Freitag 29. Juni 1S2S
Unterhaltung unö ÄVissen
Aeriage des Vorwärts
Gxisiologien. Don Kaloddrichkeit.
Das Likörglas. Das Likorglas ist eigenllich gar kein Likörglas. Es war ein- mal ein Likörglos. Jetzt wird es benutzt als Behälter für eines jener tropfenden Stearinlichte, die die Nächte der kranfen Groß mtittsr spärlich und trübsinnig erhellen. Die Vergangenheit des Likörgloses hat viel Achnlichkeit mit der einer alten, schön ge- wesenen, verblühten Dirne. Als es hinauskam in die Welt, tranken gepflegt« Männer— verstohlen mit ihm liebäugelnd— wieder und wieder die feurige Süßigkeit aus seinem Kelch. Damals stand es in der Vitrine der gnädigen Frau. Dann wurde seine Form, seine äußere Gestalt unmnderir. lind es wanderte in den Küchenschrank, wo die Herz- ollerliebsten der Köchinnen es an die Lippen führten, leerten, es wieder stillten und seinen Inhalt hinunterstürzten(es war ihnen nur um den Inhalt zu tun: das Glas selbst beachteten sie kann».. Eine Köchin warf es bei einem Streit der.gnä' Frau" vor die Füße. Aber es zerbrach nicht. Nur«inen Sprung hat es be- kommen(seine Seele— wenn man so will— war endgültig dahin). Nun steht es angefüllt mit dem schwelenden Kerzenstümpfchen am Bett der kranken Großmutter. Wie eine einzige Träne rinnt da» Stearin über das Glas, so daß sein Schliss schon ganz un kenntlich geworden ist. Wenn Großmutter ihr armes, altes Leben ausgehaucht haben wird, wird man das Likörglas aus den Kehricht bauien werten. Wenn man es rechtzeitig gereinigt hätte— wer weiß?— es wäre vielleicht noch brauchbar gewesen(für die mensch liche Gesellschaft!! 1 1). Der 2 9. Februar. Der 29. Februar ist ein sehr ungewöhnlicher Tag, weil er nur einmal im Laufe von vier Jahren auf der Bildsläche erscheint. Ich habe einen Bekannten, der ist über der Problematik dieses Tages wahnsinnig geworden. Eine Sybille hatte ihm geweissagt, daß er an einem 29. Fe- bruar eines gewaltsamen Todes sterben würde. Als auf seinem Kalender— in einem Schaltjahr— der 28. Februar angezeigt war, war er säst tobsüchtig vor Angst. Er schloß sich in seiner Stube ein und ließ keinen Menschen zu sich. Die Nacht war furcht- bar gualvall für ihm. er fühlte sich von unsichtbaren Mördern umgeben... Als er am nächsten Morgen bleich und übernächtigt ins Bureau kam, merkte er, daß es bereits der 2. März war. Er hatte In seiner hypochondrischen Angst vergesien, das Kalenderblatt abzureißen. Jejzt fitzt er verhältnismäßig vernünftig in der Prov-nzial« irrenanstalt. Nur wenn es Frühling wird, muß er noch mit kaltem Wasser und Zwangsjacke behandelt werden... Das Monokel. Da» Monokel hat ein« eigenartig«, fast menschlich« Metomor- phos« hinter sich. "> H Es war einmal die Utensilie des Moulaufre'hens. des„höheren Betehls". des Kuschdich, der schnöseligen, geistesarmen Offizier« und diverser Schmifleschweme. Es war einmal das Objekt des Augen-gerodeaus-Geistes. Heute ist es dos klägliche Symbol jener Leute, die sich die Ah- Schnauze erhalten wollen für eine„herrlichere Epoche". Es ist dos armselige, gläserne, also: leicht zu durchschauende und zer. trümmerbar« Wahrzeichen des„Rückworts-Gedankens". (Von monokellrogenden Portokassenjünglingen, Dichterlingen, Eindruckschindenwollenden und Damen ist hierbei abzusehen. Di« können— nach Lombroso — nichts dafür.. Das Mannequin. Es hat einen gebobbten Hinterkopf. Es hat eine große Sohn- sucht: Modekönigin zu' werden. Es hat einen Freund. Es wartet vor der Tür des Modesalons