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BERLIN Donnerstag

10. Mai

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntag s. Zugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr. 3

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Spätausgabe des Vorwärts"

10 PI.

Fr. 220

B 109 45. Jahrgang.

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Der unfehlbare Staatsanwalt.

Fall Maurizius- Fall Jakubowski.

verkleidet mit einem Fahrrad nach Palingen ge

Der Justizmord von Strelitz. fahren zu sein, angeblich um Jakubowski zu be.

Aussagen der Täter und Mitwisser.- Um ein Wohnzimmer

wurde ein Kind ermordet!

Der folgenschwere Justiziertum, der die Hin richtung des Nussen Jakubowski in Mecklenburg Strelik zur Folge hatte, ist jetzt so weit aufgedeckt, daß man die grauenhaften Zusammenhänge der Tat übersehen kann. Sie sind zugleich eine vernichtende Anklage gegen die sozialen Zustände in dem kleinen Agrarierlande.

Die auf Veranlassung des sozialdemokratischen Ministers von Reibniz eingeleitete neue Untersuchung ergab zunächst das Ge­ständnis des August Nogens, daß er Jakubowski in der Vor untersuchung und vor dem Schwurgericht missentlich falsch belastet hat. Seine Aussagen vor Gericht habe er unter dem Einfluß des ebenfalls verhafteten Paul Kreuzfeld gemacht. Dieser hatte als erster den Plan gefaßt, den kleinen Ewald Rogens zu beseitigen.

Paul Kreuzfeld hatte gehofft, in dem armseligen Häuschen, das Jakubowski bewohnte, ein Zimmer zu erhalten. Er glaubte, dieses Ziel nur erreichen zu können, wenn der kleine Ewald Nogens, der als unehelicher Sohn Jakubowskis bezeichnet wurde, verschwinde. Der vierjährige Ewald war das einzige Kind, das zu jener Zeit als lebensfähig angesehen wurde. Von den übrigen Geschwistern glaubte man, daß fie, verhungert und frant, wie sie waren, ohnedies nicht mehr lange am Leben bleiben würden. Kreuzfeld hielt sich nun im Hintergrunde, Nogens und Blöker hingegen schritten zur Tat. Bon der Tat gibt August Nogens eine Schilderung, in der er Blöker als Täter bezeichnet, während Blöfer behauptet, daß August Nogens das Kind umgebracht habe.

Während Nogens immer behauptet hat, am 9. No­vember 1924, dem Mordtage, von der Mordstelle ent­fernt gewesen zu sein, gesteht er jetzt ein, gegen ½6 Uhr

suchen. Er traf ihn nicht an und wollte schon wieder zurückfahren, als er in der Abenddämmerung den BIöker bemerkte, der den kleinen Ewald auf dem Arm trug. Das Kind habe leise gewimmert. Nogens habe sofort vermutet, das irgend etwas mit dem Kinde geschehen sollte, nachdem Kreuzfeld zuvor Andeutungen hatte fallen lassen. Er fuhr, wie er behauptet, Blöker nach und sah ihn bei den Tannen nahe dem Betrus- Moor haltmachen.

Dort habe Blöker das Kind an einer Tanne erhängt. Er habe gesehen, wie Blöker dann das Kind aufnahm, über die Heide nach dem Petrus- Moor trug, dem Kind einen Stein umgehängt und dann ins Wasser geworfen habe. Dann sei Blöker zurückgegangen.

Blöfer bestreitet die Beschuldigung der Täterschaft entschieden und bezichtigt August Nogens und dessen Bruder Frizz der Mord­tat. Der letztere iſt geflüchtet.

Trismegistos."

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In den Mittelpunkt feines großen Justizromans Der. Fall Maurizius" stellt Jakob Wassermann die Figur des vom Gedanken der Staatsautorität durchdrungenen, unnahbaren Oberstaatsanwalts Andergast. Trismegistos" den Dreimalgrößten nennt ihn fein Sohn Ezel. Dieser Dreimalgrößte hat mit überaus scharf­finniger Konstruktion den verluderten Privatdozenten Maurizius des Mordes an seiner Frau überführt. Und doch war Maurizius, soviel Verdachtsgründe gegen ihn sprachen, der Täter nicht. Zwanzig Jahre nach der Berurteilung muß der unfehlbare Oberstaatsanwalt sich der Erkenntnis beugen, daß er von den wahren Zusammen­hängen des Mordes feine blasse Ahnung gehabt, daß der Haupt­zeuge mitschuldig einen Meineid geleistet hat. Aber völlig im Autoritätswahn befangen, gelangt der Oberstaatsanwalt zu dem Schluß, es sei besser, daß ein unschuldig Verurteilter weiter für den Schuldigen gelte, als daß das Ansehen der Rechtspflege durch das Eingeständnis eines Justizmordes Einbuße erleide.

