Lambach und die Gnade Gottes Die Angestellten warnen vor Ausschluß.— Treviranus gibt den Monarchismus preis. Wie der„Hannoversche Kurier" erfährt, hat der An- gestelltcnausschuß Hannover der Deutschnationalen Volks- Partei den Meinungsverschiedenheiten, die sich aus dem Aufsatz des Reichstagsabgeordneten Lambach über die monarchistische Frage ergeben haben, solzende Entschließung gefaßt: „Der Vorstand des Angestellte, lausschufsss Hannoper der DNBP. hat von den Auseinandersetzungen über die m o n a r ch i- stische Frage Kenntnis genommen.. Der Vorstand begrüßt die Absicht, über diesen Programmpunkt der Partei vollkommene klar- heit zu schassen. Er hält sich verpflichtet, der Reichsparteileitung mitzuteilen, daß sich unter den Angestellten, Mitgliedern und An- hängern der Partei sowohl konservative Monarchisten als auch konservative Republikaner befinden. Roch größer dürste die Zahl der Angestellten und Parteimitglieder sein, die der Frage„monarchistisch oder republikanisch" keine große Bedeutung beimessen, die jedoch wünscht, daß es den Konservativen bzw. Ehristlichnationalen möglich sein müsse, im Rahmen der DNVP . Tür ihre Idee zu kämpfen, und kann es nicht o e r a n t w o r t e n, diese Gestnnungs- und Kampfgenossen nur deshalb abzustoßen, weil sie die republikanische Staatssorm aus verschiedenen Gründen der monarchistischen vorziehen. Der Vorstand des Angestelltennaus- schusses Hannover der DNVP. erblickt ssi der Stellungnahme des Abgeordneten Lambach, ohne sich in allen Einzelheiten mit ihm zü identifizieren, den ehrlichen Versuch, auch den nichtmon- a r ch i s ch eingestellten Parteianhängern die ohrliche Mitarbeit.zu ermöglichen und damit ein« Entwicklung der Partei anzuerkennen. die sich bereits vollzogen hat. Sowohl die nionvrchistisch als auch die republikanisch denkenden Angestellten haben mit Bedauent erfahren, daß der Landesverband Hamburg der DNVP . den Aus- schluß des Abg. Lambach beantragt hat. Der Vorstand des Angestelltenausschusses Hannover der DNVP. erwartet vom Reichs- porteivorstand, daß diesen: Antrag nicht stattgegeben wird, da mit absoluter Sicherheit gesagt werden kann, daß die christlichmtionalen Angestellten in diesem Falle der Partei säst ausnahmslos den Rücken kehren werden. Der Vorstand hält sich für verpflichtet, den Versuch zu machen, diesen schweren Schlag von der Partei rechtzeitig abzu- wenden." In der gleichen„Politischen Wochenschrift", in der Lambach seine Betrachtungen über den Monarchismus ver- öffentlicht hatte, nimmt jetzt der Abgeordnet« Treviranus , .politischer Beauftragter" der Deutschnationalen Partei das Wort, um die Frage„Monarchie oder Monarchismus" gegen Lambach abzuwandeln. Treviranus bezeichnet die Deutschnational« Partei als„die genialste politische Konzeption der Nachkriegszeit". Er ist der Meinung, daß seine Partei bisher schon„unabhängig von einem Kampf um die Staatsform" dem Volke ge- dient habe, ohne doch den monarchischen Gedanken für die Zu- kunft preiszugeben! Bei seiner Auseinandersetzung kommt er jedoch zu folgendem Geständnis: „Der G e g e n s a tz ist im letzten nicht Monarchist oder Repu- blikaner, auch nicht Monarchist oder Demokrat, sondern die Beant- wortung der Frage:„Unterwerfen wir uns der Willkür, den Massenlaunen der Menschen oder den Fügungen göttlicher Gnade? Da die Gnade Gottes unabhängig von unserem Wollen ist, können wir die Monarchie