Einzelbild herunterladen
 

Donnerstag 24. Kot 1925

nterhaltung unö

Beilage des Vorwärts

Zerstörer Sand. Eine Fahrt aus dem Guezkanal.

Ich oerstehe von Technik so gut wie nichts, wenn in meiner Wohnung eine Klingelleitung entzwei ist, stehe ich hilflos. Vor einiger Zeit hat man mir mit Mühe beigebracht, weshalb man, wenn es kalt ist, den Kühler eines Autos mit einem Tuch bedecken muh. Ich glaubte, einem Kühler könne es gar nicht kalt genug fein, wenn er sich wohl fühlen solle. chier im Suezkanal bin ich erstaunt, ich begreife, doh der Bau dieses Kanals eine große technische Leistung war und daß Lesseps sein Standbild auf der Brechwassermauer in Port Said verdient hat. Emen heimtückischeren Feind als den Sand kann man sich gar nicht denke»! man kann in diesem Tand noch so tief graben, es dauert nicht lange und die nivellierende Kraft, die in der Tiefe des Geriefels ruht, hat die Arbeit vernichtet. Wenn Sisyphus im Sande gebuddelt batte, wäre er.sich der Nutzlosigkeit seiner Bemühungen noch schneller bewußt geworden. An den Rändern des Kanals bröckelt es, manch- mal, wenn«in dicker Klumpen in das Wasser patscht, sieht man von Bord aus, wie ein feiner gelber Strom nachflieht. An manchen Stellen hat das Gcbröckel solche Fortschritte gemacht, dah rote Bojen den Schissen anzeigen, wie weit man fahren darf. Wenn an irgendeiner Stelle die Einfassung des Kanals ins Fliehen gekommen ist, reiht die Well«, die die Schiffe beim Vorbei- fahren erzeugen, das Loch weiter auf. Sie zieht in der Enge des Kanals mit den Schiffen mit, und greift wie eine Hand auf die Dünen hinauf, bis sie erreicht hat, was sie will: das unheimliche, unmerkliche Werk der Zerstörung beginnt. Wenn einmal ein Jahr lang nur die Reparaturarbeiten stockten, wcmi die Gesellschaft einmal ein Jahr lang die Hände in den Schoß legte und sich nur darauf beschränkte, die fetten Dividendan einzu- ziehen, fiel« das' Werk so großer Erfindungskrast und so mannig. facher Anstrengung in sich zusammen. Kolonnen von Baggern, die von fern den grotesken Schwimm- tieren aus Gummi gleichen, wie man sie auf den Badebildern von Florida steht, sind klappernd tätig, dicke Schmutz- und Schlamm- ladungen werden aus dem Grund gehoben. Als wir in Ismailia ankommen, etwa die Hälfte des Kanals haben wir hinter uns, sind wir mitten in den Erneuerungsarbeiten drin. Mein Steward, der sich offensichtlich für mein geistiges Wohl und meine Belehrung interessiert, kommt stolpernd in meine Kam- mer gestürzt, außer Atem teilt er mir mit, ich müsse sofort an Deck steigen. Ich folge ihm langsam, die blendend brennende Sonne zwingt mich, die Hand vor die Augen zu halten. Wie eine wxihe weite Glasfläch« liegt die Wüste da, langsam unterscheidet man ver- schiedene Farben, ein rötlicher Ton, der über die kleinen Dünenberge und-wellen zieht, beiht sich in das Auge fest. In dem verschlungenen Geäder, m tausend Treppen und Treppchen des Sandes nistet es graw. und, bläulich, als ob hier Kolonien von seltsamen Pilzen wüchsen. Rechts von mir ist einer von den vielen Kanalbahnhösen, die in regelmäßigen Abständen vorbeigleiten. Auf einem weißen Schild, das kerzengrade dasteht wie ein beturbanter Harems- Wächter, kann ich die BuchstabenGare de Thousium" unterscheiden. Links, erhöht auf dem Kanaldamm, stehen einige zu Ismailia ge- hörig« flache Häufer mit der typischen rundherumlaufenden Veranda. Vor mir. mit der