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Morgenausgabe

Nr. 265

A 136

45.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

Donnerstag

7. Juni 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Die Sozialdemokratie wird führen.

Der Parteiausschuß billigt die Regierungsübernahme.

Köln  , 6. Juni.  ( Eigenbericht.)

Der sozialdemokratische Parteiausschuß nahm nach mehrstündiger Beratung folgende Entschließung an: In dem Ergebnis der Reichstagswahlen hat das Deutsche   Volk den Willen bekundet, daß die Sozial­demokratie die Führung bei der Regierungs­bildung übernimmt. Der Parteiausschuß erklärt fich damit einverstanden, daß die Fraktion die notwendigen Ber­handlungen hierfür einleite."

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Der Beschluß des Parteiausschusses schafft für die fom­menden Verhandlungen freie Bahn. Nach dem Organisati onsstatut hat er freilich nur die Bedeutung eines Gutachtens. Aber die Klarheit seines Wortlautes und die an Ein­mütigkeit grenzende Mehrheit, mit der seine Annahme erfolgte, zeigt deutlich den Willen der Partei. Es ift teinesfalls zu erwarten, daß die Reichstagsfraktion, ob mohl fie dazu selbstverständlich das Recht hat, eine von ber des Parteiausschusses abweichende Haltung einnehmen wird. Ebenso ist es gewiß, daß der von einigen Bezirken gewünschte außerordentliche Parteitag zu genau demselben Ergebnis ge­langen würde wie der Parteiausschuß. Darum wurde auch die Einberufung eines außerordentlichen Parteitages abgelehnt.

Der Kölner   Beschluß ist völlig eindeutig. Die Sozial demokratische Partei ist durch den Willen der Wähler weit an die Spitze aller Parteien gestellt worden. Sie ist mit thren 152 Mandaten der zweitstärksten Frattion, den Deutschnationalen, um mehr als das Doppelte überlegen. Sie hat auf diese Weise vom Bolte selbst den Auftrag erhalten, bei der Bildung einer neuen Regie. rung die Führung zu übernehmen, und der Beschluß des parteiausschusses fagt flar und knapp, daß sie diesen Auftrag annimmt.

Wenn die anderen Parteien, die bei der Bildung der neuen Regierung mitzumirten berufen sind, mit der gleichen Aufrichtigkeit und dem gleichen guten Willen an das Werk herangehen, so werden die Verhandlungen, die zu diesem 3wede notwendig sind, sehr rasch zum Erfolg führen. Auch darüber herrschte im Parteiausschuß so gut wie Einmütige teit, daß mit einem wochenlangen Hin- und Herzerren und mehr oder weniger verwachsenen Formulierungen dem Bolte wenig gedient ist. Sicherungen, Bindungen, Garantien, Ver­sprechungen bedeuten weniger als nichts, wenn nicht der gute Wille dahinter steht, sie auch zu halten. Was waren die berühmten Richtlinien für die Deutschnatio nalen, und was ist aus den Abmachungen der Bürgerblod parteien über das Reichsschulgefeß geworden? Solche Spuren schrecken. Die Sozialdemokratische Partei   ist sich Deffen bewußt, daß das Volk feine Regierungen nicht nach den Versprechungen beurteilt, die sie bet ihren Amtsantritt abgeben, sondern nach den Taten, mit denen sie sich zum Schluß ihrer Amtstätigkeit ausweisen können.

Die Presse aller Parteien hat erkannt, daß sich durch die Wahlen ein st arfer Rud nach links vollzogen hat. Dieser Rud nach links soll auch in der neuen Reichsregierung zum Ausdruck kommen, und zwar nicht nur in ihrer persön­lichen Zusammensetzung, sondern vor allem auch in ihrer fachlichen Arbeit. Daß die Sozialdemokratie an ihre neuen Aufgaben herangeht mit dem festen Willen, für die Masse des arbeitenden Boltes herauszuholen, was herauszuholen ist, ist selbstverständlich. Da auch die anderen Barteien, sowohl die in der Regierung be findlichen, als auch die der Oppofition ohne Wähler aus den breiten Maffen des werftätigen Boltes nicht existieren fön nen, wird es ihnen nicht leicht sein, sich der sozialdemokra

