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ä Unterhaltung unö AAlssen Jsz*

Bei den Großmogulen.

Die gestorbene Stadt.

Es bsdeukt keine Geringschätzung des Leser», wen» man einem Gange durch die Residenten der grotzen Mogulendynapi« Indien ». «ine Art Einführung vorausschickt. Ein« getreue SeKilderung Der- salll«» könnte vielleicht eine Vorstellung von der Persönlichkeit und der Kulturepoch« Ludwigs XIV. wecken, aber die steile Daseinskurve des versunkenen Herrschergeschlechtes jenselt» der Meere und Jahr- hunderte muß, in ihren wichtigsten Etappen wenigsten», grell vor de» Lesers Augen stehen, soll der MSrchenglanz dieser Dornröschenviston, dieser Renaissance �Herrlichkeit in der Wüste, nicht seelenlos-gespenstisch. wie ein« versteinerte Fata Morgan« vorüberziehen. Der Stammvater Ttmur»li ng*(derhinkende" Ummr), «in mißgestalteter Häuptlingssohn von abstoßender Häßlichkeit, besten Poren wie es heißt der beizende Geruch hungriger Raubtiere entströmte, mordet, rottat seine eigene Perwandschast aus, um mit 24 Iahren schon der oberste, unbeschränkte Führer seine» Voltes zu sein. Dann beginnt«in Blutbad, da« so lang« wie s«in eigene» Leben währt. Er untersocht Persten, ganz Mittelasten, steigt über den Eis- grat der hohen Berge in das blühende Tal des Ganges hinunter. schlägt und mordet all« Fürsten Hindestans. und zieht weiter, sobald kein Thron in seiner Nachbarschaft mehr ausrecht steht. Er stürzt Basazet. durchwütet Armenien und Georgien , wirst fich auf Syrien , macht SM Jahre vor General Sarrall Damaskus zum erstenmal dem Erdboden gleich, und nimmt sich nie die Zeit, feine eigene Herr- schost anstelle der vernichteten aufzurichten. Di« Deut« reizt ihn nicht! Es läßt die Lieblingsfrauen der besiegten Gegner wohl seinem Harem einreihen, aber nur nie Symbol de» Siegers: fitzt vor seinem Zelte und schaut zu. so oft der Arm seine« Henkers das Haupt de» unterlegenen Fürsten vom Halse trennt: alles meitere überläßt er seinen Soldaten, die Weiber und Beute von gestern in den Fluß werfen müsten, um heute neu plündern zu können. Ein würdiger Nachkomme Dschinghls-Khan». de« er selbstherrisch zu seinem Ahnen ernennt, kennt Timur Ling keine ander« Form des Siege«, als den Mastenmord. Ganze Böller iverden noch geschlagener Schlacht m tagelonger Arbeit mit Pfeilen, Speeren, Säbeln. Messern mühsam abgeschlachtet, bi« da» letzte Röcheln verstummt ist. und die Seuchen, die aus den Leichenbergen aufsteigen, den Sieger zum Aus- bruch treiben. Nicht herrschen will Timur nur siegen! Ein Besessener, gefoltert von dem Gedanken, daß es immer noch Fürsten gibt, dl« neben Timur für unbesiegt sich halten dürfen, rast der häßlich«, verkrüppelte Wüterich durch die Welt, unersättlich im Der- hangen sich durchzusetzen, alle» unter seinen Hinkefuß zu treten, was nickst gezeichnet von der Natur in Glanz und Zufriedenheit sich seiner Macht erfreut. Nur den Knechten, die«r treten, köpfen oder be- schenken kann, verzecht der Verstümmelt« den Genuß chrer graden Glieder im finsteren Fanatismus der Jahr««m 1400, im Menschen-Dfungle Asiens , ein SchulsM für die