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DER SPRUNG UBER DEN SCHATTEN

VON KARL SCHRÖDER-- ZEICHNUNGEN VON PAUL THESING Copyright 1921 by»Der Bücherkrei» G.«. b, H." Berlin SWil.

9. Fortsetzung. Wir hatten von meinem Examen gesprochen und wie ich wohl leben könnte, wenn ich die Universität besuchte. Niemand wußte ein« Antwort. Dann hatten wir geschwiegen. Man hört« nur das Krochen der mit Zange und Zähnen zerknackten Nüsse. Da erhob sich der Voter und ging ins Nebenzimmer, in dem dos Klavier stand. Der ZUavierdeckel kloppt«, und gleich darauf quollen Choralakkorde aus dem Dunkeln, füllten schwingend, brausend, hindüstcrnd den Raum. Ein Präludium, eine Fantasie. Oh, ich verstand den Voter: ich spürte sein« Sehnsucht und seinen Gram. Aber jetzt fester und immer fester oerdichteten sich die Tön«, formierten sich zum machtvollen Bekenntnis. Eine kurze Pause dann dröhnte es heraus mit überwältigender Kraft begleitet von einer Stimme, deren orgelnder Baß die Brust zu sprengen schien: »In ollen meinen Toten laß ich den Höchsten raten, der alle» kann und hat. Er muß zu allen Dingen, soll's ander; wohl gelingen, uns selbst«» geben Rat und Tat." Die Schwestern hörten auf, ihre Nüsie zu knacken: sahen ins Dunkel, fielen ein mit ihren hellen Stimmrft: die braunen Flechten hingen ihnen über die Wangen, die vom Feuer gerötet schienen. Meine Mutter ging leise ins Nebenzimmer und setzte sich neben ihren Mann. Ich war erregt: ich wußte, daß der Vater den Katechismus ablehnte. Was er aber im einzelnen dachte, darüber hatten wir nie gesprochen. Jetzt spielte er diesen Choral. Die zweite Strophe war beendet. Tiefe Unruhe erfaßte mich. Die Kraft der Musik riß Erinnerungen aus den Gräbern der Der- gangenheit. Ich glaubte nicht mehr an die Kirchenlehre: ich glaubte an Haeckel und die moderne Naturwissenschaft. Aber meine Hände krampften sich wie von selbst zusammen. Ich sah auf die flackernden Lichter des Tannenbaumes. Als dl« dritte Strophe begann, sang auch ich, mit jeder Zeile lauter und fester: Es kann mir nichts geschehen, als was er hat ersehen, und was mir selig ist: Ich nehm es. wie er's gibet, was ihm von mir beliebet, das hob' ich willig auch erkiest." Der Tanz beginnt. Ein Bierteljohr nach diesem Weihnachtsfest saß ich dem Der- sicherungsdirektor Nehberg in einem Zimmer seiner Privatwohnung am Kursürst«,, dämm in Berlin gegenüber. Ein dicker Kerl mit Kahl- schädel und Specknocken, eingeplatteter Nase und Kneifer; Zigarre zwischen Wulstlippen oder Wurstfingern. Er war in der Nähe meiner Heimat geboren, hotte bei einem Geschästsbesuch von mir gehört und dann meine darüber hoch­beglückten Eltern aufgefordert, mich ihm als Hauslehrer seines Sohne- anzuvertrauen.Alles Weitere würde sich schon finden. Sicherlich würde es mir großartig gefallen." Ich laß in einer Umgebung, pompös, wie ich sie noch nicht kennengelernt hatte. Riesige, mit geschnitzten Iogdstilleben verzierte Büfetts: zentnerschwere Bronzekronleuchter, dicke weiche Teppiche und an den Wänden quadratmetergroße Bilder in vergoldeten Stuck- rahmen. Das drückt« mich nieder. Ich suchte mein« großen Fäuste zu verstecken, und mir fiel als schweres Manko auf die Seele, daß ich keinen Somnicrüb«rziehcr hatte. Es bleibt also dabei," sagte Rehberg und setzte eine Flasche Wein auf den Tisch.Sie sehen, ich biete Ihnen ein« wenn auch nicht gerade glänzend« dos erlauben leider meine Mittel nicht. so doch durchaus angemessen« Position. Ist auch nötig bei Ihren vorzuglichen Zeugnisien Aber trinken Sie dach! Bitte, nicht genieren." Er stieß sein Glas an meins, trank in einem Zuge leer, leckte di« dicken Lippen und fuhr dann fort: Sie haben für Ihre Borlcsungen an der Universität den vollen Vormittag: dann speisen Sie bei uns zu Mittag, arbesten'ne Kleinigkeit mit dem Jungen und spazieren nachdem mit ihm in den Zoo. Dann soupieren wir gemeinsam, und den Abend haben Sie wieder völlig für sich. Ich meine, günstiger können Sie es nicht haben. Aber trinken Sie doch! Trinken Sie doch. Herr Studiosus! Ihre Eltern übrigens nette Leute, olle Achtung die freuen sich gewiß mit." Der schwere Wein stieg mir zu Kopf. Ich vergaß di« Umgebung. verlor die Befangenheit, die mich bisher schuljungenhaft auf dem Stuhle zusammengedrückt hatte und begann mit einem langen Be° kcnntnis meines idealen Wollens: meiner Absicht, Eltern und Ge- schwiftern zu helfen und die Menschheit überhaupt zu fördern. Rehberg legte sich bequem in den Sessel zurück und sah mich «in« Weile aufmerksam an. Sie haben ja ausgezeichnet« Absichten, Herr Studiosus," unter- brach er mich auf einmal.Wahrhaftig, ausgezeichnet: Sie sind ja em echter Idealist. Solche Leute brauchen wir. Habe ich doch recht vermutet. Ausgezeichnet. Ihr Wohl, Spezielles: Rest, lieber Kommilitone." Er lächelte zwinkernd. Der Mann hatte nie auch nur«in Gymnasium besucht. Er stand auf. trank aus und beqann unver- mittelt: Und--- wie gesagt um auf den Unterricht zurückzukommen in bor zahle ich Ihnen na, warten Sie mal ich muß Ihnen entgegenkommen er zog den Blick an mir herunter Sie werden sich sicher noch einkleiden müssen sogen wir: fünfzig Mark. Erledigt! Lassen Sie, lassen Sie, kein Dank nötig!" Ich hotte keinerlei Anstalten gemacht, ihm zu danken. Denn so dusselig ich war. und so weit ich in den Himmel gestiegen war. während er hübsch auf der Erde blieb, hatte ich doch ein deutliches Gefühl dafür, daß hier etwas nicht in Ordnung sein mußte. Außer. dem hatten di« Eltern gemeint, er würde mir wohl fünfundsechziq bis siebzig Mark, vielleicht sogar fünfundsiebzig Mark geben, und dann könnte ich sorglos leben und studieren. Bleibe ober höflich und bescheiden," sagten sie,denn damit kommt man am weitesten, mein Kind.* Ich wollte Rehberg gern etwas erwidern, wußte aber nicht was. Ich war ausgehöhlt. Er aber gähnte fetzt ganz ungeni«rt. hielt mir die Hand zum Druck hin, ohn« selbst«jnen Finger zu bewegen, und so verabschiedete Ich mich in willenloser Höflichkeit, ohn« zu be- merken, daß dieser Herr sich gar nicht mehr um mich kümmerte und den Rücken mir zug«kehrt sich ein neues Glos Wein ein. schenkte. Ich war noch Berlin gekommen, olle Taschen gepfropft voll Idealismus. Ich war überzeugt davon, daß der Märtyrer die Blüte

