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Nr. 209» 45. Jahrgang Freitag, 4. Mai 492»

Dah ein Groschen sich bester aus den Taschen anderer Leute ziehen läßt, wenn man nicht hinter dem Ladentisch aus sie wartet, sondern zu ihnen geht, ist eine Erkenntnis, die einemfliegen- den Händler* dämmerte. Und dann hat er auch gedacht ,Leit ist Geld* und sich einMoll-Mobil* angeschafft sounter der Hand*, es ist nämlich so klein, daß man es unter den Arm nehmen kann damit er zu den Leuten nicht zu gehen braucht, sondern fahren kann, denn in unseren Tagen darf ein Geschästsmami seinen Kunden nicht mehrentgegenkommen*, er muß ihnen entgegenfahren... So ein Mann, der zu der Zunft derambulanten Gewerbe' ge- hört, muß ja auch ewig seineSagdgrunde* wechseln, besonders dann, wenn er ein Geschäft mit Hustenbonbons machen will. Da muß er immer diewindigste Ecke* suchen, den Stadtteil, in dem am meisten gehustet wird. Und. das ist nicht der Berliner Norden, sondern der milde S ü d w e st e n. Dort herrscht das beste Älima für den Verkäufer der Hustenheilbonbons: dort wer- den die meisten Groschenausgehustet*. Das bekommt beiden Teilen gut. Wer sich mal eine kleine Tüte von den Bonbons ge- kaust hat, muh zugeben, einen reellen Kauf gemocht zu haben. Di« Bonbons enthalten, was dieAnsprache an die hustenden und heiseren Berliner * versprochen hatte: Malz, Honig, Fenchel, Eukalyptus, Menthol und Anis. Es ist einglas- klares* Geschäft, denn der Händler fabriziert die Bonbons an Ort und Stelle vor den Augen des Publikums. Di« ganze Fabrik* ruht auf dem Bonbon-Auto, demMoll-Mobil". Eine Eegeltuchplane schützt sie bei trübem Wetter vor dem Segen, der von oben kommt, denn es werden zur Herstellung der Bonbons nurgarantiert rein« Zutaten* genommen, wozu Regenwaster eben nicht gehört. In einem großen Topf, der über einem Spirituskestcl

Jack London : Wolfsblut. .�ör' mal. Heinrich,* sagte Bill, indem er unwillkürlich die Stimme senkte,wir haben zwar nur noch drei Patronen, ober es ist ein sicherer Schuß. Ich könnte nicht fehlen. Es hat uns drei Hunde entführt, und dem sollte Einhalt getan werden. Was sagst du?* Heinrich nickt zustimmend. Bill zog vorsichtig die Flinte heraus und hob sie empor. Allein bevor er sie bis zur Schulter brachte, sprang die Wölfin zur Seite und verschwand unter den Tannen. Das hätt' ich wissen können,* schalt Bill laut, als er die Flinte an ihren Platz zurücklegte.Natürlich versteht ein Wolf, der zu den Hunden zur Fütterung kommt, auch was von Feuerwaffen. Ich sag' dir's jetzt grade heraus, Heinrich, die Bestie ist an an all unserm Unglück schuld. Wir hätten noch sechs statt der drei Hunde, wenn die nicht gewesen wäre. Und das sag' ich dir, Heinrich, ich geh' auf die Bestie los. Die ist aber zu schlau, um offen geschossen zu werden, also werd' ich mich in den Hinterhalt legen, und da werd' ich ihr eins auf den Pelz brennen, so wahr ich Bill heiße." Du mußt dich nur nicht zu weit entfernen.* warnte der Gefährte.Wenn das Rudel dich angreift, so helfen drei Patronen ebensowenig wie drei Hilferufe in der Hölle. Die Tiere sind verdammt hungrig, und haben sie dich erst einmal umringt, dann bist du sicher verloren.* Sie schlugen an jenem Abend das Lager frühzeitig auf. Drei Hunde konnten den Schlitten nicht mehr so schnell und so lange ziehen, als es sechs getan hatten, und sie zeigten deutlich, daß sie ermüdet waren. Auch die Männer gingen frühe schlafen, nachdem Bill sich noch vorher überzeugt hatte. daß die Hunde so weit voneinander angebunden wären, daß sie sich nicht gegenseitig losbeißen könnten. Allein die Wölfe waren dreister geworden, und mehr als einmal wurden die Männer aus dem Schlafe geweckt, wenn jene so nahe kamen, daß die Hunde vor Angst und Schreck wild wurden. Dann war es notwendig, mehr Holz auf das Feuer zu werfen, um die frechen Angreifer in sicherer Ent- fernung zu halten. Ich Hab' die Matrosen von Haifischen erzählen hören, hi««in Schiff verfolgten,* bemerkte Bill, als er, nachdem er

