Morgenausgabe
Rr. 223
A 113
45.Jahrgang
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Der Borwärts" erscheint wochentag Hich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Jilustrierte Pellagen Boll und Zeit“ und„ Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen Stimme, Technit". Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".
Sonnabend
12. Mai 1928
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Achtung! Achtung!-Wahlmanöver! Megito im Wahlkampf.
„ Staatsbürgerlicher Wahldienst."- Technische Nothilfe für Nichtwähler!
Eine geheimnisvolle Angelegenheit ist im| Biele zum mindesten recht dunkel find. Hat man sich denn Gange. Zuerst berichtete ugenbergs Telegraphen- vergewiffert, ob und in welchem Sinne die zugesicherte Union über sie, etwas später fam BTB. etwas schüchtern ,, lleberparteilichkeit" gewährleistet ist? Welchen Grund hinterdrein. Es wird unter der Ueberschrift: Gründung haben die nicht genannt sein wollenden Wohltäter, die angebeines staatsbürgerlichen Wahldienstes" folgendes berichtet: lich nichts anderes als eine beffere Wahlbeteiligung erzielen Bei den letzten lokalen Wahlen hat der Prozentsatz der Nicht wollen, ihre Namen zu verschweigen? Wollen fie wähler in erschreckendem Maße zugenommen. Wirksam bekämpft hat dadurch die Unterstützung von Kreisen erreichen, die sich sonst diese Erscheinung bei den hamburger Bürgerschafts- sehr vorsichtig ihnen gegenüber verhalten müßten- wahlen der überparteiliche Hamburger Wahl und ist ihnen dieses Manöver nicht schon beim offiziösen dienst", eine Erscheinung, Telegraphenbureau gelungen?
in ihrer Art ähnlich der technischen Nothilfe..
Bergiftung des öffentlichen Lebens.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Der Kampf zwischen Staat und Kirche in Merit o ist zu einer aktuellen Frage im Wahlkampf in Deutschland geworden. Man versteht es ohne weiteres, wenn die deutsche katholische Kirche und die deutschen katholischen Parteien, den Anweisungen von Rom folgend( von sich aus haben sie nichts getan, sondern jahrelang geschwiegen!), eine Protestbewegung gegen die angeblichen Religionsverfolgungen in Merito organifieren. Es ist aber nicht ohne weiteres verständlich, daß sich diese Protestbewegung gegen bestimmte Parteien und Bevölkerungsschichten in Deutschland richten tann. Sie entwickelt sich hier zu einer regelrechten antisozialistischen und antisemitischen Heze, was jeder feststellen fonnte, der die Protestkundgebung der Berliner Katholiken im Friedrichshain besucht hat. Wie kommt man dazu? Was haben namentlich die Juden mit dem Bürgerkrieg in Merito zu tun? Die logische oder beffer gesagt psychologische Erflärung liegt in folgendem: man protestiert nicht nur gegen die merikanische Regierung, sondern auch gegen das angebliche Komplott des Schweigens" in der ganzen Welt. hinter diefem ,, Komplott" sollen nun, Antifleritalismus", Sozialismus" und Freimaurerei " stehen. Wenn aber der wildgewordene Kleinbürger und es ge= schieht alles, um ihn wild zu machen! das Wort Frei maurerei " hört, dann reagiert er sofort: also Juden! Der merikanische Präsident Calles wird in der Propagandaliteratur als Judensohn" bezeichnet. Und wenn der ehrwürdige Jefuitenpater gegen die Weltpresse" spricht, so aufrufen seine Zuhörer: Judenbande!", und der Redner weist folche zurufe mit keinem Borte, mit feiner Geste zurück!