menschlichen Daseins vorstellt. Ich hatte mir den Vers zurecht­gemacht, daß die Welt überhaupt nur vom Opfer der Besten bestehen kann. Mir fehlte jeder Schimmer dafür, daß bewußtes Märtyrer- tum, Selbstsucht und Privateigentum in engstem Zusammenhang miteinander stehen. Es ist auch schwer, das zu begreisen, vxnn man ohne Brille nicht mehr zu sehen vermag. Weil es ober so war, sah ich alle Schwierigkeiten auf dem Wege, den ich ging, für Proben an, die Herkules zu bestehen hatte, um unter die Götter aufgenommen zu werden. Das wichtige war: Höher steigen als das Dutzend. Das Dutzend war das verächtliche an sich.

ich biete Ihnen eine durchaus angemessene Position

Wer unter solchen Voraussetzung«» noch einen kräftigen Körper hat und einen lebendigen Willen, geht gewöhnlich den Weg bis ans Ende. In den Sumpf oder in den Tod. Bei Rehberg kam ich in die richtig« Schule. Der Mann war ein ausgesprochener Schurke. Frau und Kinder verkrochen sich vor ihm in den Winkel. War es«in Wunder, daß der Junge, den ich zu unterrichten hatt«, und der in ewiger Angst vor Ohrseigen schwebte, ein durch und durch verlogener Bengel wurde? Der Alte hatte sich in den Kopf gesetzt, sein, sei n Sohn müsse, wenn nicht Erster, so doch jedenfalls nicht weniger als der Dritt« in der Klasse sein. Der Junge hätte es sein können; er war begabt und auch nicht faul. Aber die Angst vor dem Vater bracht« ihn um, und zitternd ging er an jedes Exerzitium. Als er merkte, daß ich es gut mit ihm meinte, gewann er Ver- trauen, schrieb bessere Arbeiten, aber dafür bummelt« er in der Schule, verließ sich auf mich: und mein« Arbeit verdoppelte sich.