Hand greifbar, arbeiten etwa Hundert Kamele mit ihren Treibern: sie tragen die Sandbröckel, die über die Böschung in den Kanal gefallen sind und von riesigen Sudannegern in Kisten geschaufelt werden, in die Wüste zurück, dorthin, wie sie herkamen und hingehören. Die Kisten hängen links und rechts an den Rücken der Kamele in ledernen Gurten, die Treiber schreien und stoßen den Tieren mit spitzen Stöcken in die Weichen. Merkwürdig schwerfällig und gespreizt ist dieser Kamelsgang, durch keinen Stock, keine Peitsche, kein heiseres Brüllen zu beschleunigen. Hundert Meter weiter, es eilt alles an uns vorbei wie ein Filmband, liegt ein« verlassene Feldbahn: offenbar traut man der Tragfähigkeit der Tiere mehr als einer Technik, die die sudanesischen Dickschädel zum Nachdenken zwingen könnte. Aber auch ohnedies wäre die Bahn hier kaum zu gebrauchen, da jedes Sandkorn ein Feind ihrer Schnelligkeit ist. Hin und wieder sieht man auf dem Wüstendamm ein Auto vorbeiflitzen, es kommt von Kairo und fährt nach Suez. Wer weiß, ob nicht eines Tages das Kamel auch wieder über das Auto siegt, das jetzt selbst hier einen so rapiden Fortschritt zu oerzeichnen hat. Ich empfinde heute das Feindselige des Sandes stärker als sonst. Natürlich ist der Kanal ein großes Wunder, aber dieses Wunder verursacht nur den Herren Freude, die die Dividenden einstreichen: die Kulis, die ich in der Sonne arbeiten sah, machten ein verdrieß- liches Gesicht. Wenn eines Tages einmal die Anschauung durch- dringen sollte, dah das Glück des einzelnen Menschen wichtiger ist als die Dividenden, wären die Herren, die die Aktien der Gesellschaft besitzen, übel dran. Augenblicklich freilich geht es ihnen glänzend: jedesmal, wenn Ich in Port Said das pompöse Gebäude der Kanalgesellschast auf- tauchen sehe, fällt mir ein, daß man vierzig Prozent Zinsen be- kommt, wenn man Besitzer eines Shares ist. Zwei Shares genügen zu einein sorgenfreien Leben. Im Kriege waren die Herren der Gesellschaft eindeutig für die Entente, obwohl die Satzung Neu- tralität vorschreibt. Die deutschen Lotsen, die im Kanal arbeiteten, wurden hinausgesetzt und in die glühenden Konzentrationslager Aegyptens gebracht. Heute prozessieren sie von Deutschland aus ohnmächtig um ihre Pension. Mit der Generosität der Herren ist es nicht allzuweit her, aber wie sollten sie auch die Zeit haben, während sie sich von den Stra- pazen ihrer Aussichtsrotssitzungen an der Rioiera erholen, das Schicksal ihrer Angestellten zu überdenken? Um so lumpige Einzel- Helten ihres Betriebes kümmern sie sich nicht. Während ich hierüber nachdenke, fällt mir die Geschichte unseres früheren Kapitäns ein, ein Schicksal, wie es die Seefahrt, die Arbeit in fremden Ländern und auf fremden Meeren täglich mit sich bringt. Seinem Dampfer begegnete im Kanal ein italienisches Schiff, das mit größerer Schnelligkeit fuhr, als es an dieser Stelle fahren durfte. Ein Zusanimenstoß wurde mühsam verhindert, das italienische Schiff stieß aber mit dem Heck gegen die Steine des Uferrandes. Später, bei der Untersuchung im Dock stellte sich heraus, daß ein Teil des Schisssbodens aufgerissen worden war. Nach einem halben Jahr bekam die deutsche Gesellschaft von der italienischen eine Schadenersatzklage über dreihigtausend Pfund Sterling, eine Summe, die die Tüchtigkeit eines Kapitäns, und wenn sie noch jo groß ist, nicht auswiegen kann. Bei dem Kapitän

