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(Beilage Moniag, 14. Mai 1928
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ter Zahl zugesellen, werden natürlich jetzt vor der Wahl eifrig von allen Parteien umworben. Da ist es angebracht, auf die Ausführun- gen des Verbandsoorsitzenden für Berlin  , W. Reinhold, hinzuweisen, die wir der letzten Nummer des.Kleingärtner' entnehmen. Reinhold führt aus, daß das Schicksal des städtischen Kleingartens von einem Bodenrecht abhängig ist, das den Städten die Hand» habe zu einer ausreichenden Bodenvorratswirtschaft nach sozialen Gesichtspunkte» gibt. Mit anderen Worten: der Mensch und nicht die Sache muß wieder im Mittelpunkt des leider stets hinter der Entwicklung der soziologischen Derhältnisie herhinkenden Rechts stehen. Die heutigen Großgrundbesitzer sind nicht gewillt, solche Opfer zugunsten der Mgemeinheit zu bringen. Folg» lich wird der Kampf um das Problem öffentliches oder private» Bodenrecht entbrennen, das aber nach der Loge der Dinge nur vom Reichsgesetzzeber, also vom Reichstag entschieden werden kann. Der Aussall der Wahlen ist für die Kleingärtner auch eine ungewöhnlich wichtige Angelegenheit, deren Nichtbeachtung einen Zusammenbruch der ganzen Bewegung und damit auch der städtischen Auflockenmgs. Politik bedeuten würde. Reinhold sagt darum sehr richtig am Schluß:
Sehl euch dle Parteien au! An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen! An Derfuchen der rechtsstehenden Parteien, die bisherigen, durch da» Reichskleingartengesetz verankerten Recht« der Kleingärtner zu beseitigen, hat es wirklich nicht gefehlt. Man denk« an die Ablehnung der Beihilfe von 200 000 M. durch die Regierungsparteien im Reichs- tag. Es ist selbstverständlich, daß es ausschließlich die sozialdemo- kratischeu Fraktionen sind, die in den Reichs-, Staats, und Gemeindeparlamenten für die berechtigten Interessen der Kleingärtner eintreten. Verschiedene aus der Bewegung stam­mende oder mit deren Interessen vertraute Persönlichkeiten sind auf der sozialdemokratischen Liste für den Reichstag an aussichtsreicher Stelle, so u. a. Stadtrat W e n d t- Schöneberg, Landtagspräsident P« u s- Dessau, für den Landtag der obengenannte Vorsitzende der Kleingartenverein« R e i n h o l d usw. Wenn die Sozialdemokraten sich auch für die Wünsche der Kleingartenbesitzer einsetzen, die als in- different oder gar anderen Parteien zuzählend auf ihrer zesährdeten Stolle sich von den Sozialdemokraten Dienste leisten lassen, so muß man erwarten, daß sie zum mindesten bei diesen Wahlen den Nicht- Unten ihrer Berbandsleitung folgen werden.
Die Ziele und Forderungen der Kleingärtner zu unterstützen, gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben der sozialistischen   Politik. Das Problem der Kleingartenbewegung berührt außerordentlich wichtige sozialpolitische Fragen, die nicht nur die Frag« des moder- nen Städtebaus, sondern auch die Forderung des Stadtmenschen nach Auswechslung, nach Lust und Licht, nach gesundheitshygienischen Be- dingungen aufrollen und zur Klärung führen wollen. Kleingarten heißt in anderer Ueb ersehung Nalurersatz für die Großstadt! Zur Auflockerung der Großstädte forderte die Zentralstelle für Volkswohlfahrt bei einer Wohndichtigkeit bis zu 400 Personen je Hektar für Familiengärten, Parks usw. 30 Proz. der Stadtfläche. Die Forderung Prof. Dr. med. K a u p s in München  , auf Berlin  bezogen, lautete auf 42,5 Proz. der Stadtstäche für Pachtgärten und imr 23,8 Proz. für bebaute Grundstück«, das übrige für Der- kehrsflächen, Parks und Spielplätze. Baurat Geusen   in Düffel- darf ging über diese Zahlen noch hinaus und nannte eine Garten- fläche von 25 Quadratmeter je Person bei einer Wohndichtigkeit von 500 700 Personen je Hektar und bei einer Wohndichtigkeit von über 700 Personen je Hektar eine Gartensläche von 30 Quadrat» veter je Person. Stellt man dies« von ersten Autoritäten genannten Zahlen, die erst die Bedingung eines gesunden Wohnens in den Städten ver- bürgen, mit den Verhältnissen in Vergleich, wie sie beispielsweise in Berlin   heute bestehen, so ergibt sich«in recht klägliches Bild: diese 30 Quadratmeter je Person würden bei den 3 804 048 Einwohnern Berlins   eine Gartensläche von 11 413 Hektar ausmachen. 