Morgenausgabe
Rr. 213
A 108
45.Jahrgang
Böchentlich 85 Bfg., monatlich 3,60 2 Im Doraus abibar, Bollbezug 4.32. einich. Beftellgeld, Auslandsabonne ment 6.-M. pro Monat.
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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend, Juuftrierte Beilagen Bolk und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Bisten".. Frauen ftimme", Ledynit", Blid in die Bübermelt was Jugend Borwärts".
Sonntag
6. Mai 1928
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,, Nieder mit den Sozialdemokraten!"
Berhat
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uns
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ver- raten?
Nieder mit den Sozialdemokraten!" Seit| Anzeigers" erweden. Es sind die Kommunisten, Wochen gellt uns dieser Ruf in die Ohren. Er wird sich in Sprechchor durch Straßen und Gassen heult: den nächsten vierzehn Tagen zum wilden Geheul steigern. Aus Beitungsspalten, aus Rednerfehlen, Sprechchören, aus den Trichtern von Lautsprechern wird es freischen, brüllen, dröhnen:„ Nieder mit den Sozialdemokraten!" Nieder mit den Sozialdemokraten! Sie verraten das Vaterland an die Feinde! Sie sind von den Juden gelauft! Sie lästern Gott ! Eigentum, Ehe, Familie wollen sie zerstören! Den Bauer wollen sie von Haus und Hof jagen! Nieder mit den Sozialdemokraten!"
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Graf We starp reist im Lande umher: Zwischen uns und den Sozialdemokraten steht die Entscheidung! Los und drauf!" Freiherr v. Richthofen Boguslamiß, sein Reichstagsfollege und wieder Kandidat, erzählt in allen schlefischen Dörfern, die Sozialdemokraten hätten in Berlin ,, den freien Geschlechtsverkehr der Schulkinder" eingeführt. Die ,, Deutsche Zeitung" sieht bereits Frauen und Töchter von der Schändung bedroht und empfiehlt, die roten Agitatoren mit
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deren| leßten Wahlen hochgepriesenen Führer des revolutionären Proletariats"-Ruth Fischer , Maslow, Scholem , Urbahns usw. sind längst ausgeschlossen, in Acht und Bann getan, mit den Sozialdemokraten auf einen Haufen geworfen, als Judasse und Verräter beschimpft. Diese selber find aber auch schon wieder wenn man der ,, Roten Fahne" glauben darf-in neuer Spaltung begriffen. Las man doch dort erst gestern das Folgende:
Die Sozial- demo- tra- aten! Merkwürdig nur: wenn die Sozialdemokraten ,, uns verraten" haben, wenn sie Sozialverräter", Agenten des Kapitals" usw. find warum richtet sich dann die ganze But, der ganze Haß, der ganze Rampf der tapitalistischen Sozialrealtion gegen sie?
,, Nieder mit den Sozialdemokraten!" Das war die Wahlparole Mostaus für Frankreich . Unter dieser Parole gelang es, eine wesentliche Erhöhung der sozia
Heute letzter Tag:
Scholem bezeichnete Ruth Fischer und Maslom als Feige linge, weil sie sich vor der Gründungstonferenz aus Berlin nach Paris verdrückt hätten, um sich einer Stellungnahme entziehen zu fönnen. Die Versammlung verlief äußerst stürmisch. Ruth Fischer , von ihrem Adjutanten Schimanski unterstüßt, bezeichnete ihre Gegner als Dummföpfe.
Das ist nur ein Stimmungsbild. In den anderen Verräter gruppen ist ein ähnliches Drunter und Drüber. Der Fäulnisprozeß schreitet fort. Die Reichsbeitung der Ber räterpartei befindet sich in entschiedenem Irrtum, wenn sie annimmt, daß die Kommunistische Partei ein Interesse an der Bertiefung ihrer Gegensätze hat. Im Gegenteil. Je fester ihr euch umarmt, desto schneller werdet ihr gemeinsam verfaulen.
Kenütteln von den Höfen zu jagen.„ Nieber mit den Sozial Seht die Wählerliste ein! Der Unterschied zwischen Maslow und Scholem ist der zwischen dem
demokraten!"