Unserbißchen" Arbeit, wie sich der Direktor allem Besuch gegenüber ausdrückte, verlief folgendermaßen: Um ein Uhr, auf den Glockenschlog, hatte ich zu erscheinen. Kam ich, dann lies der Alte, der nur zwei Stunden vormittags auf dem Bureau arbeitete, alles übrige von sein«r Wohnung aus tele- phonisch«rledigte, schon brummend aus und ab und verwickelte mich sofort in ein Gespräch über Richards Schularbeiten. Der kam um halb zwei Uhr und wurde ziemlich regelmäßig mit den Worten empfangen: Na, Bengel? Wie waren die Arbeiten? Nu mal fix! Wieder zwei Minuten zu spät. Kannst du Lümmel denn nicht endlich mal pünktlich sein! Ich glaub«, Herr Fehlow, Sie prüfen schnell einmal nach, ob er die Vokabeln von gestern noch kann." Ich prüfte nach, und es wurde zwei Uhr. DasDiner" dauerte genau von zwei bis zwei Uhr zwanzig. Zwei Uhr fünfundzwanzig spätestens saßen wir an der Arbeit. Ich komm« dann nachsehen," sagte der Mte: sah ins Arbeits- zimmer und verschwand. Sicherlich schlief er. Um halb fünf Uhr erschien er wieder. Er ließ sich alle Arbeiten vorlegen: Sachen, von denen er gar nichts verstand. Ich mußte erklären: dann kritisierte er in Grund und Boden. Währenddessen wurde uns dreien eine Tasse Kaffee und«in Brötchen auf silbernem Tablett vom Diener hereingebracht. Wir tranken, ohne eigentlich von der Arbeit aufzusehen. Später merkte ich. daß der Herr Direktor längst in seinem Zimmer Kaffee getrunken hatt«. Es wurde halb sechs. Nu aber dallil" schrie er den Jungen an.Ein Strick ist das! Bengsl, wenn du dich nicht änderst, wirst du noch am Galgen um- kommen. Sieh dir Herrn Fehlow an! Immer Primus. Und du? Alle Hilfe vergebens. Man schmeißt sein sauer verdientes Geld zum Fenster'raus für dich. Los jetzt! Aber dalli, dalli, dalli! Nicht wahr, Herr Fehlow. Sie achten drauf, nicht später als halb sieben. Frisch« Lust! Ja, wer sich das so leisten kann. Und nicht wahr? Vielleicht fragen Sie auf dem Weg« noch kurz nach den letzten Ge- schichtszahlen. Der Bengel vergißt ja alles!' Bis zum Zoo gingen wir zehn Minuten. Waren wir um die Ecke gebogen der Direktor stand gewiß auf dem Balkon und sah herunter, tobte Richard sofort los wie«in Besessener, stieß blöde Laut« aus, und ich war in Todesangst, daß er überfahren wurde. Dabei war er vierzehn Jahre alt. Im Zoologischen Garten war meine Haupttätigkeit, aufzupassen, daß der Junge mir nicht aus den Augen kam und unsere Rückkehr sich dadurch verzögerte. Das war mir gleich in den ersten vierzehn Tagen passiert. In gröbster Form hatt« mir Rehbarg mit sofortiger Entlassung gedroht. Sogar meineehrlichen, alten" Eltern» diesenetten" Leute waren als Drohmittel heraufbeschworen worden. ' Zum Widerstand war ich noch lange nicht reif. Ich war viel zu dumm und viel zu befangen, und Rehberg wußte dos. Seit dieser Zeit hasse ich den Zoologischen Garten. Ich hasse ihn auch aus anderen Gründen. Ich kann es nicht ertragen, Wölfe und Panther bei ihrem entsetzlichen Rundlauf im Käfig zu sehen oder gar Adl«r und Geier, die auf künstlichem Berg unterm Glasdach vergeblich die Flügel spreiten. Damals begann mein Ekel vor diesem Garten, der kein Garten ist, sondern«in Gefängnis, in dem Kinder spazierengefährt werden, damit sie lernen, sich ihrer Gesell- schaft anzupassen.(Fortsetzung folgt.)

