Die Wahl und ihre Wirkung.
Lehren und Folgerungen.
Schnell fertig ist die Feder mit dem Wort. Schon am Abend nach der Wahl tonnte man in Berliner Blättern lesen, wie die neue Regierung gebildet werden muß. Je kleiner der Einflußkreis auf Wählermassen ist, desto größeren Anspruch auf politische Führerrollen wird da erhoben. Außerhalb Ber lins urteilt man über die Dinge wesentlich ruhiger und fritischer. Das sollte auch in Berlin und in den Parteien beachtet werden.
Besonders die sozialdemokratischen Zeitungen bringen, so froh sie ob des Erfolges ihrer Arbeit sind, burchaus nicht die Unbekümmertheit gewisser Berliner Allermeltsblätter auf. Sie suchen vor allem den gesellschaftlichen Untergrund flarzulegen, aus dem die Niederlage nicht nur der Deutschnatio nalen, sondern auch der bürgerlich- republikanischen Parteien, des Zentrums und der Demotraten, entſprang. Und von dieser Art der Betrachtung ausgehend, fommen sie zu wesentlich nüchterner Auffassung zufünftiger Regierungsmöglichkeiten, als das besonders bei unseren Demokraten der Fall ist. Die ,, Leipziger Volkszeitung " erinnert daran, daß die Demokraten so gut wie bei jeder politischen Wahl Verluste erlitten haben. Sie lehnt deshalb Ratschläge der demokratischen Presse rundweg ab:
Der starke Erfolg der Sozialdemokratie gibt ihr die Gewißheit, daß sie mit der Politik der scharfen Opposition gegen die Parteien der Bourgeoisie auf dem richtigen Wege ist.... Die 9 100 00 sozialdemokratischen und die 3 200 000 tommunistischen Stimmen sind im heftigsten Rampf gegen die Bourgeoisie und alle ihre Barteien errungen worden. Hinter den Stimmen stehen fast 12% Millionen Proletarier in der Front gegen die Bourgeoisie bereit, ihren reattionären Plänen Widerstand zu leisten. Wenn auch die Rampftraft der proletarischen Front durch die Hezze der Rommunisten gegen die Sozialdemokratie geich macht ist, so muß doch die Sozialdemokratische Partei bei den von ihr zu treffenden politischen und tattischen Entscheidungen das starte Gewicht der 12% millionen einsetzen.
Ganz ähnlich äußert sich die ,, Chemnitzer Volksstimme", die den 3 Millionen fommunistischer Wähler besondere Aufmerksamkeit widmet:
Wie wird es möglich sein, diesen 3,2 Millionen das Bewußtsein beizubringen, daß sie eine verlorene Partie spielen? Oder besser gesagt, daß ihre Hoffnung, in absehbarer Zeit die geschichtliche Miffion der Sozialdemokratie zu übernehmen und führende prole tarische Partei in Deutschland zu werden, durch den Ausfall dieser Wahl mun wirklich von Grund auf zerstört worden ist?
Zwar ist es eine ebenso gefährliche Illusion, zu glauben, man fönne die kommunistische Parteileitung von ihrem verhängnisvollen Wege abziehen und mit der kommunistischen Reichs tagsfraktion ein Stüd Beges zusammengehen. Hier entscheidet der Wille von Moskau , der von anderen Motiven geleitet wird als der Rücksicht auf das deutsche Proletariat. Und was ihre Filialen in Baris und Berlin jetzt getan haben, das zeigt uns, mit welcher Strupellosigkeit der Kreml arbeitet.
Im Ringen um die Seele des Broletariats", heißt es weiter ,,, müssen wir Sieger bleiben... Rönnen wir nicht die 12,5 millionen proletarischer Stimmen jezt schon nugbar machen, fo gilt es, zunächst unsere eigene Kraft in den Kampf zu stellen."
Das ,, Sächsische Bolfsblatt" in 3 midau mendet sich mit besonderer Schärfe gegen etmaige Pläne einer großen Koalition":
Der Rampf geht um den Inhaft unserer Repubitt Und bei diesem Rampf sind die Intereffen und die Aufgaben der Sozialdemokratie benen ber bürgerlichen Barteien und vor allem benen der bas Großtapital vertretenden Deutschen BoIts. partei voiltommen entgegengesett. Angesichts diefer Tatsache tönnte bei dem Uebergewicht ber bürgerlichen Parteien im Reichstag und damit in ber Stoalition und angesichts der Schwachung der Sozialdemokratie durch das Da. sein der Kommunisten eine Koalition mit der Deutschen Bolfspartei mur auf Kosten der proletarischen Forderungen, auf Kosten der Sozialbemofratie gehen.
