Morgenausgabe 190
Nr. 283
A 145
45.Jahrgang
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Sonntag
17. Juni 1928
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Man will am Dienstag früh fertig sein.
Der ,, Soz. Pressedienst" meldet: Am Sonnabend vormittag traten die Beauftragten der Sozialdemokratie, des Zentrums, der Deutschen Volkspartei , der Demokraten und der Bayerischen Volkspartei unter dem Vorsiz des Abgeordneten Hermann Müller- Franken zur Fortsetzung der Besprechungen über die materiellen Grundlagen des Regierungsprogramms zu sammen. Die Wirtschaftspartei war zu diesen Ber handlungen nicht hinzugezogen.
Die Aussprache begann mit der Erörterung politischer Fragen. In der Außenpolitik ist eine wesentliche Uebereinstimmung der Parteien vorhanden. Das gleiche gilt von dem Problem der Wahlreform, das alle Parteien als dringlich ansehen. Völlig übereinstimmend wurde das Festhalten an den Grundsägen der Verhältniswahl betont. Dagegen will man die Nachteile der Listenwahl be= seitigen und ein engeres Vertrauensverhältnis zwischen Wählern und Gewählten herstellen. Ob das eine Verkleinerung der Wahlkreise bedingt, ist strittig. Die Auffassungen in der Frage der Reichsvereinheitlichung und der Verwaltungsreform gingen naturgemäß auseinander. Es besteht jedoch die Hoffnung, daß gemeinsame Grundlagen für die Regierungstätigkeit in diejer Frage gefunden werden. Eine längere Aussprache verursachte die Schulfrage. Zentrum und Bayerische Bolkspartei wünschen, daß sie in der Regierungserklärung erwähnt wird. Ueber den Inhalt einer entsprechenden Erklärung waren die Meinungen geteilt, so daß sich die Borstände der Fraktionen in den nächsten Tagen mit der Schulfrage noch beschäftigen
merden.
Die neue Lernzeit der Arbeiterbewegung.
Da nach dem neuen bolichemistischen Weltprogramm mindestens der Ausbruch eines neuen Weltkrieges abgewartet werden muß, bevor für den Sieg des Proletariats Endfassungstages am 11. August führte ebenfalls zu gültiges getan werden fann, ergibt sich von selbst die feinem abschließenden Ergebnis. Während Sozialdemo- Frage, womit die Zeit bis dahin ausgefüllt werden soll. Rottraten und Demokraten dem vom Reichsrat beschlossenen frontparaden, Prügeleien im Parlament und Reden von Gesezentwurf vollkommen zustimmten, erklärten die Zentrums- Emil Höllein reichen dazu doch nicht gonz aus. Das Volk vertreter nur ihre grundsägliche Zustimmung; auch die will leben, lieber schlecht als gar nicht, aber womöglich Bertreter der Deutschen Volkspartei äußerten gewisse Beetwas besser. Not ist im Lande mehr als Kraft, sie zu bebenten. Die Notwendigkeit der Einführung einer Höch stämpfen, aber sie zu lindern ist schon eine Aufgabe, des Schweißes der Edelsten wert. Darum ist es nicht gleichgrenze für Pensionen wurde dagegen anerkannt. Die gültig, ob 3ölle und Steuern, die die Massen belasten, um ein Frage soll im Zusammenhang mit der Vorlegung eines paar Mark höher oder niedriger sind. Es ist ferner nicht gleichMinisterpensionsgefeges geregelt werden, und gültig, ob die soziale Fürsorge von Staats wegen als Kern und zwar bei einer gleichzeitigen Regelung in den Ländern und Stern der Politit oder nur als lästiger Ballast kapitalistischer Gemeinden. Auch hier wurde fein abschließendes Ergebnis Aufstiegsmöglichkeiten behandelt wird. Es ift drittens auch erzielt. Das gleiche gilt von dem Erlaß einer Amnestie nicht gleichgültig, ob in der Republik , deren Bestand durch und der Abschaffung der Todesstrafe. Die Erörterungen ist, der Einfluß der großen Arbeiterorganisatiodie Arbeit des„ perräterischen Reformismus" leidlich gesichert über diese Fragen werden fortgesetzt. nen wächst, oder ob Scharfmacher, Faschisten, Diktaturapostel und Kriegsheger über den Lauf der Staatsmaschine entscheiden. Das bringt uns auf einen nierten Bunft: Es ist auch nicht gleichgültig, ob die deutsche Republik den Kurs auf den Frieden und die Bölterverföhnung nimmt oder ob sie durch eine Politik der Phrase, und des diplomatischen Abenteuers die in Europa vorhandenen Kriegsgefahren noch vermehren hilft.
