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Morgenausgabe 190

Nr. 283

A 145

45.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Bellagen Bolf und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen Stimme", Technit", Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonntag

17. Juni 1928

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die einipaitige Ronpareillegeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen das tettae orudte Wort 25 Pfennig( zalilig mel ettgebrudte Borte), ledes meitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erite Wort 15 Bfennig, jebes meitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden firaße 3. wochentagl. von 8/2 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Die Verhandlungen im Reichstag   mitregieren- Stärker werden!

Man will am Dienstag früh fertig sein.

Der ,, Soz. Pressedienst" meldet: Am Sonnabend vormittag traten die Beauftragten der Sozialdemokratie, des Zentrums, der Deutschen Volkspartei  , der Demokraten und der Bayerischen Volkspartei   unter dem Vorsiz des Abgeordneten Hermann Müller- Franken zur Fortsetzung der Besprechungen über die materiellen Grundlagen des Regierungsprogramms zu sammen. Die Wirtschaftspartei war zu diesen Ber handlungen nicht hinzugezogen.

Die Aussprache begann mit der Erörterung politi­scher Fragen. In der Außenpolitik ist eine wesent­liche Uebereinstimmung der Parteien vorhanden. Das gleiche gilt von dem Problem der Wahlreform, das alle Par­teien als dringlich ansehen. Völlig übereinstimmend wurde das Festhalten an den Grundsägen der Verhältniswahl be­tont. Dagegen will man die Nachteile der Listenwahl be= seitigen und ein engeres Vertrauensverhältnis zwischen Wählern und Gewählten herstellen. Ob das eine Verkleine­rung der Wahlkreise bedingt, ist strittig. Die Auffassungen in der Frage der Reichsvereinheitlichung und der Verwaltungsreform gingen naturgemäß ausein­ander. Es besteht jedoch die Hoffnung, daß gemeinsame Grundlagen für die Regierungstätigkeit in diejer Frage ge­funden werden. Eine längere Aussprache verursachte die Schulfrage. Zentrum und Bayerische   Bolkspartei wün­schen, daß sie in der Regierungserklärung erwähnt wird. Ueber den Inhalt einer entsprechenden Erklärung waren die Meinungen geteilt, so daß sich die Borstände der Fraktionen in den nächsten Tagen mit der Schulfrage noch beschäftigen

merden.

Die neue Lernzeit der Arbeiterbewegung.

Da nach dem neuen bolichemistischen Weltprogramm mindestens der Ausbruch eines neuen Weltkrieges abgewar­tet werden muß, bevor für den Sieg des Proletariats End­fassungstages am 11. August führte ebenfalls zu gültiges getan werden fann, ergibt sich von selbst die feinem abschließenden Ergebnis. Während Sozialdemo- Frage, womit die Zeit bis dahin ausgefüllt werden soll. Rot­traten und Demokraten dem vom Reichsrat beschlossenen frontparaden, Prügeleien im Parlament und Reden von Gesezentwurf vollkommen zustimmten, erklärten die Zentrums- Emil Höllein   reichen dazu doch nicht gonz aus. Das Volk vertreter nur ihre grundsägliche Zustimmung; auch die will leben, lieber schlecht als gar nicht, aber womöglich Bertreter der Deutschen Volkspartei   äußerten gewisse Be­etwas besser. Not ist im Lande mehr als Kraft, sie zu be­benten. Die Notwendigkeit der Einführung einer Höch stämpfen, aber sie zu lindern ist schon eine Aufgabe, des Schweißes der Edelsten wert. Darum ist es nicht gleich­grenze für Pensionen wurde dagegen anerkannt. Die gültig, ob 3ölle und Steuern, die die Massen belasten, um ein Frage soll im Zusammenhang mit der Vorlegung eines paar Mark höher oder niedriger sind. Es ist ferner nicht gleich­Ministerpensionsgefeges geregelt werden, und gültig, ob die soziale Fürsorge von Staats wegen als Kern und zwar bei einer gleichzeitigen Regelung in den Ländern und Stern der Politit oder nur als lästiger Ballast kapitalistischer Gemeinden. Auch hier wurde fein abschließendes Ergebnis Aufstiegsmöglichkeiten behandelt wird. Es ift drittens auch erzielt. Das gleiche gilt von dem Erlaß einer Amnestie nicht gleichgültig, ob in der Republik  , deren Bestand durch und der Abschaffung der Todesstrafe. Die Erörterungen ist, der Einfluß der großen Arbeiterorganisatio­die Arbeit des perräterischen Reformismus" leidlich gesichert über diese Fragen werden fortgesetzt. nen wächst, oder ob Scharfmacher, Faschisten, Diktatur­apostel und Kriegsheger über den Lauf der Staatsmaschine entscheiden. Das bringt uns auf einen nierten Bunft: Es ist auch nicht gleichgültig, ob die deutsche Republik   den Kurs auf den Frieden und die Bölterverföhnung nimmt oder ob sie durch eine Politik der Phrase, und des diplomatischen Abenteuers die in Europa   vorhandenen Kriegsgefahren noch vermehren hilft.

