Morgenausgabe
Nr. 221
A 112
45.Jahrgang
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Freitag
11. maí 1928
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Deutschnationaler Wahlbetrug.
Die Schutztruppe der Inflationsgewinner buhlt um die Stimmen der Opfer.
Genosse Wilhelm Reil schreibt:
Troß des beispiellosen Betrugs, den die Rechtsparteien an den Kleinrentnern verübt haben, buhlen sie jetzt wieder um die Stimmen dieser bedauernswerten Opfer der Inflation. Reine von den Parteien will dafür verantwortlich sein, daß das versprochene Rleinrentnerversorgungsgesetz nicht zustande gekommen ist. Das Verhalten der Rechtsparteien in dieser Frage war genau so hinter listig wie ihr Verhalten in der Aufwertungsfrage. Befonders die Deutschnationalen zeichneten sich auch in der Kleinrentnerfrage als Roßtäuscher aus. Hier einige Tatsachen.
1. Bei ber Verabschiedung der Aufwertungsgesetze, die alle Hoffmungen der Sparer zerstörten, dachten die Deufschnationalen nicht an eine gefegliche Versorgung der Kleinrentner. Sie maren damals 1925- maßgebende Regierungspartei 2. Jm Juni 1926 forderten sie durch eine Resolution die Borlegung eines Kleinrentnerversorgungsgesetzes. Sie waren zu diefer Zeit Oppositionspartei.
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3. Ohne mit einem Wort die Beratung ihrer Resolution verlangt zu haben, überboten fich die Deutschnationalen im November 1926 felbft durch Einbringung eines eigenen Gefeßentwurfs, ber ben Rechtsanspruch auf Kleinrentnerversorgung festsette. Sie maren noch Oppositionspartei.
4. Einen Verfuch, diesen Gesezentwurf zur Beratung zu stellen, machten sie nicht.
5. Als die Linke im März 1927 die Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuß durchfeßte, mußten die deutschnationalen Antrag steller Farbe betennen. Sie ließen ihren Entwurf in der Bersentung verschwinden und baten die Regierung um eine Prüfung der Frage, ob ein Rentnerversorgungsgesetz ge schaffen werden könne. Jezt waren sie wieder Regierungs. partei!
6. Da die Prüfung zu feinem Ergebnis führte, beantragten die Demokraten im Juli 1927 ein Kleinrentnergesez, dessen 3u. laffung zur Beratung die Deutsch nationalen Schwierig
feiten bereiteten, denn sie waren noch Regierungspartei.
7. Als die Verweisung dieses Entwurfs an den Ausschuß gegen den Willen der Deutschnationalen beschloffen war, erzwang das Rabinett im November 1927 mit 3uftimmung der vier deutschnationalen Minister eine mehrmonatige Bertagung. As führende Regierungspartei stimmten die Deutschnationalen dem Bertagungswunsch der Regierung zu.
8. Im Januar 1928 setzte die Sozialdemokratie gegen den Willen der Regierung die Beratung im Ausschuß durch, mußte aber erleben, daß die Deutschnationalen bei der ersten grundlegenden Abstimmung zum Teil durch A5 wesenheit glänzten, und so weit sie anwesend waren, teils mit Ja, teils mit ftimmten, wie beim Dames- Blan.
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9. An einer Welterberatung hatten die Deutschnationalen tein 3ntereffe mehr, trotzdem fie in Kleinrentnerversammlungen die größten Berfprechungen gemacht hatten. Sie waren eben noch Regierungspartei
10. Jm Wahltampf fpielen sich die Deutschnationalen mun wieder als die einzig wahren Freunde der Kleinrentner auf. Jegt find fie 200 prozentige Demagogen So das Verhalten der Deutsch nationalen und, nebenbei bemerkt, auch der übrigen Parteien des Bürgerblods.
Was tat die Sozialdemokratie?
1. Schon 1925 bei Beratung der Aufmertungsfrage beantragte fte die Erhebung einer Sonderabgabe von den Nußnießern der Inflation. Das Ergebnis diefer Sonberab. gabe sollte dazu dienen, die Opfer der Inflation ausreichend zu versorgen. Die Bürgerblodparteien lehnten den Antrag ab.
2. Nachdem im Juni 1927 bei Beratung der Rovelle zum Aufmertungsgefeß alle fozialdemokratischen Anträge auf Beseitigung der gröbsten Härten Dom Bürgerblod abgelehnt waren, forderte die Sozialdemokratie die Freigabe des vom Sparer bunb verlangten Boltsbegehrens.