Die sozialpolitischen, die wirtschaftspolitischen und die finanzpolitischen Fragen, für die am Sonnabend nur Formu lierungen der Sozialdemokratie vorlagen, sollen am Montag vormittag erörtert werden.
Wünsche der Wirtschaftspartei.
Am Sonnabend vormittag hat der Abg. Dremiß dem Abg. Hermann Müller Franten Forderungen der Wirtschaftspartei zur Regierungsbildung überreicht. Sie bewegen sich auf der bisherigen Linie der Politit der Wirtschaftspartei und dienen in der Hauptsache dem Ziel der Beseitigung des Mieter huges und der behördlichen Wohnungsregelung. Betriebe der öffentlichen Hand in diesem Porgramm nicht. Da der Selbstverständlich fehlt auch die Forderung nach dem Abbau der Abg. Drewitz am Sonnabend nicht in Berlin weilte, wird eine Besprechung zwischen ihm und Hermann Müller erst am Montag
Die Aussprache über die Einführung eines Bernachmittag stattfinden.
Bon faschistischen Poliziften.
London , 16. Juni. ( Eigenbericht.)
Bor wenigen Tagen ist ein diplomatischer Kurier der englischen Regierung in Mailand von faschistiichen Polizisten in 3ivil mißhandelt worden. Als fich der Kurier nach der Feststellung seiner Personalien und der feiner Angreifer auf der Polizei ins Hotel begeben wollte, wurde er nochmals, und zwar von einer ganzen faschistischen Bande angegriffen und erheblich verleht. Der erst jetzt bekannt gewordene Vorfall erregt in London großes Aufsehen.
Eltern!
Geht heute zur Wahl!
meine und gleichzeitige Abrüstung, so heißt es weiter, fege aber eine allgemeine Kontrolle voraus. Natürlich wird hier die Souveränität der Staaten eingeschränft, aber es gibt feinen internationalen Fortschritt ohne die Unterordnung der nationalen Souveränitäten unter eine übernationale Souveränität". Auch die von Paul Boncour vertretene Forderung Frank reichs „ Erst Sicherheit, dann Abrüftung" sei unhaltbar, denn fie verzögere die Abrüstung und damit die Sicherheit. Allein die vereinigte Kraft des internationalen Proletariats sei in der Lage, die internationale Sicherheit zu garantieren Der Bölterbund, wie er heute sei, intereffiere das Proletariat lediglich als Rampfmittel. Er müsse demokratisiert, in einen wirklichen Bund der Völfer umgestaltet werden. Die Krieges von Frankreich nach der Schweiz gebracht worden, angeblich, Außenpolitik Frankreichs begünstige geradezu das faschistische Italien und habe sich in der Angelegenheit des ungarischen Waffenum der Fabrikation von Veronal zu dierlen. Der Schweizer Geschmuggels ohnmächtig gezeigt. Daher, so schließt Byromski, sei sundheitsdienst entschied, daß die Bomben, deren Eigentümer nicht mehr festzustellen waren, in den Genfer See versenkt werden. Die Versenkung erfolgte am Sonnabend in aller Frühe
In einer in Ronfurs befindlichen Fabrik bei Vernier in der Nähe von Genf wurden vor einiger Zeit bei einer Inventuraufnahme des Konkursverwalters 83 Fliegerbomben entdeckt, die mit Phosgen gefüllt waren. Sie waren gegen Ende des
ohne Zwischenfall.
es unbedingt erforderlich, daß der Vorstand der Sozialistischen Bartei sich mit der Abrüstung entschieden befasse und er nicht mehr einen Sozialisten autorisiere, die französische Regierung zu vertreten, folange fie ihre gegenwärtige Politif betreibe.
