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Morgenausgabe

Nr. 251

A 129

45.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

30. Mai 1928

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dön boff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Vor der Einigung in Toulouse .

Zurzeit feine ernsten Gegensätze.

Paris , 29. Mai. ( Eigenbericht.)| der Führer des linken Flügels, 3yromffi, erklärt hat, daß ein Die Resolutions tommission des sozialistischen Partei Busammengehen mit den Kommunisten zurzeit unmöglich sei, tages in Toulouse ist am Dienstagmorgen zur Beratung der vor­cuch da im Augenblick nicht viel Trennendes. Die Haltung der Bar­liegenden Entwürfe zusammengetreten. Die Vertreter der drei tei wird ihr zurzeit von selbst diktiert durch ihre Lage Richtungen innerhalb des französischen Sozialismus bemühen fich um die Einigung auf einen Tert, durch den die Gegenfäße überbrückt werden können. Die Diskussionen werden dabei in sehr fachlicher und tonzilianter Form geführt. Objektiv steht die Haltung der Partei vollkommen fest. Das ging auch aus den De batten am Montag flar hervor. Angesichts der

Uebereinstimmung aller Tendenzen über die Notwendigkeit einer oppofitionellen Politit

zwischen bürgerlicher Konzentration und Kommunismus. Jedoch, wenn sich die politische Konstellation einmal ändert, besteht Gefahr, daß die je zt mehr theoretisch vorhandenen Gegenfäße praktische Gestalt annehmen und daß das Ausgleichs­talent Léon Blums dann nichts mehr zu einer Ueberbrückung zu tun vermag.

Toulouse , 29. Mai. ( Eigenbericht.) Die bewegten Debatten des Sozialistischen Parteitages, an denen, und der Scheu vor einer Spaltung beschränken sich die Meinungsreisen, alle Führer sich beteiligten, haben die tiefgehenden Unterschiede abgesehen von Paul Boncour , der es vorzog nach Genf zu verschiedenheiten auf Nuancen in der Denkweise, wie dies Léon Blum ami Dienstog morgen im Populaire" wieder sehr gezeigt, die zumindest in den taftischen Fragen bestehen. Wenn Blum die Fortschritte hervorhob, die der Sozialismus in den letzten nachdrücklich unterstreicht. Bemerkenswert in diesen Ausführungn Jahren zu verzeichnen hatte, wenn er den günstigen Einfluß der Blums ist die Entschiedenheit, mit welcher er abermals die jetzige sozialistischen Oppofition auf die 2 ußen politik während der letzten Regierung der Nationalen Einigung" dem ehemaligen Nationalen Geffion betonte und weitere tonftruttive Oppofition Blod gleichstellt. empfahl, so bewies er gewiß sein gewohntes Talent, das Trennende Selbst die entschiedensten Anhänger des rechten Flügels ver= durch den Hinweis auf gemeinsame Ziele hintanzustellen. mahren sich übrigens dagegen, daß sie im Augenblid an Aber die Diskussion über Boncour und den Bolschemismus eine Beteiligung an der Regierung denken. Die Gefahr, rief Re ließ immer wieder die Gegensätze aufeinanderprallen. Blums Ver­naudel aus, daß seine Freunde etwa mit den Radikalen gemein- dienst ist, daß er sich nicht scheute dabei Stellung zu nehmen und fame Sache machen würden, bestehe nicht, und es sei ein feine Hinneigung zur Auffassung des linten Flügels, wenn er seine Scherz, wenn man annehmen wolle, daß die Frage der Beteiligung Tendenzen auch start munderte und forrigierte, ließ ihn auf dieser hätte jetzt gestellt werden können. Als der Abg. Be douce er Seite Rückhalt gewinnen. Demnach kann man für die Zukunft wohl flärte, es hieße die Idee der Anteilnahme an der Regierung ge= mit einer von der neuen Kammer etwas gehemmten Verschiebung radezu kompromittieren. wenn man heute von ihr des Schwergewichts der Partei nach links rechnen. Die Sozialisten reden wolle, rief Montagnon, einer der Vorfämpfer des nahmen der Nationalen Union" gegenüber Kampfstellung ein, frei rechten Flügels, des sei vollkommen richtig. lich ohne radikale Handlungen wie die Abberufung Boncours vom Völkerbund und Bouissons vom Kammerpräsidium. Die sozialistische Partei wird im übrigen gewiß die Stärke ihrer Opposition zu weiterem Drud auf die Regierung im Sinne baldiger Rheinlandräumung und Lösung der Saarfrage im Geiste von Locarno benutzen.