3. Nachdem auch dieser Antrag vom Bürgerblod abgelehnt mar, bejahten die Sozialdemokraten die Frage nach einer gefeßlichen Bersorgung der enteigneten Kleinrentner und beantrag ten die Erhebung einer Sonderabgabe von den Infla tionsgewinnlern.
4. Dieser sozialdemokratische Antrag wurde vom Bürgerblod im Ausschuß begraben. Der Bürgerblod ersuchte die Regierung um eine Dentschrift über die Frage. Die Bürger blodregierung ist dem Ausschuß diese Dentschrift fchuldig geblieben.
Wie vortrefflich können die Rechtsparteien in der Wahlagitation über die Inflationsgewinnler, die Neureichen" usw. räfonieren. Um des agitatorischen Zwedes willen ver übeln ihnen das die Inflationshyänen nicht und spenden trotzdem ihre Wahlbeiträge. Wissen sie doch, baß ihnen nichts passiert! Will man die Opfer der Inflation bei der Stange halten, fo muß man eben die Nußnießer mit einigen Bosheiten bedenken..
Was hätte aber zugunsten der Kleinrentner gefchehen fönnen, wenn man nur einen Bruchteil der Inflations gewinne zurüd gefordert hätte! Mit dem Einwand, daß die Reichsfinanzen eine Rentnerversorgung nicht er trügen, hätte die Bürgerblocregierung in diesem Falle nicht mehr tommen fönnen. Noch ist es möglich, die Mug nie Ber zu belaften zugunsten der Opfer. Soll es aber geschehen, so ist erforderlich
der Sieg der Liste 1.
Sozialdemokratie und Bauernbewegung in Rumänien .
Im Sozialismul" dem Organ der rumänischen Sozialdemo-| parteien zu bedienen zur Berwirklichung jener Reform, welche fratie, schreibt Genosse Constantin Petresku zum Karlsburger uns die Freiheit und mit ihr die Möglichkeit, allein zu fämpfen, Bauerntag u. a.: geben wird: des Eintrittes in die Gefeßlichteit.
Bir Sozialdemokraten haben uns der nationalzaranistischen Kampfattion angeschlossen, weil wir erkannt haben, daß gegenwärtig Praft der geschichtlichen Entwicklung die nationalzaranistische Partei imstande die von der liberalen Plutokratie der demokratischen Entwicklung des Landes in den Weg gestellten Hindernisse zu be feitigen.
Daß wir uns im Prinzip von den Rationalzaranisten, einer bürgerlich fonjervativen Partei, unterscheiden, ist un bestreitbar; aber immer und überall müssen die revolutionären Barteien eine Kampfgemeinschaft mit den bürgerlichen Bar telen der Linten gegen die Reaktion schließen, so oft die Intereffen des Proletariates eine solche zeitweilige Zusammenarbeit erforderten. Unsere Arbeiterschaft, desorganisiert und revolutionären Be wußtseins ermangelnd, zählt im wirtschaftlichen und politischen Leben des Landes nicht als ein entscheidender Faktor.
Darum hat sie die Pflicht, sich der Aktion der bürgerlichen Links
Die Nationalzaranisten haben die Berpflichtung übernommen, das tyrannische Regime der Liberalen mit seiner willkür, Lüge und Gewalt
im öffentlichen Leben zu beseitigen.
Sie haben versprochen, die tatsächliche Herrschaft der Gesetze herbeizuführen und das allgemeine, gleiche Wahlrecht mit Proporz wiederherzustellen.
Wenn es uns durch diefe Kampfgemeinschaft gelingt, die Er füllung dieser Bersprechungen zu erhalten, dann ist unfer Ziel erretcht
Dann aber haben wir Sozialisten als revolutionäre Klaffenpartel die Aufgabe, bie Aktion weiterzuführen mit unseren eige. nen Kräften, um uns die anderen Reformen zu erobern, welche die Arbeiterflaffe braucht, und um die große Umwandlung der Gesellschaft in die Wege zu leiten.
Die Währungsretter.
Helfferichs Rentenmart war die Roggenmark- und hat Zaufende von Landwirten ruiniert.
