Morgenausgabe
Nr. 263
A 135
45.Jahrgang
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sinu Isqqünlin
Mit Mittwoch
Vorwärts
Berliner Boltsblatt
6. Juni 1928
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Südtruppen in Defing.
Das Attentat von Mukden
Schanghai, 5. Juni.
Nach Meldungen, die aus japanischen Quellen in Beting stammen, ist die Vorhut der SchansiArmee unter dem Kommando des Generals Tianh. fuilling heute um 6 Uhr nachmittags in Beting eingerüdt. Dies sind die ersten Truppen der Süd. armee, die in die Hauptstadt einmarschiert sind.
London , 5. Juni. ( Eigenbericht.)
Die Truppen des Generals Ben Hii Shan, des Militärgouverneurs der Provinz Schanfung, der sich im vergangenen Jahre den Südchinesen angefchloffen, haben am Dienstag die Vorstädte
Pekings erreicht.
Das Staatsdepartement der Vereinigten Staaten veröffentlicht eine Note, welche die Mächte, die in China Sonderrechte genießen, an die Generale Tfchiangtaischet, Feng Bu Hsiang und Ben Hi Schan und an das Parteikomitee der Kuomintang in Shanghai gefandt haben. Diese Note erfucht die Machthaber, das Verbleiben des Nordgenerals Pao mit feinen Truppen in Beting Jolange zu geffaffen, bis die Südtruppen in der Lage seien, die Sicherheit der Stadt zu gewährleisten; hierauf könnten sich die Truppen Paos auf Grund von besonderen Abmachungen, für deren Durchfechtung die Mächte sorgen würden, friedlich zurückziehen. Die Role, in einer gemeinsamen Sigung der diplomatischen Vertrefer entworfen, betont ausdrücklich, daß die in China lebenden Ausländer fich in die militärischen Auseinandersehungen zwischen den Chinesen feineswegs einzumifchen wünschen.
Geheimnis um Tschangtsolin?
Die von der japanischen Zeitung Dschi Dschi Shimbun" ver. Bffentlichte Meldung vom Tode Tschangtfolins wird aus andern pri Daten Quellen bestätigt. Ein Reuterbericht aus Tofio besagt.
- noch fein sicherer Weberblick.
daß alle Anstrengungen gemacht werden, um den Tod Tschangtfolins geheimzuhalten. Nach einem anderen Bericht ist bei dem Attentat außer dem General Bu chang Seng, dem Gouverneur der Proving Heilung- Kiang, der von Tschangsolin zum Minister präsidenten in Benfing ernannte Pan Fu ums Leben getommen. Aus Muf den wird gemeldet, daß die Verwaltung der Südmandschurischen Eisenbahn die Nachricht vom Ableben Tschang. tfolins bestätigte.
Das japanische Außenministerium teilt zu den Gerüchten vom Ableben Tschangtfolins mit, es sei zurzeit noch nicht in der Lage, irgendwelche Erklärungen hierzu abzugeben. Die letzte Berlaut barung der Aerzte des Marschalls besage, daß die Bermundung Romplitationen nach fich gezogen habe. Die Aerzte befänden fich im Schloß und seien von der Außenwelt abgeschlossen.
Brückensprengung im Norden.
Reuter verbreitet eine Schanghaier Meldung, wonach 20 000 Mann der Truppen, die bisher einen Teil der Norbarmee bildeten, durch Intrigen und Bestechungen veranlaßt worden seien, bie Eisenbahnbrüde in Vangifun in der Nähe von Tientsin in die Luft zu sprengen. Dadurch sei die Zurückziehung zweier
mandschurischer Rorps nach Murden aufgehalten worben.
Sicherheitsausschuß in Defing.
Peting, 5. Juni.
Ausschuß zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ein, der Der frühere Ministerpräsident Bangichichen letzte einen die Leitung der Polizei und der hier verbliebenen 1500 Mann nordchinesischer Truppen übernommen hat.
Kammerpräsident Bouisson.
Der Sozialist im ersten Wahlgang gewählt.
Die Kammer wählte mit 327 gegen 244 Stimmen den fozialistischen Abg. Ferdinand Bouisson zum Präsidenten wieder. Gegen Bouiffon, der während der letzten Legislaturperiode feit dem Beginn des Ministeriums Poincaré Rammerpräsident war und wegen feiner flugen und gewandten Geschäftsführung allge mein geschäzt wird, war nur der früher radikalfoziale Gründer der neuen unionistischen Gruppe Franklin Bouillon als Randidat aufgetreten.
Sodann wurden zu Bizepräsidenten gewählt: der Führer der unabhängigen Linfen Henry Baté, der Radikale Leo Bouyssou, der Abgeordnete der radifalen Linten Bouillour- Lafont. Wegen der Befehung des vierten Bizepräsidentenpostens muß eine Stichwahl stattfinden.
