen, aber freilich keineswegs unverschuldeten Unglücks- nehmen dürfen!), daß die vier auf die Liste gesetzten Druckwerke haftung hat stattgefunden aber es ist ein Kriminalist eigener Art, meinen braucht. Die allerschlimmsten Befürchtungen, die sich an das der ihn zu Fall gebracht hat: die Münchener Prüfstelle für das Zustandekommen des Gefeßes geknüpft hatten, find also bislang noch Schmutz- und Schundgefeß. Das Gutachten betont die besonders nicht in Erfüllung gegangen, das ist zuzugeben. Aber das heißt starke Schundigkeit des Erzeugnisses und behauptet, daß es nicht den nicht, daß sie nicht noch in Erfüllung gehen könnten, und es heißt Schatten eines Kunstwerkes für sich in Anspruch nehmen könne: und zweitens nicht, daß, wenn das Gesetz bisher auch noch keinen gröbwie immer man sonst zu der Külz - Institution stehen möge, man muß lichen Schaden angerichtet hat, es irgendwelchen Nutzen gestiftet zugeben, daß tatsächlich der Roman und der nach ihm gedrehte Film hätte. So eine auf den Inder gesezte Schrift ist ja gar nicht an eine lapidare Gehirnlcfigkeit beweisen und übelster Dreck sind. sich verboten, fie darf nur nicht öffentlich ausgestellt und nicht an Jugendliche verkauft werden. Wie läßt es sich in der Praxis fontrollieren, ob der Buchhändler sich an das Auslege- und Verkaufsverbot hält? Gar nicht, und auch der Leiter der Oberprüfftelle ließ mir gegenüber durchblicken, daß er dieser Meinung ist. Aber selbst, wenn es fich fontrollieren ließe! Wollte jemand behaupten, daß mit dem Verbot von vier solchen, wenn auch tatsächlich schundigen, so doch völlig belanglofen Schriften der Jugendschuh irgendwie wesent lich gefördert würde? Ein verhältnismäßig großer Aufwand ist hier unnüt vertan. Man braucht nur einmal so eine ungemein gründliche und ganz dem Stil sonstiger Urteile angepaßte Urteilsausfertigung in der Hand gehabt zu haben, die übrigens notwendigerweise mit völlig subjektiven Wertmaßstäben hantiert, um zu erkennen, wie grotest das Mißverhältnis von aufgebotenem Apparat zu tatsächlich Erreichtem ist.
Aber seltsam: es dürfte sich so leicht niemand von den Befür wortern des Külz - Gesezes finden. der einen auf dieses Bekenntnis hin feftnagelte und es etwa triumphierend als Eingeständnis einst mais begangenen Unrechtes hinstellte. Denn der Fall liegt eigenartig genug. Klettermage, dieser amtlich beglaubigte Sensationsschund, ist als Roman der Münchener Illustrierten Presse erschienen, und die Münchener Illustrierte Presse fommt im selben Verlag wie die Münchener Neuesten Nachrichten" heraus, die seinerzeit zu Külzens eifrigsten Anhängern gehörten und mit Feuereifer für das Gefeß ein getreten sind, das sich jetzt gegen ihr eigenes Geisteskind wendet. Entweder ist also Klettermage nicht das Jammerzeug, als das die Münchener Prüfstelle es hinstellt, und dann hätten ja die Linten recht, die die Bedentlichkeit des Gesetzes behauptet haben, oder aber, es ist alles in Ordnung mit dem Gesez, aber dann müßte der deutschnationale Berlag zugeben, feinen Lesern einen literaturlosen Schmarren vorgefeßt zu haben. Wo liegt hier die Lösung?
Sterbegeldversicherung! abgestattet und mich über ihre Arbeitsweise und ihre Ergebnisse in
Deutschnationale Volkspartei Landesverband Berlin
Berlin W 35, Lützowstraße 89-90 Fernsprecher: Lützow 8946- Postscheckkonto: Berlin 36904 Die Rüdseite bringt dann das Formular einer Beitrittserflärung, die mit folgenden Worten beginnt:
Ich stelle hierdurch für mich den Antrag auf Aufnahme in die Kollektiv- Risikoversicherung der Deutschnationalen Volkspartei ...
