Sonntag
10. Juni 1928
Unterhaltung und Wissen
Jan Polat zieht aus.
Bon Stephan Lipinski.
In meiner Heimat, dem Dorfe Podlasie( wörtlich übersetzt: Hinter dem Walde), im damaligen Russisch- Polen, gab es 14 Bauern. Darunter waren vier, die drei und vier Pferde hatten. Der Rest maren nur ganz fleine Bauern von ein bis zwei Pferden. Mein Bater hatte ein Pferd, drei Stück Rindvich, vier Schweine und eine Anzahl Gänse und Hühner. Außer Vater und Mutter waren vier oder sechs Geschwister im Hause. Nun ist es für einen Kleinbauern niemals gut, wenn die Anzahl der Familienmitglieder ebenso groß oder gar noch größer ist als die Zahl der vierbeinigen Haustiere. Und wenn auch jeder von uns von frühester Jugend an hart mitarbeiten mußte, so war doch ständiger Mangel im Hause Auch die gelegentliche Beschäftigung auf diefem oder jenem der umliegenden Güter brachte nur sehr wenig ein, weil die gnädigen Herren außer dem Effen nur etwas Getreide und einige Kopeken den Tag zahlten.
Da kommt an einem Winterabend, ich weiß es noch wie heute, der alte Gustomski zu uns ins Haus. Die blaue, schlappe Tuchmüze mit dem lackierten Lederschirm hatte er weit im Genid fizzen, und dazu roch er so schön nach Schnaps. Der alte Gustomsti war ein Mann, der in die Welt paßte Er hatte den russisch - japanischen Krieg als Unteroffizier mitgemacht und trug einen Orden. Und auch in Deutschland war er schon gewesen. Auf Jahrmärkten und Ablässen handelte er in seiner Bude mit Zwirn und Schlachtenbildern, Rosenfränzen und Mundharmonikas und noch vielen anderen nützlichen Dingen. Sonst zog er sozusagen mit einer Filiale seines Hauptgeschäfts auf dem Budel von Dorf zu Dorf und von Haus zu Haus. Ueberall war Vater Gustomski gern gesehen.
Aber nicht nur deswegen war er so beliebt, nein auch aus einem anderen Grunde. Er vermittelte nämlich Arbeitsstellen nach Deutsch = land. Und wenn dann im Epätherbst die Burschen und Mädels mit vollen Taschen singend aus der deutschen Fremde zurückkehrten, dann erntete auch Bater Gustomsti. Nicht immer, ganz gewiß nicht. Oft= mals tam es vor, daß ihm ein oder mehrere Burschen oder auch Mädels zernige Borwürfe machten.
Bloß auf den Gütern durfte sich Bater Gustomsti nicht sehen laffen, meil er da schon so manchen Knecht und manches Mädchen meggeholt hatte. Also an jenem Abend, da brachte Bater Gustomski nach diesem und jenem, und nachdem er meinen älteren Bruder und mich, der ich der zweitältere und schon ein stämmiger Bengel von 18. Jahren war, ein paarmal abschäzend betrachtet hatte, auch die Rede auf die Wanderarbeit in Deutschland und daß für junge Burschen dort in den nächsten Jahren viel Geld zu verdienen sei. Bater Gustoms, der merkte, daß er hier leicht gewonnenes Spiel hate, 30g mit fröhlichem Schmunzeln ein Fläschchen aus der Tasche. Zur Gesundheit, mein lieber Wladet," sagte er zu meinem Boter gewendet und nahm einen träftigen Schluck. Trink mit Gott," sagte mein Vater, der bisher etwas trübfinnig dreingeschaut hatte, nun aber beim Anblick der Flasche über das ganze Gesicht strahlte. Nun machte die Flasche bei uns allen die Runde. Nach einigem Hin und Her einigte sich dann mein Bater mit dem alten Gustomsti, daß ich kommendes Frühjahr mitgehen sollte Dafür jollten bei meiner Rückkehr im Herbst an Vater Gustomski drei Rubel Fezahlt werden. Meinen älteren Bruder wollte der Vater nicht fortschicken, weil der förperlich etwas zurückgeblieben war.
