1923. AVIC
Beilage
Sonnabend, 16. Juni 1928.
ЗИЦИ
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Ein Besuch in Königgrätz Der Streit um die Plomben
Moos wächst auf den Denkmälern der Schlacht.../ Von Edgar Hahnewald .
Kriege eine scheinbar wichtige Rolle spielen, führt selbst den Krieg ad absurdum.
Zwischen Jaromer und Königgräß fährt der Zug an der jungen| Sieger und Besiegte, erfahren es schon. Die Geschichte, in der die Elbe entlang durch die Ebene des nordböhmischen Kreidebeckens. Rechts der Strecke, weit übersehbar in ihrer schmucklosen Einförmigfeit, verdämmernd im Flimmern des heißen Tages, breitet sich eine Landschaft, weithin verstreut, Denkmäler Klage und kriegerischen Ruhm verkünden: das Schlachtfeld von Königgräß, die Walstatt, auf der am 3. Juli 1866 die Vormachtstellung Desterreichs im deutschen Bunde den vernichtenden Stoß empfing und Preußen sich die Hegemonie auf den Spizen seiner Bajonette holte. Verstreut liegen die denkwürdigen Stätten: Sadowa, Ohlum, der Swiebwald, Langenhof, das Dorf, in dessen Nähe die schöne" Reiterschlacht stattfand, über die Jähn in seiner Monographie über die Schlacht bei Königgrätz schrieb:„ Wahrlich ein Schauspiel, auch eines Königs im vollen Maße wert!"
Ueber die Schlacht bei Königgrätz und über den deutschen Krieg von 1866 ist viel geschrieben worden. Die Bücher verstauben in den Bibliotheken, die Akten in den Archiven. Lassen wir den Staub
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unberührt. Es ist viel nüglicher, sich vom Sockel eines der vielen Denkmäler auf dem Schlachtfelde von Königgräß aus den Lauf der Dinge zu betrachten.
Als Anlaß für den Krieg Preußens gegen Desterreich, mit dem Bismard im Plane seiner Revolution von oben" ganz fühl gerechnet hatte, kam der Streit um die Beute von 1864 gelegen. Die beiden Mächie, die den Krieg gegen Dänemark als, Bundesgenossen geführt hatten, führten' nun Krieg gegeneinander, und Desterreich wurde geschlagen. Wir wissen, wie es so weiter ging: 1879 fommt unter Führung desselben Bismard das deutsch - österreichische Schutzbündnis zustande; 1883 fritt Italien , mit dem Bismard 1866 ein Angriffsbündnis gegen Desterreich eingegangen war, dem nunmehrigen Dreibunde bei; 1914 ziehen Desterreich und Deutschland mit reinen Händen" in den Weltkrieg; 1915 erklärt auch Italien den beiden Bundesgenossen" den Krieg: 1918 liegen Desterreich und Deutschlend besiegt am Boden. Dänemark erhält Nordschleswig, einen Teil dessen, worauf es 1864 verzichten mußte, durch Abstimmung zu rüd. Die preußischen, sächsischen und österreichischen Schlachtendenkmäler von 1866 um Gitschin, Königgräß, Nachod, Trautenau , Toten male brüderlichen Blutes, verwittern auf dem Boden einer tschecho= siowakischen Republik , die sich aus den Trümmern HabsburgischDesterreichs erhob, zwischen dem Staate, der bei Königgrätz geschlagen wurde, und dem, der ihn besiegte. Ein Wiz der Weltgeschichte, der an Ludendorffs Aufruf„ An die Jidden in Paulen" erinnert: Beim Einmarsch der Preußen in Prag am 10. Juli 1866 verkündeten Maueranschläge des preußischen Obertommandos den„ Einwohnern des glorreichen Königreiches Böhmen", daß sie durch den„ Sieg der gerechten Sache ihre nationalen Wünsche gleich den Ungarn verwir?- lichen" fönnen. Sie haben es 1918 getan, und sie hätten sich dabei auf Bismard berufen können.
