1928
Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 254
B 125 45. Jahrgang.
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kingsbay, 31. Mai.( 2 Uhr früh.)|
Bis zur Stunde ist hier noch keine Nachricht von der „ Jtalia" eingetroffen. Es herrscht Nordwind und Schneefall.
Nach einer drahtlosen Nachricht einer Radiostation in Alaska ist dort gehört worden, daß die ,, Citta di Milano" eine private Nachricht nach Rom gegeben habe, die von Nobile unterzeichnet set. Die Station in Alasta berichtet, die Meldung befage, daß die ,, Italia " aufgefunden sei.
Wie aus Rom auf Anfrage mitgeteilt wird/ war dort eine Bestätigung der Nachricht bisher nicht zu erhalten.
Die Station in Alaska , die die Meldung über das Auffinden der Italia " funkte, ist die drahtlose Marinestation in Cordova. Es wird jedoch angenommen, daß die Meldung von dem Auffangen drahtloser Nachrichten der„ Citta di Milano" an Rom auf einem Aufnahmefehler beruht. Anscheinend stammen die Meldun
Ben von Robiles Bruber und nicht, wie zuerst angenommen
wurde, von dem italienischen Forscher selbst.
Stocholm, 31, Mai.
Außer der gestern von der norwegischen Regierung beschlossenen Hilfsaktion für die Italia" durch den bekannten Nordpolflieger Rijsser Larsen hat nun auch die schwedische Re= gierung endgültig beschlossen, eine Hilfsexpedition nach Spitzbergen zu entfenden, und zwar unter der Leitung des Marinefliegers Rapitän Thornberg, der sich gestern in Oslo aufhielt, um mit Rijffer Larsen zu verhandeln. Die schwedische Expedition foll bereits am morgigen Freitag starten. Die Maschine, die Thornberg benutzen will, hat einen Aktionsradius von 1300 Kilometer.
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Wie aus Oslo weiter berichtet wird, hat die deutsche Flugzeugfabrif Dornier Wal eines ihrer fräftigsten Dornier Wal- Flugzeuge zur Verfügung der norwegischen Regierung gestellt. Die Maschine liegt zurzeit in Friedrichshafen am Bodensee flar zum Abflug. Wenn die norwegische Expedition und die schwedische Expedition sich als nicht hinreichend erweisen sollten, wird die Dornier- Maschine direkt von Friedrichshafen nach Spit bergen fliegen.
Nächtliche Selbstmorde.
Auf dem Dachboden erhängt.- Vor dem Autobus. Einen grausigen Fund machte heute früh ein Mieter auf dem Boden des Hauses Kaiser Friedrich- Str. 170 in Neukölln. An der Dachluke hing mit einer Schlinge um den Hals die Leiche eines älteren Mannes. Der entsetzte Mieter benachrichtigte sofort die Polizei, die in dem Toten den 55jährigen Kunstmaler Paul Kessel feststellte. K., der im zweiten Stockwerf des Hauses wohnte, hatte sich bereits am Montag aus seiner Wohmung entfernt und war seitdem verschwunden. Heute fand man ihn als Leiche auf. Die Beweggründe für den Selbstmord find noch
unbekannt.
Ein aufregender Borfall spielte sich in der vergangenen Nacht im Tiergarten an der Ecke der Charlottenburger Chauffee und dem Krollsteg ab. Ein unbekannter. etwa 25. bis 30jähriger Mann lief plötzlich auf den Fahrdamm und warf sich vor einen in Richtung Charlottenburg fahrenden Autobus der Linie 9. Der Führer des in voller Fahrt befindlichen Autobusses fonnte nicht mehr rechtzeitig halten, und die Räder gingen über den Oberförper des Selbstmörders hinweg. Mit schweren inneren Verlegungen wurde der Lebensmüde nach der Charité ge= bracht, wo er heute morgen, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, starb. Der Tote ist 1,65 groß, hat blondes Haar und ein bartloses Gesicht. Er trug einen graubraunen Anzug, ein rötlich gestreiftes Oberhemd mit steifem Kragen, einen schwarzen Selbstbinder und gelbe Halbschuhe.
Bauunfall am Kurfürstendamm . Zwei Arbeiter verletzt.
Auf dem Grundstüc Kurfürstendamm 202, Ede nesebedstraße, wo zurzeit Bauarbeiten ausgeführt werden, stürzte heute mittag ein Gerüft zusammen. Zwei Arbeiter, der 33jährige Gustav Appelt aus der Markelstraße 2 in Steg litz und der 22jährige Mathias Steinmann aus der Holsteinischen Straße 55 wurden mit in die Tiefe geriffen und verleht. Die Verunglückten wurden durch Wagen des Städtischen Rettungsamtes in das Wilmersdorfer Krankenhaus in der Achenbach 1 straße gebracht.
