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Morgenausgabe

Nr. 253

A 130

45.Jahrgang

Böchentlich 85 Pfg., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne­ment 6,- M. pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen ftimme", Technit", Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag 31. Mai 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipaltige Konpareillegeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Aleine Anzeigen" bas iettge orudte Bort 25 Pfennig( zuläifig zwei ettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Belle 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3, wochentagl. von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Donhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts- Verlag G.m.b. H.

Gegen das System Pilsudski .

Oppositionsreden der Sozialisten und der Deutschen im Gejm.

Warschau , 29. Mai.

Heute begann die Budgetdebatte im Sejmplenum. Die Regie: rungserklärung des Vizepremiers Bartel beschränkte sich auf Fragen des Budgetgleichgewichts, das die Regierung unter feinen Umständen erschüttern laffen werde. Politische Fragen berührte Bartel nicht. Aus der infolge der Ablehnung zweier Steuervor. lagen entstandenen Situation werde die Regierung versuchen, einen Ausweg zu finden. Abg. Niedzialkowski( Soz.) erflärte, das gegenwärtige System in Polen sei an eine einzige Person gebunden, und darum wäre seine Stabilisierung unmöglich. Die polnische sozialistische Partei strebe dahin, daß die unvermeidliche Liquidierung dieses Systems zugunsten der Demokratie und nicht einer Art Faschismus erfolge. Einer weiteren Entfaltung und Feftigung des jeßigen Systems werde die follektive Kraft der Massen ein Ziel setzen.

unbeachtet, daß größere Grundstücke vor den fleineren heranzu­ziehen seien. Während 10 000 bis 20 000 Hektar große polnische Latifunden geschont werden, würden fleine deutsche Besize bis auf das Restgut aufgeteilt. Naumann beleuchtete ausführlich die Wirkungen der Grenzverordnung, die angesichts der vorgesehenen Machtvollkommenheit der Lokalbehörden besonders die deutsche Min­derheit benachteilige. Die Freizügigkeit in der Grenzzone sei geradezu illusorisch. Handelsfirmen seien im Besuch ihrer alten Rundschaft behindert. Handelsangestellte könnten Freistellen im Grenzgürtel nicht antreten. Selbst Wahlversammlungen seien vielfach nicht zugelassen worden. Der Deutsche werde durch die übliche behördliche Auskunftserteilung über seine Person geschädigt. Man nennte ihn illo y al und damit sei sein Schicksal besiegelt. Auf diese Weise nehme man dem Lehrer die Stelle, den Söhnen deutscher Ansiedler das Erbrecht, deutschen Landsuchenden die An­wartschaft auf Parzellen der Agrarreform. Auf diese Weise würden Ronzessionen für Gewerbe- und Handelsbetriebe entzogen. Nur wer das Boltstum verleugnet, wer Renegat ist, der gilt als loyal. Naumann erwähnte, daß

Der deutschbürgerliche Fraktionsvorsitzende Eugen Naumann betonte, daß die Versprechungen des neuen Kurses unerfüllt ge­blieben seien. Kein Ministerpräsident oder auch Bizepräsident habe fich mehr von chauvinistischen Strömungen treiben lassen als Bartel Die deutsche Fraktion sieht es als Gebot des Taftes an, die Auseinandersetzung über mehr oder minder parlamentarische Regierungsformen dem polnischen Voltsteil im Staate zu über­lassen. Unter der systematischen Beiseitefchiebung des Rechtsfeien; er schilderte ausführlich die Leidensgeschichte der deutschen gedankens müssen jedoch die Deutschen besonders schwer leiden. Naumann erinnerte an die tendenziöse Anwendung des Pressedekrets

und an

Amtsmißbräuche bei den Sejmwahlen.

15 000 deutsche Kinder allein in Posen und Pommerellen ohne deutsche Schulen

Kolonisten in Wolhynien und schloß mit der Erklärung, daß angesichts so vielfacher rechtmidriger Zurücksetzung und Benachteili gung des deutschen Volksteiles die deutsche Fraktion der Regierung fein Bertrauen entgegenbringen fönne und gegen das Budget

Bei der Anwendung der Agrarreform bleibe die Bestimmung stimmen werde.

Amerikas Rüstung und Friedensbemühung

Eine Rede des Präsidenten Coolidge .