nicht wiederherstellen, restaurieren." Wenn sogar der„politische Beauftragte" der Deutschnationalen zu der Erkemrtnis kommt, daß nach dem Willen der göttlichen Gnade die W i ederherstellung der Monarchie unmöglich ist, so kann schließlich auch Everling und sein' engerer Aichang init ihrer nionarchistischen Propaganda einpacken. Sie werden das um so lieber tun, je deutlicher der Willp zum Ausdruck kommt, der in der Erklärung des Angestelltenausschusses von Hannover sich bemerkbar macht. Voreilige(Schadenfreude. Die Rechtspresse versichert ihren Lesern heute morgen, daß alles ein„Scherbenhaufen" fei. Die„Deutsche Tageszeitung" spricht von einer„aufgelegten Pleite": sie führt sie letzten Endes auf das „rücksichtslose Machtgefühl" zurück, daß die Sozialdemokratie seit dem 20. Mai beherrsche und sie dazu verleitet habe, dem Zentrum keinerlei Konzessionen zu machen. Der„Berliner Lokal-Anzeiger" kommt auf seine Lieblingsidee zurück: „Wie aber wäre es mit dem sozial! st ischenMinder- heitskabinett? Wir haben hier immer hervorgehoben, daß das die einzige Lösung wäre, die Klarheit und Wahrheit in das Intrigenspiel des Parlaments brächte. Die Sozialdemokratie hat mit den Bemühungen Müllsrs, die Aufklärungsarbeit am deutschen Volk« erfolgreich begonnen, was ein Reichstag heißen will, in dem 150 Sozialdemokraten sitzen. Daß diese Aufklärungs» arbeit fortgeführt wird, ist hohes nationales Interesse. Nur wenn sich die ganze Ideenlosigkeit und Unfähigkeit der SPD. und ihrer Führer vor aller Augen erwiesen hat, nur dann ist zu hoffen, daß sich bei einer— ja sicherlich binnen kurzem notwendig werdenden— Auflösung des Reichstages die Cnt- täuschten von einer Partei abwenden werden, deren demagogischen Versprechungen sie bisher geglaubt hatten und dann durchschauen werden." Die antimarxistisch- Einheitsfront des Bürgertums gegen die Sozialdemokratie, das ist das edle Ziel, das den Herrschaften von ganz rechts noch immer vor Augen schwebt.
Amerika gegen den Amerikaner. Oer Deutschenhasser in Löwen ein Heimatkrieger. Rem porf, 28. Jims. Die Vorstände des Weltbundes für internationale Freundschaft und der Friebensunion der Kirchen sandten dem Rektor der Univer- sität Löwen, Monsignore La de uze, ihre Zustimmung zu seiner Haltung in der Frage der deutschfeindlichen Inschrift an der neu- errichteten Löwencr Bibliothek. Di«„New Pork World" äußert sich in einem Leitartikel über den„guten und den schlechten Geschmack in Löwen" und schreibt, „wie unvornchm wäre es, wenn wir auf unserem Weißen Haust die Inschrift anbrächten„V o n den Brüten im Jahre 1814 niedergebrannt". Oder wenn wir auf dem Grabmal des Präsidenten Grant eine andere Inschrift setzen würden als die: .Laßt uns Frieden haben!" Zu dieser Unvornehmheit gebe sich jedoch der amerikanische Architekt Whitney Warren hin, wenn er versuche, den sich sträubenden Belgiern seine Inschrift aufzuzwingen. Die Inschrift über dem �Löwener Bibliotheksgebäude muß, abge- sehen davon, daß sie für jeden, der die Hoffnung auf nicht nur ge- fühlsmäßige, soiiidern auf wirkliche Vereinigte Staaten von Europa hegt, einen Schlag ins Gesicht bedeuten. Auf Generationen hinaus könne kein Deutscher ohne schmerzliches Empfinden und kein Amerikaner mit gutem Geschmack ohne peinliches Miß- sollen eine solche Inschrift betrachten, x
Dampferunglück am Osthafen. Lastkahn gegen Vergnügungsdampfer.— Neun Personen verletzt.
