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izx-Unterhaltung unö Wissen
Settage des Vorwärts
Die Wahhabi vor den Toren.
Von M. Ven-Gavriel, Jerusalem  .
An der Jordanbrücke, wo ein paar palästinensische Polizeireiter aus der«inen und«in paar arabische Legionäre seiner Hoheit des Emirs Abdallah Ibn Hussein auf der anderen Seite, den nach Trans- jordonien Einreisenden sehr genau nach Woher, Wohin, Name und Zweck der Reise, nicht aber mich Waffen fragen, hörten wir die ersten Erzählungen über den Einfall der wahhabischen Kamclreiter. lausende seien gefallen, die Leute vom Stainm Ben! Sachr seien bei- nahe aufgerieben, und der Emir   habe Waffen nach Es Tarka geschickt, wo man einen neuen Angriff der Puritaner der Wüste erwarte. Wir wissen natürlich, dah nur 75 Proz. der Erzählungen wahrschein- lich,»nd höchstens 50 Proz. wahr sind, aber wir wissen auch, dah tatsächlich tausende wahhabische Krieger, angeblich unter dem großen Faisal ed Darwisch an den Grenzen des Emirats lagern, um mit Feuer und Schwert, sei es auch gegen die englischen Panzerautos, die wahhabische Lehre vom«inigen Gott, der keinen Heiligendienst und keine Aerweichlichung ber Sitten will, zu verbreiten., Ebenso wissen wir aber auch, dah es wohl unmöglich sein wird, bis in die gefährdet« Zone vorzudringen, denn ohne persönliche Erlaubnis des Wohhabikönigs Ilm Saud ist jede ander« Art des Selbstmordes weit weniger kompliziert als dies«. Nichtsdestoweniger; wir fahren nach Transjordanien hinein, um zumindest zu sehen, was in seiner Hauptstadt. Amman  , lo» ist. Wir fahren die Wüstenstroß« hinaus, an alten Stocheldraht- verhauen vorbei(hier wurden die türkisch" deutsch  -österreichischen Truppen von Beduinen aufgerieben), durch die breite wesenlos«, pflanzenlof« Ebene, die rötlich ist und dann wieder stahlblau. Rechts, den Weg entlang, hängt an abgeschnittenen Zweigen, meist ohne Isolatoren,«in Telegraphendraht, die einzige BerbinduNg des Lande» mit der Außenwelt und zugleich beliebteste» Pressionsmittel der Stämme, die aus irgendwelchen Gründen unzufrieden sind. Dann wird eben der körgliche Hausrat, der Wandernden solange mit Tele- graphendraht geflickt soder die abendlichen Feuer werden statt mit Kamelmist mit den sogenannten Telegraphenstangen gespeist), bis der Emir telegraphieren will und die tlnzufriedenen zufrieden macht. Bald ändert sich das Landjchaftsdild: die Ebene geht mit einem Schlag in Gebirgssormationen über, die, romantisch und bizarr zu- gleich«Ine Hyäne sieht uns mißtrauisch nach, wie ein einsames tlrweltmärchen uns umgeben. Linker Hand stürzt da» Tal zu einem Wadi, einem ausgetrockneten Wüstentluhbett. hinab, das, ein schilf- rohrgrüner und oleanderroter Streifen, uns begleitet, das einzig Farbig« in dieser grenzenlosen Einsamkeit, denen Stille un» umdröhnt, in dennoch irgendwie vertraulicher Grandiosttät. Kein Reiter, kein Hirt« kreuzt unseren Weg.