DER GELBE DIWAN
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Seilul getnol.
20. Fortjegung. Recht hübsch!" sagte er, während er's zurückgab, Sie wollen's nicht behalten?"
,, Es hat mit unserem Fall nichts zu tun. Quaŋre ist unser Mann, das wissen Sie, Boulot."
Der Franzose zudte in bezeichnender Weise die Achseln, nahm seinen Hut und hielt Manderton die Hand hin.
,, Sie sind Ihrer Sache sehr sicher!"
,, So sicher," antwortete der Engländer, daß ich heute Julian Quapre unter der Anklage des Mordes an Carmen Cranmore dem Untersuchungsrichter überstellen werde!"
18. Ramon.
Als Boulot die Treppe der Polizeistation herabstieg, stellte sich ihm ein junger, schianter, gutgekleideter Mann in den Weg und grüßte ihn.
"
,, Ich bin March vom Planet"," sagte er. ,, Wir haben uns gestern nacht getroffen, aber wahrscheinlich haben Sie mich nicht bemerkt."
Boulot reichte ihm zwei Finger hin.
,, Ich erinnere mich. Nun, was haben Sie für Neuigkeiten?" ,, Das fragen Sie mich! Manderton ist zu beschäftigt, mich zu sehen und... nichts haben wir für heut! Und die Leute wollen doch was Neues hören. Aber ich hab' nicht das geringste ausfindig machen können."
Sie waren mittlerweile auf der Straße angekommen, und March schlug vor, in seinen Klub zu gehen, um dort bei der Hize ein tühlendes Getränk zu fich zu nehmen. Es wären nur zwei Schritte.
Boulot marf ihm lächelnd einen schlauen Blick zu und willigte ein. Im Klub installierte March seinen Gast in einem bequemen Lederfauteuil am Fenster, bestellte zwei Wermuts und begab sich ans Telephon. Boulot liebte sonst die weltberühmte Aussicht über den Fluß, aber heute sah er nicht einmal aus dem Fenster. Vor feinen Augen ftand nur beständig ein Name: Ramon.
Er juhr auf, als March plöglich wieder neben ihm auftauchte. Richts Neues!" sagte er trübfelig. llnd ich soll mindestens zwei Spalten bringen. Wenn ich nichts erfahre, muß ich mir's einfach aus den Fingern faugen. Ihre Gesundheit, Monfieur!"
Schweigend leerten sie ihren Wermut. Dann fragte Boulot den Reporter, was die Leute über den Mord redeten.
,, Jeder hält diesen Maler für den Schuldigen. Es ist nur schmer cinzusehen, welches Motio er haben fonnte..."
,, Das ist es ja," rief der Franzose lebhaft. Manderton fann Shnen das Motiv so wenig sagen als ich selbst. Er hat seine Theorie, ich habe die meine, und Sie haben zweifellos auch eine. Aber von einem beweisfräftigen Motip nicht die Bohne! Was haben mir also zu tun? Offenbar, wenn's möglich ist, den Grund festzustellen, marum die Unglückliche in jene Gegend fam. Ihr Mann, ihre Freunde, die Dienerschaft, wissen nichts; in ihrer Korrespondenz murde nicht die leiseste Andeutung entdeckt. Immer tomme ich wieder
"
Er unterbrach sich, als wäre ihm ein plöglicher Einfall ge= fommen.
,, Sie lesen doch Zeitungen, mein Lieber?"
,, Ob ich...?! Nur fünfzehn bis zwanzig täglich..
,, Auch den Abend Kurier?"
Sturier?
,, Selbstverständlich."
Der Franzose zog eine zusammengefaltete Zeitung aus seiner Tasche.
" fagte er und ,, Das ist die Spezialausgabe von Abend Kurier," sagte er und breitete das Blatt auf dem Tisch aus. Nun, tun Sie mir den Gefallen und lefen Sie fie von Anfang bis zu Ende durch und teilen Sie mir mit, ob Sie auch nur irgendeine Andeutung darin finden,
die Madame Cranmore hätte veranlassen können, diese elende Gegend
aufzusuchen, wo sie erstochen wurde...