hängt, brodell eine dunkelbraune Masse. Das sind die Essenzen mit dem kochenden Zucker. Und während es in dem Topf brodelt, wie es nur bei einem Alchimisten brodeln kann, macht der moderne Hexenmeister, der alle Hände voll zu tun hat, weil er immer in sechs Töpfen Honig, Malz, Fenchel, Menthol, Anis und Eukalyptus! zugleich zu rühren hat, die Herzen weich für seine Bonbons. Er versteht es in rührender Weise zu schildern, wie manoft* für zwanzig Pfennige, also für den doppelten Betrag, bei schlechtem Wetter eine überfüllte Straßenbahn besteigt, aus dem Perron stehen muß und sich dort eine Erkällung zuzieht. Man muß dann zum Arzt gehen, diesem einen Taler bezahlen, um dann in den meisten Fällen noch kränker zu werden, so daß man erst im K r e m a- t o r i u m Ruhe vor allen Scherereien hat. Wer aber für zehn Pfennige die guten Hustenbonbons, die alle Kräuter des beut- schen Waldes und des fernen Orients enthalten, tauft, bleibt seiner Schwiegermutter und dem Finanzamt erhallen. Der Mann ist mll seiner Red« fertig. Er wirst«inen Blick auf da» in der brodelnden Masse stehende Thermometer und kippt den Tops auf eine weiße Marmorplatte, über die sich die süße Lava ergießt. Nachdem sie etwas erkaltet und zäher geworden ist, wird sie flink in vier Stücke geschnitten und jedes einzelne Stück durch eine Maschine gedreht, die wie ein Fleischwolf aussieht Zwei Bronzewalzen, die durch eine Kurbelbewcgung gegeneinander ge- dreht werden, prägen aus der erkaltenden Masse die Bonbons in Dropsform. Der Berkauf geht dann ganz gut, denn die meisten Zuhörer undSehleute* möchten ihrenlieben Angehörigen* er­halten bleiben(was auch nicht immer ganz selbstlos ist) und dafür ist ihnen ein Groschen kein Opfer. Jetzt, in der wärmeren Jahres- zeit, will er Pfefferminze undsaure Drops* herstellen und E i s

das Feuer geschürt hatte, wieder unter die Decken kroch. Diese Wölfe sind aber wie Haifische auf dem Lande. Sie verstehen ihr Geschäft besser als wir und folgen unserer Spur nicht zum Vergnügen. Sie kriegen uns; sie kriegen uns ganz sicher, Heinrich." Sie haben dich schon halb und halb, wenn du so redest,* versetzte Heinrich ärgerlich.Man ist schon halb besiegt, wenn Wan es eingesteht, und du bist halb gefressen, wenn du noch weiter so schwatzest." Sie haben bessere Leute als dich und mich gekriegt" ant- wartete Bill. Ach. hör auf mit deinem Unken! Das bekommt einer auf die Dauer satt." Heinrich drehte sich verdrießlich auf die Seit«, wunderte sich jedoch, daß Bill nicht böse wurde. Das sah ihm nicht ähnlich, denn ein scharfes Wort kränkte ihn leicht. Heinrich dachte noch lange vor dem Einschlafen darüber nach, und sein letzter Gedanke war:Es läßt sich nicht leugnen, Bill ist fürchterlich trübselig gestimmt. Ich werd' ihn morgen ein bißchen aufheitern müssen." 