Rätsel- Ecke desAbend". iHimiiBumiimiuiuiumiinimiiimiinramiimmiinmnmniiiimimmiiiiinniiiiiiimniiiimmiiiiinmiiiiiiBmnroiimimraiiimHiiurainiiinimmnmninnimmmiiiuiumiimiinii Rerufs-Mosaikrätsel.

Kreuzworträtsel.

Die Worte bedeuten:. Wagerecht: l. Fleck am Körper, 3. italienische Stadt, 3. türki- scher Vorname, ö. Strick, 8. Stätte. 10. seltener männlicher Vor- name, l2. Ausruf des Staunens, 14. altes Flösfigkeitsmaß, IS. männlicher Vorname, 16. Stellung. Senkrecht: 1. Verhältniswort. 2.. matt. 3. mittelländischer Name für Fluß. 4. Tapferkeit, 7. Teil eines Theaterstücks. 9. unzart, 10. Universum, 11. Tierpark, 12. Großmutter, 13 betagt. Silbenrätsel. Aus den nachstehenden 33 Silben sind 22 Wörter zu bilden, deren Anfangs- und dritte Buchstaben, von oben nach unten gelesen, einen Mahnruf an unsere Leser ergeben: a a ais al an ar as b« d« der di e e flie frei hi i in in ko kei keit ken la la land laub le li lo mao m: mce ne ne o ob pig ra r« rcr ri fchi fei fchu ß«n ter ter un üp ur wie ze zy. Di« Wörter bedeuten: 1. Arzneipflanze: 2. altes Gewicht: 3. Strauch: 4. starkes. Gift; 5. F«ri«nzelt: 6. moderne technische Errungenschaft: 7. deutscher Dichter: 8. Truppenteil: 9. Buch im Alten Testament ; 10. Diener; 11. angebliche Kreuzinschrift Christi; 12. preußischer Staatsmann: 13. Längenmaß: 14. Fluß in Frankreich : IS. Hüftkrankheit: 10. ger­manische Gottheit: 17. Wohlleben: 18. Unterrichtsanstolt: 19. be» rühmt«r Maler; 20. Ort in der Schwei, : 21. flaches Land: 22. Stoffort. W. Musikalisches. Jeder Musikfreund wird es wissen, Ohn« erst lang' überlegen zu müssen, DaßFrq Diavolos" Komponist In«in«? Mozartschen Oper enthalten ist, A. ZK.

E» sind 10 Berufe von untenstehender Bedeutung zu finden, a einzelne Buchstabe: v jl werden. Sämtliche eben einen Sinnspruch:

deren einzelne Buchstaben in die durch Ziffern bezeichneten Korrees " 1 werden. Sämtliche Buchstaben im Zusammenhang gelesen er-

1) 2) Z) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)

5, 19. 20. 4. 22. 37. 1. 12 Jurist 43. 23. 17. 46. 8. 3. 28. 37 20. 11. 14 Krankenschwestern 25, 1, 21, 18. 16, 23, 47. 32 Gaslhofbesitzer 24, 2, 23, 32, 6, 12, 15 Arzt 9, 12, 8, 7. 27, 37, 19, 1. 32 Akademiker 38. 39, 40, 34, 10. 31, 30, 13, 32 Kraftwagenführer 26, 40, 9, 28, 42, 40, 33, 29 Seemann 12, 44, 35, 48, 41, 5, 39, 12, 4, 32 Sportler 36, 23, 24, 25, 42, 4, 32 Poet 43, 23, 12, 28. 15, 44, 45, 21 Kapellmeister Auflösung der Ausgaben nächsten Mittwoch.

A.M.

Auflösungen der Rätsel aus voriger Nummer. Kreuzworträtsel: Wagerecht: 2. Uhu, 3. Ali, 5. Grimm, 7. er. 8. Os, 10. Cham , 11. Olaf. 12. Petroleum, 14. Heu, IS. Dur, 17. Fasan. Senkrecht: 1 Khalis, 3. Ar, 4. im, 5. Grad, 6. Mole, 7. Ehe, 9. Sau, 13. Oberhaus, IS. da, 16 Ra. Silbenrätsel: Hörst du's nicht in h«is«rn Nöt«n Hastig auf dem Schornstein flöten Wie auf einem hohlen Zahn? Das ist der Lenz mit seinemDahn ". Magische? Quadrat: Ubeda , Bebel, Ebert, Derma. War. Komponistsn-Persetzrätfel: D'Al b« rt. Mai l l ort. Pure in:, Humperdink. Lortzing . Gold mark. Bellini Normo. Cha rode: Galgenstrick.