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Nr. 267 45. Jahrgang

± Beilage des Vorwärts

Freitag, S. Inn» 1928

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Man nehme Reis...

Ernte auf dem feuchten Reisfeld.

Ein Nahrungsmittel, das von nahezu der Hälft« aller Menschen als hwiptsachlichste Quelle zur Befriedigung des Ernährungsbedllrf. nisses angesehen wird, muß seine großen Vorzüge hoben. In der Tat ist der Reis um dies« auch bei un» populär geworden« Speise handelt es sich hinsichtlich des Nährwertes auf höchster Stufe unter den kohlehydratereichen Lebensmitteln stehend: in 100 Gramm sind bei einem Gesamtnährwert von 83,01 Gramm an Kohlehydrate 76,23 Gramm vorhanden. Da diese Menge 343 Kalorien enthält, so stellt sich der Preis für den Tagesbe- darf von 2000 Kalorien auf durchschnittlich 26 Pf. Man sieht hieraus, daß der von Reis lebende Zlstate ein Minimum zur Aufrecht er Haltung seines Daseins gebraucht. Da also der Reis eine Reihe der für die Speisung der Menschen wichtigen und zu- träglichen Bestandteile enthält, durste er auf der Ausstellung.Er- nährung- nicht fehlen, und die von den Hamburg -Bremer Reis- wühlen aufgebaute, unseren Lesern bereits im Bild« bekanntge- wordeneReispagode" nebst Reiskochherd und Probiertisch übt auf alt und jung eine starke Anziehungskraft aus. Wo Reis gebaut wird. Seit 5000 Iahren in China heimisch, hat der Reis sich die für sein Wachstum so geeigneten Länder de» östlichen und südlichen Asiens frühzeitig erobert: in Europa ist er erst durch die Züge Alexander des Großen bekanntgeworden: damals wurden auch in Mesopotamien Reisfelder angelegt. Später brachten die Araber die Kultur an den Nil und nach Spanien : Jahrhunderte darauf folgt die norditalienische Ebene und vom Beginn des 18. Jahrhundert» an auch Nord- und Südamerika. Mit Ausnahme von Australien hat sich somit der Reis in ollen Erdteilen helmisch gemacht. Aber wenn es auch einen.Bergreis- gibt, der im Himalaja in ziemlicher Höhe noä) zufriedenstellende Erträge gibt, so haben doch Versuche, im nördlichen Europa , u. a. in England, Reis anzubauen, zu keinem Resultat geführt. vas beistand, das 30 Millionen Tonnen erzeugt und restlos für sich gebraucht dann aber die für den Export wichtigen Länder: Britisch- Indien tZS Millionen Tonnen), Japan , Korea , Formosa <l0lh Millionen Tonnen), Niederländtsch-Indien Mit-

lionen Tonnen), Lndo-China(3� Millionen Tonnen), Siam (2)6 Millionen Tonnen). Mit% Million Tonnen folgen die Der» einigten Staaten, die Philippinen und Madagaskar , Aegypten und Italien haben 3)6 Millionen, Brasilien 2)6 Millionen Tonnen. Don den kleineren Produktionsgebieten fei noch Spanien genannt: es erzielt 150 000 Tonnen trestlichen Reis, der natürlich im Lande oer- zehrt wird. Die Weltproduktion an Reis kann auf die stattliche Summe von 100 Millionen Tonnen, i 20 Zentner geschätzt, werden. Saat und Ernte. Der Reis gebraucht einen feuchten Boden, der eventuell durch künstlich« Bewässerung geschaffen werden muß, was namentlich in Japan , China und Java zu sehr ausgedehnten Anlagen geführt hat: er verlangt ferner«ine Sommertemperatur von 20 Grad und b«- darf im Durchschnitt zu seiner Entwicklung fünf bi» sechs Monat«. Cr wird in der Zeit vom Frühjahr bis Sommer gesät und von September an geerntet. Als Saatgut rech- net man 80 bis 150 Kilogramm pro Hektar: die Saatkörner werden entweder breitwürfig dem feuchten Boden anvertraut oder erst auf

Der Reis wird gedroschen.