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Es ist ein Jammer um die deutschnationalen Wahlparolen. Hindenburgs Macht soll erweitert werden, die bald ein anderer, den Deutschnationalen faum paffender Präsident wahrzunehmen hätte. Die deutschen Wähler sollen sich für die Deutschnationalen an dem Heldentum der Bremen "- Flieger begeistern, die fünfzigprozentig ausgerechnet höchst unarisch und ungermanisch waren, und da helfen muß, was helfen fann muß auch der alte Ladenhüter vom Deutschlandretter Helfferich, der die Währung gerettet hat, in dem traurigen Wahlparolenarsenal der Deutschnationalen glänzen.
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Wir wollen mit den Deutschnationalen, deren Führer zähneflappernd die Hoffnung auf Ministersize heute schon begraben, nicht um Währungsprobleme rechten. Wir wollen einige Tatsachen feststellen.
Die Helfferich- Mart war nicht, wie die Hugenberg- Presse lügenhaft behauptet, die Rentenmart, sondern die Roggenmart. Und das ist ein fleiner Unterschied. Und diesen Unterschied haben jene armen deutschen Bauern, die sich noch in der Inflation und auch nachher mit der wertbeständigen Roggenmart helfen wollten, außerordentlich bitter bezahlen müssen. Dazu eine kleine Erinnerung!
In den Inflations- und Nachinflationsjahren haben viele Landwirte gehofft, durch das wertbeständige Geld, das durch Roggenrentenbriefe zu beschaffen war, ihrer Kreditnot abhelfen zu fönnen. Aber sie hatten nicht mit ihren deutschnationalen großagrarischen Freunden" gerechnet. Die Sache mit den Roggenschuiden sah äußerlich ganz gut aus, denn fünf Prozent Zinsen schien auch sehr billig. So dachten die Landwirte.
in den Jahren der schwersten Landwirtenot in Gewinnen Aber die Roggenrentenbank, das famose Institut, das schwamm, dachte anders. Aus den fünf Prozent Jahresginsen wurden durch einen Abzug von 5 bis 10 Proz. für die Beschaffung des Kredits, durch einen weiteren Abzug von 10 Proz. für die Beschaffung des Bargeldes, durch einen Abzug von neuen 10 Broz. bei der Ablösung der Schuld, 25 bis 30 Proz. einmalige Kapitaluntoften, die vom Erlös abgezogen wurden, und dazu traten dann die fünf Prozent Jahreszinsen, die bei steigenden Roggenpreisen das Vielfache von fünf Prozent auf den tatsächlichen Gelderlös ausmachten. Auf diese Weise wurden die Roggenschuldner in einer noch nie erhörten Weise geschröpft. Aber beileibe nicht alle Roggenschuldner, nur die kleinen wurden zum Ruin getrieben; den großen verhalfen nämlich gute Freunde in der Roggenrentenbant sehr bald zur Ablösung der Roggenschulden.
Hier hat die Helfferichsche Roggenmart an einem klassi schen Beispiel erwiesen, was sie für die deutsche Wirtschaft bedeutet hätte, wenn die Stabilisierung der Währung auf ihrer Grundlage aufgebaut worden wäre.
Aber das Beispiel beweist noch mehr. Die bedeutendsten Führer der Deutsch nationalen haben nämlich als Aufsichtsräte in der Roggenrentenbank der furchtbaren Auspowerung der Roggenschuldner tatenlos zugesehen; sie haben sich Lantiemen auszahlen lassen und haben so des Währungsretters Helfferich famose Roggenmark zu ihrem eigenen Besten wirten laffen. Um men handelt es sich? Bis zum 1. März 1927 findet man im Aufsichtsrate der Roggenrentenbank vertreten:
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Geh. Justizrat Dietrich Deutschnationaler; Finanzrat Dr. A. Hugenberg- Deutschnationaler; Reichsminister Dr. W. v. Keudell Deutschnationaler; die Hugenberg - Freunde Banfiers Swarth, Hofkammerrat Paschte, Landesökonomierat Wegner, alles Deutschnationale;
ferner Geh. Finanzrat Dr. Kißler von der großagrarischen Rentenbankkreditanstalt und die rechtsstehende ehemalige Breußische Staatsbant- Egzellenz von Dombois Aber das beste tommt noch. Diese hohen und höchsten Deutschnationalen haben nämlich nicht nur dafür, daß sie tatenlos zusahen, wie man die Roggenschuldner auspowerte, Tantiemen eingesteckt, sondern der vierköpfige Borstand der Roggenrentenbant hat sich noch, bevor er die Praktizierung der Vorschläge des Währungsretters Helfferich aufgab, 350 000 m. Ertragratifitation als Anerkennung