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Morgenausgabe

Nr. 240

A 123

45.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Mittwoch

23. maí 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Die Internationale der Reaktion. Demokratie und Diktatur.

Frankreichs   Rechtspresse über den deutschen   Wahlausfall entsetzt.- Die Links: preffe für außenpolitisches Entgegenkommen.

Paris  , 22. Mai.  ( Eigenbericht.)

Wie schnell und glatt die Internationale der Reat. tion funktioniert, zeigt in schlagendster Weise die Haltung der französischen   Rechtspresse zum Ausfall der Reichstagswahlen. Hugen. berg und Bestarp fonnten sich feinen besseren Helfer wünschen. Was man heute in der Pariser   Rechtspresse an

übernehmen würden.

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daß die Sozialdemokraten ebenso wie die Rechten für den An­Ichluß Desterreichs an Deutschland  , die Revision und die Be feitigung des Korridors feien. Sie hätten sich selbst gerühmt, noch viel mehr erreichen zu fönnen als die Deutschnationalen. Die Hauptursache der Erregung im französischen   reattio. nären Lager ergibt sich aus der Rüden stärkung der früheren Rartellparteien durch die deutschen   Wahlen. Diese Rückwirtung wird in der Tat eine entschiedene Be lebung der vom Kartell eingeleiteten Annäherungspolitit zur Folge haben. Die allgemeine Auffassung geht hier dahin, daß man einer deutschen   Linksregierung gewiffe Stonzeffionen machen tönne, die einem Kabinett unter Einschluß der Deutschnatio­nalen versagt werden mußten.

Polens   Nationalisten ebenfalls enttäuscht.

Jm Lichte der Wahlen vom 20. Mai.

Der Streit, ob der Weg zur Herrschaft der Arbeiterklasse und zum Siege des Sozialismus über die Dittatur oder die Demokratie führt, tobt in der Arbeiterbewegung seit Jahren. Er wurde in Rußland   im Sinne der Diktatur entschieden mit welchem Erfolg ist hier nicht weiter aus­zuführen- und seitdem ist die Arbeiterbewegung in der ganzen Welt gespalten. Im legten Wahlkampf hat sich die Energie der kommunistischen   Diktaturanhänger so gut wie ausschließlich im Kampf gegen den demokratischen Sozialismus erschöpft. Auch die Sozialdemokratie hat infolge= dessen einen guten Teil ihrer Kraft in der Abwehr kom­munistischer Angriffe verbrauchen müssen. Leider ist der Kampf nicht nur mit geistigen Waffen geführt worden, es ist Blut geflossen, wir haben Todesopfer zu be­flagen, Verwundete liegen in den Krankenhäusern und daheim.

Der Ausgang des Kampfes war für beide Parteien befriedigend, soweit es sich um zahlenmäßige Gewinne handelt, er war für sie unbefriedigend, soweit es um die Machtverteilung zwischen beiden ging. Reine von beiden ist in dieser Beziehung um einen Schritt weitergekommen. Wir betrachten es als ein Verhängnis, daß noch immer ein Biertel der sozialistisch- proletarischen Wähler der Parole einer Partei folgt, die keine andere Aufgabe fennt als die, uns zu befämpfen. Die Kommunisten aber sehen mit stillem Ingrimm, daß der Wall einer Dreiviertel mehrheit innerhalb der sozialistischen   Wählerschaft ungebrochen ihren Bestrebungen entgegensteht.