«in Kamelbeduine nur nach einer Stund«, «in langzopfiger Junge mit glühenden Augen und felbstverständlich bi» an die Zähne bewaffnet. Der Austausch von ein paar Höflich- keiien, besten Ergebnis fein« Meinungsäußerung ist, daß die Güte unserer Zigaretten die aller anderen Menschen kuil«im»» über­treffe, unterbricht für»in paar Augenblicke die Eintönigkeit der Fahrt. Doch eh« wir un« versehen, als öffneten sich mit einem die Tore d«, Paradiese», umgeben un«, ahne liebergong beinahe, die Gärte« von Es Salt in ihrer unvergleichlichen grünratgekben Farbenfreudigkeit. Ein paar Beduinenfrauen auf Pferden, Frauen von edelster Schön- hsit, mit Nasenringen und blauer Tätowierung am Kinn, kommen vorbei und grüßen uns mit dem Gruß de» Friedens. Und«in paar Minuten später sind wir mitten im Bozar dieser merkwürdigen, amphitheatralifch den Berg hinangebauten Stadt. Kcf, das heißt Ruhen. Nichtbenken. Kaffeetrinken und Rauchen in einem Straßen- kaffeehans. Nach dem Lärm der Bazare Palästinas   ist dieses schein- bar ziellose, ruhig-vornehm« und irgendwie gesättigte Sichtreiben- lasten der Araber von E, Salt erschütternd im plötzlichen Abklingen der Nerven. Hier hat jeder Zeit, jeder ist, irgendwie betont,«in Freier, der mit sich anfangen kann, was er will... Auch hier erzählt man Schauergeschichten von den Wahhabi, aber in ruhiger, «in wenig abwartender, abgeklärter Weis«, denn dieses Volk von Es Satt, dem das große Erdbeben an die hundert Häuser über dem Kopf einstürzen ließ(wir sehen noch die Ruinen), ist gegen jedes irgendwie noch abwendbare Ereignis ein wenig skeptisch.
Fahrt durch die Wüste, dann wester, bis die Minarette von Amman   vor uns auftauchen und wir gleich darauf untertauchen im Lärm seiner Straßen. Amman   ist ein Emporkömmling unter den Städten des vorderen Ostens. Vor dem Krieg ein unbedeutender Wüstenfleckcn, ist heute die Stadt Residenz des Emirs(der sehr gern König werden möchte), die Zentrale aller der bunten politischen Intrigen des Landes, sowie Sitz des englischen Residenten, doch ist Amman  , trotz des letztgenannten Umstandes, der die Anwesenheit von ein paar englischen Fliegern, den Wächtern aus der Straße nach Indien  , bedingt, eine orientalische Stadt.(Das wüste Geheul der Grammophone im Bazar ist ja heule schon ein integrierender Bc- standteil des Orients.) Hier kreuzt wildeste Wüstenromantik sich mit hoher Weltdiplomati«, und die Beduinen, die am Rande der Stadt lagern, sind es, in deren Namen der Emir   seine Unterschrist unter den Vertrag mit England setzt. Amman   ist aber auch eine Stadt, die etwas auf sich hält. Wenn es auch besser ist, abends, wenn man zum Beispiel zum Polast de, Emirs hinausgeht, sich ein Gewehr Anzuhängen, erstens, weil in diesen Gegenden ein Unbewafsneter nur ein halber Mensch ist und zweitens weil ein Gewehr schließlich doch ein Gewehr ist, gibt es in den Straßen Ammans Verkehrs- Polizisten. Irgendwo sah ich sogar eine Straßentosel, und überdies gibt es auch ein Theater. Ueber diese» Theater hier sprechen, würdo den Rahmen dieser Notizen sprengen, denn dieses Theater, das darf nicht vergessen werden, ist ein ammanesisches Theater mit reichlich merkwürdigen Eigenheiten. Nachdem ich am nächsten Tag von Amt zu Amt gejagt war, wo stundenlange Höflichkeitsbezeugungen die endlosen Kaffees würzten, ging ich zum Emir. In der Halle des in scheußlich levantinischer Stillosigkeit erbauten Schlosses lungerten Beduinen herum, Tschcr« kessen von der Leibwache, ein indischer Arzt, braune Hidjasgcntlemen mit goldenem Kopfbund und ebenso braune Negersklaven aus Mekka  mit kleinen Dolchen im Gürtel und blitzenden Zähnen. All« diefs Herren, in deren Gesellschaft ich, bemerkenswert unbewaffnet, eine Viertelstunde wartete, sahen aus, als wären sie soeben aus einem Heeresmuseum entlassen worden: lebende Wafsenstclnder. Es war ein sehr höfliches Gespräch, das wir, der Herrscher und ich, in