Nr. 138.
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für 1891 unter Nr. 6469.
Vorwärts
8. Jahrg.
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Fernfprecher: Amt 6, Nr. 4106.
Redaktion: Beuth- Straße 2.
Martellbrüder
als Kulturfanatiker.
Mittwoch, den 17. Juni 1891.
Bolen hatten Städte gebraucht und sie von Deutschen gründen laffen. Dann brauchten die polnischen Könige Bürger für ihre Städte und Flecken, und dazu benützten sie die Juden. Diese verstanden sich als Zwischenglied zwischen dem Adel
Expedition: Beuth- Straße 3.
werden in einer keinesfalls höheren, zumeist aber viel niederen Zahl, als der Prozentsatz der Juden zu der Bevölkerung der betreffenden Landestheile beträgt. Selbstredend gehören auch die neuerdings immer mehr um sich greifenden Judenaustreibungen aus den großrussischen Ge
Eines der vornehmsten", umfangreichsten und mit den besten Beziehungen zu hohen" Kreisen ausgestatteten und den leibeigenen Bauern sehr nützlich zu machen. Für bieten auf die Rechnung der Judenkommission. Breßorgane unserer so rasch brüchig gewordenen Kartell- Getreide- und Viehhandel, für die Einführung fremder Unter solchen Umständen läßt es sich begreifen, daß brüderschaft ist bekanntlich die Schlesische Zeitung", deren Waaren und für alle Geldgeschäfte waren sie unentbehr- die Juden in Rußland den Drang in sich verspürten, jetzt schon seit ziemlich langer Zeit franker Chefredakteur, lich; vornehmlich auch für den Edelmann, zumal der Jüd nach dem zivilisirteren Westen auszuwandern, wohin sie der Oberstlieutenant von Blankenburg , während jener Jahrhunderte in den Künsten des Schreibens und schon seit langer Zeit in Strömen pilgerten, und eine der Regierung der„ Neunzig Tage" den bismarckfanatischen Rechnens dem Schlachtschitzen weit überlegen und als dessen bessere Existenz gefunden haben. Petitionssturm auf das kaiserliche Selbstbestimmungsrecht Hand und Kopf thätig war. Daß sie hier mit der Zeit ganz nützliche Glieder der Die Juden aber blieben auch in Polen Fremdlinge. bürgerlichen Gesellschaft geworden sind, leugnet die Nachdem der große Otto von Wilhelm's Gnaden zur, Sie konservirten ihr verjüdeltes Deutsch sammt ihrer Schlesische Zeitung" nicht, wenn sie auch hervorhebt, daß hoffentlich ewigen Friedrichsruhe , eingegangen war, stieg Tracht, Sitte und Religion und ihrem talmudischen sie in der ersten und zweiten Generation einerseits durch der schneidige Oberstlieutenant vom hohen Redaktionsrosse Christenhaß . ihre Nüchternheit, Mäßigkeit, Bedürfnißlosigkeit, andererherab und überließ es jüngeren Kräften, sich in die Dieser ihnen bekanntermaßen überall und immer an- seits durch ihre Verschlagenheit und moralische Skrupelverzwickte Situation kartellbrüderlich bismarckschmachtender haftende Mangel an Anpassungsfähigkeit zu dem, wie nicht losigkeit den eingesessenen Berufskonkurrenten und selbst Kaisergetreuen hineinzufinden. die Schlesische Btg.", sondern wir hinzufügen- ein in ihren einheimischen Stammesgenossen eine gefährliche Last
zu inszeniren für ebenso nobel wie loyal fand.