Unter verschiedenen Borbereitungen, von denen mir nicht alle angenehm waren, war endlich der Tag der Abreise angebrochen. Schnell war ich auf den Wagen geklettert und ließ mir mein Bündel hinaufreichen. Fort im Trabe ging es. Der alte Jankowski futschierte. Es maren außer dem Kutscher acht Bersonen auf dem Wagen und zwei Tage follte die Fahrt bis zur Bahnstation dauern Wir waren kaum eine Stunde auf dem helprigen Landwege gefahren, als uns plötzlich Salt" zugerufen wurde. Dies geschah aber mit so fläglicher und hittender Etimme, daß wir uns nach dem ersten Schrecken sehr schnell beruhigten. Gleichzeitig fam, mit einem Bündel beladen, ein junger Mensch aus dem Gebüsch gekrochen, der uns um Jesu Christi willen bat. ihn mitzunehmen. Auf unsere Fragen erzählte er, daß er von seinem Gutsherrn, der hier in der Nachbarschaft megen seiner Brutalität berüchtigt war, wegen eines geringen Versehens so furchtbar gezüchtigt worden war, daß er den Entschluß gefaßt habe, auszuwandern, ganz gleich wohin. Tränenden Auges bat er uns, ihn doch zur Bahnstation mitzunehmen, da er sonst unfehlbar von den Leuten des Gutsbefizers ergriffen und zurückgebracht würde. ,, Das fann für mich eine böse Suppe werden, mein Sohn, wenn fic dich hier bei mir auf dem Wagen erwischen. Du weißt ganz genau, was mir alles dabei passieren kann."
,, Da wärst du ja schön dumm," fuhr hier der spignafige Bzorka mit scharfer Stimme dazwischen. Hier jeden Wegelagerer auf den Wagen zu nehmen und dann vielleicht noch dafür nach Sibirien zu gehen. Wer weiß, was der Lümmel alles ausgefressen hat. Grad mie ein rechter Räuber schaut er aus und gar nicht wie ein gutgläubiger Christ. Fahr man zu, Jankowski, damit wir weiter fommen."
,, Ach, halt die Schnauze!" fuhr ihn jetzt Josef Napierak an. Und zu dem Flüchtling sagte er:„ Eteig nur ruhig ein. Bäterchen Janfomiti erlaubt es schon."
Der alte Jankowski brummelte zwar immer noch etwas vor sich hin, duldete es aber, daß der Knecht auf den Wagen kletterte.
In den Nachmittagsstunden des zweiten Tages erreichten wir die Stadt und damit auch die Bahnstation, die ja unser erstes Ziel mar. Ich hatte bis dahin in meinem Leben noch feine Stadt ge= sehen und auch noch keine Eisenbahn. Was mich am meisten verwunderte, waren die vielen Menschen, die in den Straßen umhergingen und herumstanden und nichts taten, trotzdem kein Feiertag uns auch fein Sonntag war. Und dann hatten die meisten Häuser Ziegeldächer. und nur vereinzelt sah man ein Strohdach. Leider fonnten wir uns in der Stadt nicht näher umsehen, weil es hieß, wir müßten gleich zum Bahnhof, der Zug füme gleich. Als wir auf dem Bahnhof antamen, war ich sehr enttäuscht, da stand nichts weiter als ein kleines rotes Häuschen, das noch einmal so groß wie ein Bauernhaus mar. Was mir allerdings wieder sehr merkwürdig vorfam, das waren die eisernen Stangen, die zu zwei oder drei Boaren nebeneinanderlaufend sich in der weiteren Entfernung ineinander zu verknoten schienen. Ich lehnte mich an den Holzschuppen und betrachtete die Eisenschienen.