Gegenwart des gesamten Ministerrats führten,«in Gespräch, bei dem sich jeder das dachte, was er nicht sagte und sich bemühte, da» zu sagen, woran er nicht glaubte,»nd dabei jeder politisch ver- sanglichen Frage aus dem Weg zu gehen. Es war«ine nette halbe Stund«, in der ich natürlich kein Wort über die Wahhabi erfuhr, aber dafür Gelegenheit hatte, einen bemalten Eierbecher mit einem Gruß aus Irgendwoher zu bewundern, der zu den erlesenen Teppichen etwa so paßte, wie die stumm herumsitzenden, in Feierlichkeit erstarrten Minister zu einer irgendwie aus Prag   hergezauberten Weckuhr von verzweifelter Häßlichkeit, die zeigsrlos als Wanddekoration ihr Un- wssen trieb. Es war wie gesagt, eine naite halbe Stunde, besonder: erhebend war es, als ich an den präsentierenden Wachen vorbcischritt, hinter mir sämtliche Minister: ober ich war nachher so klug wie zuvor. Auch in einem besreundeten Beduinenlager, wo ich nach schnell Besuch machte, erfuhr ich nichts Wesentliches, so daß ich, aller Sitte zum Trotz, die Schlachtung eines Hammels nicht abwartete. sondern, still und einsam, plötzlich uninteressiert an aller Politik, Krieg und Wahhabi, in die Wüste hinausging, in die unendlich feierliche Einsamkeit, durch die dumpf, dann und wann das Echo eines Schusses lief. Weit ist die Wüstennacht, ein seltsam erschütternde» Geheimnis, bar alles Grauens und voll Mütterlichkeit: Urlandschast nie erlebter Vergangenheit, da die Welt noch jung war, im Abglanz der unbe- greiflich klaren Sterne. Von der Kuppe eines Wüstenberges sehe ich auf die zagen Lichter von Amman  . Ein hochgestimmtes Lied weit drüben im Beduinen- lager: vollendete Ruhe des Absoluten. Doch da die Schakale auf- heulen, erinnere ich mich, daß dort unten im Südosten wieder Männer sterben im grausamst unerbittlichen Krieg einer heiligen Idee, und ich schreite zurück zur Stadt Amman  , mutlos und verzagt. Ein kleiner hoffnungsloser Punkt in der Unendlichkeit.
Die Versuchung. Von Albert Leitich. Die ganze Wachau ist unter Blüten begraben. Ein gesegnetes Jahr steht vor der Türe. Ueberall regen sich in den Weingärten fleißige Hände, nur im Läckerhaus von Weißenkirchen   scheint man zu seiern. Da steht der Kutschwagen vor der Hautüre, und der Johann, der sonst um diese Zeit längst auf den Feldern schustet, wartet in seinem Sonntagsstaat neben dem Gespann. Es geht noch Melk  , zu einer gerichtlichen Ladung. Johann denkt eben daran, was dem Jungen eingefallen sein möge, daß er sich so weit vergesten kannte, die gut« Frau zu de- stehlen. Da kommt Frau Sommer zur Türe heraus und treibt Johann zur Eile an; die Pferde legen sich in die Sträng« und traben im schnellen Laus am Donauufer dahin. Schweigsam lehnt Frau Sommer im Wagen, das schimmernde Blütenmeer läßt heute ihr Gesicht nicht aufleuchten, denn der Ge- danke an diese abscheuliche Strasverhandlung läßt sie nicht locker. Hott« der Junge es notwendig gehabt, so an ihr zu handeln?! Regungen des Zorns und der Derachtung übermannten sie. Monatelang schon war sie bestohlen worden: anfangs merkte sie es kaum: als aber die Summen immer größer wurden, stand sie ratlas da. verdächtigte die Mägde, verdächtigte den und jenen, nur an den Jungen dachte sie nie. Wieso denn auch? Er, Robert, sollte sie bestehlen, den sie al» Woisenbuben ins Haus genommen, den sie mit mütterlicher Lieb« umgab, dem sie jeden Wunsch von den Augen ablas und erfüllt«. Ilm