Die Bezeichnung des als Unternehmens eines ,, Staatsbürgerlichen Wahldienstes" läßt jedoch schon Unter Mitwirkung namhafter Persönlichkeiten des Wirtschafts- aus dem sorgsam gewählten Schaffell eine spißes Wolfsohr lebens ins Leben gerufen, war es Aufgabe dieses Verbandes, jeden hervorfugen. Staatsbürgerlich" ist im Sprachgebrauch der Richtwähler ohne Unterschied der Partei zur Wahlurne zu bringen. Deutschnationalen ein Bort, das den Gegenja au Der Hamburger Wahldienst" tonnte als Erfolg eine Bahimehr- margistisch" bedeuten soll. Allem Anschein nach handelt beteiligung von 10 bis 15 Broz. gegenüber den vorlegten Hamburger es sich um die Organisation eines rechts parteilichen Bürgerschaftswahlen für sich buchen. Schlepperdienstes, für die offiziöse Reflame gemacht worden ist!
Für die bevorstehenden Wahlen sind deswegen ähnliche Ber bände in Berlin , Köln , Frankfurt a. M., Dresden
Der Hamburger Wahldienst" war eine ausgesprochen gegen die Linfe gerichtete Einrichtung, die es selber als ihr Biel bezeichnete, die Kräfteverhältnisse in der Hamburger Bürgerschaft entscheidend umzugestalten." Wenn alle wählten, so hieß es damals, so müsse ,, das Bürgertum fiegen".
und Stuttgart ins Leben gerufen worden. Ihr Programm lautet:„ Kampf dem Nichtwähler." Werbungen jeglicher Art zur Hebung der Wahlbeteiligung sind vorgesehen. Im einzelnen ist geplant: 1. Berpflichtung des Rundfunks für häufige und eindringliche Hinweise auf die Wahlpflicht. 2. Pressepropaganda. 3. Aufdrud Der Fahrscheine der städtischen Berkehrsmittel am 19. und 20. Mai: „ Geht zur Wahl!" 4 Berteilung von Flugblättern und Handzetteln Zu diesem Zwede wurden alle Autobefizer an verfehrsreichen Buntten, Bahnhöfen, Stammtischen usw. mit gefordert, ihre Wagen für die gute Sache" zur Berfügung eindringlichen Mahnungen. 5. Rraftwagenschleppdienst 3 stellen. Geholfen hat es allerdings nicht! am Wahltage. 6. Rinoreflame zur Wahlpflicht.
Die Ausführung dieses Planes hat ein geschäftsführender Ausschuß übernommen. Größte Bahrung der Rechtlichkeit und strenge Durchführung der Ueberparteilichteit ist von allen Seiten zugesichert und gewährleistet.
Mit Rücksicht auf die Besonderheit der Berhält. alise wird jedoch davon abgesehen, mit Namen die dem Wahldienst und dem Arbeitsausschuß nahestehenden Personlichkeiten zu nennen."
Was schleicht denn dort im Busch herum? Es ist unerhört, daß sich das halbamtliche MTB. dazu hergibt, einer anonymen Gesellschaft Borschub zu leisten, deren
Um Mitternacht meldet MTB. zu dieser mysteriösen Angelegenheit noch folgendes:
Zu der Mitteilung über die Gründung eines Staatsbürgerlichen Bahldienstes in Berlin ist festzustellen, daß es fich um eine mit ahdienstes in Berlin ist festzustellen, daß es sich um eine Mitteilung des
Berliner Wahldienstes, Cintstraße 20,
handelt Bersehentlich ist diese Quelle bei der Uebermittlung an die Zeitungen durch uns nicht angeführt worden.
Die Sache wird immer dunkler. Auf alle Fälle verdient sie, bei Tageslicht noch genauer betrachtet zu werden!
Der Kampf um Tsinanfu.
Schweres Ringen zwischen Chinesen und Japanern.
Condon, 11. Mal.( Eigenbericht.)
