DER SPRUNG ÜBER DEN SCHATTEN
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VON KARL
HefnriA Fehlow, dessen Lebcnsgesdiichte der Verfasser sdiil- derf, stammt aus einem osfelbisdien Landstädtchen. Sein Vater ist Dorfs dmllehrer mit 750 M. Gehalt im Jahr. Der Junge ist ein .aufgewecktes" Kind und der Scfaulrckior meint, da6 er studieren müsse. Vorläufig bekommt er seinen Unterricht in den Gym nasialfächem. 6. Fortsetzung. „Hol dich der Teufel! Mach, daß du rauskommst!' Er drehte sich um und ging ins Nebenzimmer. Dort schneuzte er laut. Völlig verwirrt, verschwand Ich; ganz leise auftretend. So kam ich zu meinen griechischen Stunden. Es schien ober alles nichts zu helfen. Als ich vierzehn Iahr� alt war, sagte der Vater, ich sollte Schlosser werden. Aus eigener Kraft könnte ich es später zum Inyenieur bringen. „Air haben kein Geld, mein Junge, sagte er,„wir können dich nicht aufs Gymnasium schicken.' „Dann werde ich Stunden geben, Vater, und hinzuverdienen. was fehlt.' „Das alles langt nicht. Junge. Aber wir wollen davon nicht mehr reden, als nötig ist." Ich wußte ganz gut, daß der Vater nie etwas sagte, was er nicht lange überlegt hatte, aber diesmal konnte ich mich noch nicht beruhigen. „Geht es nicht, daß ich ein« Stelle annehme, wie im Kranken- haus— einen halben Tag? Ich habe keine Angst, und müde werde ich auch nicht." Seit einiger Zeit übertrug ich jeden Sonnabend nachmittag im Krankenhaus des Iohamriterordens Krankenscheine und dergleichen in die Anstallsbücher. Dafür erhielt ich zehn Pfennig die Stunde. Die Oberin war eine heftige Person mit blaurotem Gesicht, vor der ich zitterte. Jedes Verschreiben kostete mich ein furchtbares Donner- weiter und die Drohung eines Abzuges von zehn Pfennig. Der Johanniterorden ist ein vornehmer Orden. Hochfeudale Herren und Königliche Hoheiten gehören ihm an. Ich ober bin klein genug, wenn ich seinen Nomen höre, diese Sonnabendnaihmittoge nicht zu vergessen. Als ich gesprochen hatte, drehte sich der Dater um und sagte schroff— schroffer, als ich es kannte:„Genug! Es geht nicht! Wir haben kein Geld!" Ihn schmerzte natürlich mein« Arbeit für 3k> Pfennig an einem Tag, an dem die Kinder spielen wollen: aber es waren im Monat zwei Mark, und zwei Mark sind vier Mittage für eine Familie. Vorläufig wurde van dieser Angelegenheit nicht mehr gesprochen. Aber ich konnte mich nicht losreihen.. Kurz vor dem Abgang von der Schule erklärte ich: „Schickt ihr mich nicht aufs Gymnasium, lauf« ich weg.' Der Boter sagte kein Wort. Die Mutter stand weinend in der Küche, aber auch sie sprach nicht, und ich fragte nicht. Was geworden wäre, das weih ich nicht. Do tauchte der Konrektor bei uns auf. Dos war noch nie- mals vorgekommen: er war ein Sonderling und oerließ fein« Woh- nunz sonst nur zu einsamen, weiten Spaziergängen. Er setzte sich nicht: sah weder die Eltern noch mich an: wanderte fünf Minuten im Zimmer auf und ab, ohne zu sprechen. Schließlich blieb er vor einein größeren Bilde stehen, dem Porträt eines preußi- sehen Kultusministers, der als Lehverfveund galt. Dies Bild hing damals und wohl heut« noch in den Wohnungen zahlreicher Lehrer. Es wurde von offizieller Stelle vertrieben: so kitzelte man nicht ohne Geschick den Idealismus zur Loyalität hinauf. Vor diesem Bild blieb der Konrektor stehen, piekte mehrmals mit dem Finger darauf und sagte mit rauher Stimm«:„Der Sohn eines Lehrers!