Die Verbindung der Wahlagitation mit der Propaganda für ein Versicherungsgeschäft ist jedenfalls originell und in diesem Fall von finnbildlicher Bedeutung. Indem die Deutschnationale Partei anderen eine Versicherung gegen das Sterben anbietet, möchte sie sich selber gerne gegen das Sterben versichern. Vergeblich! Sie ist von Todesahnungen erfüllt und marschiert unter den Klängen des Chopinschen Trauermarsches mit umflorten Zylindern in die Wahlschlacht. Reine Rollettiv- Risikoversicherung" wird sie vor dem verdienten Schicksal bewahren.
Die Kommunisten halten sie im Augenblick für zweckmäßig Die Art, wie die Kommunisten gestern den Roten Frontfämpferbund gegen ein Verbot durch den Reichsinnenminister„ verteidigten", gehört zu den wildesten Grotesten, die sich auf politischem Gebiet abgespielt haben. Wie bereits berichtet wurde, tamen durch die bürgerliche Mehrheit die Anträge zu Fall, die die Reichsregierung zu einer 3urüdnahme des Verbotes des RFB. aufforderten. Uebrig blieb ein Antrag des Zentrums, der feststellte:
Der Ausschuß hält diese Maßnahmen für im gegenwärtigen Augenblick nicht zwedmäßig.
Nachdem alle übrigen Anträge abgelehnt waren, hätte die Annahme des Zentrumsantrages immerhin die Wirkung eines Einsprudhes gegen das Verbot Keudells gehabt. Da ereignete sich das Unglaubliche: die Kommunist en stimmten mit den Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei gegen den Antrag und bekundeten damit das Gegenteil dessen, was der Antrag sagte, so daß die Stellung der KPD. lautet:
Die Kommunistische Partei hält die Auflösung des Rofen Fronikämpferbundes für im gegenwärtigen Augenblic zweck
mäßig.
Ueber die Tatsache, daß die Kommunisten mit ihrer Abstimmung dieser Feststellung Ausdruck verliehen haben, hilft teine Entschuldigung, keine Beschönigung und feine Begründung hinweg. Prinzip: das ist in der Tat der Inhalt der kommunistischen Bolitik, wie er sich bei den zahlreichen Spaltungen zeigte und wie er auch gestern im Reichstagsausschuß in Erscheinung trat, wo die Rommunisten den Deutschnationalen zur Ablehnung des Miß trauenspotums gegen Keudell verhalsen.
Selbstentmannung des Proletariats als politisches
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In der gestrigen Sigung des Ueberwachungsausschusses des Reichstags ist festgestellt worden, daß we der der Reichskanz ler noch Minister Dr. Stresemann dem Berbot des Roten Frontkämpferbundes zugestimmt haben. Wie wir jetzt aus zu verlässiger Quelle hören, hat Herr v. Keudell nicht einmal den Reichskommissar für öffentliche Ordnung um seine Ansicht darüber gefragt, ob es notwendig sei, den Roten Front tämpferbund zu verbieten. Dieser Reichskommissiar ist doch jozujagen dafür da. Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu beobachten und zu verhüten. Wenn Herr v. Keudell nicht einmal ihn gefragt hat, so wußte er offenbar schon ganz genau, daß der Reichs fommiffar für das Verbot nicht zu haben sei. Um so klarer ist, daß es sich bei der ganzen Attion um nichts anderes handelt als um ein deutschnationales Bahlmanöver, das gestern noch die Unterstügung der Kommunisten erfahren hat.
In den Bereinigten Staaten wird eine Anleihe von 400 Milli onen Dollar zugunsten der Landwirtschaft aufgelegt. Damit soll den Landwirten die Stabilisierung der Preise für ihre Produkte garantiert werden.
Für uns in der Mitte. Kettermage ist schuldig aber das Schund und Schmutzgesetz ist es trotzdem und nichtsdestoweniger auch. Ich habe fürzlich der Oberprüfftelle in Leipzig einen Besuch formieren lassen. Die Arbeitsweise: Alle drei bis vier Wochen ein mal findet, einen Vormittag lang, in nichtöffentlicher Sigung übrigens, unter dem Vorsitz des Ministerialrates Dr. von Zahn und in Anwesenheit von sieben Beisigern eine Verhandlung statt. Die Ergebnisse: Es sind bislang, nach einhalbjähriger Tätigkeit, vier
Das( vorläufig ja allerdings nur von der ersten Instanz einer lokalen Prüfstelle ausgesprochene) Berbot des Klettermage ist, trog aller unbezweifelbaren Schundigkeit des deutschnationalen Mach wertes nur ein neuer Beweis für die Ueberflüssigkeit des Sonder. gesetzes. Viele Zehntausend haben, dank der gigantischen Reflame des reichen Berlages, den Dred gelesen. Biele Hunderttausend werden den von der Emelfa als Film herausgebrachten Murts ge fehen haben. Jeßt, nachdem längst fein Mensch mehr von Kletter. mage redet und vor allem fein Jugendlicher auf den irren Gedanken fommen dürfte, sich das Zeugs zu faufen, tommt München mit einem Berbot dahergehinft und macht nachträglich Reklame dafür!