Bor der Haftentlaffung Ricklins und Roſsés? Nachdem der Wahlprüfungsausschuß der französischen Kammer die Wahlen der Abgeordneten Ricklin und Rossé als ordnungs. mäßig anerkannt und das Kammerplenum diese Anerkennung bestätigt hat, haben die beiden nach dem Kolmarer Urteils. Der Führer des linken Flügels der französischen Sozialisten, fpruch im Gefängnis fißenden Abgeordneten einen Antrag auf 3yromsti, wendet sich in der Sonnabendausgabe des provisorische Haftentlassung gestellt. Angesichts der Bopulaire" gegen die Haltung der französischen Re- Stimmung in der Rammer hat der elsässische Abgeordnete Walther, gierung in der Entwaffnungsfrage sowie gegen die Bertretung dieser Haltung durch einen Sozialisten in Genf . Byromsti tommt in seinem flar und kurz gefaßten Artikel zu der Feststellung, daß alle Regierungen in den letzten Jahren durch Rüftungs fragen viel mehr als durch die Abrüstung in An spruch genommen waren und fordert, daß man unverzüglich die allgemeine Abrüstung betreiben müsse, statt wie bisher nur auf der Abrüstung der Besiegten zu bestehen. Die allge
der eine parlamentarische Aktion für die Freilaffung seiner beiden Kollegen durchführen wollte, darauf verzichtet, seinen Antrag, den er zunächst bis zu der Beschlußfassung des Ausschusses zurüc. gestellt hatte, wieder zur Debatte ftellen zu laffen. Das hat zweifel los zur Entspannung der Lage beigetragen, an deren Ber schärfung auch Poincaré nichts gelegen sein fonnte, und man darf damit rechnen, daß Anfang nächster Woche die Haftentlaffung der beiden Abgeordneten verfügt werden wird.
Aus all diesen Gründen ist die sozialdemokra tische Reichstagsfrattion der Meinung, daß der Versuch gemacht werden muß, durch Teilnahme an der politischen macht für den Aufstieg der Arbeiterklasse etwas zu erreichen. Diese Meinung wird von unseren Parteigenoffen im Lande fo gut wie et mütig gateilt Die Ber deutiger Klarheit zu ihr bekannt. liner Genossen haben sich am letzten Freitag mit ein
Wenn wir auch mit unserer Arbeit nicht warten wollen, bis der nächste Beltkrieg ausgebrochen und durch einen fiegreichen Bürgerkrieg beendet ist, so teilen wir doch die Auffassung der Kommunisten, daß der Weg zum Sozialismus noch recht weit ist und daß viele Gefahren auf ihm liegen. Wenn wir von der Großen Roalition erwarteten, fie werde die Kapitalisten enteignen und die sozialistische Republit proflamieren, so wären wir Narren.( Wobei außerdem noch bedacht werden muß, daß es sehr zmeierlei ist. Die sozialistische Republit zu proflamieren" und sie wirklich zu organisieren.) Auch die neue fommunistische Theorie von der Möglichkeit eines Sieges des Sozialismus in einem Lande eine bebentliche rechte Abweichung" von der Lehre Lenins scheint uns nicht unanfechtbar. Eine sozialistische Wirtschaft, die dem ausländischen Kapital zinspflichtig ist, bleibt in unseren Augen immer noch ein refor= mistisches Zwittergebilde.
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Gleichviel, von Jllusionen sind mir frei. Wir sehen ganz nüchtern und praktisch, daß das, was wir als Regierungspartei bestenfalls erreichen fönnen, nur eine be scheidene Abschlagszahlung sein fann auf die großen Forderungen, die wir an die Zukunft stellen. Auch vor den Ge= fahren, benen wir entgegengehen, dürfen wir nicht die Augen verschließen. Schon der laute Ruf der Deutschnationalen, man solle nur uns die Verantwortung überlassen, müßte uns auf sie aufmerksam machen. Diese guten Leute meinen, wir müßten uns in der Regierung ebenso dumm benehmen wie sie, und darauf sehen sie ihre ganze Hoffnung. Wir dagegen denken: die Dummheiten der Gegner sind dazu da, daß man aus ihnen lernt.
Als der Bürgerblod im Werden war, sagte man einem bekannten Politiker der Mitte das Wort nach, man müsse jetzt wie einen jungen Hund mit der Schnauze in müſſe jegt wie einen jungen Hund mit der Schnauze in den Dreck" die Deutschnationalen in die Berantwortung stoßen. Daß man an manchen Stellen gegen uns gleich freundliche Absichten hegt, ist uns nicht ganz unbekannt. Doch bleibt zwischen den Deutschnationalen und uns neben vielem anderen auch der Unterschied, daß die Deutschnationalen bei ihrer bekannten grundsäglichen Einstellung zur Re pu blit und zur Außenpolitit nicht Regierungspartei werden konnten, ohne ihre ganze Bergangenheit zu verleug nen. Insoweit ist unsere Lage weit günstiger. Auf der anderen Seite verkennen wir feinen Augenblid, daß die 3ufammenarbeit einer fozialistischen Arbeiterpartei mit bürgerlichen Parteien bis zur Boltspartei hinüber viele Gefahren in sich birgt. Berantwortet werden kann sie nur, wenn sie der einzige offengebliebene Weg ist und wenn durch sie praktische Teilresultate im Sinne unserer Auffassungen erreicht werden.
Die Zusammenarbeit ist aber heute der einzig offen gebliebene Weg. Die Arbeiterbewegung ist in Deutsch