— Was meinen Sie, Kollege Fehlow? Das war was!" Alle schwiegen. Plötzlich schlug er mit der Hand auf den Tisch: ..Wenn bloß dos verfluchte Ducken nicht war!' Das kam überraschend und heftig heraus. Ich stand am Fenster, knipst« voll Unruhe«in paar Blätter der Rofengeronten ab: drückt« den Daumennagel ln die prallen, saftgeschwellten Schwertstiele einer Aloe. Der Soft heilt Brandwunden,"sagte man. Als der Konrektor jetzt auf den Tisch schlug, stach ich mir vor Schreck eine Nadel der Aloe tief in den Finger. Er aber ging schon wieder auf und ab und sagt«, von Satz zu Satz ruhiger werdend: „Aber das lernt man. da? lernt man. Ist auch nötig. Un— be— dingt nötig. Uebrigens, Frau Fehlow, Sie kleine, reizend« Frau, Sie müssen sich nicht so quälen. Sie sehen ja trank aus. Alles Unsinn! Jung bleiben! Wozu so quälen? Ist das nötig? Nichts ist nötig. Nichts muß man. Kein Mensch muß müssen. Nur manchmal, natürlich, manchmal, da— muß— jeder— müssen. Ist auch nötig. Un— be— dingt— nötig. Na, dann also---.' Er wandte sich zur Tür und ging. Sein« Nase tropfte. Cr allein hatte wahrend dieses Besuches gesprochen. Ob er den Eltern auf dem Flur noch etwas gesagt hat. weiß ich nicht. In meiner Erimie- ning sind wir anderen völlig stumme Zuhörer. So fügte es sich, daß ich doch noch auf das Gymnasium kam. Mehr noch als bisher schränkten sich die Eltern ein. Davon durfte ich ober beileib« nichts merken. Für die Schwestern begann der Tag um fünf Uhr, und zeitweise arbeiteten sie in einer Putzmocherei, garnierten dort Hüte, A?hn Stunden ain Tag für fünf Mark die Woche. Wenn der Sahn eines Kleinbürgers etwas werden soll, müssen Opfer gebracht werden. Und Frauen sind Imme? gut genug dazu. Das fördert den Idealismus. Und Idealismus dieser Art ist eine profitable Ware für die Herrschenden. Der Konrektor verschaffte mir Schulgeldfreiheit: er schenkte mir die notwendigen Bücher. Und schließlich kam ich durch seine Der- mittlung in das Haus einer adligen Pastorenwitwe, bei der die fünf Söhne ihres Bruders, eines preußischen Junkers, in Penston waren. In den folgenden Iahren habe ich mehrmals versucht, den Kon- rcktor zu sprechen, mich bei ihm zu bedanken.. Cr ober ließ sich stets verleugnen. Nach feinem Tode ging dos Gerücht um, er. hätte als junger Student im Rheinland mit einer Kellnerin ein Verhältnis gehabt, dem ein uneheliches Kind entstammte. Er hotte sie heiraten wollcn, durfte ober nicht und war überhaupt an dieser Affäre mit seinem Studium der Theologie gescheitert. „Ra ja," sagten die Leute, als sie das hörten.„Das hätte man sich eigentliich denken können. Eine Kellnerin! Was kan» das Gutes geben?! Liederliche Frauenzimmer!' Ich kann diesen Konrektor nicht vergessen. Nicht deswegen, weil mir der Mann„Gutes' erwiesen hat. Auf dieses Gute, das dabei herausgekommen ilt, pleif« ich heute und denf«� daß es tausendmal besser gewesen wäre, ich wäre zu einem Schlosser in die Lehre gekommen. Nein, deswegen nicht: sondern deswegen,«eil dieser Mann ein
Musterbeispiel dafür ist, wie in unserer Gesellschaft natürlich« Liebe und Güte zu lächerlichen Mißgeburten verunstaltet werden: wie gütige Menschen ständig auf der Flucht sind vor der eigenen An- ständigkeit. So springen Tau sende jahraus, jahrein in das tote Meer der Einsamkeit. Einsamkeit aber ist schlimmer als Tod. Menschen in die Einsamkeit treiben, ist das schlimmste Derbrechen, das begangen werden kann. Kinder. Glaube nur niemand, daß es auf dem Lande und in den Klein- städten besser um die sexuelle Ausklärung steht als abseits der„natür- lichen" Verhältnisse.— Wir sahen dos Paaren der Tiere, den treten-
— Verschreiben lastete mich ein furchtbares Donnerweiter. den Hahn, die rauschend« Sau: wir führten beim Großvater die Kuh am Strick zum Bullen. Wir brachten die Kaninchen zum Bock und warteten fünf Wochen aus die Jungen. Aber gesprochen wurde mit uns Kindern über diese Ding« nie mehr als dos Notwendigste, und wir brachten es in keinerlei Beziehung zu den Menschen. Natürlich taten wir, was all« Kinder unter solchen Umständen zu tun pflegen: Dir spielten Eltern und Kinder: kuschelten uns in Holzstöllen und dämmrigen Winkeln der Scheunen mit Wohlgefühl aneinander. Mit bösem Gewissen und gespielter Unbefangenheit kamen wir wieder heraus, um gleich danach wild durch die Gärten zu toben. Durchstöbere ich diese erst« Erlebnisse, so taucht das Bild eines jüdischen Jungen auf, der zwölf bis vierzehn Jahre gewesen sein muß und vier bis sechs Jahre älter war als wir. Dieser Vengel lebt in meiner Erinnerung als«in großer, fast erwachsener Mensch. Wir sitzen mit ihm im Holzstoll:«r auf dem Sägebock, wir oben auf den Kloben. Ein Türriegel ist so eingehakt, daß nur ein schmaler Spalt