„ Soll das ein Trid sein? Machen Sie sich über mich luftig?" Aber wieso denn? Es ist nur ein kleines Experiment, um 3hre Fähigkeit als Verbrecherspezialist zu prüfen."
March zündete sich eine Zigarette an und blickte lächelnd auf den
Franzosen.
,, Wenn Sie schon gesucht haben, Monfieur, ohne etwas zu finden, wie tönnen Sie dann von mir erwarten... Aber meinetwegen!" Er begann methodisch die Zeitung zu studieren. Endlich legte er fie weg und nahm die Zigarette ous dem Mund.
,, Sopiel ich sehen fann," erklärte er, steht nichts brin, mas men irgendwie mit Mrs. Cranmore oder einem der Beteiligten in Berbindung bringen fönnte. höchstens mag es vielleicht Mrs. Cranmore als Ameritanerin interessieren, daß gestern morgen bie ,, Gigantic" angekommen ist."
Boulot, der eben hatte trinken wollen, stellte das Glas unberührt wieder auf den Tisch.
Großer Gott!" rief er aus und sprang auf die Füße. Wo ist das Bureau der Schiffahrtsgesellschaft?"
Seine Haltung hatte sich mit einem Schlage völlig verändert. Da stand wieder das alte Rampfroß, als witterte es die Stunde des Angriffs.
,, Schon geschlossen!" bemerkte March verwundert. Unfinn! Sie werden doch eine Passagierliste auf der Redaktion haben?! Telephonieren Sie sofort hin, sie soll gleich hierher geschickt werden. Und ich muß ein Rabeltelegramm absenden. Einen Jungen, der es auf die Post trägt! Schnell! Was stehen Sie denn noch herum Sie haben doch gehört, was ich brauche.
Wie ein Wasserfall tamen die Worte aus seinem Mund. Der Reporter wurde von seiner Aufregung angesteckt, führte ihn zu einem Schreibtisch und verschwand eilig.
Als March nach einigen Minuten mit der Bersicherung zurüdkehrte, die Liste würde sogleich fommen, faß Boulot wieder auf seinem alten Blog und rauchte vor sich hin. Bergeblich versuchte der Journalist, ein Wort aus ihm herauszubekommen. Dann erschien ein Kellner und reichte ihm ein Tablett, auf dem ein langer blauer Umschlag log.
Bouist riß ihn auf, zog die Liste heraus und fuhr mit seinem plumpen Finger pon Seile zu Zeile. Endlich ließ er die Blätter pieber finten und starrte nachdenklich an die Dede.
..Der Name, ben Sie fuchen, ist nicht brin?"
„ Nein!"
,, Sie wissen doch, daß die Liste nicht alle Namen der Reisenden enthalten muß...
"
Wiejo?"
Es tommt vor, daß ein Baffagier zu spät bean ift and wiht mehr ins Berzeichnis aufgenommen merben to ober daß er jegie
den Wunsch ausspricht, nicht hineinzukommen. Wie heißt der Mann, den Sie suchen?"
Es war die erste direkte Frage, die der Reporter an Boulot stellte. Bisher hatte er sich mit der äußersten Diskretion benommen, und der Franzose empfand, daß auch diese Frage seinem Wunsch entsprang, ihm behilflich zu fein.
Ich möchte wiffen, ob ein Südamerikaner, ein Monsieur Ramon, als Passagier auf der Gigantic" war?"
Wie war der Name?" ,, Ramon."
,, Ramon Ramon.. ...?" Der Journalist legte mit betroffenem Gefichtsausdruck die Hand an die Stirn. Mir ist's, als ob ich den
Er begann methodisch die Zeitungen zu studieren.
Ramen erft fürzlich gehört hätte. Heute aber gestern... Enttamen erst fürzlich gehört hätte. Heute aber gestern... Ent schuldigen Sie mich einen Augenblid..."