Da hörte ich plötzlich von der anderen Seite des Schuppens die gedämpfte Stimme Bäterchen Gustomstis: Fürchte doch Gott, Franet, du wirst doch an mir als ehrlicher Chrift handeln und mich nicht betrügen wollen. Einen Rubel haben mir auf den Kopf aus. gemacht, und du millst jetzt bloß 75 Ropeten zahlen."
Ja, meißt du, bei der Rolonne find eine ganze Menge, von
Die Stadt im Urwald.
Reisebilder aus Südamerika von Mar Winter.
Die Stadt im Urwald, so müßte man eigentlich die herrlichste Stadt der Belt nennen: Rio de Janeiro . Anfang März beginnt auch in der Hauptstadt Brasiliens die Hitze erträglich zu werden, zumal wenn man Gelegenheit hat, seinen Leib Morgen für Morgen von den Wellen des Ozeans umbranden zu lassen, die wenigstens um 6 Uhr morgens noch Kühlung bieten. Da tut sich vor dem Beschauer auch immer wieder von neuem das Wunder dieser Stadt auf, die vom Meere weg geradenwegs ansteigt zu den dunklen Waldbergen ringsum, bis sie sich in ihnen verliert, bis sich die Stadt mit ihren letzten Ausläufern in den Urwald flüchtet. Wo immer man vom Strand aus in die Höhe strebt, überall tut sich das Urwaldwunder auf, mit seinem undurchdringlichen Dunkel, mit seinen tausend leuchtenden Farben, mit seiner Blütenpracht, mit den gaufelnden blau- und weißseidenen Faltern, den vielbegehrten Morphos, mit seinen großen und seltsamen Käfern, mit dem vielen Kleingetier, das Schreckformen und Schreckfarben hat, um sich zu schützen, mit dem nicht auszuschöpfenden Farbenreichtum der Blätter, Blüten und all anderem Lebenden um uns herum bis zu den Baratten, den hier daumengroßen und ganz plattgedrückten Schaben, die wie ihre viel fleineren deutschen Schwestern, die Küchenschaben, auch das Dunkel vorziehen und die, in der Farbe ganz dem Moder angepaßt, unter der Rinde gefallener Baumriesen zu finden sind. Und die Eidechsen, die Frösche, die Schlangen. Diese bekommt man recht selten zu Gesicht. Auf etwa zehn Urwaldwanderungen freilich in Urwäldern in der Nähe von Städten sah ich nur zweimal Schlangen, und beidemal mendeten sie sich so rasch vor dem Menschen zur Flucht, daß ich Mühe hatte, sie zu sehen.
-
Zunächst tauchst du in der Stadt unter, mit ihren großen eleganten Straßen, mit der Avenida Rio Branco vor allem, die Tag und Nacht von weltstädtischem Leben beherrscht wird, mit ihrer Küstenstraße, deren einzelne Teile miteinander wetteifern, und den Wohnvierteln der vielen Reichen, die dahinter liegen. Dann aber drängt es dich hinaus an die oft sehr weit abliegende Stadtgrenze, die nicht selten erst in ein- oder anderthalbstündiger Fahrt mit der Bahn, Straßenbahn oder Autobus erreichbar ist. Einmal fuhren wir zwanzig Minuten mit dem Expreßzug, dann eine halbe Stunde mit dem„ Bond", wie wegen der seinerzeit bei der Gründung ausgegebenen Bonds die Straßenbahn allgemein in Rio de Janeiro heißt, dann liefen wir noch eine halbe Stunde zu Fuß und als wir dann endlich einen großen Blumen- und Orchideengarten, unser Ziel, erreicht hatten, erfuhren wir von dem österreichischen Obergärtner Rien 3 l, daß wir noch immer nicht am Ende der Stadt seien. Diese gewaltige Ausdehnung dankt die Stadt dem Umstand, daß fast alle Einwohner in Einfamilienhäusern wohnen. Und Rio de Janeiro hat mehr als eine Million Einwohne:.