der Hilfsregisseur vom Film, dessen verwanztes Bett die erste Station nach Hollywood ist. Es ißt gerne Rührei mit Speck. Geistige Interessen: keine. Adelsprädi- tat(möglichst: Prinzessin) ist auch in diesem Beruf nicht zu vcr- achten. Der Sträfling. Er sitzt in der Zelle. Er wird hier zehn Jahre sitzen, stehen, gehen, csien, trinken, schlafen, seine Notdurst oerrichten. Er hat getötet. Seiner Jugend hat er es zu verdanken, daß er nicht schwerer bestraft wurde. Er hat getötet: ein lebendes Individuum. Er war hungrig und hott« kein Geld..... Der Sträfling hat schon zwei Jahr« hinter sich. Sein Blut hämmert. Seine Gedanken sehen«inen grauenvoll nackten Frauenleib. Er möchte kilometer- weit gehen, gehen, gehen, um einen blühenden Mund zu küssen. Um eine Frau zu suchen, die ihm Ruhestatt gewährt an ihrer weichen, knospigen Brust. Er nimmt sein« Arbeit zur Hand; eine Tüte fertigt er an, noch«ine. Da wieder: der grauenvoll nackte Gedanke.------ Ein ganzes Jahr hindurch, ZOZ Tage hintereinander wird ihn sekündlich das Bild des grauenvoll nackten Frauenleibes verfolgen. Im nächsten Jahr wird er bei Tag und Nacht ein rohe» Ei vor seinen armen Augen hoben, das mit einem Hammer zerschlagen wird, daß dos Eidotter hochspritzt(wie Blut). Im darauffolgenden Jahre wird er sekündlich die Ohrring« seiner Mutter sehen..... Der Gesängnisgeistlicha nennt ihn einen ver- stockten Sünder, dem«ine Zigarette wichtiger sei, denn die ewige Seligkeit. der Naturmensch. der Naturmensch hat einen chriftuskopf. er wickelt feine lenden in tappen, er schreibt alles klein, well er sich von den kleinen buch- stoben und von der freien eh« viel, sehr viel für die«rneuerung der moral verspricht, er spricht bei ansammlungen. er verkauft Küider. welches gejchäft ihn ernährt, wenn er im„romanischen cofe" sitzt, fällt er nicht besonders auf.
Afrikanischer Ariist. Don Paul Laven . Der Neger Bell steht seiner Truppe vor mit der listigen Freundlichkeit des Managers und mit der Sicherheit ejnes Sentle. man. Er ist zwar ein Idealtyp afrikanischer Rasse, ebenholzschwarz. wulstige Lippen, wolliger Schädel, dazu riesengroß, aber sein Auf- treten ist wie in den Salon» der Weißen geschliffen, ist wie beste, g.frrfqchrtfMch. Zucht undurchdringlich, liebenswürdig, intelltgent
„Neuland der Liebe und Che." Liebestechnik in der Bier- und Weinabteilung.
Iägerstroße. Kurz noch 20 Uhr. Am Abendhimmel ziehen rot- umhauchte Lämme-rwölkche». Wer sieht nach ihnen? Niemand.... An den Häuserwänden schießen bunt« Feuergorben hinaus und hinab. Farbensprühende Flommenräder drehen sich in sausenden Kreisen. Laufschriften huschen an den Häusergiebeln entlang. Reklame, Re- klame.... Und über den Fahrdamm donnert der Lärm der Auto- busse und Automobile. In langen Reihen fahren sie hupend, qua- kend und blauen Benzindimst hinter sich fassend den Boulevard entlang. Auf den Bürgersteigen stauen sich die Menschenmassen, schieben sich an den Auslagen der Schaufenster fangsam vorbei. Di« Straße brodelt und quillt wie ein Kanal, in dem sich der Menschenbrei als zähe Laoamafse varwärts wälzt. Aus dem Bett des großen Stromes flutet sie in die Nebenflüsse hinein. Die Jagerstraße ist so ein Nel>ensluß: aber noch bunter, ver- führerischer und raffinierter als der Mutterstrom. Hier trifft die Masse Mensch aus die Schleusen, vor denen sich die Klassen scheiden: Wer Geld hat, kann hindurch, wer keim oder— richtige? gesagt— nur wenig hat, bleibt draußen und wird von