Er schoß auf einen Herrn zu und zog ihn an den Tisch zu Boulot. ,, Mr. Thornbury, unser Lotalreporter, menn der nichts von Ramon weiß
Den Namen tenne ich schon," jagte Thornbury, aber ob's der ist, den Sie meinen In einem der Abendblötter stand, daß ein Mr. Ramon de la Bandera, ein Passagier auf der ,, Gigantic", auf seinem Weg nach London einen Autounfall hatte"
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SP
Burde er verletzt?"
,, Nein, es war eine ganz geringfügige Sache... " lind wo stand bas?"
Im Abend Kurier. In der Spezialausgabe."
Boulot reichte ihm die Zeitung hin, die noch immer auf dem Tische lag.
,, Da müssen Sie sich irren. Hier ist kein Wort.. Thornburn überflog das Blatt und schüttelte den Kopf. ,, Merkwürdig! Da steht's nicht, ich bin aber völlig sicher, daß ich's in der Spezialausgabe gelesen habe. Halten Sie einen Moment, da ist Hopkins vom Kurier... ich werd' ihn fragen..."
Er winfte einen jungen Mann heran und erklärte ihm die Sache in wenigen Worten.
,, Es muß drinstehen," sagte Hopkins, aber dann schien ihm etwas einzufallen. Ich erinnere mich jezt: die Nachricht fam gerade, als wir die Hälfte der Ausgabe schon draußen hatten. So erschien sie nur im Rest... Uebrigens brauchen Sie sich wegen Ihres Freundes nicht zu beunruhigen. Wir fragten gestern abend in seinem Hotel an
,, Wo wohnt er?"
,, Im Ninivehotel
Der Franzose sprang schnell auf. Die jungen Leute luden ihn ein, doch noch mit ihnen zu Abend zu effen, aber er lehnte bestimmt ab. March begleitete ihn zur Tür.
,, Benn's was Neues in der Cranmoresache gibt," bat er ,,, wollen Sie mich's dann wissen lassen? Schließlich bin ich doch ein Reporter, Sie verstehen?"
Boulot lächelte freundlich.
Für einen Journalisten sind Sie ein Muster von Diskretion," sagte er. Heute müssen Sie noch mit mir Geduld haben, aber ich werbe Sie nicht vergessen. Morgen oder übermorgen sollen Sie von mir hören. Bis dahin... Berschwiegenheit!"
Die Nacht war heiß und drückend, and ein Gewitter lag in der Luft. Boulot war noch nicht zwei Minuten, auf der Straße, als er schon March und seine Kollegen, Manderton, Quaŋre und Dolores und alle die mit dem Mord in Beziehung Stehenden vergessen hatte. Seine Gedanken liefen immer wieder um die Ermordete. Wie hatte das Servierfräulein vom Damenklub gesagt?
,, Sie starrte nur immer auf die Beihmg"- die Zeitung, aus der fie erfuhr, daß ,, Ramon" sich in London befand.
19. Der Schatten vertieft sich.
Gegen Abend kehrte Boulot zum Sloane Creszent zurüd. Als er die Tür zum Wohnzimmer öffnete und Dolores in zusammengefuntener Haltung auf dem gelben Diwan figend erblickte, stedte er schnell eine Zeitung in die Tasche, die er in der Hand gehalten hatte. Aber schon hatte sie die Bewegung gesehen, fprang auf amb fam mit entsetzten Augen auf ihn zu.
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,, Was steht drin?" fragte fie zitternd. ,, Nur von einer Berhaftung.." antwortete der Franzose aus. weichend. Es wird fein Name genannt," fegte er beschwichtigend hinzu.
,, Aber Sie wiffen ihn?" Ja!"
WAS DER TAG BRINGT.
Stilles Heldentum.
Bon einem Leser wird uns geschrieben: Die Dzean. flieger, bie jest in Berlin so sehr gefeiert merben, haben 3mar ihr Leben aufs Spiel gesetzt, aber für ihre Rebenmenschen vollbracht. Wie anders wirft dem gegen.
feine Heldentat
über die stille Helbentat eines Beichenwärters, burch dessen
Umsicht ein Schnellzug gerettet, der Retter selbst aber überfahren und fofort getötet wurde.