New York , 30. Mai.

Anläßlich des Memorial Day, dem Andenken derer gewidmet,

die für das Baterland gefallen find, hielt Präsident Coolidge

auf dem Schlachtfelde von Gettysburg , auf dem vom 1. bis 3. Juli 1863 eine der schwersten Schlachten des nordamerikanischen Bürgerkrieges geschlagen wurde, eine Rede. Zur Frage der amerikanischen Streitkräfte

führte er u. a. aus:

Unsere militärischen Streitkräfte halten sich in außerordentlich mäßigen Grenzen. Unser stehendes Heer ist flein . Unsere National­garde und unsere Reserven bedeuten faum mehr als eine Er gänzungstruppe für die Polizei, wenn wir die große Ausdehnung der Bereinigten Staaten und ihre Verpflichtungen auf

thren Besizungen in Betracht ziehen. Unsere Flottenstärke, die zum Schutze unseres fich auf die ganze Welt verteilenden und von keinem Lande an Ausdehnung übertroffenen Handels notwendig ist, muß durch Kreuzer und andere Hilfs schiffe verstärkt werden. Der Bau solcher Schiffe ist bereits eingeleitet, und die Pläne für die erforderlichen Flottenverstärkungen werden bearbeitet. Unsere Luft­streitkräfte werden ständig verbessert und vermehrt. Bei der Aufrechterhaltung dieser sich in mäßigen Grenzen hal­tenden Streitkräfte sind wir besonders darum beforat, die Welt wissen zu lassen, daß diese Streitkräfte lediglich Berteidi­gungszweden und der Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens und der Ruhe dienen. Keine fremde Nation befindet sich im Besize irgend einer Sache die wir mit Gewalt an uns bringen wollten. Unser Einwanderungsgeseh, das die Einwande­- rung beschränkt, bedeutet eine Erklärung der nationalen Politik gegen den Erwerb von Gebietsteilen eines fremden Bolkes.

Obwohl wir gegenwärtig Streiffräfte auf Haiti , in Nikaragua und China unterhalten, stehen sie doch nirgendwo zu dem zwed, um Krieg zu führen, fondern zu dem Zwede, eine friedliche Lage zu sichern,

bei der die Rechte unserer Staatsangehörigen und ihr Eigentum jenen Schutz finden, auf den sie nach den Bestimmungen des Völkerrechtes Anspruch haben. In Haiti und Nikaragua verfolgen wir weit' r den 3med, das Volk und die Regierungen dieser beiden Länder dabei zu unterstützen, den Staat zu feftigen und ordnungs­mäßige und friedliche Einrichtungen aufrecht zu erhalten. Unsere Truppen stehen in diesen Ländern auf Grund einer ausdrücklichen Aufforderung, die von diesen Ländern ausgegangen ist, und in Uebereinstimmung mit entsprechenden Abkommen.

Man fann fagen, daß unser Land in feiner Geschichte nie mals Borbereitungen getroffen hat, um ein anderes Land anzugreifen. Benn immer unser Land in einen Konflikt verwickelt wurde, trat es in folchem Unvorbereitetfein hinein, das bewies, daß der Konflikt nicht gesucht, ja nicht einmal erwartet wurde. Während andere der Meinung waren, fie feien gezwungen, sich für den Krieg vorzubereiten, war unsere Lage stets die, daß wir uns immer für den Frieden vorbereiteten.

Wir wissenen, daß in Zeiten von Rassengegensägen und natio­

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nalen Berstimmungen und bei inneren Unruhen, denen alle Natio­nen mehr oder weniger unterworfen sind, der Bestand einer an­gemessenen Armee die einzige prattische Methode für den Schutz von Leben und Eigentum darstellt. Die Welt ist jedoch so weit genug fortgeschritten, in ihrer Zivilisation und in ihrer Er­fahrung, daß es nicht wahrscheinlich ist, daß ein großer Konflikt, sei es planmäßig, sei es zufällig, entsteht.