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nun müssen wir doch den Es gibt noch mehr solche Wize Staub von alten Akten klopfen, oder vielmehr: Hermann Wendel hat es in den Archiven in Berlin , Wien und Belgrad getan und in seiner fürzlich erschienenen Schrift„ Bismard und Serbien im Jahre 1866"( Verlag Otto Stolberg, Berlin ) veröffentlicht, was dabei zum Vorschein kam: am 30. Mai 1866 depeschierte Bismard an den Konsulatsverweser Laubereau in Belgrad : Falls der Krieg ausbricht, kann uns die Bildung eines Slawischen Korps( gegen Defter reich) nur erwünscht sein"; am 30. Juli 1866: Sagen Sie Türr ( einem Unterhändler): Für jetzt Waffenstillstand; er möge Kräfte und Mittel für die Zukunft aufsparen"; am 21. August 1866 hieß Bismard Laubereau der serbischen Regierung unseren Dank" ausdrüden und unsere Bereitwilligkeit, die Gemeinschaft der beiderseitigen Interessen( lies: die Zerschlagung Desterreichs) für die Zukunft zu hetätigen." 1866 standen auf Bismards Schachbrett auch serbische Bauern als Reserve gegen Desterreich
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und 1914...
Das Ergebnis? Vom Schlachtfelde von Königgräz aus gefehen, gibt es fein Ergebnis". Die Kriege der Völker haben nie ein Ergebnis gehabt, das nicht schließlich durch einen neuen Krieg forrigiert wurde, nie ein Ergebnis, das nicht friedlich und reinlich zu haben gewesen wäre. Sie sind nuglos und sinnlos gewesen, wie die früheren Ragbalgereien der winzigen Rivalen innerhalb eines Landes. Und die Kriege der Kontinente werden nicht weniger sinnfos bleiben. Wir, Teilnehmer und Mitleidende des Weltkrieges,
Kriege wurden geführt, Kriege miteinander und Kriege gegen einander. 1864, 1866, 1914 bis 1918, von 1870/71 hier gar nicht zu reden. Und jedesmal glaubten die Völker den Spielern am hiftorischen Schachbrett, und jedesmal zogen die Soldaten fingend ins Feld. Jedesmal tremolierten die Barden, und nach jedem Kriege setzten sich die Historiker hin und schrieben ein neues Kapitel„ Weltgeschichte". Wie sagt Theodor Lessing ?„ Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen."
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Es wächst Moos auf den Schlachtfelderdenkmälern, es wächst Gras über die Festungswälle von Königgräg. Gutes, grünes Gras, in dem in der Mittagssonne junge Mädchen sizen und die kurzen Sommerkleidchen über runde Kniee zupfen. In den Kasematten flirrt der friedliche Lärm der Werkstätten, die sich dort eingenistet haben. In einem Festungsgewölbe baut eine Harmoniumfabrit ihre
| Instrumente. Ein Arbeiter probt ein halbfertiges Wert; die orgel artigen Afforde flingen wie Bersuche zu Chorälen. In den fumpfi gen Tümpeln um die Sternzaden der Festungswälle tönen die fleinen Leierkastenpfeifen der unten.
Wir setzen uns in den Rasen und schauen hinaus in die weite, flache, flimmernde Landschaft. Leise umfangen von den sanften Klagelauten der Unken.
Gutes, grünes, fühles Gras! Wann darfst du alle Festungswälle der Erde überwachsen...?
Seit mehreren Monaten streiten sich die Aerzte über die Frage, ob die von den Zahnärzten verwendeten Amalgampiomben für Zähne für den menschlichen Körper schudlich sind oder nicht. Mehrere Aerzte haben die Behauptung aufgestellt, daß durch die Amalgamplomben chronische Quecksilbervergiftungen durch Einatmung und Verschluden fleinster Quecksilbermengen eintreten. Und diese Frage so schnell wie möglich zu flären, hat der Verein für innere Medizin eine Tagung veranstaltet, auf der Prof. Dr. Fleischmann über die Ergebnisse seiner Untersuchungen in der Quecksilberuntersuchungsstelle der ersten Me dizinischen Klinik in der Charité unternommen hatte. Da bereits auf Grund der Anklagen, die vor Jahresfrist der Karlsruher Professor und Sozialhygieniker Stock gegen die Amalgamplomben erhoben hatte, diese Frage vom Standpunkt der Volksgesundheit Beachtung verdiente, so hatte das Reichsinnenministerium zur Einrichtung einer Quecksilberuntersuchungsstelle Mittel zur Verfügung geftellt, die das Städtische Hauptgesundheitsamt durch eigene Serienuntersuchungen noch seinerseits ergänzt hatte.
