Nr. 258
45. Jahrgang
Technik
Sonnabend
2. Juni 1928:
Der im Leben und in der Tätigkeit stehende Mensch ist nicht So eng an die Zeiteinteilung gefetiet, daß er genötigt wäre, mit Bruchteilen von Sekunden oder überhaupt nur mit Sekunden zu rechnen. Es genügt ihm, wenn er in der Tasche oder an der Wand jene Maschine tiden hört, die ihm die grobe Einteilung der Zeit nach Kräften vermittelt. Er wird faum davon berührt, wenn dieses Instrument in einer Boche fünf oder gar zehn Minuten vor oder nach geht. Nach einigen Tagen nimmt er die notwendige Regulierung vor und ist beruhigt in dem Gedanken, Daß er jetzt wieder nach der richtigen Zeit" leben kann. Für den Wissenschaftler, den Astronomen, den Seemann und noch für so manch anderen ist eine Maschine, die dermaßen ungenau den Lauf der Zeit registriert, völlig ungenügend, und er be= darf der Meisterwerke der Uhrenkunst, um ,, auf dem laufenden" zu bieiben. Seine Uhr muß so genau den Lauf der Zeit verfolgen, daß in einer Woche faum eine Zehntelsekunde Abweichung eintritt. Ja, es wird sogar gefordert, daß diese Abweichung noch nicht eine Hundertstelsekunde beträgt. Uhren dieser Art werden für den Handel in Einzelfällen hergestellt, es sind
Meisterwerke der Präzisionsmechanit,
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mit den wenig einträglichen Arbeiten der von Prof. Förster gegründeten Gesellschaft für Chronometrie mühsam über Wasser hielt. In späteren Jahren, und zwar erst nach dem Kriege, in der Inflationszeit, erhielt die Schule staatliche Unterstützung, und sie fonnte
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die nur von durchgebildeten Künstlern vom Fach hergestellt werden können. Und der Nachwuchs ist recht fümmerlich. Das liegt daran, weil heute faſt alle Uhren, die im täglichen Verkehr gebraucht werden, der Uhrenindustrie, also der Massenherstellung| fich ein eigenes, schönes Haus bauen, das heute im Mittelpunkt des entstammen; brauchbare, tüchtige Instrumente, billig und haltbar, vollständig dem 3wed genügend, aber nicht Uhren im Sinne des Fachmannes.
Es gibt in einem der erzgebirgischen Täler nun jene Präzi sionsuhrenindustrie, die wie eine tostbare Pflanze gedeiht. Sie
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Modell einer Zylinderhemmung. wird gehegt und gepflegt, da nach ihrem Schwinden kaum jemand in der Lage wäre, eine so föstliche Blüte der Uhrenmechanik wieder neu zu beleben. Die zwei großen Werkstätten, die sich vor Jahr zehnten hier niedergelassen haben, sind für die Uhrenherstellung in der Welt an und für sich ohne Bedeutung, aber daß aus ihnen jenes Institut entstanden ist, das dem ganzen Erdball die besten Uhrmacher liefert, das verdient einmal festgehalten zu werden. Es handelt sich um die deutsche Uhrmacherschule in Glas hütte, die in diesem Jahre ihr 50jähriges Jubiläum feiern fonnte und deshalb wohl Anlaß bietet, etwas über ihre Existenz zu sagen.