Hierauf vertagte sich die Rammer auf morgen nachmittag, um die noch ausstehenden Stichwahlen für ihr Präsidium vorzunehmen. Der Ausfall der heutigen Wahlen zum Rammerpräsidium wird In parlamentarischen Kreisen als
ein Ereignis von großer polifischer Bedeutung bewertet. Die lintsstehenden Gruppen hatten den Erfolg zu verzeichnen, daß nicht nur der bisherige Jozialistische Rammerpräsident Bouisson trotz der scharfen Agitation Franklin- Bouillons im ersten Wahlgang gewählt wurde, fondern, daß auch die drei heute wählten Bizepräsidenten sowie sieben von acht Sekretären und zwei von drei Quaestoren Kandidaten der Linten sind.
Poincarés Regierungserklärung.
Differenzen über die Stabilisierungsfrage.
nur einige Worte gewidmet. In bezug auf das Elsaß soll die Erklärung die erneute Buficherung der Aufrechterhaltung seiner Sondergefeßgebung enthalten.
Die Regierung dementiert am Dienstag energisch die umlaufenden Gerüchte über die Demission des Leiters der Bant von Frankreich , Moreau. In den Kreifen der Bank felbft dementiert man in vorsichtiger Form und gibt jedenfalls zu erkennen, daß zwischen den Auffassungen ihres Leiters und denen des Finanzminifteriums Differenzen bestehen.
Die Gozialisten gegen das Rolmarurteil.
Die sozialistische Kammerfrattion hat befchloffen, die Anträge des Abg. Walther auf Amnestie und fofortige Freilaffung der elfäffischen Abgeordneten Roffé und Ridlin zu unterstügen. Abg. Grumbach wird in der Kammer dafür eintreten.
Wachsende Entfremdung.- Vor einer plötzlichen Franken ftabilisierung?
Paris , 4. Juni. ( Eigenbericht.)
Die Freunde Poincarés nerfichern, daß er dem Wahlausfall zum Trop die Hoffnung nicht aufgegeben habe, das Rabinett dem entscheidenden Einfluß des recht en Flügels feiner Mehrheit zu entziehen.
Die Leute von der Marin Partei, die nach wie vor behaupten, fie feien als die eigentlichen Führer aus dem Wahlkampf hervorgegangen, zeigen sich darüber sehr erbost, wagen es jedoch nicht, ihren Born allzu offen zum Ausdruck zu bringen. Nur Emil Buré brummt im„ Avenir" ziemlich unverhohlen über die unwürdige Stellung, in die man Land und Poincaré die schlimmsten Ueberraschungen für den bie Siegerpartei" hineinzudrängen suche und prophezeit.dem. Fall, daß der gegenwärtige Ministerpräsident nicht den Mut haben sollte,„ eine dem Wahlausfall entsprechende Regierung zu bilden".
Nun scheint Poincaré tatsächlich teine Lust zu haben, der Marin- Partei, in der die Kerntruppen des ehemaligen nationalen Blocs versammelt sind, einen größeren Einfluß innerhalb der Regierung zu gewähren, als er ihr durch die Anwesenheit Louis Marins im Pensionsministerium gesichert wird. Das Anfinnen, einem Mitglied der UDR.( Union démocratique républicaine), die von Marin geführt wird. das Arbeitsministerium anzuvertrauen, hat Poincaré ziemlich schroff abgelehnt. Die Wahl Louis Louceurs jum Nachfolger des bei dem Bohlen durchgefallenen Arbeitsministers Falliéres hat Dieser Ablehnung noch einen besonderen Charatter gegeben, da Loucheur zu jenen Großbourgeois" gehört, die sich einer be= fenderen Feindschaft im Lager der Rechten erfreuen und diesen felbst vom soziclen Standpunkt aus als einen hödyft unsicheren Rantonisten" betrachten irerden. Db Poincarés Un'ehen ge= infolgedessen entstandene Misstimmung zu überwinden, nügen wird, um die auf dem rechten Flügel seiner Mehrheit wird sich erst im Laufe der fommenden Wochen zeigen. Der erste Sontaft zwischen der Regierung und der Kammer, der sich auf die etwas außergewöhnliche Anwesenheit des ge= famten Rabinetts in der Eröffnungsfizung beschränkte, hat sich dadurch charakterisiert, daß es zu feinerlei Rundge bungen fam, die sich irgendwie als Ausdrud, sei es der Begeisterung der Alten", sei es der Dankbarkeit der„ Jungen", dem Regierungschef gegenüber bewerten laffen.
Diese Tatsache ist in den Wandelgängen der Ramuner viel rüdsichtsloser diskutiert worden als in der bürgerlichen Presse, die im allgemeinen Boincaré sehr ergeben ist.