Der ganze Angriff von rechts richtet sich nur gegen uns. Bom Zentrum und den Demokraten spricht man nur in dem Sinne, daß man behauptet, sie hätten unseren finsteren Blänen in Preußen Vorschub geleistet. Der Kommunisten wird überhaupt faum Erwähnung getan. Geschieht es, fo nur zum Zweck der Behauptung, zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten bestehe eigentlich tein Unterschied. Was in Rußland passiert und was deutsche Kommunisten treiben, wird der Sozialdemokratie aufs Ronto geschrieben. Waren es nicht die Sozialdemokraten, die schüßend dazwischensprangen, als der vortreffliche Herr v. Keudell den Rotfrontkämpferbund verbieten wollte? Da sieht man also die unterirdischen Zusammenhänge!
,, Nieder mit den Sozialdemokraten!"
Das ist die Agitation der Deutschnationalen. Mit ihr sympathisiert offen oder insgeheim alles, was rechts steht im Zentrum und in der Deutschen Volkspartei. Alle Großgrundbefizer, alle Großfapitalisten, Arbeitgeber, Hausbesitzer- von wenigen ehrenvollen Ausnahmen abgesehen stehen mit ihrem Herzen in dem Lager, über dem die antifozialdemokratische Kriegsfahne weht. Man hat sich aus tattischen Gründen klug auf verschiedene Fraktionen verteilt, aber man hält doch zusammen im Kampf für hemmungslose Profitwirt schaft, für den Standpunkt des Herrn im Hause, gegen die Sozialpolitik, gegen den Achtstundentag, gegen die steuerliche Besitzbelastung. Was ist das alles aber anderes als der Rampf gegen die Sozialdemokratie?
Rampf gegen die Sozialdemokratie ist Klassentampf von oben. Begen ihn führen wir den Klaffenkampf von unten. Je stärter die Sozialdemokratie wird, desto stärker ist die Stellung der Arbeiterklasse in der deutschen Republit.
Jahrzehntelang waren es nur die Konfervativen, die Freifonservativen, die Nationalliberalen, die Scharfmacher aller Parteilager, die den Kampf gegen die Sozialdemokratie führten, tommandierten und finanzierten. Seit einem Jahrzehnt ist es anders geworden. So oft die Reaktion ihren Wahlschrei ausstößt, antwortet ihr aus der Ferne ein freudiges Echo:„ Nieder mit den Sozialdemokraten!" Es sind die Kommunisten, die das Echo spielen. Es sind die Kommunisten, die ihren ganzen Ehrgeiz dareinsehen, an Beschimpfung und Berleumdung der Sozialdemokratie auch die schmutzigsten Agenten der Schwerindustrie zu überbieten. Es ist die Rote Fahne", es ist die Welt am Abend", die durch die Kühnheit ihrer Erfindungen jeden Tag den blaffen Neid der Kreuz- Zeitung " und des Berliner Lofal
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listischen Mandatszahl zu verhindern. Ja, beinahe wäre es fogar gelungen, die Stärke der sozialistischen Fraftion gegen über der bisherigen zu verringern- wenn nicht die kommu nistischen Wähler in Scharen gegen den Moskauer Befehl gemeutert hätten! Schade- wäre das ein Jubel gewesen! Die Kommunistische Partei Frankreichs bezahlt freilich ihren Erfolg die Schwächung der Linten und die Stärkung der Reaktion mit dem Berlust ungefähr der Hälfte ihrer Mandate! Was tut's? Nieder mit den Sozialdemokraten!" Für diese gute Sache ist tein Opfer zu groß!
In Warschau besudeln Kommunisten den 1. Mai durch einen Angriff auf sozialistische Demonstranten. Rote Fahnen hüben und drüben zwischen beiden tommt es zum Rampf. Die Rommunisten schießen, es fließt Arbeiterblut. Drei Tage später bringt die kommunistische Welt am Abend" ein Bild: Ein toter Arbeiter auf dem Straßenpflaster der polnischen Hauptstadt. Getötet von wem?