3n Wirk- lichkeit sind aber nur 5740 Hektar Kleingartenfläche vorhanden, so daß nur 15,12 Quadratmeter Gartensläche auf den Kopf der Be- völkerong entfallen. Die Anzahl der Kleinzartennutznießer in 136583 Kleingärte» betrug nach den letzten statistischen Erhebungen te» Verbandes 546 132; mithin ist jeder siebente Berliner  Kleingärtner. Ein Erfolg der sozialdemolratischen Fraktion. Wenn sich in diesen Zahlen auch die große Naturlieb« des Groß. städters und sein Verlangen noch gesunder Betätigung ausdrückt, so zeigen sie doch andererseits auf, wie die Gefahr wächst, daß die Kleingärtner bei zunehmender Bebauung immer weiter in unfrucht- bare Gegenden hinausverdrängt werden, ohne daß ein« Auflocke- rung der Bebauung erfolgt wäre. Der Magistrat von Berlin   hat bereits dem Drängen der sozialdemokratischen Fraktion nachgegeben und etwa 800 Morgen kleingactendauergelände ausgewiesen. Es ist dies die erste Bresche in das veraltete Bollwerk unserer Boden» Politik. Es ist ganz sicher, daß die Lage sofort günstiger wird, wenn durch«in Linksparlament auch den Städten die Möglichkeit geboten wird, eine großzügigere Planung durch günstiger« Finanz- und Steuerpolitik durchzuführen. Einige Zahlen über die Rentabilität der Kleingärten seien bei dieser Gelegenheit genannt, well sie wirtschaftsstatistisch um so mehr ins Gewicht fallen, als sich unsere Ernährung durch die bisherigen agrarpolllischen Tendenzen immer schwieriger gestaltet. Wenn jeder Garten nur für 10 M. Obst im Jahr« erzeugt, würde bei 136583 Kleingärten Groß-Berlins demnach für 1365 000 M. Obst produziert worden fein; ein vier- und fünffacher Betrag ergibt sich dann noch aus den anderen Erträgnissen, wie Gemüse, Kartoffeln usw. Die letzte Obstbaumzählung vor einem Jahre ergab 720 342 Stück und 2 929 608 Beevenobststräucher. Seht Euch die Parteien an? Es wird nun allgemein interessieren, wie der Reichsverband der Aleingortenverein« Deutschlands   mit feinen rund 400 000 Mitglke- der», die mit ihren Angehörigen über«ine Million Stimmberechtigte Berlin  , denen sich Familienongehörige in mindestens doppel- zählen, sich zu diesen Fragen stellt. Sein« 64 000 Mitglieder in
?ÄrÄc1ie8e in der Mark.
Auf Werder  , das älteste, bekannteste und beliebtest« Berliner  Vlütengebiet, ist von uns auch in diesem Jahre schon hingewiesen worden. Der rechte Blütenwanderer aber würde sich keinen Ge- fallen erweisen, wenn er nur auf den Höhen von Werder   verweilte. Wer nur des Sonntags Zeit hat und den meisten Berlinern geht es doch so, der soll so früh wie möglich hinaus, am Vormittag sich an den Schönheiten Werders erfreuen, aber den Nachmittag an andern Stätten verbringen. Man kann z. SB. um den auch in den Blütenbergen liegenden Werderfchen Stadtpark und um die Süd- spitze des Plessower Sees herum in die Glindower Lbstberge gehen. Auf dem Fuchs-, dem Telegraphen- und dem Strebenberg wird man den ganzen Werderschen Höhenzug, von Milliar. den Blüten überzogen, vor sich liegen sehen, ein Bild von bezaubertwer Schönheit. Nicht minder schön ist der SBtick von den Erdebergen südlich de» Glindower Sees, zu denen von Berlin   übrigens direkt fahrende Dampfer führen. Ueber SBaumgartenbrück, von Altmeister Fontane liebevoll ge- schildert, kommt man noch Alt- und Reugellow. die wiederum einen Blütenkomplex für sich bilden, aber am Nachmittag wegen der furcht- baren Automobilploge die Hauptausfollstraße Berlin Potsdam Brandenburg führt mitten hindurch gemieden werden sollten. Uebrigens ist die Autoplage auch in Werder an Sonntagen kaum zu ertragen. Es ist an der Zeit, daß man den sehr schmalen Höhen- weg endlich für Autos und Motorräder verbietet.
