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Morgenausgabe

Rr. 215.

A 109

45.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

8. Mai 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Sündisch, feige, ehrlos...

und dumm dazu!

Nummer 474 der Flugblätter der deutschnationalen§ 2. Kriegsgerät darf für Inländische Verwendung weder Schriftenverteilungsstelle trägt die Ueberschrift ,, brüstung   hergestellt noch aufbewahrt oder gehandelt werden. und Sozialdemokratie". Das Flugblatt zeigt einen bis auf die Zähne bewaffneten Franzosen, der als Boncour bezeichnet wird, und einen Reichsbannermann, der Hör sing darstellen soll mit einer Flagge: ,, Nie wieder Krieg." Nach einigen Tiraden über die angebliche Militärfrömmigkeit der französischen   und die angebliche Militärfeindlichkeit der deutschen   Sozialdemokraten wird in Bezug auf das Ver­halten der letzteren gesagt:

Das ist hündisch, feige, ehrlos und dumm dazu! Ein an­ftändiger deutscher   Mann sagt Pfui" dazu!

und wählt deutschnational Liste 2!

Soweit die deutschnationale Poesie. Lassen wir nun die Broja sprechen Bor etwa zehn Monaten, am 6. Juli 1927, hatte der Reichstag   über ein Gefeß über Kriegsgerät" zu beschließen, das ihm non der Bürger­blockregierung Hergt- keudell Schiele Koch zur unveränderten Annahme vorgelegt war. Dieses Gesetz Lautet in feinen beiden ersten Baragraphen:

§ 1. Die Ein- und Ausfuhr von Kriegsgerät jeder Uri ( Waffen. Munition und sonstigem Gerät) fowie feine Her. ftellung für die Ausfuhr ist verboten.

eine scharfe Protestrede gegen das Gebot der Entente, In der Beratung hielt der Redner der Sozialdemokratie auf das dieses Gesetz zurückzuführen war. Er bezeichnete als Zweck dieses Gesetzes die, brüstung Deutschlands  bis zur Nadtheit", während alle anderen Staaten gerüstet bleiben. Er erklärte es für äußerst ungerecht, daß Deutschland   allein seine Souveränität auf militärischem Gebiet preisgeben müsse, während die anderen die ihre bei­behielten. Er erklärte, daß die Sozialdemokratie die all gemeine Abrüstung erstrebe, dieses einseitige Gesetz aber nur unter dem Drud einer außenpolitischen 3wangs lage annehme.

Was taten die Deutschnationalen? Die Deutsch  . nationalen hielten das Maul und nahmen das Gefeß, das ihnen ihre Regierung vor gelegt hatte, einfach an.

Sie hielten das Maul. Jeßt reißen sie es flafterweit auf: ,, Das ist hündisch, feige, ehrlos und dumm dazu!"

,, Ein anständiger deutscher Mann fagt Pfui dazu!" Das meinen wir auch!

Der Bauernschwur von Karlsburg  

Kampf ohne Unterlaß!- Standrecht in Bukarest  . Butareft, 7. mai.( Eigenbericht.) es fein friedliebenderes und arbeitsfreudigeres Land gibt als Die große rumänische Bauernfundgebung bei Alba Julia   Rumänien  . Ich wußte außerdem, daß es tein ernstes fo. ( Karlsburg  ) hat die Bezeichnung Nationalversammlung ziales Problem gibt, das einer revolutionären Agitation als be's rumänischen Boltes angenommen. In dem Schwur Grundlage dienen könnte. Es gibt offenbar eine Opposition, die der Bolksversammlung heißt es, daß der Kampf gegen die ungefeh- möglichst bald zur Macht gelangen möchte, aber ihre Agitation liche Reglerung ohne Ermüdung, mit allen Opfern, in allen Städten ist ganz oberflächlich. Karlsburg   fonnte unter diesen Umständen und Dörfern des Landes geführt werden soll. Die gegenwärtige nur das sein, was es war, nämlich eine mehr oder weniger 3 a hi­zahl Regierung sei ungefeßlich und es sei berechtigt, fich aller Mittel zur reiche Bersammlung, die in einer mehr oder weniger Entfernung eines solchen Regimes zu bedienen. Die Nationalver- heftigen Entschließung gipfelte. Die Ereignisse haben die Vorhersage fammlung" spricht der gegenwärtigen Regierung vollkommen bestätigt. Die Regierung setzt ihre Arbeit des Aufbaues jedes Recht ab, im Namen des Landes zu handeln und fordert und Fortschrittes fort, und es wäre ein für allemal zu wünschen, von der Regentschaft die Entfernung der gegenwärtigen Regierung daß man aufhöre, dieses Land, das von allen es umgebenden und die Ernennung einer Regierung der nationalen Bauernpartei Ländern seit dem Kriege das ruhigfte war, in regelmäßigen Ab­mit Maniu als Präsidenten. Die nationale Bauernpartei habe um ständen vor der Weltöffentlichkeit als einen Herd der Unordnung und fo mehr Veranlaffung, gegen die gegenwärtige Regierung vorzu- der Revolutionsgefahr hinzustellen. gehen, weil ihr Berhalten mit dem monarchischen System identifiziert wurde und weil in einer Zeit, wo überall die Monarchien zusammenbrachen, sich diese Staats­form nur hallen könne, wenn die Volksmassen davon überzeugt find, daß sie ihren Intereffen am beffen entspräche.