offen bleibt, durch den ein gelber Sonnenstreifen in den Stall fällt. Er erzählt von schwarzen, wilden Zigeunern und Zigeunerinnen, die sich aneinanderpressen: und in all diesen Geschichten kommt immer wieder das Wort„Schleim" vor: ein warmes, wollüstiges Etwas, vor dem man sich ekelt, ohne doch davonzulaufen. Mehr ist hiervon in meinem Gedächtnis nicht zurückgeblieben. Hinter den Mädchen liefen wir Jungen allesamt her. Jeder hatte eine„Braut", alle Jahre eine andere. Die Brautschaft ließ er sie daran suhlen, daß er ihr möglichst rücksichtslos mit Schneebällen zusetzte oder aus dem Eise in ihrer Nähe sich abmühte, in großen Bogen zu Holländern nud kunstoolle Achten zu laufen. Solche Dräut« hatte ich schon drei oder vier gehabt. Aber alles dies war nichts gegen die Verrücktheit, die mich im zehnten Lebensjahr plötzlich Überfiel. M't einigen Freunden tobte ich an einem Sonntagnachmittag auf unserem großen Liehmarkt umher, auf dem olljährlich zwei- oder dreimal für ein paar Wochen ein Karussell ausgestellt wurde, mit strahlend buntem Glosperlengehänge, mit weißen Pferden, hellgelben Löwen und schaukelnden Schlittensitzen. Dies Karussell wurde im oberen, durch eine Leinwand verdeckten Gestänge von Menschen- Händen um seine Mittelachse gedreht. Der Besitzer des Karussells war nämlich ein kleiner Kapitalist— was soll er aud) machen?— und ließ diese Arbeit von Kindern ausführen. Wer fünfmal gedreht hatte, fuhr einmal umsonst. Wir drängten uns noch dieser„Arbeil" und waren selig, beim sechsten Male dem gaffenden Publikum unsere Unerschrvckenheit und Kunstfertigkeit zu demonstrieren, indem wir mitten in der Fahrt auf- und absprangen oder von einem Tier auf das andere kletterten. Bei einer dieser Fahrten sah ich auf einmal— mitten im schnellen Kreisen— ein Paar große, dunkle, strahlende Augen auf mich gerichtet.— Sie lassen mich nicht los. Als die Fahrt zu Ende ist, springe ich in ihrer Nähe ob und sehe in ein schmales, gelbbraunes Gesicht mit tiesroten Lippen und bläulich glänzendem Dunkelhaar: ein« geschmeidige Gestalt in schottischfarbenem Röckchen. „Möchtest du auch mal fahren?" „Oh. ich mächt schon I' Die Augen funkelten. „Ich sag dir nachher." Weg war ich, und als ich fünfmal gedreht hatte, ritt sie statt meiner auf dem weißen Pferd mit dem goldenen Zaum.- Ich ließ alle Freunde im Stich und kam außer Atem zu Hause an. Sagte ober nichts, wenigstens den Eltern. Von den Schwestern erfuhr ich, daß„sie" ganz in der Näh« wohnt«: seit einem Monat schon bei ihrem Onkel erzogen wurde. Ihre Eltern sollten als Schau- spieler weit, weit weg im Rheinland umHerreisen. So hat sie angefangen, diese„Liebe auf den ersten Blick" und hat mich bis auf den heutigen Tag begleitet, wenn ich sie auch als etwas Fernes sehe, das nicht ich selbst erlebt Hobe, sondern ein Fremder.. Ich hob« nicht die Absicht, die Geschichte dieser Jugendliebe zu schreiben. Später einmal Hobe ich Stvrms Geschichte von„Pole Poppenspälcr" gelesen und fühlle mich von ihr angezogen. Aber ich muß schon sogen, daß sie mir blutleer und zahm vorkommt gegen- über dem Sturm, der in diesen Iahren über mich hinbrauste und mir den Atem nahm. Am Tag nach der Karussellfohrt kam die kleine Toni Kerstcn auf unseren Hof. Es war Vorfrühling. Die Lust schien ein sanftes, mattes Blau, und die Rinde der noch unbelaubten, dünneren Baum- zweige zeigte ihr wunderbares zart verschleiertes Lila. (Fortsetzung folgt.)