Demnach trennen für den Augenblic wenigstens feine prat tischen Gegensäge von Bedeutung die Anhänger Renaudels von der Mitte und dem linken Flügel. Was endlich die Frage der mehr oder minder großen Gemeinsamkeit mit den Dot trinen des Kommunismus anbetrifft, so bleibt, nachdem einer

Japans Antwort an Südchina.

Die Note dem Völkerbund überreicht.

Genf , 29. Mai. ( Eigenbericht.)

Der Vertreter Japans im Völkerbundsrat überreichte dem Bölkerbundssekretariat einen Schriftsaz seiner Regierung, in dem der chinesisch japanische Konflikt geschildert wird. Darin heißt es u. a.:

Die Ausländer in China fönnen sich gegenwärtig nicht mehr auf den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums durch die chine fische Autorität verlassen. Es ist darum unvermeidlich, daß Japan mit seinen starken Interessen und der großen Anzahl seiner Etaatsangehörigen in China fich bemüht, mit eigener Kraft feine Staatsangehörigen und feine wohlerworbenen Rechte zu schüßen. Die Entsendung japanischer Truppen ist einzig und allein eine Maßnahme des Selbstschutes. Die Blün derung eines japanischen Hauses durch Soldaten der Südarmee war die Ursache des Zwischenfalles von Tsinanfu . Die Südtruppen griffen nach ihrem Einrüden in Tsinanfu die dorti­gen schwachen japanischen Kräfte und die japanischen Staatsange­hörigen an. Sie ermordeten mehr als 12 japanische Staatsbürger, darunter Frauen, und plünderten mehr als 100 japanische Häuser. Die im April eingetroffenen japanischen Berstärkungen bemühten fich, den größten Teil des Fremdenviertels von Tsinanfu zu schützen. Der chinesische General Tschiangtaisch et schlug dem japani­schen Kommandanten am 2. Mai vor, daß er die Ordnung mit feinen Kräften aufrechterhalten wolle, worauf die japanischen Truppen zurückgezogen wurden. Aber am 3. Mai plünderten regu Iäre chinesische Truppen ein japanisches Haus. Von hinzu tommenden japanischen Patrouillen angegriffen, flüchteten sie in eine benachbarte chinesische Kaserne, von der aus fie auf die Japaner zu feuern begannen. Die Feindseligkeiten dauerten bis zum 5. Mai. Die Chinesen schossen von verschiedenen Stellen auf japa nische Soldaten, ermordeten japanische Staatsbürger und plünder ten japanische Häuser. Unter diesen Umständen verlangte der japa nische Kommandant die Zurüdziehung der chinesischen Truppen auf eine Distanz von fieben englischen Meilen von Tsinanfu und der Eisenbahn nach Schantung. Dieses Verlangen wurde nicht nur nicht erfüllt, sondern chinesische Soldaten und Zivil fegten ihre Angriffe und ihre Plünderungen bis zum 11. Mai forf und konnten

nur durch Anwendung von Artillerie überwältigt wer den. Es sind 14 japanische Staatsbürger getötet und 131 japanische Häuser geplündert worden. Die sogenannte Ermordung des südchinesischen Kommissars geschah in Verfolg eines chinesischen Angriffs auf eine japanische Patrouille. Mehr als 12 Chinesen schoffen auf diese Patrouille, die das Feuer erwidern mußte und ihre Gegner überwältigte. Man weiß nicht, ob sich der füdchinesische Kommissar unter den bei diesem Feuergefecht Getöte­ten befindet."- Die chinesische Behauptung von der Zerſtüm melung des Kommissars weist die japanische Darstellung schließlich als eine Tat, die dem Charakter und den Sitten des japanischen Volkes widerspricht, zurück.