,, Eine Kammer noll innerer Hemmungen, die fich sucht und die von ziemlichem Mißtrauen erfüllt ist, eine Kammer, die allerlei Ueberraschungen bringen fann und deren erftes Auftreten in nichts an den nationalen Enthusiasmus von 1919 oder an die aufgepeitschten republitanischen Leidenschaften von 1924 erinnert": also charatterisierte eines der bekanntesten Regierungsmitglieder das neue Barlament nach der Eröffnungsfißung, in der das von dem Alterspräsidenten Sibille den Berdiensten Boinarés gefungene Lob fast stillschweigend angehört wurde, ohne das der magere Höflichkeitsbeifall irgendwie den Charakter einer Rundgebung annahm.
Der tiefere Grund für diese zurüdhaltung der einen und der anderen liegt wohl in der Unsicherheit, die auf dem Gebiet des Franfen besteht. Wird Poincaré die Stabilisierung plöglich, etma gar noch vor dem 15. Juli, durchführen, wie es einige Auguren, die versichern, ganz besonders gut unterrichtet zu sein, behaupten? Und welches werden die wirtschaftlichen Folgen einer unter den gegenwärtigen Umständen und ungefähr zum gegenwärtigen Kurs durchgeführten herrschen die Gespräche zwischen den führenden Politikern aller Parteien.
Tariferhöhung der Reichsbahn abgelehnt Stabilisierung fein? Diele beiden wesentlichen Fragen be
Einstimmiger Beschluß des Rabinetts.
Die Don ber Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft beantragte er. gehöhung der Güter- und Perfonentarife wurde geftern vom Reichstabinett einstimmig abgelehnt. Die Reichsbahn hatte ihren Antrag damit begründet, daß die finfende Konjunktur auch die Einnahmen aus dem Gilter- und Personenverfehr verringern würde, fo daß die Summen für notwendige Neuinvestitionen nicht aus den erwarteten Ueberschüssen aufgebracht werden könnten. Der Reichs. perfehrsminister hat diese pessimistische Auffassung der Reichs bahnverwaltung von vornherein nicht geteilt und hat, wie der geftrige Beschluß der Regierung zeigt, das Rabinett auf seiner Seite.
Paris , 5. Juni. ( Eigenbericht.) Ministerpräsident Boincaré gab im Laufe des Ministerrats em Dienstag feinen Kollegen von dem Iegt der Regie.. rungserflärung Kenntnis, die er am Donnerstag in der Rammer zu verlesen beabsichtigt. Wie verlautet, fehlt tatsächlich in der Erklärung jede präzisierte Angabe über seine Absichten als Finanzminister in der Stabilisierungsfrage. Ein fahr breiter Raum ist dagegen Projekten sozialer Reformen und Blänen zum Ausbau der Verkehrsmittel des Landes gewidmet. Poincaré bird dagegen über die Absichten der Regierung in der Reparations und interalliierten Schuldenfrage Frankreichs nichts veriauten laffen. Auch der deutsch französischen Annäherung sind
Im übrigen hat sich die Reichsregierung bereit erklärt. den Antrag der Reichsbahn nochmals zu prüfen, fobald fich die Gesamteinnahmen des abgelaufenen Betriebsjahres übersehen ließen. Außerdem weift die Regierung auf den Weg der Krebit. beschaffung hin, wobei offensichtlich an den Berkauf von Vor zugsaktien der Reichsbahn gedacht ist. Die im Bufammenhang mit der bevorstehenden Kabinettsentscheidung aufgetauchten Gerüchte, daß der Reparationsagent Barter Gilbert sich für die Bewilligung der Tariferhöhung eingeseht habe, ist völlig aus der Luft gegriffen.
Herr
raiche Stabilisierung zu brängen, indem sie Die Bant von Frantretch scheint auf eine auf die steigende Papierfrankenmasse hinweist, die sie zu bruden gezwungen ist, dadurch, daß sie alle ausländischen Devisen auffaufen muß, um ein Steigen des Franken zu verhindern.( Soll doch allein in der letzten Woche die Bant von Frankreich für nicht meniger als eine Milliarde ausländischer Devisen getauft haben.) Poincaré , der noch in der Rede von Carcassonne , die er unmittelbar vor den Wahlen hielt, angekündigt hatte, daß er mindestens vier Jahre brauchen werde, um die Stabilisierung durchzuführen, scheint heute einer raschen Stabilisierung nicht mehr so ablehnend gegenüberzustehen. Dagegen machen fich innerhalb der Marin- Partei, bie ihren Anhängern fo etwas wie ein Bollrevalorisierung ver sprochen hatte, widerstände sowohl finanzieller als politischer Natur bemerkbar. Und das bildet wohl die größte Sorgenquelle für Poincaré an der Schwelle der neuen Legislaturperiode.
Die sozialistische Rammerfrattion, die in