den Schleusenwärtern, Portiers in roten, grünen und blauen Livreen und„Spannern" m eleganter Monatsgardervbe, weiter mit„Herr Doktor",„Herr Ba- ran" und„Ivos" tituliert in der Hoffnung, daß der schlechteste Zwirn- anzug doch noch eine dicke„Marie(gefüllte Briestasche) in seinem Futter birgt. Der letzte soll heran- und hineingeschleppt werden, um dos letzt« aus ihm herauszuholen— oder herausholen zu lasten. Hier in den schmalen Häufen: der Iägerstraße stehen, neben einigen Pfandleihen, die großen Bergnügungsmaschmen der Welt- stadt. Rechts und links vom Eingang Schaukästen, in den Aktbilder hängen. Ems neben dem anderen. Eine nackte Frcm, zwei nackte Frauen, fünf nackte Frauen, zehn nackte Frauen.... Der Portier in der roten Livree mit den schwarzgewordenen Goldborten auf Kragen und Aermel verspricht, daß man„die Weiber" oben all« sieht.„Ienau so! Kommen Se rein, Herr Baron! See? jemiitlich!" Ein Mißtrauischer, der„Nepp" wittert, beäugelt scharf die Ankündigungen:„V o rt r ä g e über alle Fragen der Ero- tik",„Das Liebesleben im Zeitspiegcl",„Viel- weiberei— Freie Liebe— Einehe",„L i e b e s k u n st undLiebestechnik",„Packen deLiteratur b«ispi«le", „Lebende Plastiken"— Bier- und Weinabteilung, Unterhaltung und Tanz! Man klettert die Treppe zu dieser sanderbaren Hochschule hinauf. Erst die Garderobe, dann eine Bor. hinter deren blinkenden Schank- tisch die„Bardame" gerade ihre Toilette vervollständigt, und dann öffnet sich ein kleiner Raum in der typischen Aufmachung eines intimen Kabaretts. Gedämpftes Licht aus den Lampions über den Logen: Tische, Stühle, Sesiel, und in der Mitte eine kleine Tanz- flach«. Es ist noch leer. Schwarzbesrockte Kellner diskret im Hinter- grund. Rechts von der Bühne eine Kapelle. Drei Mann. Sie lärmen unvermittelt lös. In de» Pausen hört nran durch die dünnen Wände di« stampfend« und hämmernde Musik der Kapellen aus den benachbarten Kabaretts. Das ganze Haus zittert. Die Vergnügungs- Maschine steht unter Hochdruck. Die Spanner arbeiten.... Die Gaste kommen. Nehmen Platz. Setzen sich schüchtern auf die Stühle, kvachen sich wurstig in die Sessel oder gehen gleich sir die Logen in dem Bewußtsein, daß— komme, was kommen mag— sie ja doch alles bezahlen können. Erster Schreck für den Stuhl- Hocker:„Bier ist leider noch nicht eingetroffen" beantwortet der Kellner den geflüsterten Wunsch noch einem„Pilsener". „Aber bittä: Sodawasser mit Wisty oder Kognak, Eherry Eobler, Mokka.." Was hllft'e? Während in der Weinabteilung die Sektkübel blinken, lutschen die entlarvten Barone w der Bierabteilung ihr« winzigen Liköre. Damen tauchen auf. Mit glänzenden Lackledertösferchen. In perlenbessickten Luxuskleidern, durchsichtig und kmefrei. Gefärbtes Haar, bemaltes Gesicht, schillernde Seidenstrümpfe.... Zigaretten- rauchend sitzen sie in den Logen. Wie Spinnen. Eine Luftschlonge schwirrt plötzlich durch den Raum und fällt zu eurem Herrn in ein« Loge. Der zupft an dem bunten Papierstvetfen— die Spinne zwinkert mit den Slugen— er zwinkert zurück— der.Kellners eilt schon mit einem zweiten Glas herbei——— der Anschluß ist hergestellt. Die neidischen Blicke der anderen„Damen " unterstreichen den schnellen Triumph der Siegerin, die lächelnd ihren Kavalier umhalst. lind dann sausen die Luflfchlairgen dyrch den Raum, bis ein buntes und raschelndes Gestrüpp von der Decke herabhängt, bis alle Herren sdie von der Bierabteilmtg ausgenommen) nicht nur symbo- lisch eingewickelt sind.
