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BERLIN Dienstag 22. Mai

1928

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

66

10 Pf.

Nr. 239

B 118 45. Jahrgang.

Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Donboff 292 bis 297

Wer lieferte das Todesgas?

12 Todesopfer in Hamburg , über 90 Menschen schwer vergiftet.

Moskaulieferant Stolzenberg.

Dokumentarische Beweise- ein vergessenes

fommunistisches Geständnis.

Wir hatten gestern darauf hingewiesen, daß die chemische Fabrik Stolzenberg, deren Phosgengase jetzt un­fägliches Unglück über das Unterelbegebiet gebracht haben, die Giftgaslieferantinder russischen Sowjet­regierung ist. Die ,, Rote Fahne " besitzt die Dreistigkeit, in einem fläglichen Gestammel unsere Behauptung als ,, Lügen" zu bezeichnen. Dies gibt uns Veranlassung, folgende Dar­stellung eines Eingeweihten zu veröffentlichen:

Im Januar 1926 schloß ich einen schriftlichen Anstellungsvertrag ab mit der Firma Chemische Fabrit Dr. Hugo Stoltenberg, Hamburg 28, Müggenburger Schleuse. Dieser Vertrag verpflichtete mich,

in Trozt, Gouvernement Samara( Rußland ) bei der Jubefrieb­nahme einer chemischen Fabrik tätig zu sein.

Diese Fabrik gliederte sich in folgende drei Abteilungen: Chlor­erzeugung C.O. Erzeugung und die Verbindung diefer beiden, der Phosgen- Erzeugung

( das gleiche Giftgas, das jetzt im Unterelbegebiet ausströmt), und als drittes Lost Erzeugung. Der Betrieb war also auf die Er­zeugung von Kriegsgiffgafen eingestellt. Dr. Hugo Stolzenberg hatte durch die Firma Gefu, Berlin , den Auftrag bekommen, diese Fabrik aufzubauen, was in den Jahren 1923-1926 erfolgte. Da die Inbetriebsetzung infolge schlechter Bauausführung und infolge des im Frühjahr einfeßenden Hochwassers sich verzögerte bzw. zum Teil überhaupt undurchführbar blieb, verzichteten die Russen auf die weitere Arbeit. Die Gefu sette sich mit Dr. Stolzenberg aus einander, so daß die Firma sowie der Fabrifdirektor Dr. Stolzenberg bei der Weiterführung vollkommen ausgeschaltet wurden. Im Laufe dieser Auseinandersetzung im Mai/ Juni 1926 änderte die Firma Geju ihren Namen in

Wito"( Wirtschaftskontor G. m. b. H.).

Die Arbeiten in Rußland sind nicht zur Verwendung gekommen. Wie weit und wer fie fortsetzen sollte, entzieht sich meiner Kenntnis. In­folge dieser Auseinandersetzung wurde das gesamte Personal Ende Mai 1926 nach Deutschland zurückbeordert bis auf etwa 12 Per­fonen, die von der Gefu übernommen wurden. Auch diese sind in den folgenden Monaten sämtlich zurückgekommen.

In meinem Vertrage wurde mir das Berbot des schrift lichen und mündlichen Berichts auferlegt.

Während meiner Tätigkeit in Rußland fam als Beauftragter der Gefu Oberst van der Lieth zur Besichtigung der Anlagen. Ich hatte den Eindruck, daß innerhalb der Gefu bzw. Wiko die Haupttätigkeit von Offizieren ausgeübt wurde. Ob es aktive oder ver­abschiedete Offiziere waren, entzieht sich meiner genauen Kenntnis. gez.( Unterschrift).

Ueber den Charakter der Gefu" später ,, Wifo"( Wirt­schaftskontor), namentlich über ihre Beziehungen zu ge= wissen Reichsstellen, hat bereits im Dezember 1926 Genosse Kuttner im Preußischen Landtag die notwendigen Aufklärungen gegeben. Daß die Witko" bis Ende 1926 Zahlungen für die Giftgasfabrik in Trozt geleistet hat, geht aus einer Anzahl von Schreiben hervor, von denen wir heute folgendes wiedergeben wollen:

Wirtschaftstontor G. m. b. H.

Fi/ Dy.