So schroff lehnen eine Roalitionspolitik freilich nicht alle Barteiblätter ab. Die Mannheimer Boltsstimme" zum Beispiel ist der Ansicht, daß das deutsche Volt heute eine Linksregierung fehen wolle, und glaubt, die Sozialdemokratie werde sich diesem Boltsauftrag nicht entziehen:
Freilich zum Spielball für die 2iften und bie Tuden, Manöver und Intrigen von Barbeien und Parteiführern, denen es nicht ebenso ehrlich wie uns darum zu tun ist, eine grundlegende Reuorientierung unserer Innenpolitik herbeizuführen, die fediglich nach einem Bormand suchen, um der Notwendigkeit dieser Umorientierung aus dem Wege zu gehen und die Verantwortung dafür abzuschieben zum Spielball für folche machinationen, wird sich die große, heute noch wesentlich verstärkte Sozialdemokratie diesmal noch weniger als je hergeben. Die Schwäb. Tagwacht" in Stuttgart ist ähnlicher
Meinung:
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Mit sachlichem Ernst hat die Partei vor der Wählerschaft Kritik geübt und ihre Ziele verkündet. Mit demselben sachlichen Ernst wird sie in den Parlamenten ihre Arbeit neu aufnehmen, bereit, zu fraftvoller, sozialer und politischer Reformarbeit, entschlossen aber auch zu schärfftem Stampfe, wenn die Reaktion aufs neue versuchen sollte, auf Kosten der schaffenden Boltsmassen eine Politik gegen die Arbeitermasse, gegen die Republik , gegen den Völkerfrieden zu betreiben."
Noch deutlicher sagt die Rheinische Zeitung ", welche Lehren die Wahl für die Sozialdemokratie nach ihrer Meinung gebe:
Wir wollen schon in den ersten Stunden unseres Sieges fagen: Er muß politisch ausgewertet werden. Eine Partei von nahezu zehn Millionen Stimmen fann nicht im Schmollwinkel fihen. Das deutsche Volt hat klar und deutlich dem Bürgerblod, hat noch deutlicher den Deutschnationalen ein MißtrauensDotum erteilt. Es hat nicht minder deutlich nach einer Führung durch die Sozialdemokratie gerufen. Der Boltsspruch lautet ein deutig: Gegen Reudell! Für Severing!
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Es kann und darf nicht an uns liegen, wenn der flare Boltsspruch sich nicht ebenso flar bei der Regierungsbildung auswirten sollte. Nur sollen nun die bürgerlichen Mittelparteien gewarnt sein. Es darf nach einem solchen Wahlergebnis nicht antifozial regiert werden. Nicht mehr die politischen Staatsprobleme, die sozialen Boltsprobleme stehen vor uns. Die Monarchie ist so gründlich erledigt wie mur möglich. Es geht um den sozialen Ausbau der Republik .
In dieser Hinsicht, meint die Rheinische Zeitung ", sollte das Zentrum seine eigenen Wahlziffern studieren. Es hat verloren, meil es sich hatte zu unsozialer Bolitik perleiten laffen,
Die edelmütigen Deutschnationalen.
Wir halten fest am Gebet!
Wahlt
deutschnational!
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Wahlt
deutschaalionat
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Bremen
Deutſchnationale Patentlösung By fines
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Hier die neue Patentlösung: Bir Deutschnationalen sind bereit, von neuem das Opfer der Regierungsbildung zu übernehmen!"
Glückwünsche von überall.
Das Echo des sozialdemokratischen Wahlsieges. London . Die Landesexekutive der britischen Arbeiterpartei sendet den deutschen Genossen herzliche Glückwünsche zum Wahlsieg Lansbury , Henderson und Macdonald.
Die Grenzen müssen verschwinden.
Der belgische Sozialist de Brouckère über die Minderheiten Köln , 23. Mai.
Prag . Die deutsche Arbeiterschaft der Tschechoslowakei hat mit Spannung den heroischen Kampf unserer deutschen Genossen im letzten Wahlkampf verfolgt. Hellen Jubel löfte die Nachricht von legten Wahlkampf verfolgt. Hellen Jubel löfte die Nachricht von dem herrlichen Sieg aus. Der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie in der Tschechoslowakei übermittelt euch aus bieſem zum Zusammenleben formulierte. Jedem Bolke, das auf Anlaß die herzlichsten Glückwünsche.
