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Nr. 247

45. Jahrgang

Technik

D.

Dichter der Rechnit

Sonnabend

26. Mai 1928

19 mov

Der große Dichteringenieur Mar Enth hielt vor mehr als zwei Jahrzehnten einen Vortrag über Poesie und Technit. Er be­klagte sich bitter darüber, daß die schöne Literatur in ihren besten und größten Werken das fruchtbare Gebiet der modernen Technik in auffallender Weise vernachläffige. Fast jeder andere Beruf fönne stolz auf ein Buch oder eine Reihe von Büchern hinweisen, die ihn dem allgemeinen und menschlichen Empfinden nahebringen und dadurch ihn und sich selbst verherrlichen. Nur die Ingenieure, die Techniker, jeien leer ausgegangen.

Seitdem ist eine große Literatur entstanden, die moderne Werke der Technik oder auch das Leben und Schaffen von Technikern zu ihren Gegenständen zählt. Wir befizen viele Gedichte, die sich mit

Max Eyth  

Den Zaten der Technik befaffen, es gibt Romane, Rovellen, Er zählungen, die den Geist der Techmit dem menschlichen Empfinden fehr wohl nahezubringen wissen.

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Aus der großen Zahl der Dichter, die Werte der Technik feelisch erfaßten, sollen heute zwei herausgehoben werden: Mar Enth und Mat Maria v. Weber. Mar Enth, der so beweglich über die Vernachlässigung der Technik in der schönen Literatur flagte, hat selbst als Pionier auf diesem Gebiete gewirkt. Er war nicht nur Technifer, sondern auch ein Künder, ein Dichter der Technit. Ganz im Gegensatz zu Heinrich Seidel  , dem ausge­zeichneten Ingenieur, der den Hallenbau des Anhalter Bahnhofs  schuf, in seiner Freizeit aber die Technik vergaß, um als Dichter Leberecht Hünchen", die Vorstadtgeschichten" und ähnliches zu schreiben, blieb Mar Enth der Technik auch in seinem schriftstellerischen und dichterischen Schaffen treu. Sein Leben er­scheint so als eine vollkommene Einheit. Er lebte und webte in der

Technik. Ihr war sein ganzes Sein gewidmet. Enth ist ein Kind des Schwabenlandes. In Kirchheim u. T. stand feine Wiege. Hier wurde er am 6. Mai 1836 geboren. Er studierte am Polytech­nifum zu Stuttgart  , arbeitete furze 3eit in Deutschland   und zog dann 25jährig hinaus in die Welt. In der Novellensamm Lung hinter Pflug und Schraubstock" schildert er in seiner munder­vollen Art, wie er als blinder Passagier die Ueberfahrt von Ant­ werpen   nach London   erlebte und wie er in einem seltsamen Ehrlich­Peitsfanatismus versuchte, später seine Passagiertosten zu bezahlen. Dann begann in dem fremden Lande, dessen Sprache er nur mühsam verstand, der Kampf ums Dasein. Trotz der schönsten Empfehlungs­Schreiben werden Stellengesuche abschlägig beschieden, es gilt fich zurechtzufinden und neue Wege zu suchen. und neue

Willst du hinaus in die weite Welt,

So laß die Sorgen dahinten.

Nimm nicht zuviel, doch ein wenig Geld,

odate to Das weitere solltest du finden."

So fang Enth in feinen Wanderlebensregeln". Getreulich hat er es fo gehalten. Zunächst war selbst das Finden des nötigsten Lebensunterhaltes sehr schmer. Nach langem Suchen endlich glüdte es ihm, bei der weltberühmten Dampfpflugfabrit von Fowler in Leeds   einen Schraubstock zu erhalten. Bon der Pide auf mußte er beginnen. Dann ertennt man seine Fähigkeiten; er verbeffert Fowlers Dampfpflüge. Fowler macht ihn zum Montageingenieur. Er soll hinaus in die Welt. Zunächst soll er in Indien   Dampfpflüge montieren und verführen. Ganz nebenbei erhält er den Auftrag, auch auf den Besitzungen des Prinzen Halim Pascha in Aegypten   nach dem Rechten zu sehen. Dort wollten die Dampf­pflüge in dem schweren Boden nicht so recht vorwärts tommen. So kam Enth denn nach Aegypten  , dem Traumland seiner Jugend. Seine Tattraft, fein Konstruktionstalent und fein menfchliches Besen laffen ihn zum Chefingenieur Salim Bashas werden. Hier, in der Nachbarschaft der Pyramiden, unter der ägyptischen Sonne entsteht der Plan zu dem umfangreichen, scharf finnigen und anregenden Roman Der Kampf um die Cheops Pyramide". Die politischen Birren in Aegypten  ,