Die Leitung dieser beiden Untersuchungsstellen war Professor Fleischmann übertragen worden. Er bediente sich für seine Untersuchungen der von Prof. Stock ausgebildeten Methode, die mit außerordentlicher Eraktheit den Nachweis auch der fleinsten Menge von Quedfilber im menschlichen Körper ermöglicht. Professor Fleischmann untersuchte zunächst eine Reihe von Personen, die beruflich mit Quecksilber in Berührung kommen, und andererseits Personen mit quecksilberhaltigen Zahnfüllungen. Dabei zeigte sich zunächst, daß bei den Personen, die beruflich mit Quecksilber zu tun hatten, fich eine ganze Menge Quedfilberträger" befanden, d. h. Menschen, bei denen das Quecksilber sich im menschlichen Körper einwandfrei nachweisen ließ, ohne daß doch die klinischen, die Erkrankungserscheinungen einer Quecksilbervergiftung vorlagen. Professor Fleischmann schloß daraus, daß der Nachweis von Quecksilber allein auch nicht genüge für die Feststellung einer Quecksilbervergiftung. Bei der Untersuchung der sogenannten Zahnfälle", d. h. der Patienten mit Amalgamfüllungen, war vor allen Dingen die Beschränkung auf solche Personen notwendig, die in keiner anderen Weise mit Quecksilber in Berührung famen, 51 solcher Fälle sind im Laufe der Untersuchungsperiode beobachtet worden, 37 Personen davon besaßen Plomben aus Kupferamalgam , und von diesen 37 Personen wurde bei 30 das Quecksilber im Körper unverkennbar nachgewiesen. Also bei 81 Proz. aller mit Kupferamalgamplomben versehenen Patienten wurde das Quecksilber im Körper nachgewiesen. Unter den 14 Untersuchten, die Edelamalgamfüllungen trugen, befand sich nur einer, bei dem Quecksilber festgestellt werden konnte.
Ferner untersuchte Prof. Dr. Fleischmann 37 Schulzahnärzte und 24 Schulzahnschwestern. Fast in allen Fällen zeigte sich Müdigfeit und Kopfschmerzen, während bei zwei Berfonen deutliche Quedsilbervergiftungserscheinungen festgestellt wurden. Prof. Fleischmann schließt daraus, daß auch die zahnärztliche Arbeit beim Herstellen von Amalgamplomben eine nicht unbedeutende Gesundheitsgefahr darstellt. Er faßte deshalb seine Untersuchungsergebnisse dahin zu= sammen, daß Kupferamalgamfüllungen unter allen Umständen zu verwerfen find, während er für die Edelamalgame die Gesundheitsschädlichkeit noch nicht als bewiesen ansieht. In der Diskussion, die fich an das Referat von Professor Fleischmann anschloß, hielt Prof. Stod feine Ansicht, daß auch die Edelamalgame eine außerordentliche Gefahrenquelle für die Gesundheit seien, aufrecht. Er selbst fonnte über mehrere Quecksilbervergiftungen durch Edelamalgame berichten, und berief sich auf die Ausführungen der Physiker Zange und Prof. Haber, daß Edelamalgame sehr ungleichwertig seien und deshalb feine Garantie für ihre Unschädlichkeit gegeben sei.
Es ist anzunehmen, daß auf Grund dieser Forschungen in Kürze vom Reichsgesundheitsamt ein Verbot für die Verwendung von | Kupferamalgamfüllungen erlassen wird. Professor Stock verlangt übrigens darüber hinaus die Liquidierung aller Amalgame durch die Zahnheilkunde und die Aufklärung des Publikums über die Gefahr, die mit den Amalgamfüllungen verbunden ist. Dr. med. G. G.
WAS DER TAG BRINGT.
Das Opernglas ,, à Discretion"!