Aus Rumänien   kommen sonst über den Bauerntag von Alba Julia  ( Karlsburg  ) und seine Folgen nur Regierungsmeldungen, wie die, daß der Bauernführer Maniu   dem Regentschaftsrat in Bularest die, daß der Bauernführer Maniu   dem Regentschaftsrat in Bukarest  die beschworene Kampfentschließung der 200 000 erst nach dem Nationalfest am 10. Mai werde persönlich überreichen können, weil ihm vorher nicht Audienz gegeben werden foll!

Eine Budapester Meldung sagt, daß der Schnellzug aus Sieben bürgen mit einer zweistündigen Verspätung in Lötöshaza eingetroffen ist. Die Ursache der Verspätung lag darin, daß der Zug bei Tövis durch die von der Karlsburger Bersammlung zurüd­flutende Menge aufgehalten und zum Stehen. bleiben gezwungen wurde, da die Menge verlangte, daß der Zug seinen Weg nach Arab nicht fortsetze, sondern sie nach Bufarest befördere. Die Gendarmerie trat dazwischen, und es gelang nach zweistündigem hartem Kampfe die Menge zurückzudrängen, so daß der Zug seinen Weg nach Löföshaza fort jezen tonnte.

Aus Bufarest wird offiziös gemeldet: Die letzten Teilnehmer an bem Kongreß der Nationalen Bauernpartei haben Karlsburg   und Umgebung in guter Ordnung verlassen. Um das Ab­strömen der Teilnehmergruppen zu erleichtern, hat die Regierung einem ihr vorgetragenen Wunsche gemäß einige Sonderzüge zur Berfügung gestellt. Stadt und Kreis Karlsburg   bieten mieder den gewöhnlichen Anblid.

Die Regierung höhnt.

Der Innenminister Duca fagte einem Bertreter der Agentur Orient- Radio: Als ich von einer Revolution in Rumänien   fprechen hörte, und als ich die Beunruhigung sah, die in gewissen aus­ländischen Kreisen in dieser Hinsicht herrschte, fonnte ich mich eines Sädelns nicht ermehren. Ich fenne mein Land und meiß, daß

Der aufdringliche Carol.

London  , 7. Mai.  ( Eigenbericht.)

Russisches, Wirtschaftswunder,

Dder der verschwundene Mehrwert.

Von Wladimir Wontinsky.

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Ein Unternehmer hat gewöhnlich zwei Maßstäbe, um die Lage seines Betriebes zu beurteilen: wenn es sich darum handelt, Steuern zu zahlen oder einen Tarifvertrag zu revidieren, macht er sich arm und flein; wenn er aber um scheinen. Der Sowjetstaat als Unternehmer ist mit Steuern Kredite wirbt, läßt er seine Bilanz im günstigsten Licht er­nicht allzu sehr belastet, die Steuern, welche die Trusts aufbringen, dienen hauptsächlich dekorativen Zwecken, weil sie um das Mehrfache durch staatliche Dotationen übertroffen werden. Den doppelten Maßstab den Arbeit­nehmern und den Kreditgebern gegenüber haben sich aber die Sowjetwirtschaftler angeeignet: im Inlande verschweigen sie die Schwierigkeiten und Mißerfolge nicht, in den für das Ausland bestimmten Veröffentlichungen und Aeuße rungen tragen sie einen beneidenswerten Optimismus zur Schau.

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Diese doppelte Bertung  -die eigentlich den Leitern der Somjetwirtschaft nicht vorzuwerfen ist erschwert eine unparteiische Beurteilung des Wirtschaftssystems der Sowjets ganz erheblich: will man ein voreingenommenes Urteil Shifn" und im" Trud" alles, wonach man sucht, sei es auf Zitate stüßen, so findet man in der Ekonomitschestaja um dieses System zu verherrlichen, sei es um es herunter­zureißen.

Es liegt auf der Hand, daß man damit bei der Beur­teilung des bolfchemistischen Experiments nicht weit kommt. Was ist aber der Gegenstand dieses Experiments? Wenn man vom Experimentiren" spricht, so meint man immer, daß es eine Frage gibt, die geprüft werden muß. Welche ist also die Frage, auf die die Sowjetwirtschaft Antwort gibi? Man nimmt häufig an, daß es sich hier um eine Prüfung der Möglichkeit einer vergesellschaft­lichten Produktion, einer Produktion ohne Privat unternehmer handle. Wir können diese Auffassung- die viele angesehene Anhänger hat nicht teilen. Die Mög­lichteit einer von der öffentlichen Hand geleiteten Pro­duktion ist schon lange durch die Praxis bewiesen. Die öffentliche Wirtschaft d. h. eine Wirtschaft, aus der die privaten Kapitalisten ausgeschaltet sind und deren Richt­linien nicht durch die Gewinnsucht, sondern durch die Inter­essen und Bedürfnisse der Allgemeinheit bestimmt werden, hat gerade in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte ge= macht. Gegenwärtig hat sie in Europa   in Gestalt von staatlichen Eisenbahnen, kommunalen Kraftwerken und an­deren Betrieben, Genossenschaften usw. einen solchen Um­fang erreicht, daß sie ihr Gepräge dem gesamten modernen

Leben aufbrückt.