Es hat sich herausgestellt, daß der Krieg nicht gewinnbringend. fein tann. Der Zug der Zivilisation geht unzweifelhaft in der Richtung nach dem Frieden. Krieg ist vollständige Geseglosigkeit, Frieden die Herr­schaft des Gesetzes. Die Hauptanstrengung der Zivilisation soll darin bestehen, die Welt unter die Herrschaft des Rechts zu bringen. unseren Staatsangehörigen liegt die Verpflichtung ob, wenn sie im Auslande sind, sich ebenso dem Rechte zu unterwerfen wie im Inlande. Eine Regierung der Vereinigten Staaten , die ihre Pflicht, Leben und Eigentum ihrer Bürger zu schützen, nicht erfüllen würde, würde mit Recht im Inlande verurteilt und im Auslande verhöhnt werden. Unsere Staatsangehörigen follten aber auch eingedent sein, fich selbst bei ihrem Berhalten gegenüber ausländischen Intereffen fo zu führen, daß fie jeglichen Schuhes ihrer Regierungen wert find. Nach weiterer Betonung der Bedeutung des Bölkerrechts sprach Coolidge über

die Friedenspakt- Diskussion, worüber er sagte: Der Entwurf Kelloggs ist im Inland und Aus­land nicht nur von der öffentlichen Meinung unterstützt worden, sondern die Regierungen haben diese Frage mit einem Interesse und einer Sympathie aufgenommen, die höchst ermutigend find. Es ist meine aufrichtigste Hoffnung, daß diese Verhandlungen Er­folg haben und daß die Ideale, die den französischen Außenminister und den Staatssekretär der Vereinigten Staaten bei ihren Be­mühungen geleitet haben, eine praktische Verwirklichung durch den baldigen Abschluß eines allgemeinen Vertrages finden werden, der fünftig den Ausbruch von Kriegen erschwert.

Der rumänische Bauernfampf.

Bostichedkonto: Berlin 87 536.- Bankkonto: Bant der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse. Lindenstr. 3

Arbeiterleben in Argentinien .

Gieben Arbeiterparteien. -Kein Mittelstand.- Blechhütten neben Pruntpaläften.- Kapitalisten als Lockspizzel. ( Von unserem Rorrespondenten.)

L. G. Buenos Aires , im Mai. Die Präsidentenwahl mit gleichzeitiger Teil- Erneuerung des Kongresses und Senats ist am 1. April in völliger Ruhe verlaufen, allein das Wahlergebnis wird wegen des tompli­zierten Verfahrens erst nach vielen Wochen bekannt.( Es hat den Sieg Irrigonens gebracht. Red. d. B.) Tatsache ist, daß die dreifachen Wahlen eine Kraftprobe für die argentinischen Arbeiterparteien gewesen sind. Deren gibt es sieben, und zwar die Sozialistische Partei, die Unabhängige Sozialistische Partei, die Kommunistische Partei , die Argentinische Kommu­ nistische Partei , die Kommunistische Arbeiterpartei, die Unab­hängige Arbeiterpartei und die Laboristische Partei! Bon diesen Parteien tämpften bei den Wahlen die zwei sozia­listischen um die Vorherrschaft in der Arbeiterbewegung.

In Argentinien gibt es tatsächlich nur zwei Klassen, nur Arme und Reiche, denn einen goldenen Mittelstand" kennt man weder in den Städten noch auf dem Lande. In den Städten werden Unternehmer, die mit einem Rapital von 20 000 Pesos aufwärts arbeiten, ebenso zu den Reichen gezählt wie sich diejenigen, deren Geschäftskapital unter dieser Grenze steht, von selbst zu den Armen zählen. einen Baugrund bis 200 Hektar befizt oder eine Viertel Legua In noch schärferer Form tritt das auf dem Lande hervor. Wer ( 625 Hektar) als Bächter bewirtschaftet, gehört in die Klasse ( 625 Hektar) als Bächter bewirtschaftet, gehört in die Klasse schuldenfreies und gut bewirtschaftetes Anwesen von mehr als der Armen. Zu den Reichen wird erst gezählt, wer ein 200 Hektar sein eigen nennt. Bon einem Mittelstand, einem Buffer zwifchen arm und reich, fann nicht gesprochen wer­den. In den Städten stehen die elendesten Blechhütten neben den luguriösesten Palästen, und auf dem Lande haust der Kolonist in seinem aus Gras und Erde erbauten ,, Rancho" in Sicht der prachtvollen Landhäuser der Groß­grundbesitzer, die ihre Gewinne aus der Verpachtung ihrer Ländereien, aus Viehzucht im großen usw. im Auslande ver­brauchen und zum großen Teil faum einmal im Jahre ein paar Wochen in ihrem Landhause verbringen.

