Donnerstag
17. Mai 1928
Unterhaltung und Wissen
Der Mensch
Mit wehendem Mantel, luftvoll, Erreichst du die Mitte des Lebens, Blumen der Kindheit verblühen Im Schatten erbärmlicher Taten. Süße des Jünglings ist lang schon Dahin und vergangen.
Um deine reine, unschuldige Stirn Sind tausend verbitterte Salten.
Hier, wo du stehst,
Hier trennen sich alle Gewässer, Die fließen ins Luftmeer
Und jene ins Salzmeer der Tränen. Noch stehst du steil wie ein Baum Hinauf in die Sterne.
Du mußt
Dich entscheiden.
Bald schwankst du
Saltlos hinüber,
Wenig zur Lust,
Beharrlich aber zum Salzmeer.
Und wie du auch fällst,
Stürze nicht einsam,
Immer umfasse dich gnädig
Der Atem des Volkes
Schloß Gickelfels.
Oder: Erziehung zum Republikaner.
Bon Kurt Offenburg.
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Mar und Franz, amei Freunde, tamen auf einer ihrer Banderungen nach dem berühmten Schloß Gidelfels, und siehe! der grauhaarige Ruftos, der ihnen beslissen das Tor öffnete, war noch der alte Gefelle wie ehemals. Leiprecht erkannte die beiden sogleich, und noch ehe eine Stunde vergangen war, faßen sie an dem schweren Eichentisch in der niederen, aus Steinquadern gefügten Stube und schwagten, tranten und rauchten.
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Draußen praffelte ein fühler Regen auf das budlige Pflaster des Schloßhofes. Leiprecht, die Hände zufrieden in den Tiefen seiner Hosentaschen, hodie zurüdgelehnt im hohen Armseffel und sprach giftige Sentenzen, die uns den Geiz feiner Herrin, der Großherzogin von 2, anschaulich machen sollten. Aus Sparfamteitsgründen habe die Fideiverwaltung in jedem Schloß nur noch einen einzigen Kustos, und seit einiger Zeit müßten die getreuen Hüter sogar noch Miete für Wohnung zahlen. Dabei seien 280 3immer unbewohnt, und die Dame habe man überlege! nicht weniger als vierzehn Schlösser, und ihr Großneffe, der Prinz von R., der bei ihr in 2. wohne, habe vom Staat einige Milliönchen bekommen. Wofür? Das wisse der Brinz selbst nicht recht; er vermute, für etwas Wald und einige Stüdchen Beideland. Jawohl so ständen die Attien: 70 Jahre stehe das Schloß schon unbewohnt; und Beiprecht errechnete umständlich die verlorene Miete und meinte, wenn er 3000 Jahre alt würde, betrüge sein Gehalt nicht einmal die Hälfte davon. Und ist es nicht eine blamable Sache?- vom Eintrittsgeld für die Schloßbesichtigung bekomme er seinen Lohn, und wenn einmal,
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Galileis Prozeß.
getilezt
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aus RudoIf
Bir bringen diefes Rapitel 8amme is neuem Buch Galilei im Licht bes 20. Jahrhunderts" ( Berlag Baul Frante, Berlin .) Wegen der Beröffentlichung des Dialoges" wurde Galilei vor die Inquifition gelaben. Er sollte sich verantworten, meil er in seinen Ausführungen die 1616 verbotene Lehre des Kopernikus als mahr hingestellt hatte. Allerdings hat Galilei in einer Einleitung versucht, dem Leser vorzutäuschen, daß er das topernitanische System gar nicht für wahr halte, sondern es nur auseinander fetzen wolle. Diese Einleitung war zwischen ihm und dem Sensor genau besprochen worden. Der Papst Urban VIII. perlangte, daß der florentinische Hofmathematiker fofort nach Rom fommen sollte. Der im 69. Lebensjahr stehende Galilei wies vergebens auf seinen sehr bedenklichen Gesundheitszustand hin. Benn er nicht freiwillig fomme, ließ Urban sagen, so werde er ihn in Retten legen und in diesem Zustand nach Rom transportieren lassen! Der Bapst maßte sich die richterliche Gewalt in geistlichen Dingen in allen tatholischen Ländern an und Florenz war nicht Benedig! Der Großherzog Ferdiand II. wagte gegen den gefürchteten und als sehr energisch be: fannten Urban VIII. nicht ben geringsten Biderspruch. Er riet selbst zur Abreise. Mitten im Winter wurde der greise Gelehrte durch das von der Pest verseuchte Land in einer Sänfte nach Rom getragen, wo er am 13. Februar 1633 anfam. Unterwegs hatte er eine zehntägige Quarantäne an der Grenze des Kirchenftaates erdulden müssen.