Lügen und Gemeinheiten gegen die Sozialdemokratie Iesen kann, übersteigt alle Grenzen des politischen Anstands. Sie beginnt mit der Behauptung, daß die Sozialdemokratie überhaupt feinen Sieg davongetragen habe, sondern nur von der allgemeinen wirtschaftlichen Unzufriedenheit profitiert hätte. Weiter wird be hauptet, daß sie teine Sozialisten; sondern nation asoziali. stische Militaristen und Alldeutsche   seien! Schlimmer als die Deutschmationalen, würden sie jetzt wieder Versöhnungs. arien   fingen und mit um so deutlicherer Unverfrorenheit die Warschau  , 22. Mai.  ( Eigenbericht.) heintandräumung, Revision des Versailler Vertrages und In der, polnischen Preffe wird das Ergebnis der deut. In der, polnischen Presse wird das Ergebnis der deut die Reform des Dawes Blanes verlangen. Ja, sogar die Beschen Wahlen mit uneingeschränkter Befriedigung nur von hauptung fann man lesen, daß die Mart wieder ent- den verständigungsfreundlichen Drganen der Linken wertet(!) werde, sobald die Sozialdemokraten die Regierung begrüßt. Der sozialistische Robotnik" weist auf die Festigung der deutschen Republik hin und erklärt den Kurswechsel im Reich In allen vernünftigen ernsten Streifen wird man sich dagegen auch außenpolitisch für überaus bedeutsam. Die Locarnopolitit über die große Bedeutung des sozialdemokratischen Wahlfieges würde jetzt von Berlin   aus nicht mehr fabotiert werden. Mit Polen  Haben die Kommunisten Aussicht, dieses für sie hoff­immer flarer. Es besteht für feinen kritischen Beobachter in Paris   werde Deutschland   jetzt hoffentlich bald zu einem Handelsver- nungslose Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu verändern? ein Zweifel, daß nun die Sozialdemokratie die Regierungsbildung trag tommen. Auch die allgemein politischen Beziehungen zwischen Wir verneinen diese Frage aufs entschiedenste. Denn gerade übernehmen müsse. Sauerwein im Matin" glaubt anfündigen zu den beiden Nachbarländern würden jetzt hoffentlich durch gegen dieser Wahlausfall hat ihre antidemokratische Stellung auf Fönnen, daß die Zeit vielleicht gekommen sei, um den deutschen   Einseitiges Vertrauen geregelt werden können. heitsstaat wirklich in die Tat umzusetzen. Die nationalistischen Blätter find dagegen wenig ent. das allerschwerste erschüttert, er hat den Beweis dafür zudt von der Niederlage der Deutschnationalen. Die geliefert, daß wir auf dem richtigen Wege find. nationalistischen Organe Kurier Warszawski  "," Gazeta Bar Broletariat im Bürgerkrieg die Macht an sich reißen Die Kommunisten verkünden die Lehre, daß das 13a wsta" bemühen sich um den Nachweis, daß die deutsche Linte und sie mit Mitteln des Terrors behaupten müsse. In der außenpolitisch nicht weniger gefährlich sei als die und sie mit Mitteln des Terrors behaupten müsse. In der Zeit dieser Gewaltanwendung, der Diftaturperiode, sei die deutsche   Rechte. Der Krakauer Kurjer Jilustrowany" er lärt sogar, die deutschen   Linksparteien seien noch gefährlicher Umstellung der Wirtschaft vom Kapitalismus zum Sozialis­mus durchzuführen. als die Deutschnationalen, da sie sich außenpolitisch nur nach Westen hin von der Rechten unterscheiden, gegenüber Polen   aber ebenfalls - Die Regierungsorgane halten agreffive(!) Tendenzen verfolgten. fich bisher zurüd; fie sprechen mur die Hoffmung aus, daß der Kurswechsel in Deutschland   die Handelsvertragsverhandlungen er leichtern möge.

Einige bürgerliche Blätter befürchten, daß die Regierungsbildung im neuen Reichstag nur mit schwerer Mühe vor sich gehen könne,

denn der

Sieg der Sozialdemokrafte sei zu groß,

er habe das Gleichgewicht der Kräfte zwischen ihr und den bürger­lichen Linksparteien, die als Koalitionsgenossen in Frage fämen,

zerstört.