Viel zu wenig wird dann aber Eapulh als Blütenland gewür­digt. Wer dorthin von Potsdam   mit dem Postauio fährt, soll am Ansang des Or�es aussteigen und sofort dem links von der Chauffe« an einem Villenberggrundstück emporführenden Weg folgen. Er wird sehr bald auf einen Fahrweg kommen, der ein« Art Höhenweg ist, denn er führt im weit geschwungenen Bogen um das ganze, von dunklen ernsten Kiefernwäldern gerahmt«, Caputher Wütenland her- um. Hier ist es auch an Sonntagen noch verhältnismäßig still. Eine wahre Sensation aber bedeutet die Besteigung des Caputher  Krähenberges, der eine unerhört weit« Fernsicht vermittelt. Don hier aus übersieht man nicht nur Caputh  , sondern auch Geltow  , Glindow  , Werder   und Plötzin, alles Blütenland. Das schönste Wun- der aber enthüllt sich auf diesem Berg abends, wenn die Sonne schräg steht und die Schatten dos Licht um so leuchtender machen. Dann tritt die Ferne klar hervor und wenn sichtiges Wetter ist, sieht man die Göher Berge bei Brandenburg   und wohl gar«in« Turmspitze von Brandenburg selbst. Das sind die schönsten aber zugleich auch die wehmütigsten Augenblicke, well man weiß, daß man in wenigen Minuten hinunter muß in« Dorf, zu den überfüllten Autobussen, die einem zu den noch überfüllteren Zügen bringen. Immerhin, in Potsdam   ist besser Mitkommen als mit den überpockten Zügen in S!L erder. Auch von jenem märtischen Blütengebiet, das im Begriff ist, sich des Berliners Gunst zu erobern, von Guben  , Mar hier schon die Rede. Der TouristenvereinDie Naturfreunde', hatte am vergan- genen Sonntag eine Gemeinschoftssahrt nach Guben   veranstaltet. Was merkwürdigerweise Werder nicht hat, darüber verfügt Guben  . nämlich über einen aus der höchsten Höhe der Obstberg« stehenden Aussichtsturm, der einen Totalanblick vermittelt. Und weiter findet man dort etwas, was Werder   an Sonntogen gleichfalls nicht hat: eine behagliche Gemütlichtest, die de» Nerven wohltut. Der beste Sonntagszug fährt früh um 6,29 von Charlottenburg  , um 6,36 vom Zoo, um 6,48 von Friedrichstraße  , um 6,55 vom Alexanderplatz   und um 7,10 vom Schlesischen Bahnhof  . Die Sonntagsrückfahrkarte vierter Klosse kostet etwa 5 Mark. Don Frankfurt ab ist die SBahnfahrt unterhaltsam und reizvoll. Man sieht von den Frankfurter   Höhen auf die tief unten fließende Oder herab und auf die jenseits des Flusses sich dehnend« welle Reppener Forst. Dann werden die machtvollen Bauten der Märkischen Elektrizitätswerke passiert. Bei Fürstenberg ist eine gigantische Schleusenanlage des Ode r Sp r e e k o n al s im Bau. Sbald taucht auch umgeben von Blütenbäumen, die in der Kunstgeschichte berühmte Klosterkirche
von Neuzelle  , einer ehemaligen Zisterziensergründung, auf. Und dann dauert es nicht lange, bis bei Coschen der Gubener  Aussichtsturm und die zu Tal rauschenden Blütenfälle der Gubener Berge in Sicht kommen. Eine spannende und unterhaltsame Fahrt. * Wer nun ober noch Werder nicht will und nach Guben  ' nicht kann, der hat gar keinen Grund zu verzweifeln. In einer Stunde fährt man für ein paar Groschen nach Oranienburg  , genießt auf gemächlichem Gang durch das Städtchen die eigenartigen, von dem bekannten Kunstschriftsteller Dr. Adolf Behne   in einer Kunstwort- schrift gewürdigten Schönheiten, und gelangt dann auf der Germett- dorfer Chaussee zu der bereits sell 35 Iahren bestehenden aber keines. weg» allgemein bekannten Obstboukolonie Eden. Kein größerer Gegensatz