einem Snatbeet ausgelegt. Nach fünf bis sechs Wochen sind die Sämlinge verfatzfähig diese mühseligere Kultur ist aber die er- trogreichere, da alle Arbeiten der Reinhaltung des Bodens und der Ernte sich pereinfachen. Es gibt nun verschiedene Reicsorten, die in der Vegationsdauer sehr variieren. In Bengal wie in Burma kennt man drei Sorten: im ersten Lande wird derAus" April- Mai gesät und August-Seplrmber gcerntet: dies ist d-r Frühherbst­reis, dann folgt derAmen"(Wintcrreic) und derBoro"(Herbst- reis). In Burma gibt es eine SorteKaukoia", die zu ihrer Reife nur 60 bis 90 T a g e gebraucht, so daß man sie noch im August aiixsät und im November«erntet. Die anderen Sorten wie Kaukgyi" undKauklaty" gebrauchen 120 bis 150 Tage. Nach der Ernte wird aus den Rispen die Frucht aus primitive Weise, durch Dreschen, Austreten, gewonnen. Dieser rohe Reis wird dann in Europa auf Reismühlen enthülst, geschält und schließ- lich poliert. Die beim Schälen abfallende Kleie ist als R c i s s u t t e r- m e h l wertvolles Tierfuttsr, da die in den äußeren Schichten gc- lagerten Einweißstoffe beim Schälen i» die Kleie kommen. Deutschlands Reiseinfnhr lann mit rund 400 000 Tonnen an­gesetzt werden(1924 451837 Tonnen, 1927 343 571 Tonnen). Da- von geht jedoch«ine Aussuhr ab, die insofern sehr erfreulich ist, als sie durch den Veredelungsprozcß einen Wertzuwachs darstellt. Diese Aussuhr betrug 1927 133 178 Tonnen und ein Blick auf die Länder, die von Deutschland beziehen, zeigt die Wert- fchätzung dieser Arbeit. Hauptabnehmer ist die Tschechoslowakei (303 000 Doppelzentner), dann folgen Portugal (163 000 Doppel- zentner), Kolumbien (154 000 Doppelzentner) und Finnland <131 009 Doppelzentner). Oesterreich, Schweden , Norwegen , Lettland , Däne- mark und andere europäische Länder fehlen nicht, aber überraschend ist jedenfalls der Export nach Britifch-Westafrika , Liberia , Venezuela und anderen exotischen Ländern. Die nach Ausfuhr und Abfall übrig bleibende Mass« beträgt 120 000 Tonnen. Dies ergibt einen Jahreskonjum vonzwci Kilogramm pro Kopf in Deutschland . Leider stehen wir in diesem Verbrauch an sehr tiefer Stelle: England hat drei Kilogramm, Holland schon sieben Kilogramm, Portugal neun Kilo- gramm. Daß Italien und Spanien zwölf resp. dreizehn Kilogramm verbrauchen, hängt mit der Eigenproduktion dieser Länder zu- sammen. Wenn auch das Kochen von Reis nicht gerade«ine Kunst ist, so mus doch ein« Kenntnis der Bereitung erworben werden, falls man wirklich eine schmackhafte Speise herstellen will, die nicht durch über- mäßiges Kochen klebrig und pappig wird. Die kofteniofe Ausgabe von Bereiwngevorschriften auf der Ausstellung bietet für unsere Hausfrauen eine gute Gelegenheit, dies« Kenntnisse zu erwerben.

Lteberin'ebene Gerüchte. Keine Massenfleischvergiftungen in Spandau . Da» Hauptgesundheitsamt der Stadt Berlin teilt mit: Di« von einer nichtamtlichen Stelle verbreitete Meldung über angeblich 46 Fleischvergiftungsfälle im Bezirk Spandau ist unrichtig. Richtig ist, daß vor einigen Togen im Krankenhaus Spandau zwei Fälle behandelt wurden: die Er- krankten sind bereits entlasten. Ebenso sind heute morgen zwei Personen eingeliefert. Ob tatsächlich Fleischvergiftung vorliegt, steht noch dahin. Vorläufig kein Einheitsdroschkentarif. Bor einigen Tagen hat aus Grund der Eingabe, die die Arbeits- gcmeiixschaft der Berliner Droschke»besitzer an das Polizeipräsidium gemacht hat, bereits eine Sitzung statlgefunden, auf der ein Verhandlungsmodus für einen neuen Droschken- t a r i f gesucht wurde. Wie wir dazu erfahren, ist vorläufig keine weiter« Besprechung anberaumt worden. Das Polizeipräfi- d i u m hat sich von den Untertagen, die die Arbeitsgemeinschaft ein­gereicht hat, bisher noch nicht davon überzeugen lasten können, daß die neuen Forderungen der Arbeitsgemeinschaft eine S a- nierung des Droschkengcwerbes bedeuten.