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Ende 1927 das Nominalkapital aller Attiengesellschaften Nehmen wir z. B. Deutschland. Hier betrug rund 17,5 milliarden Mark( ohne Doppelzählungen), wobei an diesem Kapital auch die öffentliche Hand ganz be­trächtlich beteiligt war. Daneben steht die Reichseisenbahn - eine rein öffentliche Unternehmung mit ihrem Kapital Don 26 Milliarden Mark. Auf die öffentliche Hand entfallen in Deutschland   76 v. H. der Erzeugung des elektrischen Stromes für den Verkauf. Das gesamte Kreditsystem des Die Meldung, daß Erkronprinz Carol von Rumänien zwei Reiches, sowie seine Kohlenwirtschaft sind der öffentlichen Kontrolle unterworfen die zwar bis jetzt schlecht aus­Flugzeuge gemietet hat, um nach Rumänien   zurückzufliegen, demen­tiert er. Demgegenüber stellt man amtlich fest, daß am Sonne geübt wurde, hoffentlich aber in der nächsten Zeit einen abendnachmittag auf dem Flugplay Croydon zwei Flugzeuge mit anderen Charakter annehmen wird. Etwa dreiviertel des dem Bestimmungsort Bufarest gemietet worden sind, in denen Wohnungsbaus in den deutschen   Städten sind in den letzten offenbar der Erkronprinz mit Gefolge nach Rumänien   zurückzu- Jahren von den öffentlichen Körperschaften tehren dachte. Da die britischen Behörden Zweifel darüber empfan- finanziert werden. Rückfehr in seine Heimat" sei, hätten sie die nötigen Schritte unter­den, ob der Erfronprinz im Befiße der nötigen Papiere zur nommen, um den Abflug zu verhindern.

Unterdrückungsmaßnahmen.

Belgrad  , 7. Mai.  ( TU.)

Nach Meldungen aus Bukarest   sind fämtliche ausländische Jour. nalisten, die sich mit Maniu und den Bauernmassen aus Karlsburg  nach Butare   ft begeben wollten, an die Grenze abge­fchoben worden. Weitere Meldungen besagen, daß in Bukarest  Militär und Bauern aneinandergeraten felen. Die Truppen feien in Bereitschaft und hätten alle nach Bukarest   führenden Straßen Bereitschaft und hätten alle nach Bukarest   führenden Straßen befeßt, um den Anmarsch der Bauernmassen zu verhindern. Ueber Bukarest   fei das Standrecht verhängt worden. Die Regie rung hoffe, noch in legter Stunde der Lage Herr zu

werden.

Maniu, der gestern nachmittag im Automobil von Karlsburg   nach Butareft abfuhr, um dort die Kongreßbeschlüsse dem Regentschaftsrat vorzulegen, ist von einer großen Schar seiner Anhänger auf 600 Laftautomobilen begleitet.

In Bukarest   soll der Berichterstatter eines großen Berliner  Verlages verhaftet worden fein, ebenin der Chefredakteur Laranu som beverul",

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In England, im Lande des klassischen Liberalismus, fieht man das Kommen einer entscheidenden Einwirkung des Staates auf das wirtschaftliche Leben voraus. In Wien  haben unsere Genossen, froß dem Widerstande der reaftionären Bundesregierung, auf dem Gebiet der auf Be­darfsdeckung eingestellten fommunalen Wirtschaft wirklich Mustergültiges geleistet.

Dieses alles erübrigte das fostspielige Moskau  - Experi­ment, falls es nichts anderes, als die Möglichkeit der Produktion ohne Privatkapitalisten beweisen sollte. Eigent lich war diese Frage schon durch die Entwicklung der riesigen Attiengesellschaften und Konzerne gelöst, die von fach­fundigen Fachleuten verwaltet werden und in denen der Eigentümer Eigentümer der übrigens nicht immer festzustellen ist­feine ausschlaggebende Rolle spielt. 3ft es nicht eine Selbst­verständlichkeit, daß ein Stab von geschulten Fachleuten den Betrieb eines Staates, einer Gemeinde oder irgendeiner anderen öffentlichen Körperschaft ebenso gut leiten fann, wie ein Betrieb, der den Aftionären gehört? Und dennoch will man glauben. die Tatsache selbst sei höchft bemerkenswert, daß in Rußland   ohne Brivat fapitaliſten die Züge verkehren, die Schornsteine rauchen, die Kraftwerke funktionieren, in den staatlichen Läden ver schiedene Waren wenn auch nicht immer zu laufen find. Das nennt man: Wirtschaftswunder. Wir fehen aber nicht ein, worin hier eigentlich ein Wunder besteht. Wenn