Die sozialpolitischen, die wirtschaftspolitischen und die finanzpolitischen Fragen, für die am Sonnabend nur Formu lierungen der Sozialdemokratie vorlagen, sollen am Mon­tag vormittag erörtert werden.

Wünsche der Wirtschaftspartei.

Am Sonnabend vormittag hat der Abg. Dremiß dem Abg. Hermann Müller   Franten Forderungen der Wirtschafts­partei zur Regierungsbildung überreicht. Sie bewegen sich auf der bisherigen Linie der Politit der Wirtschaftspartei und dienen in der Hauptsache dem Ziel der Beseitigung des Mieter huges und der behördlichen Wohnungsregelung. Betriebe der öffentlichen Hand in diesem Porgramm nicht. Da der Selbstverständlich fehlt auch die Forderung nach dem Abbau der Abg. Drewitz am Sonnabend nicht in Berlin   weilte, wird eine Besprechung zwischen ihm und Hermann Müller   erst am Montag

Die Aussprache über die Einführung eines Bernachmittag stattfinden.

Englischer Kurier in Mailand   überfallen

Bon faschistischen Poliziften.

London  , 16. Juni.  ( Eigenbericht.)

Bor wenigen Tagen ist ein diplomatischer Kurier der englischen   Regierung in Mailand   von faschisti­ichen Polizisten in 3ivil mißhandelt worden. Als fich der Kurier nach der Feststellung seiner Personalien und der feiner Angreifer auf der Polizei ins Hotel begeben wollte, wurde er noch­mals, und zwar von einer ganzen faschistischen Bande angegriffen und erheblich verleht. Der erst jetzt bekannt ge­wordene Vorfall erregt in London   großes Aufsehen.

Phosgen in Genf  .

Die Bomben in den Gee verfentt.

Genf  , 16. Juni.  ( Eigenbericht.)

Eltern!

Geht heute zur Wahl!

meine und gleichzeitige Abrüstung, so heißt es weiter, fege aber eine allgemeine Kontrolle voraus. Natürlich wird hier die Souveränität der Staaten eingeschränft, aber es gibt feinen internationalen Fortschritt ohne die Unterordnung der nationalen Souveränitäten unter eine übernationale Souveränität". Auch die von Paul Boncour   vertretene Forderung Frank­ reichs   Erst Sicherheit, dann Abrüftung" sei unhaltbar, denn fie verzögere die Abrüstung und damit die Sicherheit. Allein die vereinigte Kraft des internationalen Proletariats sei in der Lage, die internationale Sicherheit zu garantieren Der Bölterbund, wie er heute sei, intereffiere das Proletariat lediglich als Rampfmittel. Er müsse demokratisiert, in einen wirklichen Bund der Völfer umgestaltet werden. Die Krieges von Frankreich   nach der Schweiz   gebracht worden, angeblich, Außenpolitik Frankreichs   begünstige geradezu das faschistische Italien  und habe sich in der Angelegenheit des ungarischen Waffen­um der Fabrikation von Veronal zu dierlen. Der Schweizer   Geschmuggels ohnmächtig gezeigt. Daher, so schließt Byromski, sei sundheitsdienst entschied, daß die Bomben, deren Eigentümer nicht mehr festzustellen waren, in den Genfer See   versenkt werden. Die Versenkung erfolgte am Sonnabend in aller Frühe

In einer in Ronfurs befindlichen Fabrik bei Vernier   in der Nähe von Genf   wurden vor einiger Zeit bei einer Inventurauf­nahme des Konkursverwalters 83 Fliegerbomben entdeckt, die mit Phosgen gefüllt waren. Sie waren gegen Ende des

ohne Zwischenfall.

3yromffis Kritik an Boncour.

Für allgemeine Abrüftung.

Paris  , 16. Juni.  ( Eigenbericht.)

es unbedingt erforderlich, daß der Vorstand der Sozialistischen Bartei sich mit der Abrüstung entschieden befasse und er nicht mehr einen Sozialisten autorisiere, die französische   Regierung zu ver­treten, folange fie ihre gegenwärtige Politif betreibe.