Jade London : W vlfsblUt. Wenn Mitsah dem Gespann Halt gebot, so gehorchte Wolfsblut zuerst. Das verursachte anfangs große Aufregung unter den Hunden. Alle wollten auf den verhaßten Leithund losspringen: aber das Blättchen wendete sich, denn hinter ihnen staiid Mitsah, und die große Peitsche pfiff in seiner Hand. So lernten die Hunde verstehen, daß sie, wenn das Gespann auf Befehl anhielt. Wolfsblut zufrieden lassen mußten. Aber wenn er nicht auf Befehl stehen blieb, dann durften sie auf ihn losstürzen, und ihm den Garaus machen, wenn sie es konnten. Nach mehreren solchen Erfahrungen blieb Wolfsblut nie mehr ohne Befehl stehen. Er lernte schnell, denn es lag in der Natur der Dinge, daß er es mußte, sollte er unter den ungewöhnlich schweren Lebensbedingungen, die ihm geworden waren, am Leben bleiben. Allein die Hunde lernten es nie. ihn im Lager zufrieden zu lassen. An jedem Tage, wenn sie ihn wütend angriffen und verfolgten, war die Lektion des vorhergehenden vergessen und wurde von neuem gelernt, um sogleich wieder vergessen zu werden. Auch waren für ihre Abneigung gegen ihn noch tiefere Gründe vorhanden. Sie witterten in ihm eine Der- fchiedenartigkeit. was an und für sich schon ein hinreichender Grund zur Feindschaft ist. Wie er waren sie gezähmte Wölfe, aber sie waren das schon seit vielen Generationen gewesen. Vieles, was aus der Wildnis stammte, hatte sich bei ihnen verloren, so daß die Wildnis für sie das Unbekannte und Schreckliche, das Drohende und Feindselige war. Aber an ihm klebte das noch in der Erscheinung und in seinein Tun und Treiben. Er war die Verkörperung der Wildnis, so daß. wenn sie ihm die Zähne wiesen, sie sich gegen die Mächte der Zerstörung verteidigten, die im Schatten der Wälder und hinter den Lagerfeuern im Dunkel lauerten. Eines aber lernten die Hunde bald, nämlich, daß sie zusammen» halten müßten. Für den einzelnen war Wolfsblut ein zu schrecklicher Gegner. Sie traten ihm nur in Hausen gegen» über, sonst hätte er sie einzeln in einer Nacht umgebracht. So ober konnte er ihnen nicht beikommen. Er mochte woist einen umwerfen, ober dann stürzten die anderen über ihn her, be» vor er den tödlichen Biß oersetzen tonnte. Beim ersten An- zeichen eines Zusammenstoßes liefen gleich alle herbei und boten ihm Trotz. Zwar zankten die Hund« unter sich auch.

aber alles war vergessen, sobald es sich um einen Streit mit Wolfsblut handelte. Andererseits konnten sie jedoch ihm nichts anhaben. Er war zu flink, zu stark, zu klug für sie. Er kam in keine Klemme und verhinderte es, daß sie ihn ringsum einschlössen. Auch gelang es keinem Hunde, ihn niederzuwerfen. Seine Füße stemmten sich mit derselben Zähigkeit gegen die Erde, mit der er sich ans Leben festklammerte. Auf den Füßen bleiben und leben, das war in dem ewigen Kampfe mit den andern von gleicher Bedeutung für ihn, und niemand wußte da» besser als er. So wurde er der Feind seiner Gattung, der gezähmten Wölfe, die bei den Feuerstätten der Menschen einen Teil ihrer Wildheit abgelegt hatten und unter ihrem Schutze verweich» licht waren. Wolfsblut war verbittert und unversöhnlich, das war die Form, die der Lehm, aus dem er geknetet war, an» genommen hatte, und er hatte allen Hunden den Krieg bis aufs Messer erklärt und führte das so schrecklich aus, daß selbst der Graue Biber, der doch auch nur ein Wilder war. über sein« Wildheit sich verwunderte. Nie. beteuerte er mit einem Fluche. hätte es vordem einen solchen Hund gegeben, und die Indianer in den fremden Dörfern fluchten auch, wenn sie die Zahl seiner Opfer unter ihren Hunden zusammenzählten. Als Wolfsblut fast fünf Jahre alt war. nahm ihn der Graue Biber abermals auf eine weite Fahrt mit, und lange erinnerte man sich der Metzeleien, die er unter den Hunden in den zahlreichen Dörfern am Mackenzie, im Felsengebirge, am Porcupineflusse und bis zum Jukon hin angerichtet hatte. Es war ihm eine Wollust, sich an gewöhnlichen, harmlosen Hunden zu rächen. Sie waren auf seine Behendigkeit und Raschheit, auf einen Angriff ohne Warnung, nicht gefaßt. Sie gingen mit gesträubtem Haar und steifen Beinen ihm entgegen und forderten ihn heraus, während er mit solchem Brimborium keine Zeit verlor, sondern wie eine Sprungfeder losschnellte, sie am Halse packte und umbrachte, bevor sie sich von ihrer Ueberraschung erholt hatten. Er wurde ein echtcr Preisfechter, er verschwendete seine Kraft nie und balgte sia> nie. Rasch im Angriff und ver- fehlte er den, ebcmo rash im Rückzug besaß er in hohem Grade die Abneigung des Wolfes. Leib an Leib zu kämpfen. Er konnte eine längere Berührung seines Körpers mit einem andern nicht ertragen: das machte ihn toll. Er mußte frei dastehen, auf den eigenen Füßen, ohne daß ein lebendes Wesen ihn berührt«. Das war noch die Wildnis, die sich in