Die Gründungsgeschichte
fleinen Städtchens alle Augen auf sich zieht. Die Schule ist nur flein, sie ist beileibe nicht zu vergleichen mit großen technischen Instituten anderer Art, und nicht allzu viele Schüler finden sich in ihren Räumen zusammen. Sie ist glänzend eingerichtet und enthält neben einem sehr interessanten Museum
ein Arsenal der feinsten Werkzeuge,
die in diesen feinen Dingen steckt. Meist wird er gar nicht in der Lage sein, das zu beurteilen, und nur an einem Beispiel ist es möglich, zu zeigen, was als Selbstverständlichkeit hier von jedem der Teilnehmer verlangt wird. So ist 3. B. jeder Schüler gehalten, fich aus dem Rohmaterial, das er sich selbst beschaffen muß, eine Uhr selbst herzustellen. An solch einer Uhr, die z. B. für eine Taschenuhr wohl das höchste an Präzision darstellt, arbeitet der Schüler ein oder auch zwei Jahre. Der Preis, der von Liebhabern für diese Taschenuhren gezahlt wird, die oft das sogenannte fliegende Drehgestell" ents hält( eine Vorrichtung, um jede Abweichung im Gang zu verhindern), ist etwa 2000 bis 3000 mark. Aber die Schüler wollen sich meist von diesen Werken nicht trennen. Prüfungsarbeiten, die sehr gern ge leistet werden, find auch die Seechronometer, mit der auf das genaueste ausgearbeiteten Anfer hemmung . Ein derartiges Instrument, an dem jedes Pleinste Teilchen mit der Hand gearbeitet ist, reprä= sentiert natürlich einen Wert, der sich gar nicht schätzen läßt. Es ist vielleicht bei dieser Gelegenheit interessant, zu erfahren, daß die Politur der. inneren Teile einer Uhr, also das Blizzblante, nicht nur da ist, um die Augen des Beschauers zu erfreuen, sondern daß dieser Glanz notwendig ist, um das Gangwert vor jeder Oxydation zu schützen. Je fostbarer eine Uhr ist, je besser sind ihre inneren Teile poliert. Als Kuriosum mag angeführt werden, daß das Pendel einer Präzisionsmanduhr, die 3. B. genauer geht, als es die astronomische Zeiteinteilung vermag, an Herstellungskosten 2000 Mark erfordert( d. h. mur der Bendelstab mit dem Gewicht daran).
die in der Uhrmacherkunst und in der Feinmechani! Berwendung finden. Das sind Dinge, von denen sich der Laie taum einen Begriff machen kann. Instrumente, in denen jede Abweichung vom Hundertstelmillimeter auf das genaueste registriert wird, und es ist natürlich klar, daß die Apparate, die zur Herstellung dieser feinmechanischen Dinge dienen, noch um vieles genauer gearbeitet sein müssen. Man paßt natürlich das Ziel der Ausbildung der Schüler den Arbeitsbedingungen der ganzen Welt an. Die Feinmechaniker gebrauchen vorwiegend eine rein maschinelle Ausbildung, die auf Reihen und Massenanfertigung abgestimmt ist. In der Uhrmacherei ist dagegen die Grundlage auch heute noch die allerbeste Handarbeit. Man geht dabei von dem Grundgedanken aus, daß das Kaliber unserer Anferuhren heute ein derartiges ist, daß eine solche ihr vollständig in jeder gut ausgerüsteten Uhrmachermerkstatt hergestellt werden könnte. Da sich das Bedürfnis nach Technikern für die Taschenuhrfabri fation in letzter Zeit besonders geltend machte, dehnt die Schule ihren Unterricht auch auf die Konstruktionslehre und auf genaue Kenntnis der Werkzeugmaschinen aus, so daß sie Dollwertige Techniker für ihre Fabrikation und Feinmechanik ins Leben schickt. Jeder Schüler soll hier, wenn er in die Welt tritt, ein Kraftzentrum sein, von dem wieder Kenntnisse und Fertigkeiten ausstrahlen. Wer die Erzeugnisse der Werkstätten der Schule sieht, wird erstaunt sein über die Unsumme von Arbeit,