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meiftens im Binder, wenig Befucher tommen, tönne er warten, bis er schwarz" werde.
Aber was nüße das Maufen auf seine alten Tage, refignierte der Kustos. Aber als wir ihn baten, in den„ Goldenen Löwen" himunterzugehen und einige Flaschen Piesporter oder Hallgartener für den langen Abend zu holen, leuchteten seine Aeuglein vergnügt. Es war ausgemacht, daß wir die Nacht über da bleiben müßten und in der Kammer nebenan schlafen könnten.
Die Freunde waren einverstanden, jeder legte einen Geldschein auf den Tisch, und der Alte zog damit ab, himunter ins Städtchen. Raum war er eine Biertelstunde verschwunden, als erbärmlich an dem verrosteten Klingelzug geriffen und fremde Stimmen laut wurden.
C Beilage des Vorwärts
wenn fie den Ravafter empfing, der gerade ihre Gunst besaß. Stühle, Spiel- und Nähtisch und alle anderen Möbel waren nebenfächlich im Vergleich mit dieser lebenswichtigen Ruhestatt
Zuletzt landete Max mit den Fremden im Speisesaal. Er war so groß wie acht andere Zimmer zusammen. „ Kleine Diners fanden hier statt," sagte er pathetisch,„ nur Neine Diners, meine Herrschaften. Neun Damhirsche, zwei Wildschweine, vier Truthähne, drei Kübelchen Eingemachtes von den Fischen, Beilagen, Beinen nicht zu reden schlugen sich sechs allergnädigste Herren bei einem botulischen Gelage in die Wänste. So zu lesen in der Chronik von 1806, meine Herrschaften.
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Sie vermissen die Bibliothet, die ansonsten Schlösser ziert? Nur wenige deutsche Fürsten , meine Herrschaften, waren geistigen Franz steckte den Kopf zum Schiebefenster hinaus, und wie er Dingen hold, und wenn sie sich der Mühe unterziehen, die Ahneneiniger Besucher ansichtig wurde, frächzte er mit verstellter Stimme: bilder vorurteilsfrei zu betrachten, werden sie feststellen, daß Frau „ Sie wollen das Schloß besichtigen? Eine Mart pro Person, bitte. Herzogin( oder ift's ihre Schwester, Tante, Nichte?, dachte Mar) Einen Augenblic, ich werde den. Kuftos schiden." Knallte das wie die brave Nachbarin Bäckermeisterin in Birna aussieht, und der Fenster wieder zu, redete in der Tiefe der dunklen Stube haftig auf Bater des Herrn Herzogs( oder it's ein Neffe?) mit seinen winMar ein, half dem Freund den blauen, mit blanten Knöpfen bezigen Aeuglein, der zertnitterten Stirn und dem einfältigen Mund setzten Rock und die Dienstmütze des alten Leiprecht anziehen. Außer, zwischen den gedunsenen Bangen wie irgendein ehrenwerter Schankdaß die abgeschabte Würde etwas schlotternd um den Jungen herum- wirt. Die Führung, meine Herrschaften, wäre hiermit zu Ende." hing, war nichts Absonderliches an ihm zu merten. Und Franz Aber schließlich wollten die Fremden noch wissen, wo die jetzigen hörte mit Genugtuung von seiner Fensterede aus, wie gefchickt der Nachkommen lebten. Freund den abwesenden Kuftos zu mimen verstand.
Bum linten Seitenflügel hier, meine Herrschaften, wenn ich bitten darf. Dieser Teil aus der zweiten Hälfte des 17. Jahr- merten hunderts, im Barodstil erbaut, wurde von Aloys IX. 1612 bis 1684 errichtet."
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Mag der Rudud wissen, wie der Mann geheißen und ob er überhaupt je gelebt hat, überlegte Mag; aber ich darf mich nicht verwirren lassen; die Leute da wissen auch nichts Genaues.