ihm behauptete, und dies Gefühl war durch das Leben, das er in der Jugend als Ausgestoßener geführt hatte, noch ver- stärkt worden. In der Berührung lauerte Gefahr; sie war eine Falle, und die Furcht davor war seinem Wesen tief ein- Seimpft. Die Folge war, daß fremde Hunde ihm nichts an- aben konnten. Er wich ihren Zähnen aus. Er besiegte sie oder machte sich aus dem Staube und blieb in jedem Falle unverletzt. Natürlich kam es auch vor, daß mehrere Hunde zusammen über ihn herfielen, bevor er weglaufen konnte, oder daß ein einzelner ihm tiefe Wunden beibrachte, allein das war eine Ausnahme. In der Regel war er so geschickt, daß er unverletzt davonkam. Er befaß den großen Vorteil, Zeit und Entfernung richtig abzumessen. Das geschah- unbewußt und ganz mecha- nisch. Seine Äugen sahen richtig, und seine Nerven ver- mtttelten das Gesehene ebenso richtig dem Gehirn. All seine Anlagen waren feiner und besser als die des gewöhnlichen Hundes: alles ging glatter und ruhiger bei ihm vonstatten. Nerven, Hirn und Muskeln arbeiteten besser zusammen. Wenn die Augen dem Gehirn das Bild einer Handlung über- brachten, so wußte dieses ohne bewußte Anstrengung, welcher Zeitraum zur Vollendung derselben erforderlich wäre. So konnte er den Sprung oder den Biß eines Hundes ver- meiden, und zugleich die unendlich kleine Spanne Zeit sick) ausersehen, in der er selber angreifen konnte. Körper und Gehirn waren bei ihm ein vollkommener Mechanismus. Nicht daß ihm dafür Lob gebührt hätte, aber die Natur war ihm gegenüber freigebiger als gegen die andern gewesen. Es war Sommer, als Wolfsblut in Fort Dukon ankam. Der Graue Biber hatte im Winter vorher die große Wasser- scheide zwischen dem Mackenzie und dem Dukon überschritten und den Frühling über in den Ausläufern des Felsengebirge» gejagt. Dann hatte er. als das Eis geschmolzen war. ein Boot gebaut und war den Porcupinefluß hinabgerudert bis dahin, wo er sich gerade unter dem Polarkreise mit dem Buton vereinigt. Hier stand da» alte Fort der Hudsonboy- Gesellschaft, und hier hatten sich viele Indianer versammelt. es gab eine Menge Nahrungsmittel, und es herrschte eine ungeheure Aufregung. Es war der Sommer des Jahres 18S8, und Tausende von Goldsuchern zogen den Bukon hinauf nach Dawson und Klondike. Sie waren noch Hunderte von Meilen von ihrem Ziele entfernt, dennoch waren viele schon ein Jahr lang unterwecjs gewesen, und die meisten hatten bereits fünftausend englische Meilen zurückgelegt und waren von der andern Seite der Welt gekommen. ..(Fortsetzung folgt.) j