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BERLIN Montag

4. Juni

1928

mi

Der Abend

Ericheint täglich außer Sonntag.s. Zugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

66

10 Pf.

Nr. 260

B 128 45. Jahrgang.

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Die Zusammenstöße mit der Polizei.

Sollen die Polizeibeamten als Bluthunde" beschimpft werden?

Der ,, eiserne Gustav" in Paris .

Der französische Schupo weist den Weg.

Der Berliner Droschfenfutscher Gustav Hartmann , genannt der eiserne Gustav", der am 2. April auf seiner Tage Berlin ver­laffen hat, wird heute nachmittag nach der Dauerfahrt über die deutschen und französischen Landstraßen in Paris erwartet. Für seine Ankunft ist bereits ein großes Festprogramm entwickelt worden. Er wird zunächst von den alten Pariser Kutschern und dem Fest­ausschuß des Quartier Latin empfangen und begrüßt werden. Sein Zug durch Paris foll um 18.15 Uhr am Place de la Madeleine, wo er von einem Pariser Redakteur begrüßt wird, sein Ende finden. Um 20 Uhr wird Hartmann von Studenten der Sorbonne ein Bankett gegeben.

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Es soll nicht gesagt werden, daß das Originalformat des rich tigen Tippelbruders ausgestorben wäre. Aber er hat einen moder nen Zeitgenossen erhalten in Gestalt des Kilometerfressers, der am Kutschbock, zu Pferd oder zu Fuß unter allerlei Erschwerungen die augenblickliche Konjunttur in förperlichen Refordleistungen aus zunügen versucht. Der wadere Droschfenfutscher Hart mann alias eiserner Gustav" oder, wie sie ihn drüben in Frank­reid titulieren, Gustave de fer", hat den Weg hinter sich, und sein getreuer Pferdekumpan Grasmus" ist froh und munter von Meh über Berdun, Clermont en Argonne in Paris , der Stadt feiner sportlichen Träume, eingetroffen. Gustav, der über eine genügende Dosis heimischen Mutterwizes verfügt und drüben überall Freunde erwirbt, stärkt die deutsch - französische Verständigung, sofern sie sich nicht etwa auf Konversation bezieht; aber da hilft ihm ebenfalls die drastische Geste. Die zwei Genf Pilger im Frad haben auch bereits ihr Ziel erreicht, und eine der legten Expeditionen" dieser Art, zwei Globetrotter mit Handwagen, sind in voller Fahrt" und schildern in beredter Weise, was ihnen so unterwegs alles begegnet.

Kinder der Landstraße , ob sie es nun aus mirtlicher Not oder bloß einer ulfigen Idee wegen wurden, sind nun einmal nicht immer auf Rofen gebettet. Nicht jeder hat das nötige humorige Berständ­nis dafür, und mit der allezeit offenen Hand für ein paar müde, verstaubte und vor allem hungrige Wanderburschen ist es auch nicht allzuweit her. Auch Petrus hat natürlich nicht das Einsehen, was für Wetter man für solche Erfurfionen benötigt, und was die Sonne bas eine Mal zu heiß auf den Buckel brennt, das feuchtet ein strö­mender Regen das andere Mal allzu sehr durch. Und was man da fo an mehr oder weniger fröhlichen Weggenossen begegnet. Da ist der Wanderzirfus, der heute schon wirklich nicht mehr leben und sterben kann, seit das unfelige, alleinfeligmachende Rino polypen­artig bis ins fleinste Nest seine Arme recte. Was gab's da früher für ein Hallo, wenn der Zirkusdirektor in höchsteigener Berson vom fahrenden Bodium zum Bolke sprach und das Bersonal gleichzeitig eine Gratisreflamevorstellung absolvierte; wenn die Zirkusmutter,

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die arme Seele, die kochen, waschen, flicken, an der Kasse sizzen und während der Vorstellung noch allerlei tofettes Getänzel zu voll führen hatte, dann mit dem Teller " ging, da flimperte fast überall ein Nickel aus der Tasche. Aber heute klagen diese kleinsten Unter nehmer mit ihren großen Kollegen um die Wette. Dann kommt auch wieder einmal ein Lichtblick, wenn die stramme Bauersfrau einen Topf Milch und ein paar handfeste Butterbrote verabfolgt, weil den armen Menschen da vor ihr ja doch der Hunger aus allen Knopf­löchern guckt. Eine der größten Sorgen ist und bleibt natürlich das Nachtquartier. Die Heuschoberepoche ist jetzt, am Sommeranfang, noch nicht da, und dann ist da auch fein völlig ungehinderter Ein­und Ausgang wie in früheren, guten Zeiten. Die Wirte haben ihrerseits für Bennbrüber natürlich recht wenig Verständnis, und die Arrestzellen, mit denen man, der Not gehorchend, recht gern vorlieb nehmen möchte, sind entweder anderweitig" besetzt oder werden zu­mindest für diese Zwecke bereitgehalten. Ach, und dann fangen auch noch die Stiefel an, den Weg alles Irdischen zu gehen. Wo bleibt die hilfreiche Hand, die da Ersatz bietet?

Ja, ja, die Straße ist hart, und am härtesten da, wo der Dreck am weichsten ist. Aber was ein Tippelbruder von Format ist, der noch dazu aus purem Ehrgeiz die Wut der Elemente entfesselte, der darf so leicht nicht verzagen." It's a long way..."( es ist ein langer Weg) meint der Engländer.

Die Abreise der Polflieger von Berlin .

Die beiden Nordpolflieger Wilkins und Eielson haben heute 10 Uhr vormittags Berlin mit dem fahrplanmäßigen Flug­zeug der Deutschen Luft- Hansa verlassen, um sich nach Amsterdam zu begeben. Zum Abschied hatte sich auf dem Flughafen Tempelhof ein größerer Freundeskreis eingefunden.

