Einzelbild herunterladen
 

Ir. 203* 45. Jahrgang*1� Sovniag, 29. April-tS2S

Das ist dieselbe Geschichte wie mit dem lieben Mond: Alle kennen wir seine leuchtende, hell« Seite, aber keiner von uns w«ß, wie es drüben aussieht, auf der Seite, die die Sonnenstrahlen er- hellen. So kennen wir alle auch die blanken, großen Schaufenster der Kaufhäuser, aber die wenigsten können sich eine Vorstellung davon machen, welch einen Betrieb für sich die Dekorotionswerkstatt eines großen Kaufhauses eigentlich vorstellt. Sie ist wirklich ein kleines Reich, und der Herr Chefdekorateur ist hier der absolut« Herrscher. Keller und Boden. Zwei verschiedene Provinzen hat dieses unbekannte Reich: den Keller, in dem alles aufbewahrt wird, was sofort greifbar zur Hand sein muß, und den Boden von ihm wird noch später zu reden sein. Im Keller steht vor allem die Armee der stmnmcn und toten Statisten der Werbung, der lieblich lächelnden Damen, Herren und Kinder, an denen wir die Kleidsamkeit und die sonstigen Vorzüge der unerschwinglichen neuen Sommergarderobe bewundern können über hundertfünfzigPersoven" stehen hier zur Verfügung. Es ist ein kostbares Material, schon eine kleine, moderne Kinderfigur kostet fast neunzig Mark. Sie werden darum auch olle äußerst respektvoll behandelt,«nd dieProminenzen ' hoben sogar olle eigene Schränke mit Glasfenstern in den Türen, aber sie erleben alle das- selbe Schicksal eines schönen iogcs werden sie ausquartiert, und dann geht es von Stufe zu Stufe abwärts, und schließlich muß die wunderschöne Dam« aus dem Eckfenster, deren schlanken Leib immer die wundervollsten Gesellschaststoiletten schmückten, sich dach berbeilossen, in einem Winkel eine Wirtschastsschürze vorzuführen. Aber auch das will gelernt sein, und so wird dir wachsdame noch einmal richtig umgebaut, sie kriegt neue Arme, und ein paar freund- schastlichc Püffe mit den nötigen harten Werkzeugen bringen ihr bald-die bescheidene Haltung bei, die zu einer Wirtschastsschürze gehört. Ileberhoupt ist dafür gesorgt, daß alle diese Herrschaften reichlichVerwechselt, verwechselt das Bäumetein" mit ihren Glied- maßen spielen können, und dke Aufschriften aus den Kästen wirken ganz Grotesk:Domenorme" werden hier,..Strumpfbeine" da, und in einem Kasten.werden sogarMännerkopse aufbewahrt. Alles aber ist peinlich geordnet, und der Lagerverwalter sargt dafür, daß keine der Wachsdomen sich ohne Erlaubnis aus dein Keller ent- fernt, ja, daß nicht einmal ein glanzpapierbespanntcr Würfel heraus- getragen wird, ohne daß der Vorgang gehörig gebucht rnnrde, und er paßt auch auf, daß alles unbeschädigt wieder zurückgeliesert wird. Hier und da stehen noch ein Riesenküken und ein Osterhase. Sic warten nur darauf, daß sie verpackt und auf den Boden ge- bracht werden, wo alle ihre Auferstehung harren, d. h. warten, bis sie«in Wareichausbcsitzer aus der Provinz kauft, denn für Berlin haben sie ausgedient. Sein Dekorateur übernimmt eine Weihnochts- ansstellmig aus einem anderen Hanse derselben Firma dos leidet einfach sein Ehrgeiz nicht!