Freutfch« Seelen- forschung. Nahezu eln Siebziger, rüstet der Rastlose zu seinem größten Heereszug. fiebernd vor Ungeduld, da fein« Kundschafter, die immer auf der Such« find nach neuen Opfern, von einem großen Chinesen- reiche zu berichten wissen, dessen Kaiser über Millionen herrschen soll. Wer dies«, letzten Beweis sich zu erbringen, bleibt Trmur ver-- sagt! Er stirbt, ehe der kräftigst« seiner Zeitgenosten gestürzt wäre, und so reißt der Tod sein ganzes Leben«in, raubt einem halben Jahrhundert wütenden Schlachtens am Ende jeden Sinn. Auch dos Erbe, das der Zerstörer zurückläßt, ist zunächst nur Zerfall; der hoch- geschürte Brand der Rache schlägt überall zusammen und die land- fremde Räuberbande, und voll« 100 Jahr« später, im 10. Jahr- hundert erst, blüht in der Glut der indischen Sonne da« ermattet« Geschlecht ein zweitesinal zur kurzer Glanzzeit auf. Wieder mähte die scharfe Sichel des Halbmondes die braunen Leiber der Hindus wie reife Halm« zu hunderttausend«« nieder, fegte der Roßschweis die s nichtbaren Flußtäler Nordindiens von den Anbetern Brahmas rein, aberShah" Baber, wie der nächste Großmogul aus Treu « zur persischen.Heimat sie»annK, macht« sein siegreiches Heer in der Vorratskammer des Ganges - tales seßhaft, ließ Moscheen über den Ruinen der Hindutempel bauen, legt« den Grundstein zur Residenzstadt Agra, nicht mehr Krieger nur um des Sieges, sondern um der Eroberung willen. Mit dem wachsenden Reichtum erwacht der Sinn für Glanz und Wohlleben, und schsn der Sohnes-Sohn Babers, in der Geschichte feines Volkes Akbar , das heißt: der Große genannt, verbringt nur die erste Hälfte seines langen Lebens mit Kriegszügen, türmt mit blutigen Schlägen den sichern Echutzwall des Angstrings nm

sei» Reich und nutzt dann als Bauherr die Sklavenheere, die K fich entwaffnen, nicht nutzlos hinschlachten ließ. Zwei Beispiel« aus der Schöpferperiode dieses Barbaren- fiirsten sollen zunächst nur die Brück« schlagen, zurück über«in halbe» Jahrtausend, in«ine Kultur, die aus Wildheit und Blut- wirst über Nacht aufgeblüht, von dem Völkerozean des Rache brüten­den Brohmanismus umlauert, zwischen Sieg und Niederlage ge- klemmt wie ein Wunder dasteht. Zwei voll« Stunden long rast das Auto durch die nackte, aus- gedörrt« Wüst«. Stoubgrauer, wie fieberkrank rissiger Boden läuft ermüdend eintönig unter die Räder, bis aus diesem im Sturm er- starrten Meeresspiegel, mit Wellenbergen aus schmutziger Erde, wie «in« verlosten« Insel weit ab von allem Schiffsverkehr, F a t h p u r S l k r i, die gestorbene Stadt, Türme und Triumphbögen in den Glast des Tropenhimmels stemmt. Was heute der Explosions- motor in zwei Stunden einschlingt,, war zur Zeit Akbars«ine ob- schreckend« Entfernung, und doch ließ der Mächtig« so weit ab von der.Residenz seiner Väter, von allen Straßen und dem Fluß, der in jenen Zonen die Wurzel allen Lebens ist, mitten in der staubigen Wüste seine neue Hauptstadt erbauen, weil chm gerode an dieser Stell« die Geburt eines Thronerben verkündet worden war. Sa wie st« in wenigen Monaten hunderttausende gebeugte Rücken und griffige Hände vor 500 Jahren aus dem