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Morgenausgabe

Nr. 219

A 111

45.Jahrgang

Böchentlich 85 Bfg., monatlich 3,60 M. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne­ment 6,- pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illuftrierte Beilagen Volk und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen ftimme", Technit", Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".

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Vorwärts

Beeliner Boltsblatt

Donnerstag 10. Mai 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs­mart. Kleine Anzeigen" das fettge orudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgebruckte Borte), jebes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen­annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3, wochentagl. von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Gozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SM 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts- Verlag G. m. b.H.

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Terror und Stimmenfauf!

Die Pläne der deutschnationalen Großagrarier.- Ein geheimes deutschnationales Rundschreiben aus Schlesien .

Die Deutschnationalen führen den Wahlkampf mit allen| schon bei Gütern von etwa 500 Morgen. Es ist ein auf die Dauer Mitteln. Mit Zuckerbrot und Peitsche, durch gutes Zureden unerträglicher Zustand, wenn große Güter zu wahren Rift bei Kaffee und Kuchen und durch rücksichtslosen Terror. Das höhlen der Sozialdemokratie werden, ohne daß etwas folgende Rundschreiben, das die deutsch nationale Mennenswertes dagegen geschieht. Gerade der größere Befizer Parteileitung an ihre Vertrauensleute im Kreise muß bedenken, daß seine Macht nur in der Gefolgschaft der Leute Nimptsch in Schlesien verschickt hat, zeigt, wie diese feines Befizes bei dem neuen Wahlsystem beruht. Aufwendungen ,, Volksbeglücker" arbeiten: an Geld für die Arbeiter, aber auch Drohungen mit Abzug außer tariflicher Bezüge müssen in Erwägung gezogen werden.

Geheim! Nach Lesen vernichten!

,, Die Sozialdemokratische Partei setzt alles in Bewegung, um fich einen großen Parteizuzug für die Wahl zu sichern. Es heißt diesmal der Sache nicht gleichgültig gegenüberzustehen, die Deutsch . nationale Boltspartei im Kreise darf sich nicht blamieren. Zunächst müßte der Ortsgruppenvorsitzende dafür sorgen, daß, wenn ein Saal im Ort ist, dieser für einen deutschnationalen Familienabend am Sonntag, dem 13. Mai, bestellt wird. Zu dem Familienabend müßte eingeladen werden. Reine öffentliche Bersamm. 1ung. Sollten Sie glauben, daß in der Gemeinde besonders geeignete Leute für eine Wahlparole vorhanden sind, so würden Sie sich am besten mit diesen in Verbindung setzen.

Die Wahllisten sind sofort nachzusehen, ob auch die, welche 21 Jahre geworden sind, zur Eintragung gelangten. Als bestes Werbematerial dürfte die Zeitung Landvolk" anzusehen sein, melche furz vor der Wahl noch besondere Artikel für die Arbeiter bringen wird.

Es ist Ehrensache, daß jeder größere Besitzer dafür sorgt, daß seine Arbeiter deutschnational wählen. Es steht so viel auf dem Spiele, daß ein paar Mart nicht gescheut werden dürfen. Diesmal geht es um die Existenz der Betriebe.

Bird den Arbeitern die Zeitung Landvolt" gehalten, so ist dabei so zu verfahren, daß man dem Briefträger einen Bettel mit den Namen der Arbeiter mitgibt und gleichzeitig den Abonnementspreis bezahlt. Notwendig ist es, daß der Arbeiter die Zeitung durch die Bost erhält. Für noch nicht 10 m. fann jeder ben Arbeitern schon 5 Zeitungen halten, das genügt

Jeder Familie einen Taler zugesagt, wenn die Wahl gut ausfällt, wirkt Wunder.

Man sel hier nicht fleinlich. Reichstagswahl ist nicht jedes Jahr. Umgehende Bestellung der Zeitung auf ein Bierteljahr für 1,85 m., wenn nötig. Besonders wichtig wäre es, die Zeitung auch für nicht ganz unzuverlässige Gelegenheitsarbeiter, die nie in der Gemeinde wohnen, zu abonnieren. Am Bahltage selbst ist ein schon jetzt durchzudentender Schlepperdienst zu organi­fieren. Das letzte erwachsene Familienmitglied ist heranzuholen.

Für das Wahllokal ist jemand zu bestimmen, der tontrol liert, mer noch nicht gewählt hat. Dieser Runddrud geht allen größeren Befizern zu."

Mehr Macht- wem?

Dem Reichspräsidenten?

Deutschnationale Blafate mit dem Bilde Hinden. burgs fordern mehr Macht für den Reichspräsidenten. In Zeitungsartiteln und Wahlreden wird diese Forderung dahin erläutert, daß vor allem der Artikel 54 der Reichsverfassung fallen müsse.

Nach Artikel 53 ernennt der Reichspräsident den Reichs­fangler und auf dessen Vorschlag die Reichsminister. Nach Artikel 54 muß aber der Reichskanzler und jeder einzelne Reichsminister zurücktreten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht.

Irgendeine praktische Aussicht, daß diese Artikel der Reichsverfassung infolge des Ausfalls der kommenden Wahlen geändert werden könnten, besteht nicht. Zur Menderung der Verfassung ist eine Zweidrittelmehrheit not­wendig. Daß die für die deutschnationale Forderung nicht zu finden sein wird, versteht sich von selbst.

Wer deutschnational wählt, wird also damit nicht er­reichen, daß der Reichspräsident mehr Macht bekommt.