Die Jazzmusik bricht ab. In einer Loge erhebt sich ein Herr im Smoking:„Meine Danren und Herren, ich heiße Sie rm Namen der„Neulandgemeinschaft" herzlich willkommen. Zwei Damen des Neufandballetts werden Ihnen jetzt etwas vortanzeii." Die Musik heult aus. Der Raum verdunkelt sich, und auf der mit wechselndem bunten Licht bestrahlten Tanzfläche galoppieren zwei Mädels umher. Tanzen irgend etwas, wobei sie rmunterbrochen ihre Beine in die Luft werfen, ihre Seidenhöschen zeigen rmd in die Logen lächeln. Beifall. Dte Stimmung steigt. Auf der Tanzfläche drehen sich die Paare. Unter ihnen ein eleganter Eintänzer, der mit den Damen der„Neulandgemeinschaft"— in Ermangelung anderer— steppt. Wieder dunkelt's. Der Bühnerroorhang teilt sich. Hinter einem Rednerpult steht wieder der 5)err im Smoking. Er verneigt sich lächelnd und beginnt mit Pose und Limgenkrnft seinen Vortrag aus dem„weiten Gebiet der Erotik". Nachdem er einen„Blick in die Jahrhunderte" geworfen und den„überwättigenden Sieg der Sexualität" verkündet hat, wirft er mehrer« Blicke in indisch: und arabische Liebesfibeln und läßt auch Van de Veldes„Vollkomrnene Ehe" nicht in Ruhe, ans der er ein kleines Kapitel über praktische Liebeskunst(allgemeines Grinsen und Gekicher der Damen, die den Redner mit Luftschlangen bewerfen) liest. Mit der Versicherung, daß er auf den„Geschlossenen Veransiattungen" manches deutlicher sagen und dort den praktischen Weg zur wahren Liebestmrst zeigen werde, schießt der Bortrag. Der Vorhang füllt, das Licht glüht auf, die Jazzkapelle paukt, auf der Tanzfläche drehen sich wieder die PaaN:. Die Damen am- mieesn fleißig. Eine geht herum und verkauft teures Obst, das von ihren Kolleginnen gern genominen und von den Kavalreven mit säuerlichein Lächeln bezahlt wird. Eine andere verkauft„frmrzö- fische Postkarten mit Akten irr verschiedenen Stellungen". Eine dritte Luftschlangen. Eine vierte die Zeitschrift der„Neufarrdgemeinschast", deren Profitmacher Karlheinz Tiedt— eine erloschene Leuchte der kommunistischen Reichstagsfraktton— ist. Jetzt betätigt er sich als erfolgreicher Bodenspekulant auf dem„Neufand der Liebe und Ehe" nach eigerrem Patent. Das Neuland ist ja, weil es in der Jägerstraße liegt, ein schon viel„beackerte,"(wie der Fachausdruck aus dem Nuttenlexikon lautet), aber von der anderen Seite begorrgen, läßt sich auf ihm eine gut« Ernte erzielen. Karlheinz mit der leuch- fanden Glotze naht nicht in Toga und Sandalen, seine Mägdelein pflücken keine Gänseblümchen und zripsen keine Klampfe, nein— sie hocken vor dem Schanktisch in der Bar, zupfen ihr« Kavaliere am Smoking und schließen mit chnen diskrete Gefchäste ob. Einige Pärchen verschwinden. Nach einiger Zeit tauchen die„Damen " wieder auf— aber allein. Das Programm tobt weiter. Karlheinz auch:„Eine berauschende Damenwohl bei besonderem Licht!" Noch- dem dieser Rausch verklungen, liest eine schwindsüchtige„Sonsa" in rotseidenem Russeykittel„packende Lifamtur bei spiele", wobei sie kinnfar vergißt, die Namen der Autoren zu nennen. Erötische„Lifa- ratur" schlimmster Sorte.... Aus der Tanzfläche produzieren zwei Mädchen perverse Akrobatik und erzielen einen durchschlagenden Erfolg. Die Stunde für die„Plastiken" ist also gekommen. Erst gibt es, wie Soirja mit der Gretchen-Ssirnm« verheißend lispelt, einige „Kostproben". Nach einiger Zett mehr. Sonja erklärt: Die Jagd nach dem Glück, Sehnsucht, Eitelkeit, Neugier, Laster usw. Karlheinz macht sich wieder bemerkbar:„Meine Harren!"— es sind mit Herren gekommen, die„Damen " der„Neulandgenreinschast" sind sowieso jeden Abend da—„Beweisen Sie, daß Sie noch Kraft haben. Klatschen Sie, denn je mehr Sie klatschen, desto ösfar zeigen sich die Damen!" Es klatscht doranf nach jedem Bilde dröhnend durch den Raum. Immer wieder öffnet sich der Vorhang, die „Nacktplostiken" grinsen, Luftschlangen fliegen zu ihnen hin und Sonja lispelt neue Verheißungen. Aber auch Karlheinz ist nicht müßig:„Die Damen, die Sie soeben bewundert hal'en, ziehen sich etwas an und kommen dann zu Ihnen zum Tanz!" Borher noch eine Kabarettnurnnrer(ausgeborgt von den anderen Kabaretts des Haufes):„Das Schicksal der Frau ist das Kissen." Der Aufstieg eines armen Mädchens zur Kokotte wird an den verschiedenen Kissen, di« an den halbnackten Körpern mehrerer Mädchen hängen, demonstriert. Beksollssalverr. Di«„Damen " vom Ncufandballett sind erschienen. Nach der Fleischbeschau kann das„zwanglofe Beisammensein" beginnen. Und es beginnt. Gegen drei Uhr nachts. Di« Stuhlhocker»er- schwirrderr, die Briestaschen haben das Wort--- Alfred Fritz ich«.