In der Komödie".
Die erste Berliner Bühne, die ihre Pflicht zur Feier des fünfzig-, jährigen Carl Sternheim erfüllt, hat ein falsches Stück gewählt, die zweite, die ,, Komödie", führt ein echtes Sternheimsches Lustspiel auf, Die Kaffette", bringt aber durch eine troftlos ungeschickte Regie die Aufführung um ihren Sinn. Ein echter Sternheim : scharfgeschliffene Sprache mit sturilen und grotesten Bindungen, ein nicht sonderlich origineller Stoff, springlebendige Zeichnung des Philistermilieus und des Spießers selbst. Den Tanz um das Efel von schifanierender Erbtante, den haben wir schon oft im Lustspiel gesehen. Aber wie Sternheim den herkömmlichen Stoff anpadt, das macht ihm sobald fein deutscher Lustspielbichter nach. Er hätte den Clou der Handlung, die Enterbung der friechenden Verwandten und das
Vermächtnis an die Kirche, als Ueberraschung an den Schluß bringen fönnen. Die Komödie wäre dodurch spannender, aber nicht feiner geworden. Auf äußere Bühneneffette fommt es Sternheim nicht an. Er will dem engstirnigen Bourgeis und seiner Umwelt ein Denkmal sehen. Ein Reiz der Sternheimschen Figuren besteht darin, daß seine Spießer durch die Bant ganze Kerle sind. Der Humor
QUO
Frauenarzt Dr. Schäfer."
Capitol.
Wenn man ein Problem zur Diskussion stellt, soll man es ernsthaft behandeln, ihm aber nicht ängstlich ausweichen, wie das dieser Hegewald- Film tut. Jane Be ß, die das Manuskript schrieb, hat Furcht vor der rauhen Wirklichkeit, daher konstruiert sie sehr unbeholfen einen Filminhalt. Man meint vorerst, die Herren Aerzte hätten untereinander Krach, und gegen alle Gepflogenheit würde das Publikum hinzugezogen; doch zu guter Letzt erfährt man, daß der Arzt, der durch einen ungeschickten Eingriff das Leben eines jungen Mädchens vernichtete, ein gefälschtes Doktordiplom befizt und nur ein Heilgehilfe ist. Dieser saubere Herr, der von Dr. Schäfer nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern mit Rücksicht auf die Familie des Professors Hausen ins Ausland abgeschoben wird, vergewaltigt noch erst schnell Evelyn, die Tochter des Professors. Als sich Folgen einstellen, heiratet Dr. Schäfer Evelyn, womit offenbar eine für das Filmpublikum bewunderungswürdige Tat vollbracht sein soll. Mit der Vererbungstheorie usw. scheint sich dieser Frauenarzt gerade nicht beschäftigt zu haben. Ob nun Papa Professor, der so blindmütig für die Aufrechterhaltung der Abtreibungsparagraphen ein. tritt, anderer Ansicht geworden ist, geht aus dem Film nicht hervor. Das Premierenpublikum nahm ihn auch nicht ernst, sondern lachte oft aus sehr berechtigter Proteststimmung heraus. Die Ablehnung
quillt nicht billig aus der Veralberung von Menscheninpen, sonders aus der lebensechten Schilderung lächerlicher und blamabler Bewohn heiten. Sternheims Personen haben Charakter, die Erbtante, die mi brutaler Offenheit ausspricht, daß sie für das folossale Erbe vor 140 000 m. ihre Macht austosten will, und der Oberlehrer Krull, der ihr nicht verheimlicht, wie wenig ihm an ihrer Person und wie vie an dem erwarteten Geld gelegen ist. Auch die Nebenfiguren sink nicht errechnete Schemen; fie strogen von faftigem Leben. Es ist das richtige Stück für eine Geburtstagsehrung. In der karikaturisti... schen Schärfe der Zeichnung liegt Sternheims Stärke. Sein ver schnörkelter Sprachstil hat in dem Interpreten Seidenschnur eines besonderen Reiz, weil die Figur selbst verschnörkelt ist.