Die Straßenbahn im Urwald.
Ein andermal machten wir Don dem herrlichen Ausfichtsberg Corcovado aus, de:, 700 Meter hoch, der Stadt vorgelagert und bis weit hinauf Don Villen im Urwald besiedelt ist, einen fünfstündigen Spaziergang auf einem Waldweg, zuerst einem Fußsteig bergan folgend, einer sogenannten Pikade, dann aber einer fünftigen Straßenbahnlinie, die von einer französischen Gesellschaft mitten in den Urwald gelegt wurde, aber nie in Betrieb gekommen ist, weil die englische Straßenbahngesell: schaft mit ihrem Einspruch bei Gericht obsiegte, daß sie allein das Recht habe, für Rio de Janeiro Straßenbahnlinien zu betreiben. So bleibt diese Bahn, deren Trasse wir drei Stunden bergab folgten, ohne daß uns auch nur ein Mensch begegnet märe, eine Zukunftshoffnung. Ganz an ihrem Beginn stehen längs ihrer Strecke schon Villen. Die rasa wachsende Stadt drängt weiter und über furz oder lang wird auch in Santa Theresa, wie dieser herliche Urwald heißt, bevölkert sein. Gleich ausgedehnte Spaziergänge mit herrlichsten Ausblicken fann man aber auch im Gebiet der Tijuca machen oder in der Gegend der Gavia, der gegenüber sich im Sattel der beiden Brüder"( Does Irmaos), zweier anderer gewaltiger Berge, wo ein begabter Wiener Künstler, der Maler Nöbauer, fich festgesetzt hat, um in der Urwaldeinsamkeit künstlerisch zu schajfen. Auch ihn zieht es manchmal mit dem großen blauen Nezz hinaus auf die Jagd nach den blauen Atlasfaltern und dem anderen schönen Getier. Riesenspinnen aber spannen an der Waldseite seines Häuschens ihre Netze gegen die Moskitos, die dem Lichte zusummen. Auch zwei Frauen, die tapfere Mutter und die nicht weniger tapfere Frau des Künstlers, teilen mit ihm die Einsamkeit. Aber auch diese Einschicht gehört noch zur Stadt.
Eine sechzig Meter hohe Chriftusgestalt.
Der Cocovado, eigentlich der Bucklige, hat eine beherrschende Lage. Bon vielen Punkten der Stadt aus ist er sichtbar, und wer auf seiner Höhe steht, der sieht zu Füßen des Steilfelsens die Stadt in ihrer ganzen Größe und Schönheit und tief unter sich die Bucht und recht bescheiden niedrig auch ihren Wächter, den 400 Meter hohen Zuckerhut. Diesen herrschenden Punkt hat der Katholizismus ausersehen, um sich mit Hilfe der brasilianischen Regierung ein Wahrzeichen aufrichten zu lassen, das alle anderen überbieten soll. Der Katholizismus ist in dem Lande, wo die Trennung von Kirche und Staat streng durchgeführt ist, so mächtig, daß er nun auf der höchsten Stelle des Berges eine 60 Meter hohe Christusgestalt mit ausgebreiteten Armen aufrichten läßt, die wie ein Kreuz wirten
denen ich noch gar nicht weiß, ob sie mir von den Deutschen abge= nommen werden. Sie sehen so mager und frant und schwächlich aus."
,, Was mager und frank!" entrüstete sich Väterchen. So gefunde Arme und Beine findest du sobald nicht wieder. Die machen jede Arbeit, nichts ist ihnen zu schwer. Du fommst bloß her und füllst dir die Taschen und willst noch ehrliche Christenmenschen um ihre paar Ropefen betrügen."
,, Ach, halts Maul," unterbrach ihn der andere barsch. Denkst du denn, ich weiß nicht, daß du jedem noch zwei oder drei Rubel abnimmst, und wenn es geht, auch noch mehr, und dabei erzählst du ihnen, daß du mir noch davon etwas abgeben mußt, du Gauner."