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Dichterische Phantasie wird man sagen. Aber die Phantasien

Sündisch... feige... ehrlos." wahrer Dichter find Wirklichkeit. Der Fall Maurizius erwacht zu

Kriegsgeräte- Gesetz §1.

Die Ein- und Ausfuhr von Kriegsgeräten jeder Art ist verboten.

§2.

Kriegsgerät darf für in

Landische Verwendung we der hergestellt, noch auf bewahrt werden.

Die Reichsregierung

Hergt, Keudell Schiele, Ko

v. Kendell: Ich bin sehr in Arbeit. Aber schreiben Sie in das deutschnationale Wahlflugblatt, daß das pazififfifche Berhalten der Sozis hündisch, feige und ehrlos ift."

greifbarem Dasein im Fall des unschuldig hingerichteten Jaku bowski. Auch hier sind es die gleichen Justizbehörden, die seiner­zeit das Schuldig" erwirkt haben, die sich mit erbitterter Gereiztheit ( Fortsetzung auf der 2. Seite.)

Der Fünfzigjährige.

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100

Endlich stehe ich am richtigen Platz: genau im Mittelpunkt meines Jahrhunderts!

Die gestrengen Herren regieren!

Das höhnende Wort Heinrich Heines , das unser Frühling mur Es wird vor allem darauf ankommen, wie die kommenden Nächte ein grün angestrichener Winter sei, hat sich wieder einmal bewährt. sich gestalten: werden sie flar, so fann ein großer Schaden sich noch Nachdem am Mittwoch ein scharfer Nordwind getobt hatte, gingeinstellen. Man muß beachten, daß gerade Gartenfulturen in diesem die Temperatur in der Nacht zum Donnerstag in der Umgebung von Berlin unter Null herunter und nach Tagesanbruch, gegen vier Uhr, zeigte das Thermometer 2 Grad. Gleichzeitig begann ein Schneefall, der alle blühenden Bäume und Sträucher und Blumen mit dem falten Weiß bedeckte. Am Morgen flebten die Schneefehen noch auf den Blättern und Dolden des Flieders, der traurig nach unten hing, bis sie sich unter der allmählich kommenden Bärme auflöften oder flatschend zu Boden fielen.

Bas werden die Folgen dieses Maiwinters sein? Die Kirschen, auch die späten, haben ihre Blüte beendet, fie dürften nicht gefährdet sein. Aber die Aepfel werden vielfach als verloren gelten müssen. Für die anderen Sträucher und Pflanzen darf es als ein Vorteil bezeichnet werden, daß am Morgen nach der Frost­nacht teine strahlende Sonne am Himmel stand, so daß der Ab­schmelzungsprozeß langsam vonstatten gehen fonnte. Es ist be. fannt, daß man durch Frost beschädigte Blumen, wie z. B. blühende Tulpen, durch Uebergießen von faltem Wasser, sobald die Luft temperatur über 0 Grad gestiegen ist, retten tann. Man führt der durch den Frost gefährdeten Pflanze Wasser zu, das die Ver­brennung" durch die Sonne abwehrt. Dieses Wasser ist hier durch den Schnee erjezt, und es wäre falsch, in solchen Fällen die Lage durch Abstreifen oder Abschütteln des Schnees verbessern zu wollen.

Jahre, wegen des falten März, erft Ende April, Anfang Mai in die Erde gekomen sind, so daß die den warmen Anzuchtfäften ent­stamenden Gemüse- und Blumenpflänzchen unter Kälte start leiden müssen. Hoffentlich hält zunächst das trüber Wetter an damit der Schaden nicht zu einer Ratastrophe wird.

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Dresden , 10. Mai.

Hier ist ein plößlicher Witterungsumschwung eingetreten, der zu großen Befürchtungen namentlich für die Obsternte Anlaß gibt. Nachdem am Mittwochabend ein heftiger Sturm tobte, feite am Donerstag früh heftiger Schnee fall ein.

Paris, 10. Mai.

Auch in Paris ist die Temperatur in den letzten Tagen merk­ich gefallen. In Mittelfrankreich und Lothringen ist sogar dichter Schnee gefallen. Hagelschläge richteten in der Gegend von Toulon schweren Schaden in der Landwirtschaft an.

Kowno , 10. Mai. Ueber Weißrußland ging gestern ein schwerer Drtan nieder, der zahlreiche Telegraphenleitungen und in Minst die Elektrizität brach legte. Sahlreiche Personen wurden vom Sturm zu Boden geworfen und erlitten erhebliche Verletzungen.