An der„Oberen Schleuse", am Stichkanal gegenüber dem Osthafen, ereignete sich heute früh ein schweres Dampferunglück. Beim Durchschleusen havarierte ein L a st k a h n mit dem Bergnügungsdampfer„E i n t r a ch t", der mit Schulkindern der 3 8. Neuköllner Ge» meindeschule, deren Eltern sowie mehreren Lehrern besetzt war. Das Steuerruder des Lastkahnes stürzte aus das Sonnendeck des Dampfers, das unter der Last zusammenbrach. Neun Frauen und Kinder wurden dabei verletzt. Die Verunglückte» wurden durch Wagen des Städtischen Rettungsamtes in das Krankenhaus am Fricdrichshain gebracht. Folgende Einzelheiten werden hierzu«och mit- geteilt: Der Bergnügungsdampfer„Eintracht" der Dampfschiff- rccderei Langwaldt u. Schmolle war von der 38. GemeiniKsschule in Neukölln zu einem Togesausflug an die Oberspree gemietet worden. Kurz nach 8 Uhr setzte sich der Dampfer von der Anlege- stelle Wildcnbruchbrücke am Stichkanal in Bewegung. Um in die Spree zu gelangen, mußte der Dampfer die sogenomite„Obere Schleuse" an: Cuvryufer passieren. Kurz vor der Schleuse hatten in dem schmalen Kanolarm entgegen den wasserpolizeilichen Vorschriften Zwei Kähne der Märkischen Sandwerke neb«nein- ander angelegt. Die Spitze des Vergnügungsdampfers befand sich gerade aus der Höhe der R u d e r p i n n e des einen Lastkahnes, als es plötzlich einen ohrenbetäubenden' Krach gab. Durch den Ab- saug, der bekanntlich durch die Steuerschraube hervorgerufen wird und bei schmalen Wasserarmen besonders stark ist, war die viele Zentner schwere Ruderpinne hochgehoben und ans das Sonnendeck
de» Dampfers geschleuderk worden. Die Dachsteisen hielten der Ve« lastung nicht stand und das ganze Sonnenvordeck stürzte zusammen. Frauen und Kinder wurden unter dem Zelt und den Eiscnteilen begraben. Laut« liilferufe ertönten: unter den übrigen Dampfer- iirsassen, die ja zum größten Teil aus Schulkindern bestanden, brach eine Panik aus. Der Kapitän des Dampsers steuerte schnurstracks auf das recht« Sprecufer zu und legte am Kai dsc Osthafens an. Von der Direktion der„Behala "-Hafcngcs«llschast wurde das Städtische Rettungsamt von dem Unfall telcphonisch in Kenntnis gesetzt, das sofort mehrere Rettungswagen entsandte. Neu--: Frauen und Kinder wurden in das Krankenhaus am Friedrichshain übergeführt, wo die Aerzte Kopf-, Arm- und leichte Beinverletzungen feststellten. Eine Anzahl der Passagiere, die Nervenschocks erlitten hatten, und mehrere Frauen, die beim Anblick des zusammenstürzenden Sonnendecks von Schreikrämpfen befallen und ohnmächtig wurden, erholten sich nach Behandlung durch Samariter bald wieder. Nachdem den Ausflüglern die Mitteilung gemacht worden war, daß von den Verunglückten niemand g:- fährlich verletzt sei, wurde die Fahrt gegen'-411 Uhr fortgesetzt. Die Schuld an dem Unglück, das nach verhältnismäßig glimpflich abgelaufen ist, konnte noch nicht einwandfrei geklärt werden. Wie Zeugen bestätigen, war die Ruderpinne des Lastkahns nicht befestigt, so daß der Absaug der Dampserschraube genügte, um das Ruder mit ungeheurer Wucht gegen dos Varderttil des Dampfers zu schleudern. Von der Direktion der Reederei Langwaldt u. Schmolle wird noch mitgeteilt, daß der sechs Meter breite Dampfer sehr langsam durch die knapp sieben Meter breite Echleusenrinue gefahren ist, so daß den Kapitän keine Schuld trifft. Die Polizei ist mit der weiteren Untersuchung beschäftigt.
Die Ortsgruppe Wilmersdorf der Sozial- demokratischen Partei veranstaltete gestern im Vit- toriogarten eine Kundgebung mit dem Thema„Die Aus- Wirkung der Rcichstagswahlen", die sehr gut besucht war. Der Vorsitzende, Geheimrat Wiep recht, teilte in seinen Einführungsworten voll Stolz mit, daß die Zahl der sozialdemo- kratifchen Wähler in Wilmersdorf vom Mai 1924 bis zum Mai 1928 v-on IlftlOO aus 24000 gestiegen ist. Reichstagsabgeordneter Wissel! sprach über die Regie- r u ng sb i l d u n g. Foststehender parlamentarisch-demokratischer Brauch sei es, daß die S i e g e r p a r t e i der Wahl die Regierung bildet. Die Sozialdemokratie habe gesiegt und sich dieser Pflicht nicht entzogen. Andernfalls wäre sie ja Schrittmachcrin des AntiParlamentarismus gewesen. Sie habe erst das Kabinett der Großen Koalition, dann das fraktionsmäßig nicht ge- Kunden« Kabinett der Persönlichkeiten zu bilden ver- sucht. Zuerst habe die Volk spart ei sabotiert, aber Scholz Hobe durch das Stresemonn-Telegramm«ine klatschend« Ohrfeige bc- kommen. Jetzt mache das Zentrum Schwierigkeiten, aber die Sozialdemokratie könne auf einen ihrer Besten, Karl S e v e r i n g, nicht zugunsten Wirths verzichten, der vor drei Monaten noch nicht wußte, ob ihm seine Partei überhaupt ein Mandat geben würde. Auch die preußische Frag« scheide für die Sogioldemokratie aus. Immer richte sie sich nach den Jnteress.? der Werktätigen. Reichstagsabgcordnete B o h m- S ch u) sprach über die kulturellen und sozialen Aufgaben des neuen Reichstags. Auf kulturellem Gebiet fei das deutschnationale Muckertum noch schlimmer als der Katholizismus. Sie halte ein Zusammen- gehen mit dem Zentrum deshalb für nicht übermäßig gefahrdrohend. In sozialer Hinsicht drücke vor allem die Wohnungsnot,
Die Flieger in Ooorn.