denkbar als Werder und Eden. Hier herrscht am ganzen Sonntag Kirchenstille, die nur durch vorbeifauchende Autos hin und wieder ein wenig unterbrochen wird. Eden ist ein« bodenreformerisch genossenschafttiche Siedlung mit gebundenem, jede Spekulation aus- schließenden Bodenbesitz. Vor 35 Jahren waren es ein paar Dutzend großstadtmüder iL« getarier, die ihre wenigen Mark zusammenschössen und sich hier draußen einige armselige Sandschollen genossenschaft- lich erstanden. Es wurde eine Pionierarbeit geleistet, nicht weniger hart und entbehrungsreich als in Ueberfee. Taufende von Fuhren von Berliner   Sttaßenkehricht halfen hier in jahrelanger Arbell eine Humusschicht schaffen, in der heute viele tausend« edelster Apfel-, Birnen-, Kirsch, und Pflaumenbäume wurzeln. Das Edener ausgesuchte Tafelobst erzielt heut« in Deuts«»» land sehr hohe Preise. Ein« genosssnschaftseigene Fabrik stellt na­turreine O�ftprodukte her. Das vor 35 oahren grundsätzlich ein- geführt« Schlachtverbot und das Verbot von Verkauf von alko- holffchen Getränken, sowie von Zigarren und Zigaretten ist bis auf den heutigen Tag aufrechterhallen worden. Die Edener fühlen sich bei dieser Lebensweise, die, einst belacht und verspottet, heute von den ärztlichen Autoritäten anerkannt wird, ungemein wohl. Sie sprechen in der Oeffentlichkeit wenig oder gar nicht von ihrem heim- lichen Sparodiese, weil sie nicht wollen, daß die immer lauten und manchmal auch vorlauten Berliner   ihren Frieden stören. Man hat in Eden nichts dagegen, wenn der Fremd« durch die Blütenalleen spaziert. Wer den Frieden des schönen Stückes Erde   und die Fried- lichkeit seiner ZZewohner nicht stört, der wird selber nicht gestört werden. Störenfriede hingegen werden, und das mit Recht, un- weigerlich aus dem Gebiet der Genossenschaft verwiesen. «- Noch näher an SBerlin heran gibt es gleichfalls eine schöne und liebliche Biütenwelt zu schauen. Auf der SLorortstrecke nach Bernau  fährt man bis Lllmkenborg und begibt sich hier einmal ein wenig jn die Gebiete der Rieselfelder. Man erschrecke nicht, die Sache ist geruchloser al» man glaubt. Hier hat eine fleißige Siedler, und Pächterschar aus dem einst dürren märkischen Sand gleichfalls ein Paradies Eden geschaffen. Wer nur einmal dort gewesen ist. wird gern« wieder kommen. Aber selbst für den allerschmalsten Geldbeutel steht eine SBlüten- fahrt bereit. Für 20 Pf. einschl Umsteigeberechtigung fährt man nach Treptow   hinaus und wird dort an der Krugallee gegenüber dem städtffchen Plänterwald ein« fast ergreifend« Ueberrafchung und Frühlingsfreude erleben. Dort bis nach SBaumschulenwog hinab hausen, graben, pflanzen, pflegen und ernten seit Jahrzehnten Hunderte von fleißigen Laubengärtnern. Was diese Großstadt- menschen mit einer gar nicht hoch genug anzuerkennenden Lieb« und Hingabe erreicht hoben, das ist so wunderbar und in seiner zarten voll quellenden SBlütenpracht so rührend schön, daß einem der Gedanke, daß dies« holdseligen kleinen Paradiese der Bebauung weiche» sollen, einfach nicht eingehen will. Es sollte und müßte schließlich doch wohl Mittel und Wege geben, diese Gärten für immer zu erhallen. Man geh« gemächlichen Schrittes und ruhigen Sinnes durch die schmalen Gassen des Blütenländchens. Da wird einem plötzlich dos große Weltgeschehen klein und unbedeutend erscheinen. und für ein paar©runden wird die ganze Unrast aufgelöst m fried- liches, still lächelndes Schauen und Sichfreuen.