Der Herr Chefdekarateur eines Warenhauses verfügt über eiv« Wacht, von der sich die meisten keine Vorstellung machen. Er herrscht in seinem Reiche absolut, und was er für nötig hält, wird angeschafft und ausgeführt. Was das heißen will, kann man erst dann er» messen, wenn man bedenkt, daß z. B- dieHausdekoratiou" während der weißen Woche eine Summe erfordert, für die man schau eine recht nette Villa haben könnte! Das Warenhaus läßt all« diese Waren nicht verderben, es wird alles wieder gebraucht, die Stoff« werden verkauft, die Holzteile der Dekoration merdeu immer wieder umgebaut, zusammengenagelt und geleimt, so lange noch ein Splitter von ihnen hasten will, denn die rationellste Ausnutzung des Raumes und aller Mistel ist ja das Wesen des modernen Warenhauses. So wird also das Geld, da» eine solche Dekoration kostet, zum größten Teil wieder hereingebracht. Die mechanischen Figuren dazu werden natürlich nicht im Hause selbst hergestellt, sondern nach den Entwürfen des Chesdekorateurs in besonderen' Reklamewerkstätten gebaut. Oer FelözugSplan. Wie wird nun über die Dekoration emes Warenhauses disponiert'? Vor allem gibt es hier keine Zufälligkeiten. Schon ei» Vierteljahr vorher weiß der Chef an Hand der Liste der erteilten Inseratenaufträge, welche Artikel in jeder Woche besonder» betont werden sollen, und so kann in derReisewoche" kein �Haushalt. sensler" kommen. Zehu Tage vor dem bestimmten Termin setzt sich der Chef dann mit den betreffenden Abteilungen zusammen und bezeichnet das Material, das er bereitgestellt zu haben wünscht. Dan» gibt er an die Dekorateure die Skizzen mit derG e n e r a l i d e e" aus, nach denen die Herren arbesten sollen, denn ein guter Ehes wird vor allem dolür sorgen, daß in der Dekoration die einheitliche Linie gewahrt wird, wenn auch die Ausführung der Einzelheiten dem betreffeichen Dekorateur überlasten bleibt. Jedes große Fenster braucht einen Tag Arbeitszeit, und ist vielKram", Glaswaren- od« Wirst chaftsartikel, unterzubringen, so dauert die Dekoration eines Fensters auch noch länger. Für die groß« Housdekoraston zur weißen Woche aber muß wochenlang vorgearbeitet werden, genau« Werkzeichnungen gehen zum Tischlers alles muß auf den Zentimeter genau stimmen, und schließlich wird die ganze Sache auf dem Boden (irobeweise zusammengebaut. Dann dauert die eigentliche Aus- tellung noch fünf Tage und alles muß so eingerichtet werden, daß der Geschäftsbetrieb möglichst nicht gestört wird. » Das Dekorationsfach stellt einen jener Berufe dar, in den sich in den letzten Iahren alle möglichen Menschen zu retten suchten, die in anderen Berufen Schiffbruch gelitten hallen. Gefördert wurde diese Erscheinung durch die Errichtung von �Dekorationsschulen", die, an sich auch noch so hochstehend, doch bei ihrem Schülermaterial immer mehr auf die Zahlungsfähigkeit des Schülers als auf feine Begabung sehen. Drei Jahre dauert die richtige Lehrzeit. Wirkliche Talente können freilich bald gute Gehälter erzielen, so z. B. die Stecknadelkiinstler", die mit Hilfe von ein paar Nadeln und einigen Fetzen Stoff die fabelhaftesten Modellkleider dichten. Der Durch- schnitt wird durch die einsetzende Uebersüllung des Berufes immer schwerer zu kämpfen haben, um so mehr, als manche Häuser Deko­rateure, die über sünsunddreißig Jahre alt sind, nicht mehr gern einstellen. R. E.

Arsenik im Kaffee. fünfzig Arbeiter eiaeS Gsevwerts erkrankt. Ei» beispiellos« Schurkenstreich ist in den Rheiattche» Eisenwerken Gebrüder Faber in Düre » ta Westfalen verübt worden. Lei der Sasfeepause m» S Ahr morgen» brache» zahlreiche Arbeit« der Fabrik nach de» Ge- miß von Kaff« nnt« außerordentlich schweren ver. giftnngserfcheinnngen zusammen. Etwa 50 Atom der Belegschaft muhten sofort ins Düren « Sraukenhau» ge­schafft werden, wo die ärztliche Untersuchung ergab, daß d« von ihnen genossene Saft« Arsenik enthalten hakte. Am llnglücksmorgen war wie üblich um v Uhr die Kaffeepmife der Frühschicht eingetreten. Die Arbeiter benutzten das heiße Wosier eines großen Kesiels, um sich Kaffee aufzubrühen. Dem Lesielwaster muß von ivgeitt» ein« Seite starkes Gift zugesetzt worden fem, den» plötzlich brachen zum Entsetzen all« Anwesenden etwa SV Arbeit« nach dem Kasfeettinken unter unsäglichen Schmerzen zu- sammen. Es entstand ein« schreckliche Panik. Die vergifteten Leute schrie» vor Schmerzen und wanden sich in Zuckungen om Boden, andere liefen wie betrunken umher. Krankenwagen brachten die vergifteten in das Städtische Krankenhaus. Die chemische llnt«- suchung des Kaffeewasters ergab zweifelsfrei, daß es mit einer ziemlich starken Dafis Arsen vermengt war. Bon dm SV ins Krankenhaus eingelieferten Arbeitern liegen 29 noch schwer danieder. Erfreulicherweise besteht bei keinem der Eingelieferten mehr Lebensgefahr. Ein Teil der Erkrankten konnte bereit« nach Hause entlasten werden. Di« Fabriveitung steht in bezug auf dm mutmaßlichen Tat« und das Motiv dies« Massei toergiftimg vor einem völligen Rätsel. Durch die polizeiliche Untersuchung, die von d« Landeskriminalpolizei in Aachen vorgenommen wurde, soll einwandfrei festgestellt worden sein, daß ein Verbrechen vorliegt Da das Eisenwerk bei der Fabrikation Arsenik nicht verwendet, kann das Gift nur von außen in die Fabrik hereingebracht worden fein. Die Nachforschungen der Polizei noch den Tätern waren bish« erfolglos.__ Die ,/Sremen"-Meger in Amerika . Von Washington wieder nach New �ork. Washinglou, 28. April. Die Ozeanslieg« sind, da die anhalkenden schweren Regenstürme den Flug nach New Park verhinderieo, heule nachmillag l8.0S Ahr (MEZ.) mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug wieder nach New Jork abgefahren.(Das sie auf der Hinfahrt bereits passiert hatten.) Ans dem Washingtoner Bahnhof halte sich eine ungeheure Menschen- menge bei der Abfahrt der Flieg« eingefunden. Da die Flieger den nichtoffiziellen Charakter ihres Washingtoner Besuches wahren wollten, machten sie dem Präsidenten C o o l i d g e