3n Condon eingetroffene Einzelheiten der Uebergabe Tsinanfus an ble Japaner zeigen, daß die Japaner die Stadt erst nach heftigem Kampf befehen konnten. Die Chinesen des Generals Fengischangwu leifteten verzweifelten Widerstand und machten nicht weniger als zehn Gegenangriffe gegen die eindringenden Japaner. Dieser Widerstand war eine Zeitlang fo erfolgreich, daß der japanische Kommandeur fich gezwungen fah, aus Freiwilligen Sturmtolonnen zusammenzustellen, die mit Handgrana. fen gegen die Grenze zwischen Fremdenfiedlung und Eingeborenenftadt stürmten. Die Japaner geben ihre Verlust in Tsinanfu jo an: 21 Soldaten, 13 3ivilpersonen tot, 79 Soldaten, 9 Zivilpersonen verwundet, 28 3ivilpersonen vermißt.
Der Mordanschlag auf Karl Seik. 3wei Jahre Zuchthaus für den Täter.
Wien , 11. Mai. ( Eigenbericht.) In dem Prozeß wegen des Revolver attentats auf Bürgermeister Gen. Seiz wurde am Freitag mittag der Angeklagte Richard Strebinger des Mordverfuches sowie der Uebertretung gegen bie förperliche Sicherheit, begangen badurch, daß er nach dem Schusse auf den Bürgermeister auch noch zwei Schüsse gegen die Menge abfeuerte, schuldig erfannt und zu zwei Jahren schweren Serters, verschärft durch einen Fasttag vierteljährlich, sowie wegen unerlaubten Waffentragens zu 10 Schilling Geldstrafe ver urteilt.
In der Begründung führte der Berfigende aus: Der Angeklagte Ift nicht geiftestrant und auch nicht finnesverwirrt gewesen. Er gibt gu, mit einem Revolver auf den Bürgermeister gefchoffen zu haben, bestreitet aber die Absicht des Tötens, er habe ihm bloß einen Dent zettel geben wollen. Mit einem Revolver gibt man
teine Dentzettel. Aus den Umständen und aus der Waffe geht die Absicht, zu töten, hervor. Es ist also der Mordversuch erwiesen. Als erschwerend wurde nur der Zusammenfall eines Ber brechens mit zwei Uebertretungen angefehen, als mildernd das Geständnis des Tatsächlichen, sowie, daß der Person des Bürgermeisters fein Schaden zugefügt wurde und schließlich die hochgradig pinchopathische Beranlagung des Angeklagten.
Die deutsch - polnische Schaufelpolitik. Die Fauft der Neuwahlen muß Wandel schaffen. Seit Wochen wird zwischen dem deutschen Reichskabinett und der polnischen Regierung hin und her geraten, wer eigentlich die Schuld an der ewigen Berschleppung der deutsch - polnischen Handelsvertragsverhandlungen trägt. Für Deutschland ist es außer Zweifel, daß sich die Parteien des Rechtsblocks vor den Wahlen nicht die Gegnerschaft des Reichslandbundes zuziehen wollen und daß deshalb die auf Abbau amtierende Rechtsblockregierung die Handelsvertrags verhandlungen bewußt sabotiert. Die Männer der polnischen Regie rung sind gewiß feine unschuldigen Lämmer, aber Hausmachtpolitit ist den deutschen Bürgerblodparteien wichtiger als die Rüdficht auf die deutsche Konjunktur, die noch nie so dringend wie jegt freund lichere Handelsbeziehungen zu dem für Deutschlands Industrie lauffräftigen Polen nötig hatte. Dafür verschieben die Groß. agrarier, die auf Kosten der deutschen Steuerzahler für jede Tonne 50 M. in die Tasche stecken, soviel Roggen wie mög. lich nach Polen , nach demselben Bolen, über das ihr nationales Herz täglich die größten Kofodilstränen vergießt. Wenn Deutsch lands Konjunktur durch eine vernünftige Handelspolitik einigermaßen gehalten werben foll, wenn die deutsch - polnischen Handelsvertrags verhandlungen entlich mit Erfolg zum Abschluß gebracht werden sollen, dann muß am 20. Mai abgerechnet werden.