über, daß der Mahlausfall der Sozialdemokratie die Bere Pflichtung auferlegt, die Verantwortung für die Regierungs­bildung zu übernehmen.

tischen Initiative zu entziehen. Vielleicht erleben wir dabei| Aussprache über die politische Lage. Es herrschte Einmütigkeit dar­auch bald den Tag, an dem auch die Kommunisten vor der Wahl stehen, entweder für bestimmte Re­gierungsvorlagen zu stimmen, oder aber sich vor ihren eige­nen Wählern gründlich lächerlich zu machen. Denn auch ihre Wähler müssen begreifen, daß praktische Erfolge mehr wert find als ein ganzer Sad voll großartiger Redensarten.

Die Wähler haben der Sozialdemokratischen Partei den Weg gewiesen. Sie ist entschlossen, ihn zu gehen, obwohl sie die Schwierigkeiten und Gefahren, die auf ihm liegen, sehr genau fennt. Sie wird nicht vergeffen, daß in der Begeiste­rung für ihre großen Ziele, von denen sie feines preisgibt, die. Wurzel ihrer Kraft liegt. Sie wird nicht vergessen, in mühevoller, verantwortlicher Tages arbeit diesen Zielen näher zu kommen. Sie wird auch nicht vergessen, daß auch wieder einmal ein Tag tommt, an dem das Bolt zwischen ihr und ben anderen zu entscheiden hat.

Die Haltung der Volkspartei.

Der Parteivorstand der Boltspaartei trat am Mitt och zu einer Sigung unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Remptes zusammen. Auf Grund der Berichte der beiden bis herigen Fraktionsvorsitzenden im Reichstag und im Preußischen Land­tag. Dr. Scholz und Dr. v. Campe, erfolgte eine eingehende

Die Frattionen der Bolkspartei im Reichstag und im Breußischen Landtag treten am nächsten Mittwoch zu einer gemeinsamen Sigung zusammen, um zu der weiteren Entwicklung der Dinge Stellung zu

nehmen.

Die erste Reichstagsfihung.

Amtlich wird mitgeteilt:

neugewählte Reichstag berufen, am Mittwoch, dem 13. Juni Auf Grund der Art. 23 and 27 der Reichsverfaffung wird der 1928, nachmittags 3 Uhr, zufammenzutreten.

Zum Zusammentritt des Landtages.

Das preußische Rabinett wird am Freitag vormittag vor dem Beginn der Landtagssigung zusammentreten, um über die politische Lage zu beraten.

Im Landtag wirb Ministerpräsident Braun an einem der erften Tage nach Eröffnung eine längere Ertlärung abgeben. Db das schon am Sonnabend ober erst in der folgenden Woche ge fchehen wird, steht noch nicht fest.

Bei der Wahl des Präsidiums, die voraussichtlich am Sonnabend stattfinden wird, ist damit zu rechnen, daß die Rom  = munisten ihrer Stärte entsprechend Anspruch auf den Bosten des dritten Bizepräsidenten erheben werben. Das Haus wird durch Ab­ftimmung über diesen Anspruch zu entscheiben haben.

Linksmehrheit in Paris  ?

Der Widerhall der Präsidiumwahlen.

Paris  ,& Juni.  ( Elgenbericht.)

Die Wiederwahl des sozialistischen   Abgeordneten Fernand Bouiffon zum Kammerpräsidenten wird von der gesamten Deffentlichkeit als ein erster Erfolg der Linken in der neuen Kammer gewertet. Die gesamte Vorstandswahl hat jedenfalls den Beweis erbracht, daß troh der Wahlerfolge der Gruppe Marin in der neuen Kammer teine reattionäre Mehrheit zu finden ft. Die Niederlage der Rechten wurde im ersten Augenblid als so entscheidend angesehen, daß fich fogar das Gerücht einer Demiffion des Penfionsminiffers marin verbreifen fonnte.