Bor der Haftentlaffung Ricklins und Roſsés? Nachdem der Wahlprüfungsausschuß der französischen   Kammer die Wahlen der Abgeordneten Ricklin und Rossé als ordnungs. mäßig anerkannt und das Kammerplenum diese Anerkennung bestätigt hat, haben die beiden nach dem Kolmarer Urteils. Der Führer des linken Flügels der französischen   Sozialisten, fpruch im Gefängnis fißenden Abgeordneten einen Antrag auf 3yromsti, wendet sich in der Sonnabendausgabe des provisorische Haftentlassung gestellt. Angesichts der Bopulaire" gegen die Haltung der französischen   Re- Stimmung in der Rammer hat der elsässische Abgeordnete Walther, gierung in der Entwaffnungsfrage sowie gegen die Ber­tretung dieser Haltung durch einen Sozialisten in Genf  . Byromsti tommt in seinem flar und kurz gefaßten Artikel zu der Feststellung, daß alle Regierungen in den letzten Jahren durch Rüftungs fragen viel mehr als durch die Abrüstung in An spruch genommen waren und fordert, daß man unverzüglich die allgemeine Abrüstung betreiben müsse, statt wie bisher nur auf der Abrüstung der Besiegten zu bestehen. Die allge­

der eine parlamentarische Aktion für die Freilaffung seiner beiden Kollegen durchführen wollte, darauf verzichtet, seinen Antrag, den er zunächst bis zu der Beschlußfassung des Ausschusses zurüc. gestellt hatte, wieder zur Debatte ftellen zu laffen. Das hat zweifel los zur Entspannung der Lage beigetragen, an deren Ber schärfung auch Poincaré   nichts gelegen sein fonnte, und man darf damit rechnen, daß Anfang nächster Woche die Haftentlaffung der beiden Abgeordneten verfügt werden wird.

Aus all diesen Gründen ist die sozialdemokra tische Reichstagsfrattion der Meinung, daß der Versuch gemacht werden muß, durch Teilnahme an der politischen macht für den Aufstieg der Arbeiterklasse etwas zu erreichen. Diese Meinung wird von unseren Partei­genoffen im Lande fo gut wie et mütig gateilt Die Ber deutiger Klarheit zu ihr bekannt. liner Genossen haben sich am letzten Freitag mit ein­

Wenn wir auch mit unserer Arbeit nicht warten wollen, bis der nächste Beltkrieg ausgebrochen und durch einen fieg­reichen Bürgerkrieg beendet ist, so teilen wir doch die Auf­fassung der Kommunisten, daß der Weg zum Sozialismus noch recht weit ist und daß viele Gefahren auf ihm liegen. Wenn wir von der Großen Roalition erwarteten, fie werde die Kapitalisten enteignen und die sozialistische Repu­blit proflamieren, so wären wir Narren.( Wobei außer­dem noch bedacht werden muß, daß es sehr zmeierlei ist. Die sozialistische Republit zu proflamieren" und sie wirklich zu organisieren.) Auch die neue fommunistische Theorie von der Möglichkeit eines Sieges des Sozialismus in einem Lande eine bebentliche rechte Abweichung" von der Lehre Lenins   scheint uns nicht unanfechtbar. Eine sozialistische Wirtschaft, die dem ausländischen Kapital zins­pflichtig ist, bleibt in unseren Augen immer noch ein refor= mistisches Zwittergebilde.

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Gleichviel, von Jllusionen sind mir frei. Wir sehen ganz nüchtern und praktisch, daß das, was wir als Regierungspartei bestenfalls erreichen fönnen, nur eine be scheidene Abschlagszahlung sein fann auf die großen Forde­rungen, die wir an die Zukunft stellen. Auch vor den Ge= fahren, benen wir entgegengehen, dürfen wir nicht die Augen verschließen. Schon der laute Ruf der Deutschnatio­nalen, man solle nur uns die Verantwortung überlassen, müßte uns auf sie aufmerksam machen. Diese guten Leute meinen, wir müßten uns in der Regierung ebenso dumm benehmen wie sie, und darauf sehen sie ihre ganze Hoffnung. Wir dagegen denken: die Dummheiten der Gegner sind dazu da, daß man aus ihnen lernt.

Als der Bürgerblod im Werden war, sagte man einem bekannten Politiker der Mitte das Wort nach, man müsse jetzt wie einen jungen Hund mit der Schnauze in müſſe jegt wie einen jungen Hund mit der Schnauze in den Dreck" die Deutschnationalen in die Berantwortung stoßen. Daß man an manchen Stellen gegen uns gleich freundliche Absichten hegt, ist uns nicht ganz unbekannt. Doch bleibt zwischen den Deutschnationalen und uns neben vielem anderen auch der Unterschied, daß die Deutschnationalen bei ihrer bekannten grundsäglichen Einstellung zur Re pu blit und zur Außenpolitit nicht Regierungspartei werden konnten, ohne ihre ganze Bergangenheit zu verleug nen. Insoweit ist unsere Lage weit günstiger. Auf der anderen Seite verkennen wir feinen Augenblid, daß die 3u­fammenarbeit einer fozialistischen Ar­beiterpartei mit bürgerlichen Parteien bis zur Boltspartei hinüber viele Gefahren in sich birgt. Berantwortet werden kann sie nur, wenn sie der einzige offengebliebene Weg ist und wenn durch sie praktische Teil­resultate im Sinne unserer Auffassungen erreicht werden.

Die Zusammenarbeit ist aber heute der einzig offen ge­bliebene Weg. Die Arbeiterbewegung ist in Deutsch­