Im übrigen aber ist man über die fünftige Richtung der deut­fchen Außenpolitit vollkommen beruhigt und man bestätigt, daß Frankreich   alles fun müffe, um Deutschland   in der Versöhnung ent­gegenzukommen. Der Matin" glaubt zu wissen, daß die deutsche  Außenpolitik greifbare Resultate erreichen müsse, die dem deutschen   Bolt besonders am Herzen lägen. Die Linkspresse erklärt flar und deutlich, daß

ein Vorwand gegen die fofortige bedingungslose Rheinland­räumung nicht mehr bestehe,

denn um das Wort Blums zu gebrauchen, habe mit dem Sozialis­mus auch die Sache des Friedens einen entscheidenden Sieg davon getragen.

Saubere Bundesgenoffen!

Paris  , 22. Mai.  ( Eigenbericht.)

Die Pariser faschistisch- nationalistische Liberté" scheut sich nicht, am Dienstag ganz offen in eine Art Bundesgenossenschaft mit den niedergerittenen Deutschnationalen einzutreten. Das Blatt rät den deutschen   Kapitalisten angesichts der Wahlerfolge der Sozialdemokratie, es ihren französischen Brüdern nachzutun und schleunigst ihre Rapitalien ins Ausland zu verschieben, che sie von der sozialdemokratischen Steuerpolitik erfaßt werden! Andere Blätter der Rechten geben in bewegten Tönen zu verstehen,

Veränderungen im Zentrum. Richtwiedergewählte und Neugewählte für den Reichstag  

England grüßt das republikanische Deutschland  . London  , 22. Mai.  ( Eigenbericht.) Die englische Bresse begrüßt mit ungewöhnlicher Wärme das Ergebnis der Reichstagswahlen als einen endgültigen Sieg der Republik   und der Berständigungspolitik. -Deutschland   findet sich felbft- Das Berschwinden der Hohen­ zollern   Gefunder Menschenverstand in Deutschland   und ähnliche Ueberschriften zu den Kommentaren findet man zu Duzenden in den Blättern. Es scheine, daß Deutschland   sich endgültig der Republit zugewandt habe. Times" hebt vor allem die Niederlage der Deutschnationalen hervor und schlußfolgert daraus, daß das deutsche   Bolt teine Neigung mehr habe, nach militärischen Grundsägen behandelt und im Osten oder Westen zu neuen militärischen Abenteuern geführt zu werden. Die Daily News" nennen das Wahlergebnis eine Entscheidung für Frieden und Demofra, eine unmißverständliche Willenskundgebung gegen die Rückkehr des alten militaristischen Nationalismus.

Diese Lehre wäre noch verständlich, wenn bewiesen wäre, daß das fozialistische Proletariat mit demokratischen Mitteln nicht zur Macht im Staate gelangen fann. Sie verliert jeden Sinn, wenn dieser Beweis nicht zu erbringen ist, ja, wenn sich herausstellt, daß das sozialistische Proletariat mit der demokratischen Methode sehr wohl die Staatsmacht erobern fann.

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Im kommenden Reichstag werden 42,1 Proz. aller Pläge von Sozialdemokraten und Kommunisten befeßt sein, das heißt von Abgeordneten, die von Wählern mit sozia­listischem Willen ins Parlament geschickt worden sind. Damit ist der bisherige Höchststand von 43,9 Proz. in der Nationalversammlung. beinahe schon wieder erreicht. Sozialdemokraten und Kommunisten haben zusammen 30 Size neu erobert. Ein neuer Lintsrud bei einer nächsten Gelegenheit brauchte nicht viel größer sein, um ihnen beiden zusammen die Mehrheit und damit den legalen Anspruch auf gemeinsame Machtausübung zu bringen. Daß ein solcher neuer Linksrud möglich ist, da in der Wählerschaft ber bürgerlichen Parteien noch gewaltige proletarische Reserven steden, wird kein Sozialdemokrat und auch fein Kommunist bestreiten.