handelte es sich um Sein und Nichtsein. Das heißt, es Handell sich immer noch um Sein und Nichtsein, denn die Verhandlung, die über seine Zukunft entscheiden wird, hat noch nicht stattgefunden. Wichtig ist nur, zu wissen, daß die Gesellschaft den Kapitän entlassen wird, wenn der Prozeß ungünstig für sie ausläuft, obwohl sie weiß, daß er unschuldig ist. Sechshunderttausend Mark sind, wie die Sache auch stehen mag, in diesem Falle die Existenz eines Men- schen nicht wert: eine Prozeßniederlage würde schon aus Prestige- gründen die Entlassung des Kapitäns herbeiführen. Di« Verhandlung über den Zusammenstoß findet vor einem internationalen Seegericht in Suez statt und der Zufall will es, daß der Kapitän, dem das Unglück passierte, und die Anwälte, die sich die Gesellschaft für den schwierigen Fall ausgesucht hat, auf unserem Schiff fahren. Sie reisen nach Suez und wollen sich dabei beim Passieren des Kanals die Stelle, wo sich der Italiener den Boden aufriß, noch einmal genau ansehen. Der alte Kapitän hat sein Schiff einem jüngeren abtreten müssen, er sticht manchmal neben ihm auf der Kommandobrücke, obwohl er dort nichts mehr zu sagen hat. Die Rechtsanwälte, zwei fett« Italiener, beteiligen sich in französischer Sprache an der Unterhaltung, sie sehen nicht sehr vertrauenswürdig aus. Einer der Advokaten hat einen großen runden Hut wie ein spanischer Torero. Als ich einem Offizier des Schiffes das sage, be- schwört er mich, diesen Mann nicht zu bewitzeln, da er der Gesell- schaft aus der Patsche helfen müsse. Was geschehen wird, weiß kein Mensch, wir sind alle mif der Seite des alten Kapitäns, der so wehmütig auf der Kommandobrücke steht und aus die Sondwüste hinaussieht. Ich suche nach«inam Zu- sammenhang zwischen dem feindseligen Gcriesel der Wüste und dem zerbröckelnden Leben-dieses Greises. Wenn man dergleichen beob- achtet, könnte man an die Wahrheit einer Banalität glauben: bleibe zu Haus und nähre dich redlich. Um wieviel besser als er hat es dagegen die Tochter des Kohlen-. königs, die mit ihrer Mutter als Luxuspassagierin bei uns an Bord ist. Neulich ist sie mit Mama bei den Pyranüden gewesen und hat auf einem Kamel gesessen. Davon müssen wir nun den ganzen Tag lange Geschichten über uns ergchen lassen. Später hat man von Kairo aus eine Autofahrt in. die Wüste gemacht.Denken Sie sich das nur einmal, meine Herren." Ich denke mir das und bekomme «inen gnädigen Blick und das ist die höchste Auszeichnung, die einem hier zuteil werden kann. Und was meinen Sie, wieweit man heute schon ist, auf halbem Wege kam uns ein Kfichenwagen von Cook entgegen und brachte uns zu trinken und zu essen." Ich beteilige mich höflich an der postHumen Freude über den Cookschen Küchcnwgacn. Folgt die Erzählung eines Picknicks in der Wüste. Man erhält Aufklärung darüber, daß die Zeiten, wo verirrte Menschen in der Wüste einer Fato Morgan« nachrannten und verschmachten mußten, endgültig vorbei seien. Man trage einen kleinen Funkapparat in der Tasche und, wenn man Hunger habe, rufe man den Eookschen Re- freshment-Car an, der sofort gehorsamst durch die Wüste herbei- geeilt kommt. Zukunftsmusik? Nein, Gegenwartswirklichkeit. Nach dem ereignisreichen Tage, der mir die arbeitenden Kamele bei Thoussum zeigte, sitzen wir im Rouchsalon des Schiffes zu- sammen und besprechen, was wir erlebten. Es erhebt sich ein Streit darüber, ob Zivilisation oder Natur das Gegebene und Notwen- dige sei. Wenn ich dergleichen höre, fällt mir immer der Streit ein, was besser sei, eine Wurst oder ein Beeflteak: wir müssen uns mit beidem abfinden und wir befinden uns wohl dabei. Ein Belgier, der mit Frau und drei Kindern dem Tanganjika- see zustrebt, erkennt die Natur als daseinzig Wahre" an, will diese Ansicht aber nicht übertrieben haben, er bekennt sich zur Mäßigkeit. Er schimpft auf die Jäger, die zum Beispiel am Kongo, den er kenne wie seine Westentasche, bis zum Bauch im Wasser stehen mühten, wenn sie auch nur eine Schnepfe schießen wollten. Ich sehe ihn fragend an, weil ich zwischen seinen Bemerkungen und Ansichten keinen logischen Zusammenhang entdecken kann: viel- leicht bin ich aber auch nur zu müde: denn der Tag war sehr an- strengend. Ein portugiesischer Arzt meint, wenn man die Jagd nicht als Sport betreibe, habe sie überhaupt keinen Sinn. Ich höre nur noch mit einem halben Ohr auf das, was er pathetisch vorbringt. Der Mann kann nickst genau sagen, was er unter sportlich be- trieben« Jagd versteht. Niemand verlangt von ihm eine ernsthafte Erklärung, es ist schwül im Raum, die Ventilatoren surren, und wir sitzen lässig, an unseren Coctails saugend. Gegen Mitternacht gehe ich noch einmal aufs Deck und sehe mir den Kanal an, links flimmern schon die Licht« von Suez. In der Dunkelheit passieren wir einen Bagger, auf dem Fellachen sitzen. Ich höreBakschisch" und noch einmal in der Ferne ver- klingendBakschisch". Richard Huelsenbeck .