Der Raubmord von Zehdenick aufgeklärt.

Zwei nächtliche Großfeuer.

Die Rolle des Gummifnüppels

In den Sonntagblättern ist bereits über den Zusammenstoß be­richtet worden, den Berliner Polizeibeamte in der Gegend der Frank­ furter Allee mit demonstrierenden Kommunisten hatten. In der Roten Fahne" war dazu noch mitgeteilt worden, daß der Vize­polizeipräsident Weiß bei diesem Zusammenstoß die Anweisung ge­geben habe, die Gummiknüppel wieder einzustecken. Darauf seien die Polizisten von den Wagen gesprungen, und sie hätten dann auf Weiß mit dem Gummifnüppel eingeschlagen. Weiß habe wiederholt gerufen, er sei der Bizepolizeipräsident, aber das habe ihm nichts geholfen. Mittlerweile sei der Polizeipräsident Börgiebel selbst hinzugekommen. Er habe Weiß noch scharfmachen wollen, dem sei das zu dumm gewesen, und er habe Zörgiebel den Rüden gedreht.

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Wir brauchten dieser kommunistischen Darstellung nur einen ge= ringen Wert beizulegen, wenn nicht inzwischen ein weit verbreitetes demokratisches Blatt, die Berliner Montagspost", die kommunisti­fchen Behauptungen aufgegriffen und durch angebliche eigene Er­hebungen und Nachfragen bestätigt hätte. Das Blatt sagt dazu noch, daß es unter Grzesinski anders gewesen sei, damals habe man den Grundsatz betätigt, die Polizei unsichtbar zu machen. Dafür sei fie stets zur Stelle gewesen, wenn die Sicherheit des Staatsbürgers sie verlangte. Schließlich macht das Blatt noch folgende Ausführungen:

Die Polizei ist der Staat. Die Macht und Autorität des Staates ist derart stabilisiert, daß sie der ständigen Offenbarung durch die Gummifnüppel nicht bedarf. Die Polizei hat bei der= artigen Massenaufmärschen die Pflicht, die unbeteiligten Passanten zu schüßen und den Verkehr, soweit angängig, sicherzustellen. Dieser Aufgabe dient sie nicht, wenn sie selbst mervös wird und sich dadurch mit den Demonstran­ten auf die gleiche Stufe stellt.

Kritif, aber feine Gensation.

Selbstverständlich hat die Montagspost" das Recht zur Kriti an der Tätigkeit der Polizei. Aber skandalös und nur auf Sensation berechnet ist es, wenn sie die Vorgänge in der Frankfurter Allee in Busammenhang bringt mit einem anderen Zusammenstoß, der sich in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag in der Münz­straße zugetragen hat. Die Montagsausgabe der Roten Fahne" berichtet selbst über diesen Vorfall:

Nach Mitternacht kam eine Arbeiterkapelle des Vereins Berolina, bestehend aus sechs bis sieben Personen, zum Teil musizierend, aus der Rosenthaler Ecke Weinmeisterstraße zur Münzstraße. Der Schupoposten versuchte den Tambour fest­zunehmen, wurde aber durch die Kapelle daran ge= hindert. Eine Streife Verstärkung traf ein und versuchte den Tambour und noch ein anderes Mitglied, den Schlagzeugspieler der Kapelle, festzunehmen. Da der Tambour gegen die über­fallsartige Festnahme sich verwahrte, fam es zu einer großen Menschenansammlung, die ihrer Empörung gegen das brutale zugreifen der Polizei in lauten Zurufen Ausdruck gab." Im weiteren Verlauf dieses Tumults ist dann wieder scharf ge= schossen worden. Dabei wurde der mehrmals vorbestrafte Karl Eck­wert von einer tödlichen Kugel getroffen, der Bäcker Willi Sand­ring erlitt eine Verlegung am Bein. Selbst nach der Darstellung des kommunistischen Blattes ergibt sich also folgender Sachverhalt: Lange nach Mitternacht zieht eine Kapelle mufizierend durch eine der Hauptstraßen der inneren Stadt. Ist die Polizei nicht ver= pflichtet, solchen Lärm zu verhindern? Wohin sollte es führen, wenn sich auch die anderen drei Millionen Erwachsenen Groß- Berlins das Recht herausnehmen, zwischen 12 und 1 des Nachts mufizierend durch die Straßen zu ziehen? Wir sehen dabei noch davon ab, daß von anderer Seite behauptet wird, es sei in der Münzstraße nicht musiziert, sondern anderer Unfug getrieben worden. Es habe sich eine Menschenmenge angesammelt, die nicht zu den besten Elementen zähle, diese habe gegen die einschreitenden Polizei­beamten Stellung genommen, einige Schupoleute seine angegriffen und schwer verletzt worden und daraufhin erst, also in der Abwehr, seien die verhängnisvollen Schüsse gefallen.

Der Vorfall in der Frankfurter Allee . Nun wieder zu den Vorfällen in der Frankfurter Allee , bei denen übrigens der Polizeipräsident nicht zugegen mar, also auch nicht scharfgemacht hat. Auch wir haben ,, Erhebun­gen bei Unbeteiligten" angestellt, und die ergeben folgendes Bild: Schon am Friedhof hat der Oberstleutnant Hellriegel dem fom­munistischen Landtagsabgeordneten Golfe versichert, daß die Po­der Demonstration möge also auch von ihrer Seite das Notwendige tun, damit die Ruhe nicht gestört werde. Herr Golfe erklärte jedoch,

Zusammenbruch der Rheinschiffahrt tizei fich bie allergrößte zurückhaltung auferlegen werde; bie Leitung

( Berichte im Innern des Blattes.)