der Zusammenbruch Halim Paschas ließen Eyth   zu Fowler zurück­tehren. In seinen Diensten bereifte er tatsächlich die ganze Welt. Mit frischen Strichen, mit echtem Humor, der Lust und Leid er­fennen läßt, schildert Enth, wie er in Amerika   den Dampfpflug ein­führte. Eine ungeheure Spannung liegt gerade in diesem Bericht, der fast anmutet wie ein glänzend erfundener Roman. Enth ist der geborene Reifeingenieur, der Mann, der es lernt, sich in allen Lebenslagen zurückzufinden. Ueber ein Menschenalter widmet er Fowler seine Dienste. Dann gibt es in England Differenzen. Enth fehrt nach Deutschland   zurück, reich an Erfahrungen, an Energie und Tatkraft. 1882 betritt er deutschen   Boden, um für immer hier zu wohnen. Er gründet die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft  . Fünfzehn Jahre hindurch ist er ihr umfichtiger Leiter. Dann zieht er sich von der Tagesarbeit zurüd. In feinem Feim auf dem Michelsberg bei Ulm   widmet er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten; der Ingenieur verwandelt sich restlos in den Dichter. Er durchforscht die Ulmer   Archive. Das Ergebnis dieser Arbeit ist der Schneider Don Ulm", eine wunderbar nachempfundene Schilderung des phantasiebegabten Schneiders Berblinger  , ja mehr als dass eine Ehrenrettung dieses unglücklichen Segelfliegers. Mit welcher Innigkeit hat Enth den Menschheitstraum des Fliegens geschildert. Wer dieses Wert gelesen hat, der bedauert, daß Berblin­ ger   auch heute noch in Ulm   nichts mehr als eine Spottfigur ist. Die guten Ulmer   und vor allem die rührigen Geschäftsleute dieser Stadt sollten dem Berblinger danten und ihn im Sinne der Enthschen Auffassung ehren. In den Reisebriefen, die, gesammelt, unter dem Titel Im Strome unserer 3eit" erscheinen, hat Enth sich selbst und seiner Lebensarbeit ein Denkmal gesetzt. Gerade Enths Schriften zeigen, daß der Ingenieur trotz aller Technik Mensch ist, ja, daß die Technif im höchsten Grade menschlich ist. Im Jahre 1906 starb Enth einen sanften Tod. Durch sein dichterisches Berk ist er vielen Tausenden ein lieber Freund geworden.

Mar Maria v. Weber ist der Sohn des großen Kom­ponisten Karl Maria v. Beber. Er wurde am 25. April 1822 in Dresden   geboren. Er ist nicht nur Ingenieur und Dichter, er ist auch ein Borfämpfer für die Anerkennung der Technik und des Technibers in Deutschland  . Gerade jetzt ist im B.- D.- J.- Verlag ein Touiters in are robe jest, if ne zweiter Band der Werte Mag Maria v. Webers Werke erschienen. Er gibt unter anderem zahlreiche Aussprüche über Technik und Techniker, Ingenieurerziehung, Kunst, Natur, Mensch usw. wieder. Diese geschickte Auswahl läßt Weber geradezu als einen Agitator der Technif erscheinen, als einen, der vom heiligen Geist be sessen ist, und der berufen ist, im Sinne der von ihm selbst ge­stedten Ziele zu wirken. Einige Aussprüche mögen das beweisen: " Es kann eben niemand ein ganzer Techniker sein, der nicht ein ganzer Mensch ist. Zum praktischen Wirken in einem Fach gehört nicht bloß das Wiffen und Können, sondern eine umfaffende universelle Bildung. Der Technifer, der nach einem universelle Bildung. Der Technifer, der nach einem Muster sich richtet, bleibt bald hinter seiner Zeit zurück, und zurüd bleiben ist in der Technik gleichbedeutend mit nuplos oder schädlich werden. Noch ist die Technit nicht salonfähig in der guten Ge­

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sellschaft, noch ist die gute Erziehung nicht verpflichtet, von ihr Notiz zu nehmen."

Diese und ähnliche Aussprüche zeigen zur Genüge, in welcher Weise Weber immer und immer wieder agitatorisch und erzieherisch,

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dem sie sich ihrer täglich, ja stündlich bedienen, riesengroß. Diesen allen wäre die Bekanntschaft mit den literarischen Arbeiten eine gute Lehre. Webers Schwiegerfohn, Ernst v. Wildenbruch, der zu seinem wunderbaren Erzählungsbuche Aus der Welt der Arbeit" das Vorwort schrieb, hat mit vollem Recht von dieſem großen Dichteringenieur gesagt, daß aus seinen Werken ein Mann zu den Lesern spreche, dem es sich verlohnt, zuzuhören.