Man nimmt in Genf an, daß mit diefer japanischen Antwort die Eingabe des füdchinesischen Außenministers an den Völkerbund erledigt ist, da bisher feine vom Böllerbund anerkannte Macht ein Verlangen auf Weiterverfolgung der Angelegenheit gestellt hat.

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Die Kriegsächtung.

Die neueste Etappe des Imperialismus.

Es sind noch nicht vier Wochen vergangen, seit Deutsch­ land dem amerikanischen Vorschlage zustimmte, den Krieg aus der internationalen Politik auszuschalten. Und schon haben auch die übrigen Regierungen Washington ge­antwortet. England, Italien und Japan haben ihr Ja grund­fäßlich gesagt, und das Amen der Vorbehalte hinzugefügt. Frankreichs fritische Stellung ist schon seit längerer Zeit flar.

Dieser Notenwechsel über den Kriegsverzicht zwischen den fünf Hauptstädten der Großen Mächte zeigt neue Entwid­lungstendenzen der Weltpolitik.

Amerikas Vorschlag an die vier Hauptmächte, mit denen es Beziehungen unterhält, knüpft an Verhandlungen mit Frankreich an. Der alte Schiedsvertrag Frankreich - Vereinigte Staaten stand vor dem Ablauf. Er stammte noch aus der Borkriegszeit. Seitdem hatte Frankreich mit den Vereinigten Staaten die Demokratie vor dem deutschen Imperialismus zu sichern, hatte es dann jedoch verzichten müssen. Statt gerettet". Auf ein Bündnis, den Frieden von Versailles dessen hatte es mit Deutschland den Antikriegspakt von Locarno geschlossen. Als man nun wieder mit Amerika verhandelte, lag es nahe, statt des Bündnisses( gegen dritte) auch mit Amerika einen Antifriegspaft zu schließen. Wer sich derart an einen Mächtigen anlehnt, steht selbst um so mäch tiger da. Zugleich dient" man dem Weltfrieden. Der Vorschlag, einen zweiseitigen( bilateralen) Antikriegspakt mit Amerika abzuschließen, hat Briands Friedenspolitik zur Mutter, Poincarés ,, nationale Einigung" zum Bater. Er fand in Amerika eine wohlwollende, ja allzu wohlwollende Aufnahme.

Zunächst freilich legten ihn der Staatspräsident Coo lidge und fein Außenminister Kellogg zu den Akten. Diese Art zweiseitigen Kriegsverzichtes erinnerte fatal an das Bündnis. Mit einem Ausdruck aus der bilderreichen Sprache indianischer Büffeljäger hielten die beiden das Ohr auf den Boden", um zu hören, wie die Wählermassen auf Frankreichs Borschlag reagierten. Amerika hatte sich zwar 1919 aus dem Tohuwabohu von Versailles , aus dem Völkerbund und von Europa entrüstet zurückgezogen. Doch waren seine Interessen stärker als seine Gefühle; es mußte sich doch wieder mit Europa abgeben. Denn mit dem deutschen Bankrott drohte die Aussicht zunichte zu werden, jemals von den früheren Alliierten die Kriegsdarlehen zurückzuerhalten. Der Dollar sanierte also die Mart, um Lire, Franken und Pfund Sterling zu erhalten. Und der Weltsanierungsrat Dames wurde Vize­präsident der Vereinigten Staaten . Seitdem wird der Staats­fädel Ameritas von den europäischen in letzter Linie von den deutschen Steuerzahlern gefüllt, das Finanzkopital Ameritas verdient an den Anleihen, die die kapitalarmen euro­ päischen Kommunen und Unternehmungen froh sind, in Amerika auflegen zu dürfen, und sein Industriekapital braucht Europa als zahlungsfähigen Käufer seiner überschüs­figen Produktion. 60 Jahre laufen die Kriegsschuldenzahlun= gen; eins, zwei, drei Jahrzehnte die europäischen Anleihen.

