Morgenausgabe
Rr. 236
A 120
45.Jahrgang
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Der Barmärts" erscheint modentóg lich zweimal, Sonntags mb Montags eimmal, die Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend, 30uftrierte Beilagen Ball und Zeit und Rinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen, Franen Himme",
Technit, Blid in bie
Bilhermellumb Sugend- Borwärts".
Sonntag
20. maí 1928
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Es lebe die Sozialdemokratie!
Heute, von 8 bis 5 Uhr, wird gewählt. Im Kampf um den einzelnen Wähler, die einzelne Wählerin werden die Organisationen noch einmal ihre Kräfte meffen. Unsere Genossen, die in diesem Wahlkampf ihre Kampfesfreude, ihren Opfermut glänzend bemährt haben, bedürfen feiner Mahnung mehr. Sie werden auch heute auf dem Posten sein!
Nach Schluß der Wahlhandlung beginnt die Zählung. Ihre Resultate werden der Redaktion des Vorwärts" auf dem türzesten Wege übermittelt und der Berliner Bevölkerung mitgeteilt werden. Bei den Wahlen vom 7. Dezember 1924 fonnten wir schon im Laufe der Nacht die allgemeine Tendenz der Wahlen, den Vormarsch unserer Partei auf der ganzen Linie, feststellen. Am Montag vormittag lag das Gesamtresultat vor.
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In einer Beziehung haben unsere Gegner- das muß man ihnen lassen Diesmal gut vorgearbeitet. Sie haben uns feine Niederlage prophezeit. Sie haben im Gegenteil ihre Anhänger verblümt und unverblümt auf einen starken ablerfolg der Sozialdemokratie vorbereitet. Weil sie ein sehr schlechtes Gewissen haben, wird auch ein fehr großer Sieg der Sozialdemokratie für sie teine Ueber raschung sein. Sie haben durch ihre vorsichtige Haltung sich selber und ihre Anhänger vor Enttäuschungen geschützt.
Die Politiker aller Lager rechnen damit, daß die Sozialdemokraten heute gewinnen, die Deutsch nationalen verlieren werden. Ueber die Größe der Gewinne auf Der einen Seite, der Berluste auf der andern gehen natürlich Die Schätzungen meit auseinander.
Unsere Genossen werden sich indessen heute bis 5 Uhr nachmittag fein Kopfzerbrechen über den Wahlausgang machen, sondern sie werden daran arbeiten, ihn durch rührige Organisationstätigteit noch zu verbessern.
Es ist feiner unter uns, der von dem heutigen Tage den Iegten entscheidenden Sieg erwartet. Wir alle miffen, daß noch ein weiter Weg vor uns liegt, daß uns neue schwere Kämpfe vielleicht schwerere als der gegenwärtige nicht erspart bleiben werden. Wir haben unsere Anhänger nicht mit Phrasen und Illusionen gefüttert, wir haben ihnen auch nie die Narrheit gepredigt, daß man von Niederlage zu Niederlage schließlich zum großen Endsieg kommt. In zä her Kleinarbeit muß das sozialistische Proletariat Recht auf Recht erkämpfen, Stellung auf Stellung erobern, bis es schließlich die Kraft gewinnt, den Staat zum Wohle des ganzen Bolles zu beherrschen. Weil wir das wissen, fühlen mir die Pflicht zum Siege desto stärker in uns. Weil mir das wissen, denken wir bei jedem Siege, den wir erfechten, schon an den nächsten größeren Sieg, den zu erfämpfen wir berufen sind.
die nüchterne praktische Arbeit des vielgeschmähten sozial demokratischen Reformismus" beffer gedient ist als durch einen phrasenreichen Wortrevolutionarismus.
Unser Weg geht aufwärts. Die politische Arbeiterbewegung, die in der Sozialdemokratie verkörpert ist, und die mit ihr eng verbundene gewerkschaftliche und genossenschaftliche Bewegung haben nicht nur zahlenmäßige Erfolge errungen. Wir haben nicht nur die Zahl unserer Parlamentssige vermehrt, mir haben auch in den Parlamenten für die Interessen der arbeitenden Massen gearbeitet, und mir verlangen mehr macht, um bessere, erfolgreichere Arbeit leisten zu können.
Auf der anderen Seite ist auch in den bürgerlichen Parteien ein Entwicklungsprozeß im Gange, der mit diesen Wahlen gewiß noch nicht abgeschlossen sein wird. Das ist die in ihrem Innern sich vollziehende Klassen scheidung. Morgen werden wir missen, inwieweit diese Klaffenscheidung schon in einem Abmarsch der proletarischen und halbproletarischen Existenzen in das sozialdemokratische Lager ihren Ausdrud findet. Aber heute schon wissen wir, daß das wachsende Selbstbewußtsein dieser sich von der Ideologie des Bürgertums loslösenden Schichten unser Bunbesgenosse von morgen ist.
Der Rapitalismus fonnte nur merden, wie er geworden ist, meil er aus den Söhnen und Töchtern pon Leib. eigenen, aus rechtlosen Untertanen seine Arbeitsstlaven holte. Heute steht ihm eine Arbeiterklasse gegenüber, die weder so rechtlos, noch so unwissend ist wie die ihr vorausgegangene Generation. Die Sozialdemokratie hat ihr politische und soziale Rechte erobert und ihr damit Waffen in die Hand gegeben, mit denen fie fämpfen tann
Eine Schlammflut von Lüge und Berleumdung hat sich in diesem Wahlkampf über uns ergossen. Deutschnationale und Kommunisten metteiferten in der Albernheit
Weil die Stellung der Sozialdemokratie jo start, ihr Beg fo gerade ist, ist auch die Frage, wie die Kommunisten bei dieser Wahl abschneiden werden, eine Frage zweiten Ranges geworden. Die Kommunistische Partei hat den Glauben an sich selbst verloren. Sie weiß, daß der Weg der Gewalt nicht zum Ziele führt, und sie weiß, daß es ihr nicht gelingen wird, den russischen Sowjetstaat der Masse der Arbeiter als ein leuchtendes Vorbild erscheinen zu lassen. Seit sie das erkannt hat, fchwantt fie ziellos hin und her. Auch ihre bisherigen Anhänger merden immer reifer für die Ertenntnis, daß ihnen und den Zielen des Sozialismus durch
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der Erfindungen: was die einen ausgeheckt hatten, nahmen die anderen begierig auf. Diese Zusammenarbeit unserer Gegner von rechts und links hat uns sicher nicht geschadet, fie hat viel eher dazu gedient, den Wählern über die Rolle der Kommunisten als Wahlhelfer der schlimmsten Arbeiterfeinde die Augen zu öffnen. Könnten unsere Gegner lernen, fie müßten aus der Geschichte längst gelernt haben, daß man uns mit Lügen nicht besiegen kann.
Der großen Entscheidung, die der heutige Tag bringen wird, sehen wir mit fester Zuversicht entgegen, und mit nicht minder fester Zuversicht sehen wir über sie hinaus. Wir sind die kommenden. Wir tommen aus der tiefsten Knechtschaft und wir wollen hinauf zur ganzen Freiheit. Unser Weg ist weit, aber nichts und niemand kann uns auf ihm aufhalten. Heute und immerdar: sinEs lebe die Sozialdemokratie!
Die Glocke schlägt Eins-
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und der Gespensterspuf verschwindet!
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