endlich dem Dieb auf die Spur zu kommen, zeichnete sie die Geldstücke ein. Mit Grauen dachte sie noch einmal an das Entsetzen, an die Empörung jenes Februarmargens, als der Junge sich durch solch ein Geldstück verriet und wie dann ein« große Geldsumme in einem Versteck im Holzschuppen aufgesunden wurde. Nachdem sie lang« vorher schon gegen unbekannte Diebe die Anzeige erstattet hatte, konnte sie der Mägde halber von einer Der- öfjentttchung des Falles nicht abstehen, sie wollte�es auch nicht, denn der undankbare Missetäter hatte ausgiebige Strafe verdient. Heut« sollte die Verhandlung stattfinden. In dem Neinen Verhandlungssaal des Bezirksgerichtes staute sich die Menge. Viele Neugierige waren gekommen, viele Schaden- frohe, die das gute Werk, das Frau Sommer an dem Jungen tat, längst mit scheelen Augen angesehen hatten. Die arm« Frau fühlt« sich mit Schadenfreude übergaffen, und sie sah gespannt in das Gesicht des Richters, um dem förmlich zu suggerierenNur lo», endlich an den Missetäter heran, damit die Geschichte zu Ende kommt". Es ging auch schon los. Der siebzehnjährige Junge wurde von einem Landjäger herein- gerührt. Scham und Schuld senkten ihm das Haupt. Der arm« Junge, was mußte der in der Hast gelitten hoben!! Verflogen war in Frau Sommer oll« Erbitterung, oller Zorn. sie hatte nur mehr«in Getühl de» ungeheuren Mitleid» im Leib. Ein fadenscheinige», an den Armen abgewetzte» Riicklein hüllt« die unscheinbar« Gestost«in, die.Haare lagen schweißklebend an der" Stirn«, ein paar dunkle Augen sahen krampfhaft zu Baden. Der guten Frau fiel da eine Nacht ein. die sie nicht nergeffen konnte. Ihr Sohn, ihr Konrad, hatte sich beim Baden«rkästet und log in Fiederdelirien im Bett. Sie selbst hatte tagelang Schlaf und Ruh« geopfert, bi» sie fast zusammenbrach. Da hatte der fünfzehnjährige Junge ff« bei- fette geschoben und sie gebeten, sich zu schonen. Er übernahm die Nachtwachen und betreute den Sohn mit einer Zartheit, wie«in« geschulte Krankenpflegerin. Ja, der arme gute Junge hatte damals gleich ihr in Todes- angst gezittert um das Leben ihres Einzigen, der nun wieder ge- kräftigt seinen Studien oblag. Genau so düster, so unheimlich starr und ernst hatte er da- mals Wache gehalten am Bett ihres Lieblings. Ihre. Augen konnten sich nicht losmachen von der dürftigen Ge- statt, die da vor dem Richter stand. Und der Junge schien es zu fühlen, mit welcher Regung ihn Frau Sommer betrachtete, denn er hob plötzlich den Kopf, ein fragen- der, saugender Blick ging nach der Herrin hinüber, die gekommen war, ihm«inen unauslöschlichen Makel auszubrennen. Unrerde» begann die Verhandlung. Als der Richter den Jungen jragte, ob er sich schuldig be­kenne. schwieg er hartnäckig. Nun kam das Zeugenverhör. Alle Zeugen überboien sich in Lob für Frau Sommer. Was für eine gut« Frau sie gewesen sei, wie sie den Jungen so wie ihr eigenes Kind gehalten habe, wie sie für ihn gesorgt habe, und wie er, der Undankbar«, all diese Güte so unverantwortlich mißbraucht habe. Frau Sommer hörte ihr Lob von Dutzenden Zungen, aber ihre Gedanken weilten noch immer in den Nächten, in denen Robert so heldenhaft Nachtwachen und Opfer auf sich genommen hatte, in denen er ihr« Kämpfe und Sorgen mittrug. Vor diesen Erinnerungen verblaßte allmählich die Schuld des Jungen. Sie hatte damals seinen Opfermut, seine tätige Teilnahm« hin- genommen wie etwas