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Morgenausgabe

Nr. 281

A 144

45.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Volk und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen­stimme"," Technik", Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

16. Juni 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipattige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Rieine Anzeigen" das jettge orudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwei ettgebrudte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes meitere Mort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden­straße 3, wochentägi. von 8/2 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Abr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts- Verlag G.m.b.H.

Stockende Verhandlungen.

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Um die ,, Gleichzeitigkeit" der Umbildung in Preußen.

Die Stodung in den Verhandlungen über die Regie­rungsbildung, die durch das Verlangen der Deutschen Volkspartei   nach der gleichzeitigen Umbildung der preußischen Regierung entstanden ist, dauert an. Erst in den Abendstunden trat die Deutsche Volkspartei   zu einer Fraktionssizung zusammen, ging aber ohne Beschluß aus einander. Ueber ihre Verhandlungen wird mitgeteilt, daß man nach wie vor trotz des Eingreifens Dr. Strese manns an der ursprünglichen Forderung bezüglich der Regierungsbildung in Preußen festhält, aber zur Fort­fetzung der Verhandlungen über die materielle Baraussetzung der Schaffung der Großen Koalition bereit sei. Selbverständ­lich hält auf der andern Seite die Sozialdemokratie an ihrer Auffassung fest, wonach das Reich und die Bar­teien des Reichstags sich in die inneren Angelegenheiten Preußens nicht einzumischen haben. Wenn also jetzt die Vorstände der preußischen Koalitionsparteien sich in den nächsten Tagen mit der Frage der Umbildung des preußischen Kabinetts beschäftigen werden, so ist das ihre Sache, und wir haben abzuwarten, zu welcher Entscheidung sie gelangen

werden.

Da Genosse Müller den größten Wert darauf legt, die Berhandlungen nicht völlig versumpfen zu lassere und sie trotz der Schwierigkeiten, die aus dem preußischen Problem entstanden sind, weiter zu treiben, hat er für Sonnabend vormittag die Verhandlungskommission der für die Große Koalition in Frage kommenden Gruppen zu einer Sigung einberufen, in der über die übrigen Fragen, deren Beant­wortung die, sachliche Grundlage für die Regierung und ihre Arbeit bilden soll, gesprochen wird.

Der Reichstag   hat sich gestern vertagt. Der Präsi­dent wird ihn einberufen, sobald eine neue Regierung da ist und eine Erklärung abzugeben bereit ist.

Die sozialdemokratische Reichstagsfrat tion hielt gestern eine ganz furze Sigung ab. Die nächste ist erst wieder am Dienstagnachmittag 3 Uhr.

Regierungsbildung in Bayern  .

Alles bleibt beim alten.

München  , 15. Juni.

( Eigenbericht.)

Am 20. Juni tritt die Regierung Held zurüd, das heißt fie stellt ihre Aemter dem tags darauf zusammentretenden neuen Land­tag zur Verfügung. Die Bayerische Volkspartei   ist eifrig an der Arbeit, in ihren eigenen Reihen eine Klärung herbeizuführen; die ist notwendig, weil tatsächlich in den weitesten Kreisen der Bayerischen Volkspartei   starte Strömungen gegen die Wieder aufrichtung der alten Koalition bestehen. Sie wollen

Gie predigen in leeren Kirchen.

Aber sie fordern die chriftliche Schule.

Die Kreuz- Zeitung  " betrachtet in ihrer gestrigen Morgenaus­gabe die Reichstagswahlen vom firchlichen Standpunkt. Sie muß das gleiche, was fürzlich die Germania  " für die katholischen Wähler festgestellt hat, auch für die evangelischen feststellen: fie find den christlichen Parteien in Scharen davongelaufen. Der Ausfall der politischen Wahlen belegt die deutschen Christen, mit Müdig feit und Berdrossenheit".

Das christlich- konservative Organ versucht, seine Leser aus dieser Müdigkeit und Berdrossenheit wieder emporzuheben. Es verweist auf die herrlichen Leistungen der evangelischen Oberhirten im Dienste des Glaubens, die den Kirchenmitgliedern ein Ansporn sein müffen. Da heißt es wörtlich:

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,, Es verdient die Bewunderung aller, wie unsere evange­lischen Prediger in den leeren Kirchen Sonntag für Sonntag das Evangelium verkündigen....