Nichts erstellten, so neu und unberührt steht die Stadt noch heute, bereit, jeden Augenblick bezogen zu wevden, versehen mit allem, was der Hofhalt eine» morgenländischen Herrschers erfordert. Paläste für alle Minister und Vezier«, für die Geistlichkeit und für den Harem jedes hohen Herrn, sind von den nötigen Baderäumen, Audienz- und Beratungs- sälen umdrängt, von den Kuppeln und Minarets der Moscheen überragt. Das alles steht gebrauchsfertig aber merkwürdig un- benützt da: denn die ganz« groß« Stadt war wenige Wochen nach ihrer Fertigstellung auf Befehl Ihres Erbauers wieder geräumt worden, mit Unerhörten Opfern und Mühen emporgezaubert und gleich wieder vergessen, wie eine flüchtige Laune! Dieser Stadt, die gestorben ist ohne gelebt zu haben, und seit 500 Jahren auf Einwohner wartet, haftet nur ein einziger Mangel an. der sofort verrät, daß Leben nicht lang« in ihren Mauern flutete: sie hat keinen Friedhof!... Ein einziges Grab nur liegt nächst der schneeweißen Marmormoschee, es ist die Ruhestätte des kleinen Prinzen, de? mit seiner Geburt die ganze Stadt gebar. und im zartesten Kindesalter ihr sein Leben gab, vermutlich ein Opfer des Typhus, denn die Gelehrten erklärten dem gebeugten Vater, das Trinkwaster seiner neuen Residenz, mitton in der Wüste tief aus dem Boden hervorgeholt, sei giftig und habt ihm den Sohn gemordet. Mit einem Wink, wie er das ungeheure Werk veranläßt hatte. gab Akbar den Befehl, die Stadt sofort zu verlosten. Minister. Feldherrn. Geistliche, der Kaiser selbst, seine zahllosen Frau«,. Sklaven und Kinder siedelten nach Agra zurück, die Elefanten truWt, in schwerem Zotteltrab die Gewänder und Möbel, und alle Schätze. zu den prächtigen Toren hinaus, und unter dem lodernden Tropen- Himmel, mitten in dem öden Grau der unbegrenzten Eben«, flammt seit 500 Jahren die entseelt« Stadt, aus dem blutroten Sandstein Nordindiens kunstvoll getürmt, und von eines Königs Hand fort- geschleudert, wie ein« taube Nuß. Wer dieses Steinlabyrinth mit seinen, zahllasen Palästen. .Hallen und Empfangsräumen, diese entseelten Wohnhäuser und un» begangenen Straßen und Plätze auch nur flüchtig bewundern wollt«, müßte zu Füßen der Stadt, in dem kleinen Rasthaus im Wüsten- fand für«ine Woche stch ansiedeln. Wunderbar leicht gewölbte Kuppeln und Bögen werden von reich behauenen Säulen getragen: aus dem glühenden Rot des dichten Häusergewimmels leuchten in silberner Kühle die weißen Marmormauern der Moscheen, Blöcke von doppelter Armdicke zu einer Art steinerner a jour-Stickerei durchhauen, damit Licht und Glut der Sonne nur gemäßigt, wie durchsiebt in den Tempel dringen.----- Der Erbe Dschinghis-Khans und Timur Lings, der siegreiche Führer eines Raubvolkes, faß drüben in der Menschheitswiege Asien und schaltete zwischen zwei Tigerjagden im ungelichteten Djungle. das sein Königreich umrahmte, friedliche Redeturniere über Glau- bensfrogen ein, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderte, gerade mährend Europa mi allen vier Ecken von Glaubenshaß entzündet, in den Flammen eines dreißigjährigen Religionskrieges aufging. Andreas L a tz t o.