Ein Geheimnis. Von Erik Iuel. Autorisierte Lebersehung von David Luschnat. Auf dem Salontisch von Frau Professor siegt ein schmaler Ge- dichtband. Aus alter Gewohnheit verbringt der Professor täglich zehn Mi- nuten nach dem Mittagessen in der Gesellschaft seiner Frau. Sonst sind die beiden einander entfremdet. Ob« die Schuld trägt oder sie oder beide, soll außer Betracht bleiben. Der Professor sitzt und blättert in dem Buch. Scheint er besonders interessiert, so nähert sich sein« Frau, als wollte sie sehen, an welchem Gedicht seine Augen haften bleiben. Er erhebt sich und küßt ihre Hand. Die Patienten erwar- ten ihn. Vornehme Ruhe beherrscht dos kinderlose Heim. Der schmale Band ist anonym herausgekommen. Der Name der Verfasserin ist Geheimnis, nur zweien bekannt, ihr selbst und dem Verleger. Die Gedichte sprechen von Liebe. Von Lieb«, die kam und hin- ging, von Sehnsucht und Einsamkeit. Ein Verlangen nach Verständ- «l» ist darin._.. i___...

Jetzt hat der Professor sich selbst«in Exemplar der Gedicht- sammlung gekauft. Es ist etwas darin, das ihn fesselt. Er sieht wohl die Mängel der Verse, aber sein Gesst wird von ihnen berührt, zersprungene Saiten erneuern sich, werden ange- spannt und klingen. Es ist, als wache er aus. Die klein« Sammlung verfolgt ihn, es find Verse, die«r.nicht vergessen kann. Sie halten ihn wach auf eine wunderlich« Art. So meldet sich die Sehnsucht nach dem, was einmal war, das entschwand, nach Erneuerung. Dann schreibt er. An wen? An die Unbekannte, an die anonyme Verfasserin d« kleinen Liebesgedichte. Dank für das, was sie ihm gegeben hat, und da die Gedichte eine Sehnsucht in ihm geweckt haben, auch Vitt« um Antwort. Der Professor ist einer der allgemein bekannten Männer des Landes. Er darf seinen Namen nicht preisgeben, darf nicht ver- raten, daß einige kleine Liebesgedichte fein Herz in Aufruhr ver- setzten. Wie die Verfasserin will auch er sich verberzen, will sein Geheimnis bewahren. Er nennt sichDer Einsame", verstellt sein« Handschrift und schickt den Brief an den Verlag mit der Bitte um Weiterbeförderung. « Als der Professor wie gewöhnlich den Salon seiner Frau be- tritt, sitzt sie mit einem Brief in der Hand. Sie erhebt sich hastig und versteckt ihn. Er setzt sich, wie er es zu tun pflegt, und sie wechseln ein paar Worte. Di« wenigen Minuten erscheinen beiden lang. Ritterlich küßt «r ihre Hand. Sobald sie allein sst, holt sie den Brief hervor. Sie liest ihn. Ist es denn möglich? Einen Fremden, einen un- bekannten Mann hat sie mit ihren Gedichten bewegt. Einen, der einsam ist, wie sie. Sie schreibt eine Antwort, nur einen Dank für sein Verständnis. Postfach und ein« Nummer, mehr weiß sie nicht von dem, dessen Herz sie berührt hat. Arich'fle verstellt ,ihre Handschrist, sie ist die Frau Vrnl�'Zr und muß Rücksicht nehmen. Was würde ihr Mann wohl jagen, wenn er wüßte! Nein, sie muß ihr Geheimnis bewahren. Endlich hat das Leben der Frau Professor Inhalt. Wie viel bedeuten ihr diese Briese! Sie erwartet sie täglich. Tagaus tagein empfängt und liest sie sie mit klopfendem Herzen und täglich muß sie die Bitte des unbe- kannten Einsamen um eine Zusammenkunft abschlägig bescheiden. Der Professor hat geschrieben, er sei gebunden, er habe Rück- ficht zu nehmen, und dennoch wolle er jede Schranke zerbrechen, wenn es sein sollte. Aber sie bewahrt ihr Geheimnis. Es füllt sie ganz aus, es g«. nügt ihr wohl. Jhxe Wangen haben Farbe bekommen, ihre Augen Glanz, es sst, als blühe sie wieder auf. -i- Der Professor verbringt wie gewöhnlich einen Augenblick im Salon seiner Frau. Doch kürzt er dieses Zusammensein mehr und mehr ab. Seine Hand zittert nervhs, wenn er in der kNichji�Ge-»»> dichssamMung blättert, und wenn er zum Abschied ihre Hand kllßtf.'" bemerkt er nicht ihren abwesenden Blick, der weit in die Ferne schwesst. * Vornehme Ruhe beherrscht das Heim des Professors. Frau Professor hat sich wirklich verjüngt: gute Beobachter ver- muten, sie sei verliebt. Aber in wen? Niemarrd kann den Betreffenden ausfindig machen, so gern man es möchte. Ein wenig mißvergnügt muß man sich mit der Feststellung zufriedengeben, daß Frau Professor eine bewundcrns- würdige Fähigkeit hat, ihr Geheimnis zu verbergen.