In einer Berliner Zeitung der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts finden wir folgende Anzeige:
,, Neueste Pariser Novität. Opernguder à discretion! Das Originellste und Interessanteste für die Herrenwelt. Vermittelst diefer höchft finnreichen Erfindung ist jeder Herr imstande, die Damen im Theater und an öffentlichen Orten so zu mustern, ohne sie direkt anzusehen, daß er sie doch nahe vor Augen hat und die betreffenden Damen teine Ahnung davon haben, daß sie der Gegenstand der Aufmerksamkeit sind. Binnen 14 Tagen wurden in Baris 10 000 Stück dieses Opernguders à discretion verkauft. Alleiniges Depot usw." Man kann sich vorstellen, daß diese diskretionäre" Einsichtnahme in die Reize der Damenwelt sich vor allem auf das damals für den Theaterbesuch, namentlich des königlichen" Instituts, von der Mode vorgeschriebene Dekolleté"( Entblößung von Brust und Rücken) erstreckte. Die Berliner Herren und die im Winter zur Residenz" eilenden Landjunker wußten den äußeren Anstand mit der Schauluft zu befriedigen. Das Schönste an der ganzen Geschichte ist aber, daß die Zeitung, die dieses Inserat brachte, die tugendhafte ,, Neue Preußische Kreuz- 3eitung" war. Aber wenn sie im Tert die edlen Gottesstreiter v. Gerlach und v. ThaddenTrieglaff aufmarschieren ließ, dachte sie hinsichtlich des Inseratenteils: Geld stinkt nicht!
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Gedächtnisschwund und Hypnotismus.
anstalt, wo er durch seinen limgang mit den Apparaten und Chemitalien bewies, daß er Chemiker war. Andere Feststellungen aber waren nicht zu machen.
Wie Götze Mammon bewacht wird.
Das neue Gebäude für die Bant von England ist fertiggestellt, und zwa: so, daß auch die fühnsten Geldschrankknaderträume an seinen Betonmauern und Panzerplatten zerschellen müssen! Das Fundament reicht 50 Fuß( mehr als 15 Meter) in die Tiefe und ist 8 Fuß dick, aus bestem Stahl fonstruiert, der insgesamt 50 Panzergewölbe umschließt. Um nur in den Hauptraum der Stahlgewölbe zu gelangen, müßten 100 der gewiegtesten Geldschrankknacker ein ganzes Jahr lang ununterbrochen arbeiten, ja, nicht einmal 10 Tonnen Dynamit fönnen das Gebäude in die Luft sprengen. Dabei müsse noch vorausgesetzt werden, daß alle Wächter der Bank ein Jahr auf Urlaus sind und sämtliche Alarmeinrichtungen wie auf Berabredung versagen. Aber sie versagen nicht! Sie sind so empfindlich, daß ein Handschuh, eine Brieftasche oder ein anderer nicht schwerer Gegenstand, der am unrechten Orte fällt, alle Alarmgloden in Bewegung setzen. Dabei sind die riesigen Panzertüren zu diesen Gewölben so fein ausbalanziert, daß sie von einem Kinde ja, wenn spielend in Bewegung gesetzt werden können, wenn alle Kombinationsschlösse: richtig eingestellt sind. Der Volksstamm im Krater.
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Das Innere von Neu- Guinea ist immer noch herzlich menig erforscht, die australische Regierung hat daher fürzlich eine Expedition ausgerüstet, die auch ziemlich weit vordrang. 100 Kilometer von der Küste von Madang entfernt, bestieg die Expedition ein ziemlich hohes Gebirge und fand auch einen großen
In Belfast ( Irland ) wurde einer Anstalt im Dezember vorigen Jahres ein Mann, namens Matt überwiesen, der das Gedächtnis verloren hatte. Genauer gefagt: die Erinnerung. Er fonnte sich auf nichts befinnen, was Aufschluß über sein früheres Leben hätte geben fönnen. Man griff daher zu: Hypnose. Täglich wurde der Mann in hypnotischen Schlaf verjeht, man richtete an ihn Fragen,| die er beantwortete, ja, einmal erzählte er hintereinander eine halbe Stunde lang im Trancezustand, und seine Worte wurden stenographisch festgehalten. Alles, was man erfahren fonnte, war, daß er im englischen Heere gedient hatte. Bei einem späteren Versuch wurde festgestellt, daß er von Beruf Chemiker für Spezialanalysen war. Man führte ihn in das Laboratorium der städtischen Gas- wortlich.
Krater eines erloschenen Bulkans. Etwa 200 Meter unte: dem Kraterrand befand sich ein See mit einer Fläche von etwa 10 Quadratkilometern. Die eine Uferseite des Sees wa: bewaldet, und aus dem Walde stiegen Rauchsäulen auf, die verrieten, daß er be= wohnt war. Es war jedoch unmöglich, zu der Eingeborenenfied lung zu gelangen. Die Stämme rings um das Gebirge wußten nichts von dem Dasein der Vulkanmänner, machen sie aber für das unerklärliche Verschwinden einiger Frauen ihre: Stämme verant