Welchen Ausgong dieser Streit genommen hat, habe ich bis heute nicht erfahren, denn mit einem Male ertönte ein schriller. Pfiff und bald darauf braufte der Zug heran. Ich mar einer der legten,
Beilage des Borwärts
wird. Die Nase Christi ist oben schon zur Schau gestellt. Sie wird einen Meter hoch sein, der Kopf Chrifti, vier Meter hoch. Dieses Denkmal wird gegenwärtig in Italien gemeißelt. Um es in fremdes Land führen zu dürfen, wird es feines Kriegsplans bedürfen, wie ein solder nötig war, als ein für das Arbeiterheim in Buenos Aires bestimmtes Matteotti - Dentmal über das Meer gebracht wurde. Es ist glücklich gelungen, und heute erinnert in der Aula des schönen und alkoholfreien Arbeiterheims von Buenos Aires das Denkmal an die graufige Bluttat des Faschismus. Das der Verherrlichung des Katholizismus dienende Denkmal wird natürlich solche Schwierigkeiten nicht haben. Die beiden Gewalten haben sich ja längst gefunden, auch in Brasilien .
flrwaldbilder.
Etwa in 500 Meter Höhe ist auf dem Corcovado, hart an der Zahnradbahn, die hinauffährt, ein Hotel mit einer Speiseterrasse, te direkt über dem hier ziemlich steil abfallenden Urmald angebracht ist. Wer hier seinen Imbiß einnimmt, bekommt als besondere Tafelfreude noch das Spiel der Schmetterlinge dazu. Ein Dutzend blauer und weiße: Morphos schweben mit ihren in der Sonne glänzenden Altasschwingen über den Bäumen oder sie suchen durch die Lianen, da und dort wieder aufblizend, ihren Weg. Dieser Schmetterling hat in Brasilien eine ganze Kunstindustrie hervorgebracht. Die Flügel werden zu Schmuckstücken verwendet. Unter Kristallglas ruhend und in Metall gefaßt, werden sie zu Broschen, Anhängern, Aschenschalen und Tassen verarbeitet. Ganze Bilder werden gefügt, Landschaften, die herrliche Avenida Niemeyer, die am Südende der Stadt, von Leblon weg, als Felsenstraße hoch über dem Meere führt, die Präsidentenstadt Petropolis , die einst auch der Sitz der Diplomatie war, und viele andere Stimmungsbilder aus dem schönen Lande. Am größten wird das Erlebnis der Begegnung mit diesen Falten allerdings im Urwald selbst, wie etwa in dem zur Pflanzen- und Tierbeobachtung vorbehaltenen Schuhgebiet in der Nähe San Paulos, auf der Alto da Serra, das heißt auf der Höhe des Gebirges, das, von Santos aufsteigend, zur Hochfläche führt, auf der die größte Geschäftsstadt Brasiliens , auch noch vielfach berührt vom Urwald, liegt. Ein wiziger Mann hat den schönsten Bart von San Paulo, der gegen die Siedlung" Amerika " zu auf der Höhe liegt, den„ asphaltierten Urwald" genannt und damit wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Brasilianer wissen ihren Urwald richtig einzuschätzen und darum sind sie auch bemüht, überall die Urbestände auch in der Nähe der Städte oder inmitten der Städte zu schonen. An einzelnen Bunften haben frühere Geschlechter ohnehin schon viel gesündigt, wie etwa die Curitiba , deſſen wundervolle Aroufarienmälder voll träumerischer Stimmung schon an vielen Stellen stark gelichtet sind.
Auf dem„ Sklavenmarkt".