Und das ist gut so. Die Machtfülle des Reichspräsidenten ist schon heute sehr groß. Der Reichspräsident hat weit­gehende Befugnisse auf dem Gebiete des Artikels 48 der Reichsverfassung, Befugnisse, die einer genaueren gesetzlichen Umschreibung dringend bedürfen. Bei der Entscheidung aller Konflikte, bei der Lösung aller Krisen ist seine Stimme von höchstem Gewicht. Man braucht nur an das Eingreifen des Reichspräsidenten bei der letzten Krise erinnern, das trotz des inneren Zerfalls der Regierungstoalition die Ber­abschiedung des fog. Notprogrammes" zur Folge hatte. Dann hat der Reichspräsident von einer weiteren Macht­entgegen den befugnis Gebrauch gemacht, indem er Wünschen der Deutschnationalen die Auflösung des Reichstags verfügte.

das stärkste Druckmittel, über das der Reichspräsident ver­Das Recht zur Auflösung des Reichstags ist überhaupt fügt. Er fann ja z. B. den Reichstag auflösen, wenn dieser einer von ihm ernannten Regierung das Bertrauen ver­

Reine öffentliche Versammlung! In einer öffentlichen Versammlung fönnte sich ein Gegner zum Wort melden, der das politische Treiben der Deutschnationalen vor den Landarbeitern und Bauern ins rechte Licht rückte. Das darf nicht sein. Deutschnationale Politik wird auf Familienabenden gemacht. Dort sollen die Wähler eingeseift werden. Wo das nicht gelingt, da werden andere Register gezogen. Da wird der außertarifliche Verweigert. Zwischen dem Reichspräsidenten und der Mehrheit dienst in Abzug gebracht. Fällt die Wahl gut aus, dann und nur dann gibt's einen Taler für alle, die dabei geholfen haben.

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Organisierter Terror und Stimmentauf das find die Waffen der deutschnationalen Großagrarier! Ganz nach dem Muster der alten Konservativen. Die Wahl ist geheim! Der sozialdemokratische Stimmzettel ist die richtige Antwort. Wählt Lifte 1!

Nationale Wahlspekulation.

Thin

Biel ist ja nicht mehr an ihm dran, aber er hat noch eine Stimme, die fann er für den nächsten Krieg abgeben..."

des Parlaments entscheidet dann das Bolk. Der Reichs­präsident fann aber auch in anderen Fällen das Bolt an­rufen, z. B. wenn wenn ihm ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz nicht gefällt.

Der vom Bolte gewählte Reichspräsident ist also ein absoluter Herrscher, und eben das wollen die fehr mächtiger Mann. Er ist nur eines nicht: ein Deutschnationalen und andere rechtsstehende Politiker aus ihm machen. Sie berufen sich dabei zu Unrecht auf das Vor­bild der Vereinigten Staaten von Amerika , wo der gewählte Präsident der Republik zugleich Regierungschef ist und nach freier Entscheidung seine nächsten Mitarbeiter, die Staats­jetretäre, ernennt. In den Bereinigten Staaten wird der Bräsident nur auf vier Jahre gewählt, nicht wie bei uns auf fieben. Er ist außerdem immer einer der Führer der beiden großen Parteien des Landes. Will er nicht seine Bartei ins Unglüd reiten, so muß er bei allen seinen Amts­handlungen an die nächsten Wahlen denken. Er steht also ganz anders unter demokratischer Kontrolle als ein auf fieben Jahre gewählter ,, über den Parteien stehender" deut scher Reichspräsident.

Der Absolutismus des Reichspräsidenten ist aber auch eine utopische, gar nicht erfüllbare Forderung. Der Fall des Artikel 54 würde an den Zuständen in Deutschland sehr wenig ändern, denn es ist ganz falsch, zu glauben, daß die vielen Regierungstrifen, die mir erlebt haben, auf ihn zurückzuführen sind. In den seltensten Fällen ist bei uns eine Regierung zurückgetreten, weil ihr der Reichstag ausdrücklich das Vertrauen entzog. Der Rücktritt erfolgte meist, weil die Regierung vor ausweglosen außen- oder innenpolitischen Situationen stand oder weil die Minister nicht mehr miteinander zusammenarbeiten fonnten.

Die Stürme der Nachkriegszeit und die Vielgestaltigkeit der deutschen Parteiverhältnisse tragen die Hauptschuld an den vielen Krisen. Daß übrigens ein fester Wille auch im Sturm stabile Regierungsverhältnisse schaffen fann, zeigt das Beispiel Preußens, Badens, Hessens und anderer Länder.

Mit der Beruhigung, die in außenpolitischer Beziehung eingetreten ist, ist eine der wichtigsten Krisenquellen beseitigt. Was aber das deutsche Parteiwesen betrifft, so kann nur das Volk an ihm etwas ändern, indem es sich zwischen den beiden Hauptgegnern, Deutsch nationalen und Sozialdemokraten entscheidet, die anderen Parteien aber als überflüssig links liegen läßt. Von oben her kann nichts daran geändert werden, denn die Ausschaltung des Barteleinflusses bei der Regierungsbildung, die Rückkehr zu Beamtenregierungen ist eine innere Unmöglichkeit. Das System der Beamtenregierung hat im Krieg end­gültig Fiasko gemacht. Es hat sich gezeigt, daß dieses System nicht die Begabungen an die Spize bringt, die ein Volf in schwerer Zeit braucht. Zudem wird sich ein Par­