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Es ist schwer, das famoje Luftspiel zu verschandeln. Den Regisseur Wolfgang Hoffmann- harnisch ist es restlos ge lungen. Die Rassette" spielt in der Vorkriegszeit fie ftammi aus dem Jahre 1912. Die Personen erscheinen also in der altmodisc wirkenden Tracht von damals. Sollen! Der Regisseur hat in falschei Bietät auch einen altmodischen Bühnenstil gewählt. Das geht natür lich nicht. Wir leben heute nicht mehr im früheren gemütlichen Tempo. Also muß man viele Stellen, die 1912 noch Sinn und Reij gehabt haben, erbarmungslos streichen, damit durch ein furioses Tempo der Humor leuchtender wird. Die Komödie" macht sich ein Ehre daraus, eins der fultiviertesten Berliner Theater zu sein Auch an weniger anspruchsvollen Bühnen wird aber fultivierter gespielt als gestern am Kurfürstendamm . Es ist traurig, mas für billige Mätzchen Jakob Liedtke verübt, uni Romit um jeden Preis aus seiner Rolle des Oberlehrers Krull herauszufigeln. Die Mono loge, die hier Sternheim verwendet, müssen selbstverständlich als Selbstgespräche geführt werden. Tiedtke schleudert sie in Bossen manier mitten ins Publikum. Traurig, mitanzusehen, wie Blandine Ebinger , die famos gezeichnete Oberlehrerstochter, ins gewoll! Groteske verzerrt und damit der Figur jedes Leben abtötet. Von der Regie unbeeinflußt, stellen Dagny Servaes , Heinz Rühmann und Adele Sandrod großartige Typen auf die Beine. Die gloriofeste Leistung die Sandrock als giftige Erbtante. Ein Haus drachen, wie er fürchterlicher nicht in beängstigenden Träumen er fcheint. Ihr aufblizender Blid vernichtet restlos. Einen ersten Plat hat sich gestern Hans Rühmann als Seidenschnur erspielt. Er gibt da eine stumme Szene als Hausphotograph mit überwältigender Komit, er seht seine Worte und seine Füße auf Etelzen. Die Zu schauerschaft lacht aus vollem Halfe.
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Die hervorragenden Leistungen dieser drei können den Abend
aber auch nicht retten. Der Beifall am Schluß klingt dünn.
Ernst Degner.
hätte auch bestimmt weit schärfere Formen angenommen, wenn nicht sofort nach Schluß des Films die Hauptdarsteller auf der Bühne erschienen wären, um die üblichen Riesenblumensträuße entgegenzunehmen.
Unter den Schauspielern zeichnet sich vornehmlich Evelyn Holt aus, die sich schnell die Sympathien des Publikums erwarb und bereits ein Typ für zarte Menschenkinder wurde. Des öfteren läuft sie zwar Gefahr, übermäßig sentimental zu wirken. Hans Albers ist mal wieder ein Etel allerersten Ranges. Iwan Petrowitsch gefällt als Liebhaber( er macht sich interessant durch dunkel ummalte Ausen) und Leopold Kramer charakterisiert gut den Professor Hausen. Für die Regie zeichnen J. und 2. Fleck verantwortlich. Sie stellen die Schauspieler in kostspielig möblierte Zimmer und bemühen sich mitunter trampshaft, z. B. durch eine Untersuchungsszene beim Arzt und durch ein paar nackte Girlbeine, eine pitante Note hineinzubringen.
e. b.
Käthe Kolwitz Vorffeherin eines Meifferafeliers. Stätbe Stollwig ist vom Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung zur Vorsteherin des Meiiterateliers für Graphit an der Preußischen Akademie der Künfte zu Berlin ernannt worden. Frau Kollwig hitt zugleich dem Senat der Akademie bei.
Das Gastspiel des Mosfouer jüdischen akademischen Theaters" im Theater des Westens wird um weitere zehn Tage verlängert. Der Spielplan ift geändert, Mittwoch, Sonnabend, Sonntag:„ Die Reise Benjamins III." Dienstag, Donnerstag, Freitag: 200000".