Also vor leeren Kirchen predigen die Prediger der evan gelischen Kirche! Das ist ein wertvolles Eingeständnis, das Ge­ständnis einer immer wieder bestrittenen Tatsache. Es gibt also nur noch ein geringes Gemeindeleben in der protestantischen Kirche, die Massen der Gemeindemitglieder haben kein Interesse mehr an den kirchlichen Veranstaltungen.

Wie aber verträgt sich die Leere der Kirche mit den Ansprüchen der Kirche? Chriftliche Eltern besuchen zugestandener maßen die Kirchen nicht mehr; da follen wir es glauben, daß ihnen an einer chriftlichen Erziehung" ihrer Kinder soviel liegt?

Es sind nicht die Eltern selbst, die für die Elternbeirats pahlen, christliche Listen" aufstellen. Alle diese Bestrebungen, Aufrufe, Ermahnungen, Randidatenliften gehen nicht von Eltern, fie

zum größeren Teil eine neuerliche Zusammenarbeit mit dem Bauernbund, der seine ganze Wahlarbeit gegen die Bayerische  Boltspartei eingestellt habe und davon auch den Nußen einer Berdoppelung seiner Mandate gezogen hat. Die politisch links stehenden Elemente der Bayerischen Volkspartei  , die zahlen­mäßig allerdings nicht sehr start sind, haben aber auch grund. fägliche Bedenken gegen eine Wiederverbrüderung mit den Deutschnationalen, da sie einzusehen beginnen, daß die Deutsch nationalen der böse Geist in der bayerischen Politik der letzten Jahre gewesen sind und es für die Bayerische Bolkspartei im eigenen Interesse an der Zeit ist, aus der schwarzweißroten Um­flammerung herauszukommen.

Diese Entwicklung ist aber noch nicht im Stadium praktischer Die sogenannte Liquidationspolitik des Auswirkung. Ministerpräsidenten Dr. Held, auf die er selbst so stolz ist, bezog fich lediglich auf eine zeitweise Eindämmung der Hitlerei, während fich die innere Stellung zu den bayerischen Schandmethoden der Jahre 1920 bis 1923 nicht wesentlich geändert

hat. Heute noch spielen maßgebende Führer der Bayerischen Boltspartei mit dem ruchlosen Gedanken, die sozialistische Arbeiter­schaft durch die Schergen des bunt zusammengewürfelten Faschis­mus in Bayern   niederzutreten und womöglich auszu rotten, und Tausende von kleinen Funktionären der Held­Partei dürfen nach wie vor in den sogenannten vaterländischen Birkeln der 1923er Politik der Kahr- Knilling huldigen. Dazu werden diese kleinen Geister noch besonders ermuntert durch die enge Fühlung und Frendschaft, die der Parteioberste Held mit dem deutschnationalen Justisminister Gürtner hält, der zu seinem einstigen Bekenntnis steht: Die Nationalsozialisten find Fleisch vom deutschnationalen Fleisch. So sieht in Wirklichkeit die Liquidation

der staatsverbrecherischen Kahr  - Politik aus.

Unter diesen Umständen scheint, ganz abgesehen von den parti­fularistischen Tendenzen der Bayerischen Bolts. partei, die Zeit noch nicht gekommen, wo diese Partei für die Sozialdemokratie in Bayern   foalitionsfähig wäre. Die Bayerische  Bolkspartei möge ihre Ehefreuden mit den Deutschnationalen, die ihren Höhepunkt in einer

noch ungefühnten hochverräterischen Staatspolitik

fanden, zur vollen Neige austosten und erst nach dieser Läuterung die Sozialdemokratie vor die Frage einer gemeinsamen Regierungs­beteiligung stellen. An eine wesentliche Aenderung der bayerischen Regierungspolitit ift für die nächste Zeit nicht zu denken. Die Taft. versuche der Bayerischen   Boltspartei- Bresse für eine neue Koalitions politit verfolgen nur den 3wed, den Deutschnationalen Angst ein. zujagen und sie für die Neubildung der Regierung und des Koa­litionsprogramms gefügiger zu machen. Für die Charakterisierung der neuen Regierung genügt es vollauf, zu wissen, daß ihr Chef wiederum held, und ihr Justizminister wiederum Gürtner heißen wird, derselbe Deutschnationale, der nach den Enthüllungen im parlamentarischen Untersuchungsausschuß nur durch die ihn schützende Hand des Ministerpräsidenten der Verantwortung vor dem Staatsgerichtshof entgangen ist!