Der Bürger von Genf . Zum 1 So.TodestagevonIeawIacqueCRousseouam 2. Juli Aon Sora Münch. Ewiges Wesen, möge jeder meiner Mitmenschen mit der gleichen Aufrichtigkeit sein Herz am Fuße deine» Thrones offen- baren: und möge dann ein einziger sagen, wenn er es wagt: Ich war bester als dieser Mann!" Diese trotzige Herausforderung hat Jean-Jacques Rousseau an die Spitze seinerConiessions" gestellt, jener Bekenntnisse, die als das erste bedeutende literarische Memoirenwerk angesehen werden müssen, in dem ein Mensch Hülle um Hülle von seiner Seele reiht und mit schrankenldser Offenheit all sein Streben, seine Kämpfe und Irrtümer offenbart. Diese Lebsrsgeschicht« Rousteaus mutei uns an wie ein Abenteurerroman. In den Adern des hübschen Genfer Knaben, Sohn eines Uhrmachers, Abkömmlmg einer französischen kalvinistischen Familie, die vor fünfhundert Iahren nach Gens eingewandert war, muß ein starker Tropfen tigeunerblut pulsiert haben. Oder ist e» nur die leidenschaftliche iebe zur Natur, die den kleinen Iean-Jacques an keiner sitzenden Lebensweise Gefallen finden läßt, die ihn aus dem Bureau eines Aktuars, aus der Wcrkstätte eines Graveurs in die Wiesen und Wälder treibt, die ihn in Saooyen hcrumvagabondiereu läßt, bis er in Annecy bei der liebevollen Frau von Warens eine Zusluchts- stätte findet? Er versucht auf verschiedene Weise sein Brot zu ver« dienen, wird Lakai, Erzieher in Lyon , Botschaftssekretär in Venedig . Hier, in der träumerischen Lagunenstadt, erschließt sich ihm der Zauber der italienischen Musik. In seinemBrief über die jronzösischo Musik" spricht er den Franzosen alle Fähigkeiten eines musikalischen Gehöres und wegen der Eigenschaften ihrer Sprache jede Möglichkeit einer Tonkunst, ab. Mit der Erfindung einer neuen Notennotierung er wollte die Noten durch Ziffern ersetzen hotte Rousseau in Paris Schiff- bruch erlitten, allein eine Oper, die er komponierteDer Dorf- Wahrsager" hatte er sogar bei Hof lebhaften Beifall gefunden. Dos tiefe musikalische Gefühl Rousteaus schwingt in dem Rhythmus seiner Sprache, die seinen kühnen, revolutionären Ideen, so paradox sie auch sein mögen, eine so starke Wirkung verleiht. Rousseau ist Zeit seines Lebens ein Revolutionär, der mit kritischem, durch eigene Leiden geschärftem Blick alle bestehenden Einrichtungen betrachtet, ihr morsches Gefüge erkennt und in un- erschrockener Weise die Axt zum Hiebe erhebt.Hat der Fortschritt der Wistenschaft und Künste zur Verderbnis oder zur Veredelung der Sitten beigetragen?" Iean-Iacques beantwortet dies« von der Akademie von Dijon gestellte Preisfrage, indem er die Wistenschaft und Künste verdammt und sie als die Ursachen menschlichen Nieder- ganges hinstellt. Aber seine Arbeit ist trotz dieser paradoxen Be- hauptunge» in ihrer Argumentation, in ihrem glänzenden Stile so aufsehenerregend, daß sie vor allen anderen ausgezeichnet wird. Luch in einer zweiten Abhandlung über denUrsprung der Un- gleichheit der Sitten" bricht Rousseau über die Zivilisation den Stab und stellt den primitiven Zustand der Tiere als Ideal hin. Noch nie hat jemand soviel Geist aufgewendet," schrieb Voltair« spöttisch an Rousseau ,um un| zu Bestien zu mache«.