In seinen Erzählungen und Novellen hat es Weber immer wieder verstanden, Mensch und Maschine als Einheit aufzuzeigen. Schon sein erster Novellenband Berte und Tage" läßt diese Meisterschaft erkennen. Alles ist vom Leben, vom Erleben durch­glüht. Seine späteren Werke Schaffen und Schauen" und

Max Maria   v. Weber

Satinderis.

ra d" verstärken den Eindruck der künstlerischen Meisterschaft. vor allem seine Eisenbahngeschichten Bom rollenden Flügel

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Mar Maria v. Weber erhielt seine theoretische technische Aus­Maria v. Weber bildung in Dresden  . In Berlin   folgten Universitätsstudien und praktische Arbeit bei Borfig. 1845 finden wir ihn im Dienst der fächsischen Eisenbahn. Hier, im Staatsdienst, hatte er Gelegenheit, erfennen, daß der Ingenieur ein Fremdförper in der bureau­fratischen Verwaltung war. Gerade in dem erwähnten Zwiegespräch verläßt er seinen Dienst, um bei der österreichischen Eisenbahn zu bringt er das in hervorragender Weise zum Ausdrud. Mißmutig arbeiten und hier das gleiche Schicksal zu finden. Er fehrt nach Deutschland   zurück. Im preußischen Handelsministerium erhält er eine Referentenstelle. Hier soll er Pläne für den Ausbau der deut­ schen   Wasserstraßen entwerfen. Er reist zu Studienzwecken nach geben für eigene Arbeiten. Angefüllt mit neuen technischen Blänen Amerika  . Die Wasserstraßen der neuen Welt sollen Anregungen fehrt er heim. Da überrascht ihr der Tob, als er am Schreibtisch schafft; mitten in der vollsten Tätigkeit war ein wertvolles Menschen. leben ausgelöscht.

Willy Möbus.

Neue Bücher.

Handbuch für Lehrlinge der allgemeinen Jeinmechanif. Heraus. gegeben von der Robert Bosch A.-G., Stuttgart  . B. D. J. Berlag, Berlin   NW.  ?.

Prof. Dr.- Ing. 3. Megg: Dieselmotoren. 278 Seiten, ein Bild Diesels, 355 Abbildungen und 9 Tafeln. Preis 26 Mart.

Dr.- Ing. Friedrich Münzinger: Reffelanlagen für Großtraft= werte. 176 Geiten, 282 Abbildungen im Tegt und 8 Zahlentafeln. B. D. I Berlag, Berlin   NW.  , 7.

Prof. K. Goffwein: Kühlen und Schmieren bei der Metallbearbei tung. 93 Seiten, 70 Abbildungen, 1 Zahlentafel und 1 Tafel. Preis broschiert 6 Mart.

Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Bauingenieurwefen. 271 Setten, 41 Abbildungen, 5 Tafeln. B. D. J. Verlag, Berlin   NW.   7. Dipl.- Ing. Conrad Aron: Der Elettromotor. a) Gleichstrom­motoren. 126 Seiten, 44 Abbildungen im Tegt und 113 Aufgaben nebst Lösungen. C. B. Kreidels Berlag, München  .

3ng. Eduard Pfeiffer  : Die Technit des Haushaltes. 148 Setten, 103 Abbildungen. Preis geh. 2,75 Mart. Berlag Died u. Co., Stutt­ gart  .

Dr. O. Jellinek: Das Holz in der Technit. 78 Seiten, 29 Ab­bilbungen im Tert. Geheftet 1,80 Mart. Berlag Died u. Co., Stuttgart  .

Hans Günther und Dr. Paul Hirsch  : Der prattische Modellflieger. 325 Geiten, 360 Bilder im Tert. Breis in Ganzleinen gebunden 18 mart.

Eyths Geburtshaus in Kirchheim   unter Teck aufmunternd und anfeuernd zu wirfen bemüht war. Am Ende des er­wähnten vom B.- D.- J.- Verlag herausgebrachten Wertes ist das bekannte wiegespräch über die Frage Wo steht der deutsche Technifer" zu finden. Schärfer und ironischer ist wohl nie die Defadenz des Bureau fratismus und der sogenannten oberen Schichten auf dem Gebiet der Technik gekennzeichnet worden. Wenn auch heute in diesen Dingen eine wesentliche Aenderung zu spüren ist, so ist dennoch die Zahl derjenigen, die der Technik fremd gegenüberstehen, trog| Die Rebattion.)

Hans Günther: Aus der Technif Wundermelt. Technische Blaubereien. 168 Seiten, 60 Bilder im Text und auf Tafeln. Roscher u. Cie. 2.-G. Berlag, Zürich   und Leipzig  .

( Die Bespredjung der angekündigten Bücher bleibt vorbehalten.