gehen von den Beamten der evangelischen Kirche selbst aus. Die Eltern find gar nicht mehr die Träger des religiösen Lebens in Kirche und Schule, das sind die Prediger, die ,, Sonntag für Sonntag in ihren leeren Rirchen das Evangelium verkündigen". Hinter all diesen Forderungen stehen nur die Pastoren und Prediger! Das follten die Freunde der fortschrittlichen Schule ben Eltern ins Ge­dächtnis rufen, die sich von den Christlich- Unpolitischen" einfangen lassen wollen.

Schutz vor Giftgas!

Die fozialdemokratische Reichstagsfrattion hat folgende Anfrage eingebracht: Am 20. Mai d. 3. ift. auf der Insel Peute bei Hamburg   in der Lagerstätte der Müggenburg A.-G. ein mit Giftstoffen gefüllter Keffel explodiert. Die freigewordenen Gase sind nach Harburg­Wilhelmsburg gezogen und haben dort eine große Anzahl Todes­fälle und viele schwere und leichte Gaserkrankungen hervorgerufen. Zeitungsmeldungen zufolge lagern bei der Müggenburg A.-G. fowie an anderen Orten des Reiches weitere Mengen ähnlicher Giftstoffe.

Wir richten an die Reichsregierung die Frage: 1. Welche Arten von Giftstoffen waren bzw. find in Harburg  - Wilhelms burg   gelagerf? 2. Aus welchen Beständen stammen diese Giftstoffe und für welchen 3wed find sie bestimmt? 3. Sind an anderen Orten des Reiches Stoffe ähnlicher Art gelagert? 4. Welche Borkehrungen sind von der Reichsregierung getroffen, um ähnliche Katastrophen wie in Harburg- Wilhelmsburg   unter allen Umständen zu verhindern? 5. Welche Maßnahmen hat die Reichs­regierung eingeleitet, um die von der Katastrophe mittelbar oder unmittelbar Betroffenen zu entschädigen?"

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Bostichedkonto: Berlin   37 536. Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depositentasse Lindenstr 3

Parteitag in Schweden  .

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Vertrauen zur Führung. Politik des Möglichen. Bon May Westphal.

Bom 3. bis 10. Juni fand in Stockholm  , in dem erst vor furzem neu erbauten schönen Konzerthaus", der Parteitag der Sozialdemokratie Schwedens   statt. Es war der erste Parteitag nach dem Tode Brantings und Thorssons, der beiden hervorragenden Führer der schwedischen Arbeiter= bewegung. Von der Bedeutung und Popularität namentlich Brantings können wir in Deutschland   uns nur eine Vor­stellung machen, wenn wir uns der Persönlichkeit Auguſt Bebels erinnern. Mit starker innerer Bewegung lauschten die Teilnehmer an der Eröffnungsfeier des Parteitages den Worten, mit denen der Genosse Ber Albin Hansson der verstorbenen Führer gedachte, die der schwedischen Arbeiter= schaft durch Jahrzehnte hindurch den Weg und Ziel gewiesen haben.

Die fast 400 Delegierten( einschließlich Parteivorstand und Fraktionsvertretungen) hatten eine außerordentlich um= fangreiche Tagesordnung zu erledigen, so daß trok der sieben­tägigen Verhandlungszeit noch Spätsigungen anberaumt wer­den mußten. Unsere schwedischen Parteigenossen halten näm­lich nur alle vier Jahre, immer furz vor der Neuwahl der Zweiten Kammer des Reichstags, einen Parteitag ab. Die pier Jahresberichte des Parteivorstandes und der Fraktionen sind dann ein guter ,, Grundstock" für die Verhandlungen, zu dem die zahlreichen Anträge hinzufommen. Die Tagesord= nung des diesjährigen Parteitags enthielt nun außer den Be­richten und Anträgen als besondere Berhandlungsgegenstände noch die Feststellung einer Richtlinie für das Berhalten der Partei aur Regierungsfrage und einige Ab­änderungsvorschläge zum allgemeinen politischen, zum Agrar­und Kommunalprogramm der Partei. Bei diesen legieren Vorschlägen handelte es sich nicht um grundsätzliche Fragen, sondern im wesentlichen um Ergänzungen der Gegenwarts­forderungen, die durch die politische Pragis nötig geworden find.