Wilkins und Eyelson mit dem amerikanischen Botschafter Shurmann.
Das Strafverfahren gegen Direktor Jacob.
In der Angelegenheit des Ufa - Direktors Jacob war, mie bereits berichtet, schon vor einigen Wochen beim Landgericht I eine Boruntersuchung eingeleitet worden, da ihm der Vorwurf ge= macht wird, daß er als Leiter der Verleihabteilung der Ufa vor Uebernahme dieses Unternehmens durch den HugenbergKonzern unlautere Provisionen bezogen habe. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft I ist die von Landgerichtsrat Stäckel geführte Boruntersuchung dieser Tage ergänzt worden. Auf Grund einer Anzeige der neuen Ufa- Leitung hat die Staatsanwaltschaft die Ergänzung der Boruntersuchung nach der Richtung hin beantragt, daß Direktor Jacob die Ufa in nachteiliger Weise in das amerikanische Geschäft verstridt habe und daß dabei für ihn wesentliche Vorteile herausgesprungen seien. Es wird Direktor Jacob u. a. auch Untreue vorgeworfen. Der Angeschuldigte Jacob behauptet dagegen, daß die von ihm geleitete Verleihabteilung am vorteilhaftesten gearbeitet habe und daß seine Geschäftspolitik die richtige gewesen sei. Seine Handlungen seien durch Aufsichtsratsbeschlüsse gedeckt worden, insbeson dere auch durch die Delegierten der Deutschen Bank. Jacob vertritt die Ansicht, daß alle Vorwürfe ungerechtfertigt seien und lediglich zur Unterstützung des von der Ufa gegen ihn angestrengten Zivilprozesses in Höhe von 1,6 Millionen Mark dienen sollen.
In eingeweihten Kreisen rechnet man bei Durchführung des Prozesses mit außerordentlichen Enthüllungen. Direk tor Jacob will sich mit allen Mitteln dagegen wehren, daß er als alleiniger Sündenbock hingestellt werde. Die Gerüchte von einer Haussuchung bei Jacob find nicht zutreffend. Ebenso ist es nicht richtig, daß der Untersuchungsrichter bereits Haftmaßnahmen in Erwägung gezogen hat. Er will vielmehr erst den weiteren Gang der Ermittlungen abwarten. In dem Zivilprozeß der Ufa gegen Direktor Jacob steht am 18. Juni Verhandlungstermin beim Landgericht an.
18 Arbeiter verletzt.
Vorschläge zur Kriegsverhütung.
Belgische Kritik am deutschen Entwurf.
Das Sicherheitskomitee des Bölkerbundes hatte auf seiner letzten Tagung den Bertreter Belgiens beauftragt, der nächsten Sizung ein Referat über die fünf Kriegsverhütungsvorschläge Deutsch lands zu erstatten. Dieses Referat liegt nunmehr vor.
Der Belgier urteilt bei aller prinzipiellen Zustimmung steptisch über die praktische Durchführbarkeit und Wirksamkeit der deutschen Anträge. Zum ersten Vorschlag, der die Unterlassung aller Maßnahmen, die eine Verschlimmerung eines Staatenkonfliktes herbeiführen könnten, bis zur Entscheidung des Völkerbunds rates vorsieht, wünscht der Belgier eine Präzisierung dieser Maßnahmen, da seiner Ansicht nach nur wenige Staaten sich auf eine allgemeine Formel verpflichten würden. Der zweite deutsche Vorschlag verlangt die Unterlassung der Mobilisierung. Hier erachtet der Belgier eine internationale Kontrolle für nötig. Sehr ausgiebig behandelt der Referent den weiteren Vorschlag, bei schon ausgebrochenen Feindseligkeiten einen Waffen still stand zu gebieten. Er meint, daß ein Staat mit dem Willen zum Krieg auf diesen Waffenstillstand nicht eingehen würde. Ein solcher Waffenstillstand müsse auch die Zurückziehung der Truppen aus demilitarisierten Zonen des eigenen Landes in fich schließen. Andererseits gebe diese Forderung dem at eine Handhabe, den Angreifer und Kriegswilligen zu erkennen. Sehr fraglich erscheint dem Referenten, ob die von Deutschland geforderte Einstimmigkeit des Rates für diese Sonderfälle gut und nach dem Bölkerbundspattvertrag möglich sei.
In einer Dampfwäscherei in der Königsgaffe ist heute ein Die Einsponngeschäfte vor Gericht.
Benzinfaß infolge unvorsichtiger Handhabung explodiert. Dabei wurden 18 Arbeiter verletzt, von denen drei mit lebensgefährlichen Brandwunden ins Krankenhaus gebracht wurden.
Todesurteil gegen Journalisten.
Berichte 2. Seite.