3. Heulender Hunger. Der Tag begann günstig. Kein Hund war in der Nacht verschwunden, und in besserer Stimmung begaben sich die Männer auf die Fahrt durch das Schweigen, die Dunkelheit und die Kälte. Bill schien die trüben Ahnungen der letzten Nacht vergessen zu haben und scherzte und spaßte sogar mit den Hunden, die um die Mittagszeit den Schlitten an einer schlechten Wegstelle umgeworfen hatten. Die Verwirrung war fürchterlich. Der Schlitten war zwischen einem Baumstamm und einem ungeheuren Fels- block eingeklemmt und noch dazu um und umgekehrt. Die Männer waren gezwungen, die Hunde auszuspannen, und als sie sich über den Schlitten beugten, um ihn aufzurichten, bemerkte Heinrich, daß Einohr zur Seite schsich. Hierher. Einohr!* rief er ihm zu, indem er sich auf- richtete und nach dem Hunde umwandte. Aber Emohr be­gann über den Schnee zu laufen, indem er die Stricke hinter sich herschleppte, denn auf der zurückgelegten Bahn stand die Wölfin und wartete auf ihn. Als er ihr näher kam, wurde er plötzlich vorsichtig. Anstatt zu laufen, machte er kurze, zierliche Schritte und blieb dann stehen. Er betrachtete sie aufmerksam und mißtrauisch, doch voller Verlangen. Sie sckien ihm zuzulächeln, indem sie' ihm die Zähne in mehr schmeichelnder als drohender Weife zeigte. Sie«achte

verkaufen. Das wäre bei 30 Grad im Schallen für ihn dos Gebot der Stunde. Und im nächsten Sammer will er, wie er versichert, mit einem Eis-Auto vorfahren.

Kunstausstellung neues Heim? Angebot von Knterknnst auf dem Zoogelände. Die Sonstausstellung kann in ihrem alle» heim am Lehrter Bahnhof nicht länger bleiben. Sie findet dort nicht mehr hinreichende Be- achtung. die Zahl der Besucher ist gering, und die aus- stellenden Künstler können nur noch wenig verkaussabschlüsss machen. Seil langem wird erwogen, ob nicht auch die Aus- stellung den Zug nach dem Westen mitmachen soll. Alan hat unter anderem an eine Verlegung nach dem Messegelände gedacht. Inzwischen sst der Plan entstanden, auf dem Zoogelände «in neues Heim für die Kunstausstellung zu bauen. Di« Staatsregierung würde zu diesem Zweck etwa 4000 Quadrat- meter an der Budopester Straße erhalten und als Entgelt würden dem Zoogeländ« an der Lichtenfteinbrück« etwa 10 000 Quadrat- meter vom Tiergartengelände zugeschlagen. Di« in Frage kommen- den Ministerien sollen bereits entschlossen sein, diesen Plan ouszu- führen. Der Aufstchtsrat der Zoo-Aktiengefellschaft hat durch Bau- meister H e tz« l nur zur Information«inen Bauentwurf anfertigen lassen, um zu zeigen, daß die erforderlichen Ausstellungsräume dort geschaffen werden können. Das Ausstellungsgebäude müßt« dann allerdings zwei Stockwerk« erhalten. Für den Zoo sollen auf dem neu hinzukommenden Gelände an der Lichten- steinbrücke neue Spielplötze für Schulkinder und für Kleinkinder angelegt werden. Direktor Heck äußerte sich in einer Besprechung mll Presse- oertvetern sehr hoffnungsvoll über den voraussichtlichen Erfolg des Planes. Seine Verwirklichung werde nicht nur das Schaubedürfnis der kunstliebenden Bevölkerung, sondern auch die wirtschaftlichen Ansprüche der ausstellenden Künstler befriedigen. Man rechnet darauf, daß dieses nachbarliche Beieinander von Kunstausstellung und Tierpark beiden Unter- nehmungen zugute kommen und den Strom der Besucher mehren werd«. Ende eines Alüientraumes. Sie wollten sich vergnügte Tage machen. Ein seltsames Erlebnis hatte in der Donnerstagnacht ein S ch u p o p o st e n aus dem Potsdamer Bahnhof. In einem der letzten Züge, die aus Werder kamen, traf auch «in jugendlicherB l ü t« n f a h r e r" ein, der den, Obstwein mehr als reichlich zugesprochen hatte. Er ging auf den Beamten zu und erzählte