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diefes einzigartigen Instituts fällt in die Zeit nach dem DeutschFranzösischen Krieg. Es ging damals, wie immer nach einem Scheinaufschwung, hoch und leichtsinnig her, auch im Handwerklichen. Durch die Beschleunigung des Umwandlungsprozesses von der handwerksmäßigen zur fabrikmäßigen Herstellungsweise wurden unter den Industrierittern die ungesundesten Ideen gezüchtet. Das Verständnis für Wertarbeit nahm ernstlichen Schaden, und die gute handwerkliche Kunst wurde als überflüssig beseite geschoben. Auf allen Gebieten machte sich dieses bemerkbar, an allen Bauten, an allen Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen. Es war die schlimmste und beschämendste Epoche des deutschen Handwerks. ,, Billig und schlecht" mar damals tatsächlich das Leitmotin jeden Gewerbes. Auf keinem anderen Gebiet machte sich diese Qualitätsfentung so bemerkbar, wie auf dem der Feinmechanit, und im besonderen der Uhrenherstellung. Das führte einfichtige Leute des deutschen Uhrmachergemerbes auf den Gedanken, in dem erzgebirgischen Städtchen, das bis zu jener Zeit die beften Uhren geliefert hatte, eine Stätte der Tradition und der Ausbildung zu gründen, die die fast verlorene Stunft mit alter Gründlichkeit weiter. betrieb. 1878 murde die erste Uhrmacherschule von Moriz Großmann begründet und im Laufe der nächsten Jahrzehnte auch mit Erfolg fortgeführt. In späteren Jahren fam dann noch ein Mann hinzu, Ludwig Strasser , der als eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der deutschen Uhrmacherschaft heute noch gilt. In dieser Schule wurde nur die vornehmste Kunst der Präzision gelehrt und streng alles, was an Massenherstellung erinnerte, verbannt. Man drängte damals, um die Finanzen der Uhrenindustrie in Glashütte zu heben, auf den Bau einer sogenannten„ Serienuhr". Der Verfuch murde gemacht, aber bald wieder aufgegeben. Massenmurts" perlegte die Künstlerehre diejer tüchtigen Handwerkerschar, die sich die die Lehrerschaft der Uhrmacherschule anfertigte.
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Eine Weltzeituhr,
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Modell einer Grohemhemmung.
aicbitni whoisg
So füllt diese Schule im Winkel des Erzgebirges einen wichtigen Platz in der Uhrenindustrie der ganzen Welt aus. Wie ihr fluger Leiter, Oberstudienrat Direktor Dr. Giebel, türzlich erzählte, sieht man auf die Maffenuhren durchaus nicht mit der Geringschäzung herab, wie es von den Gelehrten eines solchen Insti tuts vielleicht angenommen werden könnte. Er führte dabei das darstellende Beispiel an, daß eine übliche Weckeruhr zum Preise von 3 Mart, in die Ecke geworfen, in den meisten Fällen wieder weitergeht ein Experiment, das man sich mit den Qualitätsuhren des Instituts bestimmt nicht erlauben darf..
Neue Bücher.
Dr.- Ing. Steinitz: Neue Fortschritte in Fahrradtechnik und verkehr. Von Dr.- Ing. Steinig, herausgegeben vom e. V. Fortschrittliche Verkehrstechnik, Berlin SW, Bergmannstr. 51. Taschenbuchformat, 64 Seiten mit Illustrationen, Preis 75 Pf.
Biele Fahrradbücher, die jedem Schüler geläufige Einzelheiten wiederholen, interessieren kaum noch. Diese Schrift des bekannten Berkehrstechnikers bietet jedoch überraschend viel Neues und Bahn brechendes in flarer und schmackhafter Form. Sie besteht aus einer Reihe von Auffäßen, von denen manche, wie z. B. Fahrräder mit Rotorantrieb" und" Fliegende und springende Fahrräder", noch in der Entwicklung befindliche Probleme von sportlichem Reiz behandeln, während andere auf dem festen Boden bereits bewährter Fortschritte stehen, wie die Aufsätze über mehrgang- Naben" und die von größter Sachkenntnis zeugende Abhand lung über die neueste Entwicklung der Fahrradfabrikation. Aus dem reichhaltigen Inhalte seien noch die Artikel Neue Rahmenformen",„ Das Fahrrad des Rennfahrers" und der Schlußaufsatz, der Anregungen für die Organisation des großstädtischen Ausflugverkehrs enthält, erwähnt. Nicht nur alte und junge Radfahrer werden das Büchlein gern lesen, sondern auch der Fachmann wird aus ihm manche Anregung schöpfen.
Der Berliner Bezirksverein Deutscher Ingenieure hält am 6. Juni in der Technischen Hochschule in Charlottenburg seine Monatsversammlung ab. Herr Walter Angermund spricht über Neuzeitliche Berkehrsflugzeuge und ihre meitere Entwidlung. Der Luftverkehr von heute und morgen", Anschließenb Filme Der Groß- Luftmeg Berlin - Dabrid.
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