Eine Stunde Eisenhahnfahrt, und man ist wieder mitten im haftigen Getriebe eine Arbeitsstadt oder man steht wieder auf dem Largo San Bento von Sao Paolo , der darum den Namen„ Sklavenmartt" führt, weil sich hier tagsüber die Arbeitslosen sammeln, um durch freie Vermittlung Arbeit zu bekommen. Wer eine Hausgehilfin braucht, der sucht sie hier. Sao Paolo ist ein stark von Deutschen durchsetzter Plah. Auch viele der Mädchen und Frauen, die hier stehen, sind Deutschhe. Meist Desterreicherinnen alten Stils, Frauen aus den deutschen Gebieten Ungarns , Rumäniens , der Tschechoslowakei oder Jugoslamiens. Auch auf eine Gruppe von Burgenländerinnen stoßen wir. Eine war schon einmal ameritamüte geworden und ging wieder in das Dorf bei Eisenstadt zurück. Da sie dort aber feine Arbeit befam, machte sie wieder rasch fehrt, ehe ihre Ersparnisse alle maren, und ging nach Sao Paolo zurüd. Sie kennt schon den Markt und ist nicht bereit, unter 150 Millreis ( das sind etwa 71 M.) eine Stellung als Hausgehilfin und Köchin anzunehmen. Sie verhandelt mit einer Hausfrau so bestimmt, daß es sicher scheint, daß sie ihr Ziel auch erreichen wird. Auch so eine gedrückte Burgenländerin fann drüben weltläufig werden.
Das ist einer der letzten übelsten Eindrücke, die wir von der Arbeitsstadt Soa Paolo mit herübernehmen in die Stadt im Urwald, von der mir eigentlichen Abschied nahmen auf der Dampferfähre, die uns von Niktheron aus am Abend vor der Rückfahrt ein letztes Mal an den schönen Strand jetzt. Es war ein gemütlicher Abschiedsabend in einem einst unheimlichen Hause, in der früheren Festung der Sklavenschmuggler, in deren Mauerwerk heute noch die Ringe zu sehen sind, an die die Sklaven gefesselt maren. Auf nächtlichen Schleichwegen wurden sie dann über Land in die Plantagen gebracht. Und heute hat sich der deutsche Ruder- und Seglerklub dieses Haus als Heim erobert, wo die sportfreudige weiße fauf männische Jugend ihre, freien Stunden des Sonntags verbringt. Welch ein Wandel in der Bestimmung dieses Hauses, eins der ältesten übrigens am Strande. Förmlich ein Symbol des Aufstiegs Brasiliens , des Aufstiegs vom Sklavenland zum Lande des freien Spieles und Wettbewerbs der Kräfte, morgen vielleicht des Aufstiegs zum großen Zukunftsland der Erde.
Breit spiegelt sich der Mond in der stillen Bucht und zeigt die leicht schaukelnden Kähne. Ein Bild des Friedens beleuchtet heute der Mond in demselben Erdenwinkel, aus dem ihm noch vo: fünfzig Jahren Seufzer angefetteter Sklaven geantmortet haben. Und einmal wird er wirklich Freien leuchten! Das ist auch Brasiliens größte Zukunfishoffnung.
die in den Bahnwagen fletterten, denn mir war nach dem Streit unferer beiden Führer die ganze Fahrerei verleidet.
Eineinhalb Tage dauerte die Fahrt bis zur Grenze, wobei eigentlich kaum etwas Merkwürdiges passierte. Ein paarmal mußten wir umsteigen. Einmal murden wir dabei genau gezählt, und da stellte es sich heraus, daß eine Berson zuviel mor. Unser Führer bestritt es. Wir ebenfalls. Nach langem hin und her von seiten unseres Führers und des Beamten ließ man uns schließlich abziehen. Als mir dann weiter fuhren, fam unser Führer in unseren Wagen herein und ließ sich von jedem die Namen sagen, die er mit den ihm übergebenen Papieren verglich. Und da fand er denn unferen Schwarzfahrer Stach Gluba heraus. Wieviel Geld, haft du?" fragte er ihn ohne alle Borwürfe ganz fachlich. ,, Elf Rubel." ,, Das ist zwar sehr wenig
-