Entsprechend diefer Gliederung von Kapital und Arbeit ist die Stellung der Exponenten im politischen Kampf. Die Handarbeiter in Stadt und Land stehen mit ihren radikalen Ansichten politisch zum Teil noch immer im Lager der Syn­dikalisten, Anarchisten, Marimalisten oder Bolschewisten, die mehrheit allerdings in den zwei sozialdemokrati­fchen Parteien. Die Wiedervereinigung der beiden Frak­tionen fönnte bei einigem guten Willen auf beiden Seiten nicht allzu schwer fallen. Ist doch die Spaltung im wesent­lichen eine Frage der Taktik. Die alten Führer der Sozialisti­schen Partei sind für eine gemäßigte Politik, während die jüngeren, die bei den Unabhängigen Sozialisten führen, eine schärfere Politik des Klassenkampfes münschen.

Die geistigen Arbeiter sind noch immer in über­wiegender Zahl Schleppenträger der bürgerlichen Parteien, besonders aber derjenigen Partei, die gerade die politische Macht in Händen hat, denn sie versprechen sich von ihr gut bezahlte Anstellungen mit wenig Arbeit. Gewerkschaftlich sind diese zwei proletarischen Lager in zahllosen und voll­fommen selbständig arbeitenden Berufsvereinigungen organi­siert, deren Sekretäre die 3entralisierung der Ge­werkschaftsbewegung ebenso fürchten, wie das Zusammen­arbeiten mit der Sozialistischen Partei. Eine Ausnahme bildet der Verband der Hafen- und Verkehrs­arbeiter, der auf strenge Disziplin hält, das Schicksal des ganzen argentinischen Berkehrswesens in Händen hat und seinen Mitgliedern nicht nur die höchsten Löhne, sondern auch das Recht erkämpft hat, über die Entlassung alter und Ein­stellung neuer Arbeiter selbst zu bestimmen. Aus dieser Machtstellung zieht der Verband der Eisenbahner einen guten Teil seiner Kräfte zu dem Kampf gegen die Unersätt­lichkeit der privaten Eisenbahngesellschaften, was wieder dem Agrarverband der selbständigen und der Pächterkolonisten zustatten fommt, obgleich dieses ländliche Proletariat politisch vollkommen undiszipliniert ist.

Ein furzer Rückblick ist da nötig. Als Ende 1918 und anfangs 1919 die magimalistische Propaganda ihren Höhe­Der Borstand der nationalen Bauernpartei beschloß, den Kampf puntt erreicht hatte, war beinahe das ganze ländliche Pro­gegen die Regierung nach einer neuen, in Karlsburg beschloffenen letariat magimalistisch gefinnt und es hatte nur auf das Stich­Taftit fortzusetzen und die Parlamentsmitglieder der Partei sowie wort aus Buenos Aires gewartet ,, Roloniſtenräte" zu bilden, die nicht gewählten Kandidaten der Partei, die Mitglieder des Stän- um den Latifundienbefiz aufzuteilen. Die Marimalisten­digen Ausschusses, ferner des Hauptvollzugsausschusses und der Pro- bewegung in Buenos Aires ist aber eine fapitalistische vinzausschüsse zusammenzuberufen, um die verschiedenen gegen Mache gewesen, an der sich beispielsweise das deutsche wärtigen Probleme in Wirtschaft und Politik zu erörtern. Diese Großkapital mit der Gründung und Finanzierung der täglich Versammlung werde im nächsten Monat gleichzeitig mit der erschienenen ,, La Bandera Roja"( Die Rote Fahne ) sowie der Sondertagung des Parlaments tagen. Die Beschlüsse Wochenschriften Spartacus" und ,, La Revuelta"( Der Um­werden einer Versammlung in Bukarest , zu der je de Gemeinde sturz) beteiligt hatte! Diese Bewegung ist im Blute des Pro­des Landes einen Delegierten abordnen wird, zur Gutletariats in der Bundeshauptstadt und im argentinischen heißung vorgelegt werden. Petroleumgebiet erstickt worden. In Buenos Aires geschah

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