»i

Jack Qonöon: Wolfsblut. Du, Heimlich/ sagte er,.Hör doch mal, Heinrich!" Dieser, aus dem Schlafe erwachend, brummte:Was ist denn los?" Nichts," war die Antwort.Nur daß es jetzt wieder sieben sind. Ich Hab' sie eben gezählt." Heinrich beantwortete die Kunde mit einem Brummen. das in ein Schnarchen überging, als der Schlaf ihn über- mannte. Am Morgen erwachte Heinrich zuerst und trieb den Gefährten zum Aufstehen an. Der Tag brach zwar erst drei Stunden später an. obgleich es schon sechs Uhr war, und so ging Heinrich in der Dunkelheit umher und kochte dos Frichstück, während Bill die Decken zusammenrollte und den Schlitten zur Abfahrt bereit machte. Hör mal. Hemrich," fragte er plötzlich, wie viel Huude sagtest du. daß wir hätten?" Sechs." Falsch!" verkündete Bill triumphierend. Wieder sieben?" fragte Heinrich. Nein, aber fünf, denn einer ist weg." Holl und Teufel!" rief Hemrich wütend, ließ das Früh- stück stehen und kam. um die Hunde zu zählen. Du hast recht," erwiderte er.Fell ist fort." Und wie ein geölter Blitz ging es mit ihm, als«r erst los war. Nicht« war mehr von ihm zu sehen." Wie sollte ee auch?" erwiderte Heinrich,©c per- schlangen ihn gewiß gleich lebendig. Ich wette, er bellte noch, als sie ihn hinunterschluckten, die verdammten Bestien." Er war immer ein bißchen dämlich," meinte Bill. Aber kein dummer Hund sollte so dämlich fem, daß er hinliefe, um Selbstmord zu begehen." Dabei ließ Heinrich den Blick prüfend über di? übrigen Hund« gleiten, als wollte er sich die Eharakterzüge jedes einzelnen vergegenwärtigen. Ich wette, das würde keiner von den andern tun." ,L)ie könnte man nicht mal mit'nem Knüppel vom Feuer jagen," stimmte Bill bei.Ich dachte immer, daß es mit Fett nicht ganz richtig wäre." Und dies war die Grabrede auf einen toten Hund bei «mer Nordlandfahrt nicht dürftig« als die manches ssoereu Hundes mch Manches Mannes.________________