Schreiten wir nun zur Besichtigung der herzoglichen Gemächer. Seit 70 Jahren, seit dem Tode Alons XV., unbewohnt. find das doch für liebenswürdige Fremde: ihre größte Tugend ist ihre Einfalt und ihr monarchistischer Spleen, referierte Mag für sich, während er die steinerne Wendeltreppe voranschritt.
Und den Tonfall Leiprechts nachahmend:„ Dies war das Borzimmer, wo die Kuriere des früheren Herzogs empfangen wurden. Aber, meine Herrschaften, hier war auch immer die Parade" und ein farkastisches Lächeln sprang in feine Mundwinkel der jungen Mägde, die eingestellt werden sollten."
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Was für eine Parade?" wollte die feine, ftrohblonde Frau wiffen, die am Arm ihres Mannes hing wie ein zu groß geratenes Uhrgewicht.
" Der hochfelige Herr Herzog geruhte, zuerst die Mägde nadt zu inspizieren, bevor er fie in seine hochherrschaftlichen Dienste nahm. Db Stallmagd, Kammerfrau oder Gesellschafterin der Frau Her zogin, der edle Herr wollte wiffen für das Wohl seiner Untertamen stets besorgt, men er im Hause hat. Enchantierbe, entzüdte ihn die Person, fonnte sie in Dienft treten."
Teilnahmsvoll erfundigte fich der Gatte der blonden Frau: Rapierfte noch nich, Gretchen?"
Ein verheißungsvoller Blid fagte ihm, daß sie zu verstehen geruhte.
Bitte, meine Herrschaften, immer auf dem Läufer bleiben, damit das Barkett geschont wird! Hier, in diesem Zimmer schlief der Kammerdiener des Hochseligen Herrn Herzog; und hier," sagte Mag, während sie das nächste Zimmer betraten, lebten die Eheleute. Mit der Körperpflege soll es dazumal nicht weit her gewesen fein, wie diese Waschschüffel beweift."
Es war ein Lavoir aus weißem Steingut, nicht viel größer als eine Suppenschüffel für eine Bortion, wie man sie in Wirtschaften vorgestellt befommt.
Durch das Zimmer der Kammerfrau tamen fie in den Empfangssalon der Herzogin. Ein Empireruhebett beherrschte den Raum. Bie mag die voluminöse Dame hingegossen" darauf geruht haben,
habe sich hier unsterblich blamiert, ist dennoch irrig, wenn man nämlich aus dem galileischen Drama, den Herenprozeffen usw. ein Instrument, das fich ausschließlich gegen Rom richtet, machen will. Die größere Wahrheit, die auch heute, im 20. Jahrhundert eine wenig befannte Tugend vorstellt, ist nämlich diefe: das religiöse Moment ist nur ein einzelner Bestandteil im fulturellen Leben. In Wahrheit war das gesamte, auf Bildung beruhende Wissen stets mit einem ungeheuren Bust von Vorurteilen behaftet! Medizin, Philosophie und Jurisprudenz standen den Kirchenlehren an Berkehrheiten nicht im geringsten nach. Der gebildete Mann war zu allen Zeiten, und ist im Durchschnitt auch heute noch, stärker mit Vorurteilen belastet als der Mann aus dem Bolte.