Rätsel-Ecke des„Abend".
Kreuzworträtsel.
Die Worte bedeuten: Woaerecht: 2. Nachtvogel, Z. türkischer Vorname, 5. deutscher Märchcndichter, 7. persönliches Fürwort. 8. Knochen auf Laleinffch. 10. Stadt im bayerischen Wald. ll. nordischer Lorname, 12. Erdöl , 1l. Trockenfutter. 15. Tonort, 17. jagdbarer Vogel. Senkrecht.- 1. Oberhaupt der Mohammedaner. 3. Flächenmaß. 4 Präposition(Vorwort) mit verbundenem Artikel. 5. Kammlinie eines Berges, 6. Wellenbrecher, 7. ewiges Bündnis. 9. weibliches Schwein. 13. in« erste Kammer des englischen Parlament», 13. Hinweis, IS. ägyptischer Gott. Silbenrätsel. Aus d«n Silben: auf, auf. da», da«, der. du.«. föL Ha. Sei 4fi> k»Hck fm«*«<>1 2 fifoüfWj paarweise ...... zu bilden, der in von ersten drei Zeilen eine Frage und in der vierten Zell « ein« komisch« Antwort darauf enthält. Di« Anfangsbuchstaben der Worter sind in richtiger Reihenfolge: hdnihn— hadsf-�waehz- di d l i s w: alle vier Zeilen endigen auf n.
Magisches Quadrat. A A A A B Die Buchstaben in nebenstehende? Figur sind B B V D D so zu ordnen, daß die«ntsprechenden wagrechtc' £ E t B t und senkrechten Reihen Wörter mit folgender 5 l. l. M ss Bedeutung ergeben: R R T T(J 1. Spanische Provinz. 2. Verstorbener Führer der Sozialdemokratie. 3. Deutscher Staatsmann. 4. Wissenschost- liche Bezeichnung der Haut. S. Teil der Kirche. Komponisten-Versetzrätsel. Die nachstehenden Komponisten sind so untereinander zu setzen, daß je zwei Buchstaben eines jeden Namens hintereinander gelesen einen Kompomsten mit einem seiner Werke nennen: D'Albert (Tiefland) Maillart (Das Glöckchen des Eremiten ) Puccini (Tosea) Humperdink(Hansel und Grete!) Lortzmg(Undincl Goldmark(Das Heimchen am Herd)?l. M- Eharode. Do» der letzten tmisdjlungcn, Schwebt das vollendete Ganze . Zu den zwei erste»«mpor. Auflösung der Aufgaben nächsten Sonnabend. Auflösungen der Ztätsel aus voriger Rümmer. Kreuzworträtsel Melodischer Frühlings- grüß: Wagerecht: 1. Fink. 5. Star, 9. Elias. 10. Riesa , 11. Esau . 13. Octa, 14. Baron, 17. Rom , 18. Amsel, 20. Steak. 23. Ei, 2S. Bogel. 27. Schar._ Senkrecht: 1. Fee, 2. Ilse, 3. Rio. 4. Kaub . 5 Sion, 8. Tee. 7. Asta. 8. Raa, 12. Drossel. 15. Armut, ,16. Omega 19. Rio. 20. Siel. 21. Koch. 22. Ida. 23. Eva. 25. arm. — Amsel, Drossal, Fink und Star, und die ganze Dogelschar. Silbenrätsel: 1. Drillich. 2. Srato, 3. Lokomative, 4. vbhut, 5. Orleans, 6. Firlefanz, 7. Erika. 8. Emir. S. Ungarn, 10. Ein- machen. 11. Dresden , 12. Rezept. IS. Asegrim. 14, Heger«--, 15. Jlegann«.— Die alkoholfreie Jugenderziehung. Telegrammrätsel: 1. Schwerin . 2. Lschanti. Z. schm«. 4. Drescher. 5. Kalesche. 6. Pallasch. Geographisch«-- 1, Sagen, 2. Ehorlottenburg, 3. Ham» bürg. 4. Rathenow , 5. Erfurt , 6. Ilmenau . 7. Breslau , 8. Elberfeld , g. Rostock , 10. Heidelberg . 11. Altona . 12. Ute.— Echreiberhau, Lerwaudluog: Im Sorge. Die Sorge. Sing«.