Was fliegt noch über den Ozean? Nur wenige wissen, daß die Bremen -Flieaer den Ruhm, den Ozean von Ost nach West überquert zu haben, mrt drei Möwen teilen müssen. Am 30. Juni 1324 beringte man an der schottischen Küste einige Dreizehenmöwen. Eine davon wurde 19ZS auf Labrador ab­geschossen. Zwei ebenfalls beringte deutsche Lachmöwen flogen auch über den Ozean und wurden am Golf von Mexiko gcschen. Das dürften aber ziemlich seltene Ausnahmen sein. Dagegen konnte schon östers festgestellt werden, dah gewisse Möwenarten den Flug van West nach Ost unternommen haben. So bestätigen auch die Beobachtungen des Vogelflugs die Erfahrung, daß die Ueberquerung von West nach Ost leichter ist als umgekehrt, da über dem Atlantik fast ständig Windweste vorherrschen. Aus dem Berliner Vogelmarkt wurde einmal eine von Amerika herübergeslogene Wanderdrossel feil- geboten. Natürlich handelt es sich dabei nicht um planmäßige Vogel- züge, da ja der Flug in dieser Richtung keinen Klimawechsel bringen würde. Solche zu uns verschlagenen Vögel sind vielmehr Irrgäste, die durch Sturm oder Nebel von ihrer richtigen Bahn abgetrieben worden sind. Sind es Wasseroögcl, so ist der Atlantilflug nicht so schlimm, wie es zunächst scheinen möchte. Alle Möwenarten haben die Fähigkeit, sich bei einigermaßen ruhigem Wasser schwimmend auszuruhen und etwas Nahrung aufzunehmen. Ebenso bieten die Ueberseedampfer Ausruhepunkte. Oft umkreisen ganze Scharen das Schiff und lassen sich auf ihm nieder. Haben sie frische Kräfte ge- sammelt, so fliegen sie wieder auf, auch wenn kein Land in Sicht ist. Es sind aber nicht nur �Wasservögel bei uns gesehen worden. Gelegentlich wurden auch amerikanische Eisvögel und Rohrdommeln beobachtet. Hierbei wird von den Bogelforschern allgemein ange- nommen, daß es sich nicht um einen Flug über das Wasser handelt, sondern daß diese Vögel auf dem Landweg zu uns kämen. Sie über- querten die schmale Beringstraße und zogen dann durch Sibirien immer nach Westen fliegend weiter bis noch Nordeuropa . Allgemein geht in unseren Tagen durch das ganze Menschengeschlecht und Tier- reich ein starker Zug nach Westen, nach Amerika , und Dr. K. Flörike glaubt in seinem BucheVögel aus Reisen", daß man dies vielleicht mit der Erdrotation in Verbindung bringen könne. DieSixlir.ische Kapelle der llrkunst". Die Höhlen der spa- Nischen Provinz Santander und besonders die Grotte von A l t a- mira sind berühmt wegen der großartigen vorgeschichtlichen Höhlenzeichnungen, die hier im Jahre 1868 durch einen Jäger zu- fällig entdeckt wurden und seitdem von der vorgeschichtlichen For- schung als die schönsten Denkmäler der Urkunft gepriese» worden sind. Diese Höhlen werden nun durch eine besondere Kommission den Reisenden zugänglich gemacht, und die Grotte von Altamira wird so zurSixtinischen Kapelle der Urkunft" ausgestalet, wie sich die Madrider Zeitung ABC ausdrückt. Eine Viertelmillion Mark ist darauf verwendet worden, um eine gute Automobilstraße bis zu dem Eingang der Grotte am Abhang des Gebirges zu führen, und die Grotte selbst wird durch eine elektrische Lichtanlage prachtvoll beleuchtet. Am Eingang der Felshöhle ist ein kleines Museum er- richtet worden, in dem die zahlreichen Gegenstände untergebracht sind, die bei den letzten Ausgrabungen an dieser Hauptfundstätte vorgeschichtlicher Kunst ans Licht gezogen wurden,_