Natürliches, Selbstverständliche», aber sein« Schuld, die ließ sie ihn jetzt so furchtbar büßen. Ein Gefühl grenzenloser Beschämung kam über sie. Ihre Augen wurden naß. und so oft si, den Blick aus den armen Jungen richtet«, mußte sie denken, daß der arme Kerl in seiner schweren Kindheit genug gelitten hatte. Er war ein ver- stoßenes Waisenkind gewesen, das niemand im Markte wollte. Ein Zittern flog über die Gestglt Frau Sommers und«in jähe» Erschrecken, als jetzt der Richter ihren Namen rief. -Si, sollte die ganze Begebenheit nochmals schildern. Anfang» konnte sie vor Aufregung kaum reden. Dann aber dach!« sie daran, den Jungen um jeden Preis zu retten und da wurde ihre Stimme freier und heller und sie gab sich Mühe, den Armen in jeder Weise.zu entlasten. Sie erzähll« von feiner traurigen Kindheit, von seinen Elends- und Hungerjahren, von den harten Eindrücken in allerfrühester Zeit, von sein«? anstelligen Güte, von seinem heldenhaften Opferstnn. Immer wärmer wurde ihre Stimme, immer reiner brach ihre verzeihende Güte durch. Die Sanne kam durch das hohe Vogenfenster ln den Saal und legte ihr goldenes Licht um das Haupt der Frau, rückte dann watter und ließ jeden Zug in dem verhärmten abgemagerten Antlitz de» Knabe» nubarucherztg sichtbar«ade».
Und als wenn die Frau die strahlende segenspendend« Wärme der Sonn« in sich gesogen hätte, wurden ihre Worte immer freier, immer mitleidwerbender. Von der selbstlosen Güte des armen Jungen erzählte sie, von seiner treuen Anhänglichkeit, von seiner mutigen Opferbereitschaft. Si« vergaß den Richter, sie vergaß die Zeugen, si« vergaß die Zuschauer und sie dacht« nicht einen Augenblick daran, was diese alle zu ihrer Wandlung sagen«erden: mit leuchtenden Augen und erhobener Stimm« fuhr ff« fort: »Herr Richter, daß ich den armen Jungen in meiner ersten Erregung dem Landjäger übergab, wt mir von Herzen leid: ich habe Ihnen erzählt, wie viele Nächte er meinem Kinde opserte, wie ich ihm es nicht zuletzt danke, daß Konrad heute am Leben und gesund ist. Ich denk« nun allen Ernstes, daß das, was sich Robert nahm, eigentlich viel, viel zu wenig war für die aufopfernden Dienste, die er mir monatelang geleistet hat: daß er es heimlich nahm, war ein Vergehen von ihm, gewiß: aber, daß ich ihn, den unerfahrenen Jungen, so in Versuchung führte, weil ich Laden und Schränke offen lieh, vor ihm, dem armen Waisenknaben, der sich sicherlich um sein« Zukunft sorgte, Im Falle mir was geschehen würde, das war meine Schuld und ich finde, Herr Richter, sie ist viel, viel größer als sein«. Ich hätte ihn vor allen Abwegen sie- hüten sollen, ich ich sührt« ihn aber in Versuchung." In innigem, bittendem Tone hatte sie die Wort« vorgebracht und dabei den Richter mit flehenden Augen angesehen. Ein Aufatmen ging durch den Saal. Immer noch wob die Sonne einen Strahlenkranz um das Haupt der gütigen Frau, al» der Richter st« fragte. Gut, Frau Sommer, Ihr« Gesinnung ehrt Sie. Aber was soll nun aus dem Jungen iverden, wenn ich ihn hier entlaste?" Da fallet« dl« Frau in tiefer Ergriffenheit die Hände und sagt«:»Herr Richter, ich will ihn wieder zu mir nehmen. Ich will ihn behüten wie meinen eigenen Sohn, und Robert wird ffcher- lich sein Leben lang nicht vcrgeffen, daß meine Dankbarkeit ihn vor Schlimmem bewahrt hat." Der Richter war von solch reinem Menschtum bezwuirgen, und der Jung« dürft« an der Hand Frau Sommers ins Leben zurück- kehre».