Auf Einladung des Verbandes sozialistischer Studentengruppen sprach in der hiesigen Universität der belgische sozialistische Senator de Broudère, Professor an der Universität Brüssel, über europäische Minderheitsfragen. Er ging aus von den engen Beziehungen zwischen Nationen und Sozialismus, wobei er den Begriff der Nation unter Anlehnung der verschiedenen Theorien geschichtlicher und fultureller Bedingtheit als Willenskundgebung der Menschen dem Gebiete eines anderen wohne, sei ein gewisses Recht durch Prag. 3um herrlichen Sieg im Wahlkampf vom 20. Mai be- den Schutz einer überstaatlichen Organisation, des Bölferbundes, zu glückwünschen wir die deutsche Bartei im Namen der tschechoslowa- sichern. Als selbstverständliche Forderung des Minderheitenrechts tischen Sozialdemokratie. Hampl, Obmann. Dundr, Sekretär, fei bie Gemährung gleicher staatsbürgerlicher Rechte und freie Ausübung des religiösen Kults anzusehen. Schwieriger sei es jedoch, Warschau . Herzliche Glümünsche zum herrlichen Sieg den Minderheiten ihre mirtschaftlichen Rechte zu sichern, die gewöhnDiamond, Dbmamm des Generalrates, PBS. lich nicht burch Gefeße, sondern durch einzelr Maßnahmen von Behörden bedroht merden. Im Minderheitsschulmesen müsse bie Riga . Herzliche Südmünsche zum eroberten Sieg stärkere umfassende Kultur der eigenen vorgezogen werden. Das Sozialdemokratische Bartei Bettlands. habe sich sowohl in Oberschlesien mie auch bei den Flamen in Madrid . Die spanische Sozialdemokratie beglüdwünscht die Belgien gezeigt. Die Gerechtigkeit müffe überall in her Belt aus gemeinfamem Haß gegen den Strieg organisiert werden, nicht um bie beutschen Genoffen zu ihrem glänzenden Wahlsieg. Grenzen zu verschieben, was die Gefahr neuer Kriege heraufbeBesteiro, Bizepräsident. Gabort, Gefretär. fchmore, fondern um durch wirtfamen internationalen Schutz bie Grenzen unfichtbar zu machen.
folge als Sieg der Weltbemokratic. Podebrady ( Böhmen ). Begrüßen eure außerordentlichen Er England und das Hamburger Phosgen.
Itrainische Sozialdemokratie. Mazepa Bezpalin.
Herzliche Grüße zum glänzenden Wahlsieg der deutschen Bruderpartei. Der unaufhaltsame Aufstieg des deutschen Brole. tariats zur Macht in der Demokratie wird eine gemaltige Ermunterung für unsere Genossen in Rußland sein. Auslandsvertretung sozialdemokratischer Arbeiterpartei Rußlands .
Dan.
Abramowitsch.
Paul Boncour über„ Sicherheiten".
Ein angebliches Gaulois" 3nterview.
"
Chamberlain zieht Berichte ein.