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Das war zwar nicht leicht, aber bei redlicher Mühe Polen grade ziemlich gerechtfertigter Mangel an Anpassungs- geworden sind. ging es doch. Man brauchte nur zu thun, als ob man lust hinzukam verschuldete jedenfalls zum größten Theile, Nachdem der Leitartikelschreiber der Schlesischen Alles, wie es eben geworden, sehr schön fände, um dann bei daß es ihnen hier trotz aller ihnen gewährten Privilegien Beitung" soweit in seiner historischen Darstellung gelangt jeder passenden und möglichst vielen unpassenden Gelegen- recht schlecht ging. Sie wurden vom Ackerbau gefeßlich ist, entringt sich seinem antisemitischen Herzen ein wunderbar heiten anzudeuten, daß es noch viel schöner sein würde, ausgeschlossen, und es ward ihnen unmöglich gemacht, sich begeisterter Lobgesang auf unser deutsches, von polnischwenn es anders wäre, und zwar so, wie es dereinst ge- anders als durch Wucher und durch Ausbeutung sowohl jüdischen Elementen stark versetztes Hebräerthum. wesen, als noch das deutsche Volk im Schatten der drei der tüderlichen Adeligen als der stumpfsinnigen Bauern Heute machen die Juden in Deutschland nur 1,2 pCt. Haare sich den Kartellbauch zu pflegen das Glück hatte. Reichthümer zu erwerben. So wurden die polnischen der Bevölkerung aus. Sie genießen bei uns denselben Kluge Köpfe und kunstfertige Federn gehörten freilich Juden ein elendes, haßerfülltes, verachtetes, materiell und sicheren gesetzlichen Schuß wie alle anderen Staatsbürger. dazu, aber wer solch kostbare Handelsartikel bezahlen moralisch auf tiefer Stufe zurückgehaltenes Gaunervolt. Unter uns betrachten sie sich nicht mehr, wie drüben unter fann, der hat sie natürlich auch. Die Schlesische Zeitung" So fanden sie die Russen bei der Theilung Polens . den Slaven, als ein Fremdvolk, sie fühlen sich vielmehr leistete also während der letzten Zeit in ihrer Art recht Diese verivehrten ihnen zunächst den Zugang in die alt- als Deutsche . Ihre Betriebsamkeit, ihr Bildungseifer hat Bedeutendes und Interessantes, bis sie sich am Anfange russischen Provinzen. Erst allmälig und hauptsächlich in- ihnen nicht nur materielle Mittel, sondern auch Ansehen dieses Monats zu einer Meisterleistung ersten Ranges er- folge der Bestechlichkeit der russischen Beamten drangen verschafft, welches sie durch regen Gemeinsinn und öffenthob, indem sie, ausgerüstet mit der ganzen Kultur unseres die Juden in Rußland ein und lernten sich unter den liche Wohlthätigkeit zu erhöhen verstanden. VerhältnißJahrhunderts aller antisemitischen Tradition zum Trotz, ihnen ungünstigen russischen Gesetzen einrichten. Trotzdem mäßig zahlreiche unserer hervorragendsten Gelehrten sind für das Judenvolk in die Schranken trat. behandelte sie die russische Regierung niemals als Landes- Juden; so mancher unserer distinguirtesten hohen StaatsEin riesengroßer Leitartikel handelte von den Juden kinder, sondern immer als Fremde und fast in jeder beamten war jüdischen Ursprunges. Die Zahl der Ehen in Rußland . Beziehung als Feinde.„ Den Tartaren, Kirgisen, zwischen Juden und Christen, welche bei den polnischen Dieser Leitartikel ist so inhaltsreich und die Wendung, Armeniern und sonstigen Kaukasusvölkern, den Turkmenen Juden fast unerhört sind, ist recht beträchtlich, nicht in welche sein Schluß ausläuft, so überraschend genial, u. s. w. sind vom russischen Staate weit umfangreichere unbedeutend find an solchen Mischehen die Geschlechter daß wir den Lesern des Vorwärts" einen Dienst zu Rechte eingeräumt worden als den Juden." unserer Geburtsaristokratie betheiligt. Jedenfalls verhält leisten und einen Genuß zu verschaffen hoffen, wenn wir Unter der reaktionären Herrschaft Alexander III. be- sich das deutsche Volk gegen die Juden nicht ablehnend, einigermaßen des Ausführlichen davon berichten. gann's ihnen nun erst recht an den Kragen zu gehen. so weit es ihnen nur gelungen ist, das Fremdartige, Also die Juden in Rußland ! Streng historisch, Seit 1882 fichtete eine Höchste Kommission" die auf die welches vielen von ihnen noch im Wesen und Auftreten, entzückend objektiv! Im Folgenden eine möglichst gekürzte Juden bezüglichen Gesetze. Dieser„ Sichtung" haben die in Anschauung und Sitte anhaftet, von sich abzustreifen. russischen Juden die Verfügung des Ministers für„ Volts- Dieses löbliche Bestreben ist unter unseren aufgeklärten Von den 8 Millionen Juden auf dem Erdboden aufklärung"( die russische Boltsaufklärung sollte man, Juden fast ganz allgemein, und so läßt sich denn erwarten, leben beinahe 4 Millionen im Zarenreiche. Zur Zeit der nebenbei gesagt, nicht in Gänsefüße", sondern in Wolfs - daß sie sich in absehbarer Zeit völlig den Deutschen Kreuzzüge flohen die mit Feuer und Schwert von den klauen oder Bärentagen schalten) zu danken, nach der auf assimilirt haben werden." Deutschen verfolgten Christusseinde nach Polen . Die Universitäten und höheren Schulen Juden nur zugelassen Nun aber kommt's! Mit unseren Juden, die
Stizze:
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Feuillefont.
Nachdrud verboten.)
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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tyrol von Robert Sa, weichel.
Heim nicht einmal ordentlich willkommen geheißen habe. er milder gegen Dich geworden, seitdem Du Dich entschlossen Du wirst finden, daß es ein wenig ärmlich bei mir aus hast, seinen Willen zu thun?" schaut. Nun, ich bin ja nie ein Schoonkind des Glückes Lisei mußte es verneinen. Er war eher rauher als gewesen und Bedürfnißlosigkeit ist Freiheit. Lacedelli würde milder gegen sie geworden. Kein Zeichen, kein Wort der sie wahrscheinlich die Freiheit des Barbaren nennen. Doch Anerkennung war ihr für ihre Fügsamkeit zu Theil gedas Wichtigere für Dich! Wolf hat noch immer nicht geworden. Hannes nickte dazu nachdenklich.
antwortet."