lächelnd und mit unverbindlicher Zuvorkommenheit. Bell trägt im Gegensatz zu den anderen Negern der Truppe ernen roten Fez. Er sticht ob durch eine rasche Eleganz der Bewegungen. Die Vorsfallun. gen inspiriert er als Vorsänger des näselnden, brummenden Neger- chors, der mit dem Bauch und mit dem Hintern wackett. Der Black Bottom wirkt hier wie ein natürliches Amüsement schwarzer Lause- bengels. Bells Haltung kommt vom Bewußtsein überragender Kunst in diesem Kreis und vom Erfolg, beruflichem wie menschlichem. Er war in jungen Jahren Dudelsackpfeifer bei der deutschen Schutz- trupp« in Kamerun , zwölfjährig schon ein wichtiges Glied im Mufit- chor. Er war ehrgeizig. Wenn er erzähtt, legt er die deutscher, Wort« mit hellen Augen vor wie ein studierter Mann. Bell wollte höh«? hinaus, wollte Offizier oder Löwenbändiger werdcn.' Beides schien aussichtslos. Darm sagte er sich: ich werde Artist, natürlich«in grnßer Artist, der im Zirkus sich in der Manege verneigt, während die Massen toben. Gelenkig war er immer und springen konnte er wie eine Katze. Aber da waren viele, di« springen konnten. Das mochte so mutlos. Bell war ungeduldig. Er hatte viel von Flammensperern gehört, und war hinter ihre Schlich« gekommen. Dreizehn Jahre war er alt, immer noch Pfeifer beim 7. Askariregrmenl Ein Jahr ließ er sich Zeit. Das Petroleum wußte er sich zu verschasfen, täglich„eine Lampe". Dann ging nachts die Arbeit los Der künstige Ruhm machte ihm zur Bedingung, nächtlich ein« Lampe Petroleum zu trinken und dann aus dem Hals heraus Feuer zu speien. Dell schütelte sich und trank, wenn der Magen dos Brenn- öl nicht holten wollt«, Nacht mn Nacht spie er Feuer, abseits vom Loser, Manchmal bekam er selbst Angst vor sich. Er wurde matt, er
wurde mutlos, aber er trainierte weiter. Zeitweile konirfa er keine Nahrung zu sich nehmen und die alten Askaris, die in seiner Reihe beim Ausmarsch gingen, hielten sich die Nasen zu und wußten nicht, woher der furchtbare Petrolcumgcstant käme. Er wurde ein großer Feuerspeier. Bei aller Skepsis, die den Umgang mit ihm so angenehm macht, wirft er sich stolz in die breit« Brust, wenn er versichert, daß der Mann gesucht werden müsse, der soviel Petroleum auf einmal trinkt wie er und solche Flammen speit. Von Petroleumgrruch merkt man ihm gar nichts an, denn er produ- ziert sich jetzt selten. Er führt sogar ein feines französisches Parfüm, das aus ftincm weißen Talar bricht. Seine Zähne erstrahlen in blendender Gesundheit. Bell ist nun 42 Jahre alt, im besten Maiinesalter. Er hat die mühseligen Kurven seines Lebens hinter sich und kann, wenn er will, schon von seinen Zinsen leben, denn in der Inflation hat er Glück gehobt. Der Nachmuchs in seiner Grupp« experimentiert nun mit Petroleummengen. Wenn Saison ist, will zwanzigmal am Tag getrunken und gespien sein, zwanzigmal auch in einer dunklen Ecke gewürgt: eine alte Afrikanerin führt die Gänsefeder. Alle Leiden des Magens werden dort neu durchkostet. Aber es soll seinen Mann nähren, besser als das Säbelschwingen und Umherfteigen auf Eisen- klingen. Bell weiß um.oll diese Dinge des Aufstiegs und Erfolges genau Bescheid. Er ist weiß geworden in langen Fahrten und ist über- zeugt, daß jeder etwas leisten muß, will er zu leben verdienen. Bell schreibt eine schmucke, energische Handschrift. Seine Hände sind gepflegt und in der Innenfläche ganz weiß— als wären sie nur dazu da, die weiße, volle Frau zu streicheln, die in farbigem Morgenrock und Plüschpantosfeln im Schaukelstuhl träumt und der Glanz von Bell» Hütte ist,____,________...