Ltrmensthen als Lagdkünstler. Die kleinen Steinsptitier, die die Vorgeschichte als Pseiffpitze» erkannt hat. erscheinen uns so schwache und lmwirksame Waffen. daß wir uns kaum vorstellen können, wie der Urmensch mit ihnen gejagt und große Tiere erlegt hat. Als Erklärung süijrt Dr. L. Franz in einem Aufsatz der Frankfurter WochenschristDie Umschau" die außerordentliche Geschicklichkeit an, die wir bei den vorgeschichtlichen Menschen voraussetzen dürfen. Auch heute noch beobachten wir an Völkern, die aus sehr niedriger Kultiirstus« stehen, wie z. B. den Weddas, daß sie mit ihren winzigen Pfeilspitzen aus Stein sogar Elefanten erlegen. Die größten Tiere werden durch geschickt angebrachte Lungenschüss« getötet, während kleineren Tieren der Pfeil durch und durch gejagt wird. Die Weddas legen sich dabei auf den Rücken, halten den Bogen mit den Füßen und spannen mit beiden Händen die Sehne, so daß das Geschoß dadurch ein« große Kraft erhält. Die gleiche Iogdfertigkeit dürfen wir auch beim vor- geschichtlichen Menschen voraussetzen. Die große Wirksamkeit seiner kleinen steinernen Pfeilspitzen wird durch verschiedene interessante Funde erwiesen. So fand man auf der dänischen Insel F ü n c n ein Skelett von einem Auerochsen, in dessen Rippen kleine steinerne Pfeilspitzen abgebrochen waren. Der Jäger aus der jüngeren Stein­zeit war also imstande gewesen, mit dem Pfeil das dichte Fell des Tieres zu durchdringen: dabei hatte er sich sogenannter o»er- schneidiger Spitzen bedient, deren wirksames Ende eine Langtante bildet, also eines Geschosses, das uns besonders ungeeignet erscheint. In eine? französische» Höhle, dev van Tourass« bei' Saint Martary, stieß man ans Skelettrestc eines steinzeitlichen Menschen, in dcffcn Lendenwirbel ein« Pfeilspitz« steckte: diese war von vorn, durch den Bauch, einen Zentimeter tief in den Wirbel eingedrungen und muß die Eingeweide schwer verletzt haben. In dem Wirbel eines Hirsche� der bei Momsort in Frankreich   ausgegraben wurde, stak ein« Feuer- steinlamelle. die den ganzen Korper des Wirbel» durchdrungen, also da, Rückenmark getroffen hatte. In den, Unterkiefer eines stein- zeitlichen Menschen, der in der Lisztovo-Höhle bei Rosenberg in dem früher ungarischen Komitat Lipiau gefunden wurde, befand sich ein« ganz klein? Pfeilspitze aus Feuerstein  , die mit solcher Gewalt in den Knochen gedrungen war, daß sie der Verwundete nicht mehr ent­fernen konnte. Au» diesen Beispmen, die sich roch vermehren lieft-n, geh, hervor, wie vortrefflich der Vor.zeitmensch seine Waffen zu handhaben muhte. Dt« Wirkung mag vielfach noch durch Pfeil- äfft« erhöht worden sein, obgleich sich dafür kern« umnittolbare« Belege finden.