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Das Defret von 1616 war für die proteftantischen Länder Anlaß genug, der neuen Lehre gegenüber duldsam zu sein. Der Bapst galt ihnen ja als Teufel oder Antichrist, und sonach war das, was er verboten hatte, in Wittenberg , Zürich und Genf erlaubt. Aber darum waren die Lutheraner, Zwinglianer und Calvinisten feineswegs duldsame Menschen ganz im Gegenteil. Kehren wir zu Galilei zurüd. Er hatte seit 1611 immer wieder versucht, die Freiheit der Lehre gegenüber der Bibel durchzusehen. Der Widerstand, dem die zeitgenössischen Gelehrten fräftigen Ausdrud verliehen, führte zum Verbot von 1616, das 1620 bestätigt wurde. Der Dialog von 1632 stellt sich als ein Verfuch Galileis dar, die Kirche gewissermaßen durch die Macht der öffentlichen Meinung zur Freigabe der topernikanischen Lehre zu zwingen. Galilei war fein großer Psychologe. Er hätte sich auch nicht im unklaren darüber befinden können, daß er ein gefähr Nun enthüllte sich das Drama dieses Lebens. Jene eigentümliches Spiel mit dem schlafenden Hund" treibe. Er war aber liche Konstellation entstand, aus der heraus Galilei zum Märtyrer wie von einer unwiderstehlichen Macht getrieben, zu beweisen, was gestempelt werden mußte, um so jene Bolkstümlichkeit zu erlangen, er für richtig und wichtig hielt. Urban VIII. hatte früheren Berdie seit Archimedes tein Wissenschaftler erworben hatte. Wie immer suchen nachfichtiges Stillschweigen entgegengebracht. Er hätte wahr bei allem geschichtlichen Geschehen war es auch hier fo, daß die scheinlich auch den Dialog feines berühmten Freundes gefchluckt, bewegenden Kräfte im Drama nicht aus großen fulturellen Strö- wenn nicht eine solche Veränderung der Sachlage eingetreten wäre, mungen flossen, sondern entscheidend blieb lediglich das Persönliche. daß der Bapst von einem Freund zu einem Feinde wurde. Die Es ist wahr, daß man das firchliche Defret vom 5. März 1616 Feindseligkeit der Jefuiten gegen Galilei spielte dabei sicher eine gegen den großen Mathematifer aufzog. Die volkstümliche Be Rolle. Daran war Galilei nicht unschuldig. Es lag also in der schichtsschreibung sagt: Seht, welche Schande, da sich die Religion tragischen Berwicklung eine nicht geringe Schuld im Charakter des in die Wissenschaft mengt! Und schon im 18. Jahrhundert er- Galilei , der keine anderen Sterne neben sich dulden wollte. Plären die Freigeister: Bie fann eine Religion wahr fein, die eine offenfundige unwahrheit durch feierlichen Machtspruch zu glauben befiehlt und zugleich den Glauben an die Wahrheit Gewiß stedt in dieser Auffassung ein richtiger Kern. Galileis Ronflift erscheint äußerlich als ein solcher mit der Kirche, und die persönlichen Triebfräfte fönnen als bloß auslösende Fattoren betrachtet werden. Allein die Meinung, fpeziell der Statholizismus
vérbietet?
Nicht genug baran: über jene Argumente hinaus, die zu jener Zeit gegen Kopernifus im Schwunge waren, hatte der Bapst noch ein besonders spisfindiges Galilei gegenüber angeführt: wenn auch, so meinte Urban etwa, uns das fopernikanische System richtiger zu sein scheint als die in der Bibel enthaltene Auffaffung, so dürfen mir hieraus, doch nicht den Schluß ziehen, daß das fopernikanische System mahr sei. Denn wir würden auf diese Weise Gott einen 3wang auferlegen, da er ja doch allmächtig und allwiffend ist,
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Das gütige Schicksal erklärte Mag und überlegte, wie lange es wohl noch dauern mag, bis die Bieberen den Mummenschanz merken also das gütige Schicksal hat es weise eingerichtet, daßdie Nachkommen Aloys IX., und die Fürsten überhaupt, durch überreichlichen Lebensgenuß etwas degenerös geworden sind. Der hermetische Abschluß gegen die rauhe Luft der übrigen, gewöhnlichen Welt und obendrei eifrige Inzucht haben Geist und Körper etwas ftart ramponiert. Zu unserem Glüd war der letzte Mons fein potenter Botentat mehr, hat also teine direkten Erben hinterlassen. Sonst wäre auch er mit Abfindungsansprüchen gekommen wie sein in Ohnmacyt großmächtiger Better. Ich bedaure also, meine Herr schaften, Ihnen die Nachkommen nicht vorstellen zu können; danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Intereffe an Schloß Gideffets."
Die Männer suchten in ihren Geldbeuteln und jeder drückte Mag eine Münze in die Hand. Er nahm dankend an und bezwang mur mühsam ein Gelächter, während die Gattinnen sich in den Arm threr Männer hingen. Bier Regenschirme spazierten hermonisch fort über den Schloßhof.
Als er die Stube betrat, auf die Borwürfe des Alten gefaßt, erblickte er Leiprecht friedlich vor einer neuen Flasche. Er legte ftillschweigend zwei Fünfzigpfennigftüde vor ihn und Mag fügte das Eintrittsgeld der Bieberen hinzu.
Du hast mir ein Stück Arbeit abgenommen," fagte Leiprecht gleichgültig, musterte Mag und meinte, der Rittel sei ihm etwas zu groß.