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Wir müssen gestehen: es widerstrebt uns tiesinnerst, uns mit solchen Auswüchsen der politischen Unmoral zu befassen. Es wird aber unumgänglich notwendig, daß wir einige ernste Worte des Protestes und der Warnung ausfprechen: so geht es wahrhaftig nicht weiter!
Vor allem aber wollen wir hier einwandfrei feststellen, mit welchen untauglichen Mitteln diese ganze Greuelpropaganda arbeitet. Wir stimmen mit Herrn Mariaur S. J. überein, wenn er( im Flugblatt Beitfragen" Nr. 93) sagt: beweisen." Wir erklären aber, daß Herr Mariaux und seine ,, Es ist mitunter schwierig, bestimmte Einzelnachrichten zu ,, glaubwürdigen" Quellen wie auch die anderen Antreiber der Greuelpropaganda auch in den Fällen unwahr heiten fagen, in denen die Wahrheit leicht nachweisbar ist. Um das zu beweisen, brauchen wir uns nur an das Organ der römischen Kurie ,, L'Osservatore Romano " zu menden. In diesem Blatt finden wir in der Nummer Dom 5. Mai eine Notiz, die allein genügt, um das gesamte Netz der Lüge und der Fälschungen mit einem Schlage zu zerreißen. Die Ueberschrift der Notiz lautet: Auch die Rommunisten unzufrieden!"( ,, Anche i communiste malcontenti"); in der Notiz wir die kommunistische Information aus Merito zitiert, aus welcher ganz klar hervor geht, wie feindlich die Kommunisten Calles und seiner Regierung gegenüberstehen. Das Blatt des Vatikans benutzt die Kommunisten als Zeugen dafür, daß in Merifo die politische Sklaverei herrscht. Das ist ein verhängnisvoller Fehler der Regie. Die fatholische Propaganda be hauptet sonst, daß hinter Calles und feinen Berfolgungen gegen die katholische Kurie die Kommunisten stecken! Lügen haben wahrhaftig furze Beine!
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Es ist zweifellos eine bewußte unwahrheit, wenn in der fatholischen Propagandaliteratur immer von der kom= munistischen Organisation Crom" gesprochen wird. Was ist dieses geheimnisvolle Crom"? Die Bezeichnung ist aus Anfangsbuchstaben zusammengesetzt und entspricht unserem ADGB.". Crom" ist die große gewerfschaftliche Organisation, die von den Kommunisten am schärfften bekämpft wird. Die Sachlage wird besonders einleuchtend durch die Tatsache geklärt, daß die ,, Crom" in Verbindung steht mit den amerikanischen Gewerkschaften, die bekanntlich besonders kommunistenfeindlich sind, und daß bei der Gründung der„ Crom" der verstorbene Gompers sozusagen Pate gestanden hat. Gompers hat auch Calles unterstützt und ihn seinerzeit als Präsidentschaftskandidaten empfohlen, was damals großes Aufsehen erregt hat. Deshalb hat Calles nach seiner Wahl zuerst die Vereinigten Staaten besucht und nicht Sowjetrußland, wie es in der Propagandaliteratur behauptet wird, und wo er überhaupt nie gewesen ist. Sein Wirtschafts- und Arbeitsminister Mozones, der anerkannte Führer der merikanischen Arbeiterbewegung, ist auch fein Kommunist, mas Herr Mariaur und die anderen leicht feststellen fönnten, sondern ein von den Kommunisten besonders gehaßter Reformist". Mozones pollte zwar vor Jahren Sowjetrußland besuchen, hat aber feine Einreiseerlaubnis bekommen. Alles das sind leicht tontrollierbare Tatsachen!
Es wird von der tyrannischen Diftatur" von Calles, diesem Nero von Merito" gesprochen, insbesondere von