Mögen Dich denn die Heiligen in ihren Schuh nehmen," Wolf's , welchen sie zu fich gesteckt hatte. " Oh, doch," versetzte Lisei und gab ihm den Brief sagte er nach einer Weile.„ Lasse mich Deinen Hochzeitstag wissen, damit ich an ihm noch besonders für Dich bete." Ach, herzliebster Bruder, Sie wollen nicht hinkommen?" fragte Lifei betroffen. Laß es gut sein!" versetzte er. nur das verspreche ich: wenn Dir die Last zu schwer wird, wenn Deine Kräfte Dich verlassen wollen, dann rufe mich und ich werde au Deiner Seite sein."
Er schlug das Blatt auseinander und las. Wolf schrieb, daß er fie um alle Königreiche der Der guten Uschina, die bei ihrem Anblick in Thränen ausbrach, erinnerte sie sich nicht. Sie bat Hannes, er möchte Welt sich nicht abkaufen lassen würde; wenn sie selbst aber der guten Frau sagen, daß sie nicht weinen sollte. Die ihr Wort zurück verlangte, so verstände es sich von selbst, Thränen verbrennen das Herz wie Feuer," setzte sie hinzu, daß er sie nicht hielte. Es bedürfte für ihn gar keines indem sie Hand in Hand mit Hannes in die Stube ging. weiteren Grundes, als daß sie frei sein wollte, um zurück Lisei folgte ihnen, während Frau Carlotta noch die Lade, zutreten; denn ein anderes Recht auf sie als dasjenige, die Stasi's Sachen enthielt, und die Betten abladen welches ihr Herz ihm gäbe, befäße er nicht. Er würde beten, und in ihre Stube, welche die Kranke fortan mit daß ihre Aufopferung nicht mit Undant belohnt würde und ihr theilen sollte, bringen ließ. Sie tam bald alle Heiligen sie segneten.
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Lisei blickte ihn traurig an, drang aber nicht weiter in ihn. Kann ich Dir sonst einen Wunsch noch erfüllen?" fragte er nach einer Weile.
Um Staft
nach, umarmte Stasi, liebfofte fie und plauderte mit ihr Das alles schrieb er mit der Schlichtheit eines großen Sie schüttelte den Kopf. Lechner zu danken, wollte sie und nahm sie zuletzt mit sich, um ihr das Haus Herzens. Den Schmerz, den Lisei's Entschluß ihm verursachte, selbst versuchen. Sie nahm ihren Regenschirm zur Hand, und den Garten zu zeigen. Hannes hatte kein Wort hervor hatte er männlich zu unterdrücken versucht, allein Lisei, den sie vorhin in eine Ecke gestellt hatte. zubringen vermocht. Er hatte sich vor seinen Schreibtisch welche mit im Schooße zusammengelegten Händen zuhörte, nicht etwa durch ihren Abschied aufzuregen, hielt sie es gesetzt und das Gesicht in beide Hände gestützt. Als Frau fühlte ihn von Neuem heraus und ihre Thränen flossen. Auch für gerathen, sich in deren Abwesenheit zu entfernen. Carlotta mit Stasi sich entfernt hatte, erhob er sich und Hannes war ergriffen, und nachdem er den Brief wieder Hannes zog sie in seine Arme und küßte sie wiederholt sagte: zufammengefaltet hatte, fagte er, ihn Lisei zurückgebend: mit Herzlichkeit. " Haben wir nicht Unrecht, die Unglückliche zu beklagen? Er ist es werth, daß Du um ihn weinst." Wir sollten sie vielmehr glücklich preisen, daß fie all' das Sie füßte Wolfs Brief und verbarg ihn in ihrem Mieder. Schreckliche, was auf ihre Seele eingestürmt ist, vergessen Nach einer Weile trocknete sie sich mit ihrem Fürtuche die hat. Sie leidet nicht mehr!" Er strich sich mit der Hand Augen. über die Stirn und fuhr mit festerer Stimme fort: Ver-„ So ist es also entschieden," wandte der Bruder sich zeihe, daß ich Dich bei Deinem ersten Besuche in meinem jetzt zu ihr. Und wie stehst Du jetzt mit dem Vater? Ist
Der Wagen rollte mit ihr davon.
Quer über das Gaderthal zogen die grauen Wolken und dann und wann sprühte ein feiner Regen herab. Auch in Lifet's Brust war es trübe; doch allmälig hellte es sich auf. Hatte sie schon einen Erfolg errungen, indem es ihr geglückt war, den schwer beleidigten Müller versöhnlich