Der Führer der Radikalen Partel Daladier versucht heute, den ersten Linksfieg in der neuen Kammer praffisch auszunuhen. In einem Preffeinterview erklärte er, wenn sich jetzt die So­3ialisten berelt fänden, zufammen mit den bürgerlichen Links­parfelen eine Regierung zu bilden, dann würde sich in diefer Kammer unbedingt eine republikanische Mehrheit herausbilden, die zwar siffernmäßig nicht allzu start, aber immerhin für die praktische Ur­belt start genug sel

Drei weitere Niederlagen der Rechten.

Paris  , 6. Junt. ber erforderlichen Stich wahlen drei weitere Mitglieder bes In Berlauf der heutigen Sommerfihung find in Erledigung Bureaus gewählt worden. Sum vierten Bizepräsidenten wurde der Linksrepublikaner der Linksrepublikaner Abgeordneter Flandin mit 262 Stimmen gewählt, während der der Fraktion Maginot ange­Quäftor wurde ein Mitglied der Fraktion der Radikalen Linken hörende Abgeordnete Barby   nur 247 Stimmen erhielt. Zum gegen ein Mitglied der Gruppe Marin gewählt, und zum Sekretär ein Sozialrepublikaner ebenfalls gegen ein Mitglied der Gruppe Marin. Die Wahl hat also den Rechtsfraktionen miederum eine Riederlage gebracht.

Rampf um die Freilaffung Ridlins und Rossés.

Paris  , 6. Juni.  ( Eigenbericht.)

Die elfäffifchen Abgeordneten unternahmen am Mittwoch vormittag eine Demarche bei Poincaré, um ihn zu veranlassen, bei der Berhandlung des Antrags des Abgeordneten Walther bezüglich der Freilassung der elfässischen Abgeordneten

Ridlin and Rosie die Berttagensfrage nicht zu ftellen. Diesem Verlangen wurde von Poincaré nicht ent­( prochen. In politischen Kreisen erklärt man, die Regierung fönne in jedem Fall erft eingreifen, wenn das Gericht über den Berufungs. antrag von Roffe und Rialin entschieden habe. Der Antrag Walther wird nun am Donnerstag in der Kammer verhandelt werden. Man rechnet damit, daß fich für ihn etwa 170 Stimmen zusammenfinden

Bor der Stabilisierung!

Paris  , 6. Juni.  ( Eigenbericht.) Der Kampf um die Stabilisierung des Franten nimmt in der Barijer Deffentlichkeit immer schärfere For= Die geftrige Erflärung Poincarés im Senat,

men an.

daß man lieber heute als morgen ftabilisieren sollte, wird

Don der Mehrzahl der heutigen Morgenblätter dahin interpretiert, als habe Poincaré damit die bevorstehende Stabilisierung angekündigt. Die Stimmungsmache in der Breffe, die augenscheinlich Don den Wirtschaftstreifen beeinflußt wird, ist darauf eingestellt, fünftlich den Eindruck zu schaffen, als sei die Stabilisierung im Prinzip beschlossen und als handle es sich nur noch darum, stabilisiert würde. zu wissen, ob noch in diefer Woche oder erst im nächsten Monat

Sanierungsplan, ber von der Bant von Frankreich   und dem Finanz ministerium gemeinsam ausgearbeitet worden sei, mun die endgültige Ausgabe der Daily Mail behauptet fogar, daß morgen oder Liquidation des Währungsproblems vor der Türe stehe. Die Pariser  übermorgen eine außerordentliche Nachtfigung in der Kammer stat­finde und dabei das Stabilisierungsgefeg beschlossen werbe. Genosse

Selbst ber Bettt Parisien" erflärt heute, daß nach dem

Leon Blum   tritt heute im Populaire" ebenfalls aufs ent­schiedenste für die fofortige Stabilisierung ein, ab wohl er dabei betont, daß diese Stabilisierung nicht nach dem Wunsche der Sozialistischen Partei sei. Heute sei es aber zu spät, etwas anderes zu tun. Die Gelegenheit zur Erhebung einer quße ordentlichen Rapitalsabgabe fei nerpaßt und es sei deshalb un möglich, gleichzeitig mit der Stabilisierung auch das Problem der inneren Staatsschulden zu liquibieren. Damit werde also die Stabili fierung einzig und allein auf dem Rüden ber arbeitenden Bevölkerung gemacht.