„VonMIRenssandt.warfürSie derOzeanflug eineKleinig- keil, da ja zu allen Ereignissen ZEH d e n W i n 0 mache!"
die Mutter von so vielem körperlichen und seelischen Elend. Wohnungsbau fei eine Geldfrage, und deshalb war es eine große Konzession der Sozialdemokratie, dem Zentrum das Reichs- finanMinifterium überlassen zu wollen. Fest« Regelung der Ar- beitszeit im Sinne des Achtstundentages, Reuaufbau des Renten- wefens, Abbau der Altergrenzc täten not. Die tatsächliche Gleich- stellung der unehelichen Kinder und eine Reform de» Ehescheidungs- rechts müßten erreicht werden. Das seien die Gebiete, bei denen namentlich die Frauen mitarbeiten müßten. Reichstagsabgeordneter Künstler wandle sich mit flammen- dem Appell an die Versammlung. Handarbeiter und Kopfarbeiter sind eins, Arbeiter, Angestellte, Beamte und Intellektuelle gehören in die Sozialdemokratie. Sie alle bilden eine Schicksalsgemeiisschoft, sind Bundesgenossen! In der Deutschen Volk spart ei, die in den letzten Tagen so viel von sich roden machte, ist kein Platz für Kopfarbeiter. Sie ist eine Partei der Schwerindustrie, die den Ingenieur ebenso ausnutzt, wie den Mechaniker, den Dreher, den Tischler. Auf der anderen Seite ist die K o m m u n i st i s ch e Partei auch rein reaktionör. Es ist alles andere als Politik, sich nur von den an- geblichen Fehlern und Versehen der Nochbarpartei, der Sozial- demokratie, zu ernähren und dadurch totsächlich nur den Deutschnationalcn zu helfen. Organisation ist Macht. Wähler der Liste 1, tretet ein in die Sozialdemokratische Partei ! Vorträge der trefflichen Reichsbanncrkapcllc um- rahmten die Kundgebung, die durch den gemeinsamen Gesang der Internationale geschlossen wurde.
Krankreichs Reparaiionsüberschuß. Senatsvorhalte gegen Revision des Dawes-Planes. Paris , 2«. Juni. Im Lenatsausschuß für auswärtige Angelegcnheitcn erstattete Senator Henri Bärenger einen ausführlichen Bericht über die Frage der Reparationen und der inter - alliierten Schulden. Er verbreitete sich insbesondere über die Darlegung des Generalagenten, wonach das zu lösende Grundproblem die endgültige Festsetzung der deutschen Reparationsverpflichtungen sei, und ging so- dann auf die Frage ein, ob die gegenwärtige Lage für irgendeine Revision des Dawes-Planes günstig sei. Er zeigte, daß Frankreich seit 19 2 3 von Deutschland mehr erhält, als es selbst seinen Alliierten auf Grund der abgeschlossenen Abkommen zahlt. Frankreich habe also kein Jnter- esse an irgeitdeiner Aenderung des Dawes-Planes oder des die deutsche Schuld festsetzenden Londoner Ab- kommens von 1921. Vcrenger gab der Auffassung Ausdruck, daß, welches Interesse auch an einer eventuelle« Revision des Dawes-Planes und der Tchuldenabkommcn bestehen möge, nichts vor dem Ergebnis der Prä- sidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten und der Einführung des neuen Präsidenten in Aussicht genommen werden könne. Tatsächlich sei nirgends in Europa oder Amerika eine offizielle Aktion im Gange oder wahrscheinlich. Alles, was in dieser Hinsicht ver- öffentlicht worden sei, gehöre in das Gebiet der P h a n» t a s i r. An die Darlegungen Berengers schloß sich eine längere Aussprache, in der u. a. die Senatoren de Jou» venel. Klotz und Ehenebenoit aus die Verbindung der Fragen der Exekution und der Sicherheit mit jeder eventuellen Abänderung des Dawes-PlaneS hinwiesen. Lenator General Bourgeois betonte die militärische und technische Seite der Frage. Es wurde beschlossen, daß der Borsitzende des Ausschusses die zum Ausdruck gebrachten Auffaffungen vortragen solle, damit dieser vor dem Ausschuß darauf eingehe» könne.