Die Wahlen vom 20. Mai haben den Be= weis erbracht, daß die Eroberung der Staatsmacht durch die Arbeiterklasse mit den Mitteln der Demotratie eine nahe= liegende Möglichkeit ist. Damit aber fällt die

Baben, Senatspräsident Schetter Köln und Senatspräsident grundsägliche Stellung der Kommunisten vollkommen in fich

Schulte Breslau.

Zentrum nur 61. Bayerische Volkspartei   17 Mandate Der in der Pfalz   gewählte Abg. Bayersdörfer ist, wie das Nachrichtenbureau des VDZ. erfährt, nicht dem Zentrum zu­zurechnen, wie es die erste amtliche Meldung tat, sondern der Bayerischen Volkspartei  . Damit ermäßigt fich die Zahl der Zentrumsmandate im neuen Reichstag von 62 auf 61, während fich die Zahl der Bayerischen Volksparteiler von 16 auf 17 erhöht.

zusammen.

Der Beweis, daß die Arbeiterklasse auf unblutigem legalen Wege zu Macht tommen tann, ist erbracht. Der Beweis, daß sie durch bewaffnete Aufstände zu dem gleichen Ziel tommen fann, ist noch zu erbringen. Die Er­oberung der Macht durch die Bolschewifi im Oktober- Novem­ber 1917 ist fein Beweis, denn Zustände, wie sie damals in Rußland   herrschten, find in Deutschland   nicht vorhanden. Auch die Kommunisten erklären ja jetzt, daß der Kapitalis­ mus   im Stadium der relativen Stabilisierung" sei, und daß man fich in einem ellental der Weltrevolution" befinde. Mit anderen Worten: in absehbarer Zeit ist mit Gewalt Bon den bisherigen demokratischen Reichstagsabgeordneten ist nichts zu machen. Soll da nicht der Versuch erlaubt sein, in

Der Zentrumsfrattion des neuen Reichstags werden manche Mitglieder angehören, die der alten Fraktion nicht angehörten. Am bemerkenswertesten ist die Wahl des Regierungs­direktors Dr. He p, der früher nur Mitglied des Landtags war und dort im Zentrum an führender Stelle stand. Auch der bisherige Finanzminister Dr. Köhler ist jetzt Mitglied der Zentrums­fraftion. Neugewählt sind außerdem Reichsminister a. D. Dr. Her mes, Präsident der Handwerkskammer Münster Bielefeld, Landwirt Dr. Johannes Drees, Verbandsvorsitzender Fehren. Dr. Th. Seuß nicht wiedergewählt worden. bach Düsseldorf  , Dr. Föhr Freiburg, Kaufmann Hartwig­Oppeln, Bäckermeister Nauheim Essen, Arbeiterfekretär Rie. sener Gladbach und Studienrat Warnte- Schneidemühl  .

Nicht wiedergewählt wurden: Oberpostinspektor 21fetotte, Geschäftsführer Johannes Groß- Stuttgart  , Dr. Krone, der Ge­schäftsführer des Reichsverbandes des deutschen   Windthoritbundes, Regierungsrat Wilhelm Knoll Darmstadt  , Direttor Sonner

Wahleinspruch. Die Boltsrechtpartei und die Na­tionalsozialisten beabsichtigen gegen die Buteilung der Sitze für den Württembergischen Landtag Einspruch zu er­heben, weil der Artikel 20 des Landeswahlgefeges der Reichsver fassung widerspreche. Sie haben in Württemberg   fein Mandat er­balten.

dieser Zeit, die auch nach kommunistischer Auffassung recht lange dauern fann, mit den Mitteln der Demofratie vor­wärts zu tommen?

Es wird dabei ganz davon abgesehen, daß es eine un­geheure Frivolität wäre, sich auf den Weg der blutigen Gewalt zu verfteifen, wo der Weg der unblutigen Macht­eroberung sichtbar offenliegt.

Es soll auch nicht ausführlich die Rede sein, von dem