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Mit Sicherheit kann man auf die Zahlungen Europas nur rechnen, wenn Europa seine Wirtschaft nicht wieder durch einen Lebensinteresse jeden Amerikaners. Weltkrieg vernichtet. Der Weltfriede ist also ein Sein

praktischer Geschäftsfinn fand bald heraus, wo man den Kampf der Eigenschaft, die ihn am gefährlichsten macht. Und diese mit dem geschäftsstörenden Krieg anfangen müsse: nämlich an Eigenschaft ist, daß die Regierungen und die Parlamente und die Völker in ihren Staatsverfassungen für sich das Recht ja jogar noch die Verfassung von Weimar, die den Reichstog in Anspruch nehmen, Krieg zu führen: das tut ermächtigt, Krieg zu erklären" und dann auch wieder ,, Frie den zu schließen". Will man um die Kriege herumfommen, fo dürfen Regierungen, Parlamente und Völker Kriege nicht mehr führen. Der Krieg darf nicht mehr leztes. Mittel der auswärtigen Politif sein. Den Mord verwirft das Bewußtsein des Kulturmenschen. Ein aufgeklärtes sittliches

Lleberschwemmung auch in Böhmen . Bewußtsein verurteilt auch den menschenmordenden Krieg.

Die große und die fleine Aupa über die Ufer getreten.

Prag , 29. Mai. Infolge der heftigen Regengüsse, die vor Pfingsten niedergegangen find, find die Große und die Kleine Aupa im Riesengebirge über die Ufer getreten und haben Brüden fortgeriffen, Gemeindewege, stellenweise auch Bezirksstraßen und vielfach die Regulierungen vernichtet. An zahlreichen Stellen er­folgten Erdrutsche und dadurch namhafte Beschädigungen der Wege und Straßen. In Trautenau war am Tage vor Pfingsten der Wafferstand derartig hoch, daß eine Anzahl von Brücken für ben Berkehr gesperrt werden mußten. Nur das Aussehen des Regens, der in Schneefall überging, verhinderte den Eintritt einer Katastrophe. Man befürchtete den Durchbruch der Flußdämme. wodurch die Stadt Trautenau ähnlich wie im Jahre 1897, wo 47 Menschenleben den Fluten zum Opfer fielen, überflutet worden

märe.

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Was aber fittlich nicht sein darf das darf auch von Rechts­wegen nicht sein. Ist es unser Interesse, den Krieg zu ver­treiben, so muß man ihn aus dem öffentlichen Rechte ver­treiben: to outlaw war lautet die amerikanische Formel. Das wird den Krieg zwar nicht in allen Fällen verhindern aber es macht ihn doch zu einem Verbrechen und seine Ur­heber zu Verbrechern. Das ist der Gedankengang, den eine Gruppe von Geschäftsleuten, Politikern und Idealisten um den Borsitzenden des auswärtigen Senatsausschusses Borah popularisierte. Er wurde zu einer politischen Ideologie, als es gelang. der Deffentlichkeit die Müz­lichkeit der Kriegsächtung ahnen und flar werden zu lassen.

Die Geschäftswelt hatte um 10 mehr Bertrauen, als Attionen in Mittelamerita offensichtlich von der Kriegsächtung nicht betroffen werden: denn im Bewußt sein des amerikanischen Kapitalismus gelten schon seit dreißig Jahren Schiffsexpeditionen und Truppenfandungen in Nita­