-. Liest man Ihre Abhandlung, wandelt«wen die Lust an. aus allen Vieren zu laufen". Eine Kampfansage an die bestehend« Gesellschaftsordnung bildet »Der Gesellschoftsoertrag", in dem zum ersten Male die Schlag- »orre von Gleichheit und Brüderlichkeit, von der Souveränität des Walkes erklingen. Hier stellt Rousseau das Postulat auf, daß die Gesellschaft eine Vereinigung für die Erhaltung und den Schutz der Mitglieder, die sie bildet, ist: daraus folgt, daß eine Regie- rung nur dann Existenzberechtigung besitzt, wenn sie das öffentliche Wohl als ihren einzigen Daseinszweck ansieht. Daher sind aller Despotismus, alle Tyrannei, olle Unterdrückung verwerflich Die Doktrin von der Souveränität des Volkes ist eine unbestreitbare Wahrheit, da sie die Ausbeutung aller durch einige oder einen allein verurteilt. Da der Mensch frei geboren ist, kommt alle Macht vom Volke, das Volk ist der einzige Souverän. Sem Wille, gut oder schlecht, wich Gesetz. Durch diese Lehren hat Rousseau die bestehende Gesellschafts- vrdnung ins Wanken gebracht und den Umsturz vorbereitet. -Robespierre und der Konvent haben au» dem abstrakten Raditalis- nme des Gesellschaftsvertrages die praktische Nutzanwendung ge- zogen, al» sie dieMenschenrechte" dekretierten. Aber haben die Ideen Rousteaus nicht auch bei anderen Notionen fortgewirkt, und sind die Revolutionen der jüngsten Vergangenheit nicht letzten Endes auf die Keime zurückzuführen, die durch diesen mit einer ungeheuren Voraussicht begnadetm Denker in der ganzen Kulturwelt gesät worden waren? Wie aktuell und für die Gegenwort geprägt muten uns auch die Worte an. die Rousseau inEmile" an die Erzieher richtet:Ihr verlaßt euch auf die gegenwärtige Gesell- schaftsordniing der Dinge, ohne daran zu denken, daß diese Ord- nung unvermeidlichen Veränderungen unterworfen und auch un- möglich ist, die Revolution vorauszusehen und zu verhindern, welche eure Kinder treffen kann. Die Große» werden klein, die Reichen arm, der Monarch Untertan sei. Wir nähern im« einer Krisis, dem Jahrhundert der Resolutionen. Es ist unmöglich, daß die großen Monarchien Europas noch lange bestehen. Wer bürgt euch dafür, was dann aus euch wird? Was von Menschen ge- schaffen wurde, kann durch Menschen zerstört werden: nur der von der Natur gegebene Zustand ist unveränderlich, und die Natur schafft weder Fürsten , noch Reick)«, noch große Herren In diesem Roman, den Goethe da»Naturevangelium der Er- ziehung" genannt und aus dem Pestalozzi viele Anregungen ge- schöpft hat, sucht Rousseau das Erzlehungssystem zu revolutionieren. in die bisherigen Methoden eine Bresche zu schlage». Er mahnt die Mütter an die Erfüllung ihrer ersten natürlichen Pflichten, er be- kämpft den oftmals verhängnisvollen Einfluß der Autorität der Eltern,«r stellt die Forderung auf, daß vor allem der Körper für die geistig« Arbeit vorbereitet werden müsse und verlangt, daß den Kindern bis zu ihrem 12. Jahre alle Bücher fernzuhalten und die ersten Erkenntnisse durch natürlichen Anschauungsunterricht zu ver- Nutteln seien. DasGlaubensbekenntnis des saooyardischen Vikars" bildet einen integrierenden Bestandteil vonEmile". Es tritt dafür «in, daß den Kindern nicht wie bisher die Religion der Familientra- -on entsprechend aufoktroyiert werde, sondern daß sie, wenn sie zn reifen Menschen herangewachsen sind, sich salbst darüber entscheiden. ob sie ohne Religion bleiben oder welchee GloubenSekennwis sie wählen wollen. InEmile" ertönt auch jenes berühmte Schlag- wort:.L'ehrt zur Natur zurück!", das in der damaligen Gesellschaft einen so starken Widerhall gefunden hat. daß eine Königin und Damen dar höchsten Aristokratie sich freiwillig al« Schäferinnen ver» tleidetsn und in Parkanlagen sich den ländlichen Vergnügungen hin- gaben. Aus den Händen der Natur," erklärt Rousteau,ist der Mensch gut. frei und glücklich hervorgegangen, durch die Gesellschaft wurde er böse, in einen Sklaven verwandelt und unglücklich." Man hat Rousseau denVirtuosen de» Unglücklichseins" genannt. Zugegeben, daß dieser Revolutionär, der in seinem Wesen an einen anderen er. habanen Daniu», an Veethoven, erinnert, mit vielen Widrigkeiten ftes Lebens zu kämpfen hatte, daß fern Leben in vieler Hinsicht an