begeistert, wie schön es in Werder gewesen sei. An diese Versichern ng knüpfte er die überraschende Bitte, der Wacht- meister möge ihn festnehmen. Der Beamte glaubt« zuerst an einen Ulk, erfuhr dann aber, daß der junge Mann, ein 19 Jahre alter Kaufmannslehrling Heinz M.. der bei einem Konfektionsgeschäst in der Chausseestraße angestellt ist, es doch ernst meinte. M. hatte am 29. April für seine Firma einen Scheck über? 0 0 Mark eingelöst, das Geld für sich behalten und sich damit in Werder vergnügt« Tage gemacht. Von seinein Reichtum hatte er gerade noch 80 Pfennig« übriggehabt, um nach Berlin zurückfahren zu können. Kaum hatte der Schupcnoachtmeister den reuigen Sünder in der Wach« untergebracht und seinen Standplatz wieder eingenommen, als der nächste Zug einen zweiten Ausreißer brachte. Fast mit den gleiche» Worten wie M. berichtete er, daß er IGIahre alt und Lehrling in einer Konfektionssirma am Hausvvgteiplotz sei. Auch er hatte dem Zauber der Baumblüte nicht wider st ehe» j können, 600 Mark unterschlagen und damit eine Reihe spielend ein paar Schritte auf ihn zu und blieb dann stehen. Einohr ging näher, immer noch auf der Hut, mit gespitzten Ohren, erhobenem Schwanz und den Kopf hoch in der Luft. Er machte den Versuch sie zu beschnuppern, aber sie sprang scheu wie spielend rückwärts, und tedesmal, wenn er sich näherte, wich sie zurück und lockte ihn so Schritt für Schritt aus der Sicherheit der menschlichen Gefährten. Einmal, als ob eine unbestimmte Warnung ihm durch den Kopf geschossen wäre, blickte er sich nach dem umgeworfenen Schlitten, den Gefährten und den beiden Männern um, die ihm fortwährend zuriefen. Allein wos auch immer in seinem Geiste vorgehen mochte, es wurde durch die Wölfin zerstreut, die aus ihn zukam, ihn einen Augenblick beschnüffeste und dann wieder scheu vor ihm zurückwich, als er sich von neuem ihr näherte. Mittlerweile hatte sich Bill der Büchse erinnert, die ein- geklemmt unter dem umgeworfenen Schlitten lag, doch bis Heinrich ihm geholfen hatte, denselben aufzurichten, standen Einohr und die Wölfin dicht beisammen, und die Entfernung war für einen Schuß zu groß. Zu spät erst sah Einohr seinen Fehler ein. Bevor die Männer sehen konnten, was vorging, hatte er sich umgedreht und begann auf ihnen zuzulaufen. Plötzlich sahen sie, wie ein Dutzend hagere, graue Wölfe über den Schnee springend sich im rechten Winkel der Bahn näherten und ihm den Rückzug abschnitten. Augenblicklich verschwand die Scheu und die spielerische Laune der Wölfin. Knurrend sprang sie auf Ein- ohr los. Er parierte den Angriff mit der Schulter und ver- suchte, da ihm der gerade Rückweg zum Schlitten abgeschnitten war. im Bogen dahin zu gelangen. Allein immer mehr Wölfe erschienen und nahmen die Verfolgung auf, während die Wölfin nur wenige Schritte hinter thm herlief. Wo willst du hin?" fragte Heinrich plötzlich und legte die Hand auf den Arm des Gefährten. Bill riß sich los.Ich kann das nicht länger mit ansehen," jagte er.Sie fassen keinen von den Hunden mehr haben, wenn ich's verhindern kann. Mll der Flinte in der Hand sprang er in das Gebüsch neben der Bahn. Seine Absicht war klar genug. Er wollt« den Bogen, den Einohr beschrieb, noch vor dessen Derfolgern berühren, und er hofft«, mit der Büchse in der Hand und im hellen Licht des Tages würde es ihm möglich sein, den Wölfen Furcht einzujagen und den Hund zu retten. Höre, Bill," rief ihm Heinrich nach,sei vorsichtig. Dag« dich nicht zu well vor!* (Fortsetzung folgt.)