An die

"

Berlin W. 62, den 9. November 1926. Darmstädter und Nationalbant, Depositenkasse,

Werderscher Martt

Das Fabrikgelände. Links mit dem Kreuz bezeichnet, befindet

sich das Boot, in dem zwei Angler die ersten Todesopfer des Gases wurden, ungefähr 400 m von der Explosionsstelle.

Die Depeschenspesen New York - Mostau gehen zu Lasten der Prombant. Ihrer Buchungsaufgabe zu Lasten unseres laufenden Reichsmark­fontos sehen wir seinerzeit entgegen. Hochachtungsvoll

Wirtschaftsfontor G. m. b. 5. ( Unterschriften.)

Die hier genannte Bromhant" ist eine offizielle russische Staatsbant. Ein ähnliches Schreiben wurde schon im Dezember 1926 im Preußischen Landtag ver­lesen. Der Führer der kommunistischen Landtagsfraktion, Herr Bied, stammelte damals zuerst etwas von Fälschung". Als sich diese Ausrede aber nicht mehr halten ließ, da das Gebaren der Darmstädter und Nationalbank die Echtheit des Schreibens bestätigte, gab Herr Pieck zu Beginn der 235. Sigung am 17. Dezember 1926 eine Erklärung ab, in der er nunmehr sagte:

Die zwischen der deutschen Regierung und den ihr unterstellten Organen mit Sowjetrußland bestehenden Beziehungen sind der sozial­demokratischen Führerschaft

nicht nur seit langem bekannt,

fondern diese Beziehungen wurden gerade zu einer Zeit angebahnt, Wir bitten Sie, der Prombank in Moskau , spätestens am 20. No- als die Sozialdemokraten in der Reichsregierung saßen.... Wenn vember des Jahres in Moskau eintreffend,

50 000,-( fünfzigtausend) Dollars

bei der Equitable Trust Company of New Yort per Kabel zur Ber­fügung zu stellen und die Equitrust zu veranlassen, den Eingang des Betrages der Brombant für Konto Rr. 184 telegraphisch zu anisieren..

Familientragödie im Westen Spanischer Amokläufer

Berichte im Innern des Blattes

Die Unglücksstätte." Rechts das fortgeschleuderte Wellblech­schutzdach.

jetzt also die sozialdemokratischen Führer diese Beziehungen zum Anlaß von Enthüllungen" und Angriffen machen, so soll damit nur eine zerreißung dieser Beziehungen herbeigeführt werden, um den englischen Imperialisten in ihren Be strebungen auf Isolierung Sowjetrußlands zu dienen.

Also: Erst ist alles Fälschung und Schwindel- dann ist alles feit langem befannt" und nun ist es schon wieder ,, Schwindel" geworden! Wer so hartnäckig lügt wie Herr Pieck und die ,, Rote Fahne", sollte wenigstens fonsequenter lügen bzw. fich ein besseres Gedächtnis anschaffen.

Selbstverständlich hat mit der Errichtung der Giftgas­fabrik in Trozk durch deutsche Militaristen und Rüstungs­lieferanten die Sozialdemokratie nur das eine zu tun, daß sie bereits im Jahre 1926 diese zusammen­hänge aufgedeckt hat.

Dagegen ist es abgefeimte Heuchelei, wenn jetzt die ,, Rote Fahne" und ,, Die Welt am Abend" von humanitären Phrasen über die entsetzliche Barbarei des Giftgaskrieges und nament­lich des Gelbkreuzgases( Phosgen) überfließen. Denn die gleiche Fabrik Stolzenberg, deren Phosgen jetzt gegen die Bevölkerung des eigenen Landes wütet, hat genau das gleiche Phosgen in den Jahren 1923/26 für Sowjetrußland fabriziert. In den Händen der Sowjet­diktatoren wirft Phosgen wahrscheinlich nur als angenehmes Parfum! Die einzige Partei, die den Giftgasgebrauch im Inland wie im Ausland gleichermaßen be= fämpft, ist die Sozialdemokratie, während die Kommunisten für eigene 3mecke sich dieses barbarischen Kampfmittels gern bedienen, und es sogar aus der Hand deutscher Militaristen und Nationalisten ent= gegennehmen. ( Siehe auch 2 Seite.)