Ja, Freund, er ist mir ebenso weit wie die republikanische Staatsform für manchen Bürger zu groß ift. Der alte Untertan muß sich erst an die Freiheit gewöhnen. Die Leutchen da, die ich eben führte, waren noch so monarchieanbetend, daß sie nicht mertben, welche Späße mit ihnen getrieben wurden."
Etwas ängstlich fragte der Kuftos: Haft mir doch keine Dummheiten gemacht? Franz schenkte von neuem ein, und schon waren Leiprechts Zweifel befchwichtigt.
Ich erteilte nur eine fleine antimonarchistische Lektion. Es war sehr luftig."
Und ihr Verftand zu begrenzt, um die Ironie des Zufalls zu verstehen."
Die drei Männer schwagten noch bis tief in die Nacht, und I während der Regen unermüdlich in den Schloßhof praffelte, famen sie in ihrem llebermut zu diesem Entschluß: beste Propaganda für Die Republit und gegen die Monarchie seien Führungen durch Schlöffer, die Republikaner übernehmen.
und es ihm fonach möglich wäre, die Welt nach ganz anderen Gefeßen zu bauen als Kopernikus zu erkennen meinte. Dessen System als wahr und ficher hinstellen, heißt also, der Omipotenz Gottes eine Beschränkung auferlegen, und das verstößt in klarster Weise gegen den heiligen Glauben. Dieses päpstliche Argument bringt nun Simplicio am Schluß des vierten Tages vor!
Darauf erwidert Salviati:„ Eine bewundernswerte, wahrhaft himmlische Lehrel mit ihr stimmt jene andere göttliche Sagung vortrefflich zusammen, die uns wohl gestattet, den Bau des Weltalls forschend zu suchen, die uns jedoch für immer versagt, das Wert seiner Hände wirklich zu durchschauen, in der Absicht vielleicht, daß die Tätigkeit des Menschengeistes nicht abgeſtumpft und ertötet werde.
Man tann begreifen, daß Urban VIII. fich beleidigt fühlte. Sein Argument, darauf er so stolz war, und das er für ebenso bedeutungsvoll hielt wie die Hypothese des Kopernitus, war hier mit neuen Beilen abgetan! Und die Wirkung, die das Argument hervorbrachte, war eine Unterwerfung, die man sehr wohl als eine hochmütige Ironie auslegen fonnte. Und Urban legte sie so aus!-
Urban VIII. war ein Kirchenfürst von ungewöhnlicher Energie und Härte. Ein Menschenleben galt ihm nichts, und seine Strupellofigfeit wurde mir durch diplomatische, feineswegs durch menschliche oder etwa gar religiöse Bedenten gehemmt. Fügen wir aber gleich hinzu, daß er sich in dieser Hinsicht nicht im geringsten von anderen Fürsten seines Zeitalters unterschied. Daß der Bapst mit der Inquifition arbeitete, während der Doge wahrscheinlich Gift verwendet hätte, macht wenig Unterschied aus. Immerhin bediente sich Urban VIII. eines originellen Mittels, um Galilei seine Macht fpüren zu laffen. Urban ließ 1632 jenes Dokument vom 26. Februar 1616 in die Aften der Inqusition hineinschreiben, das ein Versprechen Galileis, fünftig in feinerlei Weise über die neue Lehre zu schreiben, enthielt! Die Einschiebung dieses Schriftftüdes geschah einfach in der Weise, daß die leer gebliebene vierte Seite jenes Bagens, dessen erste Seite die Zahl 377 enthält, zur Niederschrift benutzt wurde. Die genannten rückwärtigen Seiten, heute mit 378 und 379 bezeichnet, find ursprünglich sicherlich leer gewesen und sie wurden erst 1632 beschrieben. Denn am 11. September 1632 meldet man nach Florenz , daß Galilei ein in den Aften enthaltenes, besonderes Berbot, das ihm 1616 auferlegt worden war, übertreten habe! Bis zu diesem Augenblick wußte niemand etwas von diesem Verbot, am allerwenigsten jene, die es in erster Linie hätten fennen müssen, nämlich Galilei und die bei der Zensur beteiligten Patres. Mit Freuden hätte der Pater Riccardi( der Zenfor) nach diesem Balfen gegriffen, um das Erscheinen des Dialogs zu verhindern statt dessen ergriff er einen Strohhalm nach dem andern, um den Drud zwei Jahre lang hinzuhalten!
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