Possionswez war! Aber kann ein Mensch, der in der Naturbetrach- tung einen so tiesen Genuß findet, wirklich unglücklich genannt wer- den? Hat Rousseau , wenn er sich von der Insel St. Pierre auf einem Boote in den Vieler See hinaustreiben lieh und stundenlang an dein abwechslungsreichen Spiel« der Wellen sich ergötzte, wenn er sich an der feierlichen Pracht eines Sonnenaufgangs berauschte oder den geheimnisvollen Zauber des Waldes von Montmarency atmete, nicht auch ein Glücksgefühl empfunden, das sogar stärker und er­hebender war al» die banalen Glücksempsindungen? In Mont- morency, als Gast der Mine. d'Epinoy, fft Rausseau jener Frau begegnet, die die größte Liebesleidens chast in ihm erweckt hat, der Mme. d'Houdetot. Wie Richard Wagner von Frau von Wesendonk zuTristan und Isolde ", so wurde Rousseau durch Frau von Houdetot zu seinem berühmten RomanDie neu« Heloise " m- spiriert, wir finden beide in den Gestallen von St. Prenx und Juli« verkörpert. Auch in diesem Roman, in dem Rousseau in glühenden Worten für die Recht« des.Herzens gegenüber den Vorurteilen der Gesellschaft eintritt, finden wir wundervolle Naturschilderungen. Rousseau hat die Naturmalerei in den französischen Roma», der bw dahin rein psychologisch war, erlgeführt und bei Vernardi» de St. Pierre, Ehateaubriand, George Sand Nachahmung gefunden. Im Jahre 1770 fristete er in der Rue Platter«(der heutigen Ru« Jean- Jacques Rousseau ) in Pari» ein Mann in armenischer Kleidung durch Notenschreiben notdürftig sein Dasein. Er ging den Menschen scheu au» dem Wege, fühlte sich von ihnen verfolgt. Später hat dieser Einsame auf dem Landsitz de» Marquis von Garardra in Ermenonville sine Freistatt gefunden. Heer ist Iean-Iacques ge» starben wie vielfach behauptet wurde, eines freiwilligen Todes und auf der Pappelinsel begraben worden. Im Jahre 1704 wurde der Leichnam Rousteaus ebenso wie der Voltaires unter großen Ehren im Pantheon beigesetzt. Doch Voll!»- girnst ist mandelbar. Im Wai 1814 wurde» bei Rocht die irdische«

Reste Rousteaus und Voltaires in eine Kalkgrube auf einem wüsten Felde vor der Barriere.de la Gar« geworfen. Doch möge auch der Staub dieser beiden großen Denker in all« Winde geweht sein, ihre Gedanken leben und wirken fort und umgeben ihr Haupt mit der Aureole der Unsterblichkeit.

Arbeiien unerläßliche Pflicht. Von Ieim-Zaqueck Rousseau . Der Lehrer: Der Mensch und Bürger, wer er auch sei, hat kein anderes Gut in die Gesellschaft einzusetzen als sich selber: alle seine anderen Güter sind schon darin ohne sein Zutun. Sein« soziale Schuld ist also keineswegs getilgt, solang« er nur mit seiner Hab« bezahlt: Der Schüler: Aber mein Vater hat dadurch, daß er die Habe erwarb, der Gesellschaft genützt... Der Lehrer: Schon recht. Er hat seine Schutd abgetragen. aber nicht die deinig«. Du schuldest den anderen mehr, als wen» du ohne Vermögen geboren wärst, denn du bist al««in Günstling de» Glück» geboren. Es fft nicht recht, daß dos, was ein Mensch für die Gesellschaft getan hat,«inen anderen non dem befreit, wo» er ihr schuldet; denn da ein jeder sich ganz schuldet, kann er nur für sich bezahlen, und tetn Dater kann seinem Sohne das Recht vererben, seinen Mitmenschen unnütz zu sein: und doch tut er das nach deiner Austastung, indem er dem Sohne seinen Reichtum vererbt, welcher der Beweis und der Lohn der Arbeit fft. Außerhalb der Gesellschaft hat der isoliert« Mensch, da er niemand etwas schuldet, das Recht zu leben, wie es ihm gejälll. in der Gesellschaft jedoch, wo er nötigerweis« auf Kosten der anderen lebt, schuldet er ihnen in Form der Arbeit den Preis seiner Unterhaltung: es gibt davon keine Ausnahme. Arbeiten ist daher für den Menschen in der Gesellschaft«ine unerläßlich« Pflicht� Reich oder arm. mächtig oder schwach, jeher müßige Bürger, ist«in Schurke,