2. Die Wölfin. Als das Frühstück verzehrt und die wenigen Lagergerät- schaften auf den Schlitten gepackt waren, drehten die Männer dem hellen Feuer den Rücken und verschwanden in der Dunkelheit. Sogleich begann wieder das fürchterlich traurige Geheul, das auf verschiedenen Seiten wie antwortend durch Kälte und Dunkelheit tönte. Der Männer Gespräch ver- stummte. Um neun war es Tag. Mittags erglänzte der Himmel im Süden in rosigem Lichte, aber die Rosenfarbe verblaßte schnell Das graue Tageslicht, das zurückblieb, dauerte bis drei Uhr, wo es ebenfalls erblich, und nun breitete die Polarnacht ihr dunkles Leichentuch über die ein- famc, schweigende Welt. Als die Dunkelheit hereinbrach, erklang das Geheul rechts, links und im Rücken näher, ja mehr als einmal so nahe, daß die müden Hunde vor Angst zitterten und in Auf- regung durcheinander gerieten. Nach einem solchen kurzen Aufenthalt, als Bill und Heinrich das Gespann wieder in Ordnung gebracht hatten, sagte jener:Ich wünschte, sie möchten ein anderes Wild irgendwo aufspüren und uns in Ruhe lasten." Sie fallen einem wirklich gräßlich auf die Nerven," stimmte Heinrich bei. Wetter sagten sie nichts, bis das Nacht- lager aufgeschlagen wurde. Heinrich beugte sich über den Topf, in dem die Bohnen bradetten, und in den er kleine Stückchen Eis hineintat, als ein lauter Schlag und sin Ausruf von Bill sowie das scharfe Knurren und das Wshgefchrei eines Hundes ihn zusammen- fahren ließ. Er richtete sich auf und sah noch, wie ein» dunkle Gestalt über den Schnee lief und in der Finsternis vor- schwand. Dann erblickte er Bill, halb triumphierend, halb nisdergeschlagen, unter den Hunden, wie»r in der«ins» Hand einen dicken Knüttel, in der anderen das Schwänzende eines gedörrten Lachses hielt. .T)ie Hälfte hat die Bestie doch gekriegt," verkündete er. aber ich gab ihr dafür auch einen tüchtigen Klapps. Hörtest du sie sckreien?" ..Wie sah sie denn aus?" fragte Heinrich. Sehen konnte ich nicht. Aber sie hatte vier Beine und ein Maul und Haare und sah wie ein Hund aus." Es muß ein zahmer Wolf gewesen sein, glaub' ich." .Lierdammt zahm, was es auch ist, wenn es so zur Fülle- ruugtommt und sein Stück Fisch hall." Als da» Abendbrot vorüber war. und die beiden MSn- «r»if tag länglichen Kasten saßen und ihn» Pfeife

schmauchten, zog sich der Kreis glühender Augen wieder dichter zusammen. ./Zch wünschte, sie möchten auf ein Rudel Elche oder was Aehnliches stoßen und uns zufrieden lasten," sagte Bill. Heinrich brummte etwas, was nicht wie eine Zustim- mung klang und eine Biertelstunde saßen sie schweigend da. wobei Heinrich ins Feuer und Bill auf den Augenkreis starrte, der in der Dunkelheit dicht hinter dem Feuer flimmerte. Ich wünschte, wir könnten von hier m einer Tour nach Mc Gurry fahren," begann Bill wieder. So hör endlich einmal mit deinem Gewünsch und Ge- krächz auf." brach Heinrich ärgerlich los.Ich sag' dir, du hast dir den Magen verdorben. Schluck eine gute Dosis Natron runter, dann wird dir bester und deine Gesellschaft angenehmer werden." Am folgenden Morgen wurde Heinrich durch gräßliche Flüche aus Bills Munde geweckt. Er stützte stch auf den Ellenbogen und sah den Gefährten neben dem flocken, den Feuer mitten unter den Hunden mit wutverzerrtem Gesicht und scheltend erhobenen Armen stehen. Hallo!" rief Heinrich.Was ist denn los?" Frosch ist weg!" war die Antwort. Nein!" Ich sage ja!" Heinrich sprang aus den Decken und lief auf die Hund» zu. Er zählte sie und stimmte dann in die Berwünschungen ein, womtt sein Kamerad den Mächten der Wildnis fluchte« die ihnen abermals einen Hund geraubt hatten. Frosch war der stärkste von allen." bemerkt» Bill zuletzt. Und er war auch nicht dämlich." fügte Heinrich hinzu, und das war innsrhokb zwei Tagen die zweite Grabrede. Das Frühstück wurde in düsterer Stimnmng eingsnom- men und die vier noch übrigen Hunde vor den Schlitten gespannt. Der Tag war eine Wiederholung der vorher- Biangenen. Di« Männer wanderten stumm über che ge- rene Erde, und da» Schweigen wurde nur durch des Geheul ihrer Verfolger unterbrochen, die ihnen unsichtbar folgten. Mtt dem Einbruch der Dunkelheit am frühen Nach- mfttag erklang das Geheul wieder näher, wie die Verfolger ihrer Gewohnhett gemäß näher kamen: die Hunde wurden aufgeregt und furchtsam und verwickelten sich in ihrer Angst in den Strängen, was che beiden Männer noch mehr euch E.l. ,, ,, m c ml V' ItS�iTOima 1�94