Der

Die Beratungen sind sehr gründlich. So werden die Bes richte zuerst einem vom Parteitag gewählten größeren Aus schuß zur Vorprüfung überwiesen und danach erst auf der Grundlage des schriftlich vorgelegten Befundes im Plemum diskutiert. Die Anträge zum Parteitag müssen fünf Monate vor dessen Stattfinden( der Parteitag wird sieben Monate por Stattfinden einberufen) beim Parteivorstand eingereicht fein. Die Anträge werden vom Parteivorstand beraten; er legt seine Stellungnahme zu jedem Antrag schriftlich fest und übermittelt dann die Anträge nebst seiner Meinungsäußerung drei Monate vor dem Parteitag den Ortsgruppen. Parteitag seht dann die Debatte über das Für und Wider fort, wobei jeder Antrag besonders behandelt wird. Be­merkenswert ist, daß ein Antrag, den Parteitag in Zukunft alle zwei Jahre stattfinden zu lassen, mit sehr großer Mehrheit abgelehnt wurde. Diese Entscheidung muß wohl in erster Linie gewertet werden als ein Ausdruck der politischen Ge­schloffenheit der Partei. Ihre politische Linie ist nicht um­ftritten. Das tam auch bei den weiteren Verhandlungen immer wieder zum Ausdruck. Aber diese Entscheidung darf auch gewertet werden als ein starkes Vertrauens= votum für die Parteileitung; denn es gibt zwischen dem Parteitag und dem Parteivorstand keine 3wischeninstanz, so daß dem Parteivorstand in der vier­jährigen Pause zwischen den Parteitagen die Führung der Partei und ihrer Politit allein anvertraut ist. Diese Rege­lung, die noch aus der Zeit stammt, in der die Partei wesent­lich fleiner war als sie heute ist, soll mun aber den veränderten Berhältnissen angepaßt werden. Es ist diesmal dem Partei­Dorstand ein Antrag zur weiteren Bearbeitung überwiesen morden, der die Schaffung einer Zwischeninstanz, etwa in der Art unseres Parteiausschusses, wünscht. Als Uebergangs­maßnahme wurde beschlossen, die Zahl der Parteivorstands­mitglieder zu erhöhen, so daß jetzt 7 Bertreter aus Stockholm  ( bisher 5) und 22 Vertreter( bisher 16) aus den Landes­organisationen gewählt wurden. Bei der Vorstandswahi wurde Per Albin Hansson einmütig als Nach= folger Brantigs im Amte des Vorsitzenden bestimmt.

Die Jahresberichte der Partei zeigen einen außerordent­lich günstigen Stand der Bewegung. Seit Ende 1923 hat sich die Organisation um 352 Ortsvereine und 64 828 Mitglieder vergrößert. Schwedens Sozialdemokratie musterte Anfang 1928 in 1397 Ortsvereinen 203 338 Mitglieder. Das ist int einem Lande mit einer Bevölkerung von rund 6 Millionen eine respektable Macht. Dabei ist noch zu bemerken, daß eine fozialdemokratische Jugendorganisation mit gegenwärtig 748 Ortsgruppen und 41 000 Mitgliedern( von denen etwa ein Drittel auch schon als Parteimitglieder gezählt find) be= steht, die außerordentlich rege arbeitet und mit der Partei zu engster Kampfgemeinschaft verbunden ist. Der Landeszentrale der Gewerkschaften find Organisationen mit zusammen 440 000 Mitgliedern angeschlossen. Außerdem gibt es noch einige Gewerkschaften, vor allem Staatsarbeiter und Be­amtenorganisationen, die der Landeszentrale aus taktischen,