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Hier in Deutschland operiert man mit 3itaten aus dem Borwärts" aus der Zeit vor zehn Jahren. Durch eine bodenlos freche Geschichtsfälschung verfucht man den Anschein zu erweden, als trüge die Sozial demokratie und besonders der ,, Borwärts" schuld an dem damals vergossenen Blut. Es ist wahr, wir haben uns nicht damit abgefunden, daß man uns zweimal mit Gewalt aus unserem Hause jagte. Wir haben nicht gefuscht und nicht pariert, als angebliche Matrojen tamen, uns die Gewehrläufe unter die Nase hielten und uns wegen unserer ,, Schreibweise" mit dem Erschießen bedrohten. Wir haben unsere Meinungsfreiheit verteidigt, wir haben die Sache der Arbeiter Deutschlands verteidigt, die damals, wie heute, in ihrer erdrückenden Mehrheit Gegner der Kommunisten waren und von ihrer Beglückung durch einen Bolschemistenputsch nichts wissen wollen. Wir, die wir damals den Vorwärts" redigierten, waren wirklich so dreift, uns mit Worten gegen Gewehre zur Wehr zu sehen. Darum sind wir jetzt ,, Arbeitermörder".
Die Kommunisten hatten während des Krieges die Unabhängige Sozialdemokratie als schüßendes Dach" benutzt. Erft die Sonne der sozialdemokratischen Staatsumwälzung locte sie ins Freie. Sie spalteten in Halle die Unab hängige Sozialdemokratie, aber nicht lange darauf spalte ten sie wieder sich selbst. Keine kommunistische Reichstagsfraktion ist während des Verlaufs einer normalen Legislatur periode ungespalten geblieben. Die des letzten Reichstags ipaltete sich im Berlauf von drei Jahren in nicht weniger als vier verschiedene Richtungen. Die bei den
Rabbi und dem Mönch, beide stinten.
So schildert die ,, Rote Fahne" heute selber die Helden, Berliner Arbeitern stürmisch zur Wahlempdie sie im Mai und im Dezember 1924 den fohlen hat!
Bermesung! Gestant! Gestant! Wählt KPD. ! Nieder Feiglinge, Dummföpfe, Berräter, Judaffe, Fäulnis und mit den Sozialdemokraten!"
uns eine Ehre. Der Kampf, der von links gegen uns Der Kampf, der von rechts gegen uns geführt wird, ist geführt wird, ist eine Schande aber nur für die, die ihn führen.
Wofür fämpfen die Deutsch nationalen? Sie wissen es ganz genau, wenn sie auch zu vorsichtig sind, es auszusprechen. Sie fämpfen für die befizenden Klaffen gegen das arbeitende Boll und darum fämpfen sie gegen
die Sozialdemokratie.
Wofür kämpfen aber die Kommunisten? Das missen sie selber nicht. An das Vorbild Rußlands glauben sie längst nicht mehr. Daß man der freiheitliebenden, mit wirtschaftlichen Fragen vertrauten deutschen Arbeiterklasse russische Zustände nicht aufzwingen fann, müffen fie längst begriffen haben. Sie fämpfen für tein pofitives Ziel mehr, russische Zustände nicht aufzwingen fann, müssen sie längst begriffen haben. Sie fämpfen für fein pofitives Ziel mehr. sondern nur noch für ein negatives, und dieses negative Ziel heißt: Nieder mit den Sozialdemokraten!" Darin begegnen sie sich mit unseren Gegnern von rechts.
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In der Zeit, in der die KPD. unzählige Spaltungen voll30g, hat sich die Sozialdemokratie geeinigt. Mit geschlossener Front ist sie, die größte Partei Deutschlands , die massenpartei der deutschen Arbeit, in den Wahlkampf eingetreten. Die Gegner selbst prophezeien ihr bedeutende Erfolge. Die Reaktion zittert vor ihrem Sieg. Die Deutschnationalen und ihre Bundesgenossen, alle Vertreter der herrschenden Kapitalmacht werden am Abend des 20. Mai jeden Fortschritt der Sozialdemokratie mit einem Angstruf aufnehmen, jeden von den Kommunisten gewonnenen Sig mit einem Seufzer der Erleichterung begrüßen.
Und da soll am 20. Mai ein Arbeiter, eine Arbeiterin nicht wissen, wem sie ihre Stimme zu geben haben? Wollt ihr den Kampf gegen den Monarchismus, die Sozialreattion, das Großfapital oder wollt ihr gemeinsam mit den Todfeinden des Proletariats den Kampf gegen die Sozialdemokratie? So ist die Frage ganz flar und einfach gestellt, und millionen- und abermillionenfach wird am 20. Mai die Antwort erschallen:
„ Für den Sieg der Arbeit!"
„ Es lebe die Sozialdemokratie!"