London , 23. Mai. ( Unterhaus.) Staatssekretär Chamberlain beantwortete
eine Anfrage, ob angesichts der Bersailler Bestimmungen ges plant sei, hinsichtlich der Giftgastatastrophe in Hamburg bei der deutschen Regierung Borstellungen zu erheben. Chamberlain was bie Zeitungen enthalten. Er sei deshalb nicht in der Lage, zu fagte: es fei ihm bis jetzt nicht mehr über diese Sache bekannt, als sagen, bb auf Grund des Versailler Vertrags Vorstellungen bei der deutschen Regierung erhoben würden. Ramsden fragte, ob Chamberlain der Ansicht sei, daß Deutschland die Bestimmungen über die Herstellung und Berwendung von Kriegsmaterial von 1927 durchführe, ferner ob der Staatssekretär den Bölferbund auffordern werde, die Explosionsangelegenheit zu untersuchen, Chamberlain antwortete, es wäre verfrüht, über den Kurs, den die Regierung in dieser Angelegenheit einschlagen werde, eine Meinung zu äußern. Die Frage von Borstellungen oder Anrufung des Böllerbundes fönne erst entschieben werden, wenn er ausführliche Informationen habe; er sei im Begriff, Schritte zur Erlangung dieser Informationen zu tun. Auf eine Anfrage Hardys, ob es sich bei dem fraglichen Gas nicht um eine Gassorte handele, die gewöhnlich zur Herstellung bestimmter Waren produkte benutzt
Nach einer Meldung der T. soll Paul Boncour einem Bertreter des ultranationalistischen Gaulois" gegenüber zum Aus fall der deutschen Wahlen erflärt haben, die Eindrücke, die sich auf Grund der Zahlen ergeben, seien für die Erhaltung des Friedens zweifellos günstig. Die Sozialdemokraten aber seien auch Patrioten. Er selbst sei einige Male ihren Angriffen ausgesetzt gewesen, da sie wissen, daß auch er die Räurechtigte Rompensationen und Garantien für die mung des Rheinlandes nicht in Betracht ziehen lasse, ohne bewerbe, erfolgte feine Antwort. Sicherheit zu erhalten. Die Regierungen würden sich in Deutschland und auch in Frankreich veränderten Bofitionen gegenüber sehen. Die Atmosphäre der Entspannung würde sicherlich die Lösung der schwebenden Fragen günstig beeinflussen und auf alle Fälle bei den Berhandlungspartnern den Willen, zu einem Ergebnis zu gelangen, träftigen. Man müffe den Ausgang der deutschen Reichstagswahlen mit der Absicht begrüßen, aus ihnen alle Borteile für Europa und die Welt zu ziehen. Ohne ihre außerordentliche Bedeutung und die Wohltaten, die sie bringen können, verringern zu wollen, sollte man doch nicht vergessen, baß bedeutende Schwierigkeiten weiter bestehen und größte Borsicht im Interesse beider Länder notwendig sei.
Einige Rechtsblätter stürzen sich auf diese Meldung, wobei sie jedoch erstens den nicht in ihr Konzept passenden Satz über die Bater. landsliebe der deutschen Sozialdemokraten unterschlagen und zwei tens verschweigen, daß Baul Boncour in der Sozialistischen Partei Frankreichs mit seinen Auffaffungen so gut wie allein steht. Was uns betrifft, möchten wir zunächst eine weitere Bolemit gegen ihn unterlassen, da uns der nationalistische„ Gaulois" tein zuverlässiges Bermittlungsorgan für die Ansichten eines Sozialisten zu sein scheint. Wir beschränken uns auf die berichtigende Bemerkung, daß wir die Räumungsfrage vom Standpunkt nicht eines einseitigen nationalen Interesses, sondern vielmehr eines gemeinsamen deutsch - französischen Interesses aus betrachten, das eine rasche Lösung dieser Frage verlangt, und daß wir uns mit dieser Auffassung in voller llebereinstimmung mit der Sozialistischen Partei Frankreichs be finden, die die Räumung weder von Reparations noch von soge nannten Sicherungsfragen abhängig machen will,
Heute vor dem Schnellrichter.
Die 26 polnischen Kommunisten, die bei einer Bersammlung verhaftet wurden, sollen am heutigen Donnerstag vom Schnell. richter im Polizeiprääsidium abgeurteilt werden. Zur Laft liegt den meisten vorläufig nur die Führung falscher Bässe oder die Einreise ohne Erlaubnis. Sie können ausgewiesen werden. Die be schlagnahmten Papiere in polnischer Sprache sind noch nicht voll fommen gesichtet. Soweit man bisher erkennen kann, sollte sich di ausgehobene Bersammlung lediglich mit innerpolnischen Fragen beschäftigen, und Berlin war nur als Zusammenkunftsort gewählt worden, weil die Teilnehmer nicht in die Hände der pol nischen Bolizei fallen wollten. In Polen wird nämlich schon die bloße Mitgliedschaft der P., ja, jede Aeußerung einer Sympathie für sie, auf das Härteste verfolgt! der vorgefundene Begrüßungsaufruf an die deutschen Kommunisten ist nichts weiter, als eine Glüdwunschabresse. Die gefälschten Bässe haben die Verhafteten offenbar von einer ausländischen Baßfälscherzentrale erhalten, über die Herkunft der Papiere verweigern sie aber nähere Auskünfte.
find wegen Aufreizung einer Demonstrantenmenge zu Gefängnis 3wei Saar- Landesratmitglieder tommunistischer Parteirichtsang verurteilt worden. Die Regierungskommission hat das Berlangen des Landesrats, den Strafvollzug für die Tagungszeif zu unterlassen, abgelehnt,