Die Sache trug sich wie folgt zu: Beim Einfahren des Wiener Schnellzuges in den Bahnhof Radkersburg in Steiermart bemerkte ein Beichenwärter, daß, obwohl das Signal auf freie Fahrt stand, eine Weiche falsch gestellt war, so daß der einlaufende Schnellzug, der start bejegt mar, verunglüden mußte. Der Weichenwärter, der die große Gefahr sofort erkannte, wagte es im legten Augenblid die Weiche herumzureißen. Er tonnte aber nicht mehr rechtzeitig zur Seite springen und stürzte unmittelbar vor dem heranjaufenden Schnellzug auf die Schienen. Er wurde auf der Stelle getötet. Der pflichttreue Beamte hinterläßt eine Bitwe und zwei minderjährige Kinder. Es ist zu hoffen, daß die österreichische Regierung ausreichend für die Hinterbliebenen des helbenmütigen Retters sorgt.
Dieses stille Heldentum, das nichts mit Sensation und Ruhmbegierbe, mie bei den gefeierten Ozeanfliegern, zu tun hat, verdient grade in der heutigen Zeit hervorgehoben zu werden. Selbstlose Nächstenliebe ist mehr mert, als lebensgefährliche Abenteuer. Senfation vergeht aber stilles Heldentum dient der Menschheit. Mexiko in München .
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Die Merito ,, Greuel" scheinen in Bayern eine wahre Banit hervorgerufen zu haben, mie folgendes Inserat im Bayerischen Kurier" beweist:
Erklärung!
Um Mißverständnissen vorzubeugen, erkläre ich, daß die in meinem Sotel Der Reichsadler" zurzeit gastierende Megifanifche Nationalfapelle von Brofeffor Mengas in feiner Weise mit dem Bräfibenten Calles in Berbindung ( teht oder mit beffen Regierungsmaßnahmen irgendwie inmpathisert. Die fämtlichen Mitglieder der Kapelle find firenggläubige Satholiten, München , den 2. Juni 1928.
Albert Souler,
Jett fönnen sich also die Gäfte dieses Hoteis rubig die meritanische Musit anhören.
Serenissimus.
In der Weimarer Landesbibliothet führte vor furzem ein früherer großherzoglicher Diener die Fremden herum, die eingeinen Gegenstände näher erfläreno. Mau i bei einem Bilde Sarl
( Fortsetzung folgt.)
Augusts angelangt. Hier sähn de Härrschaften a Borbräh pom Härzog Garl Auguft, fo tanz nach em Läben gemalt: in den Augen de Härzensgiete, im Hintergrund Schloß Bellwedär." Noch einmal Ball spielen.
In Budapest geschah es. Ein 65 Jahre alter Greis faß auf der Bank eines Spielplages. Er hatte vom Leben nichts mehr zu erwarten. War seit fünf Jahren arbeitslos. Seine Frau lag in einem Kellerloch trant danieder. Er war fest entschlossen, ein Ende zu machen. Seine Hand hielt trampfhaft den Revolver umflammert. Kinder, luftige, lebensfrohe Kinder, unerfahrene Anfänger des Lebens, taumelten um ihn herum. Sie spielten Ball.
Der Ball fiel zu den Füßen des alten, verzweifelten Mannes. Und da plötzlich wurde der Greis, in Angesicht des sicheren und unabwendbares Todes, wieder zum Kinde. Jugenderinnerungen wurden in ihm mach. Er hob den Ball auf und konnte der Berfuchung nicht widerstehen. Noch einmal in diesem Leben wollte er Kind sein. Ballspielen, lachen, laufen, herumtoben. Das trasse Elend, die todtrante Frau daheim, das nahende Ende, alles, alles war vergessen.
Er stellte fich unter die spielenden Kinder, jauchzte und rannte mit ihnen. Warf den Ball hoch, feuchte und schwizte. Versuchte die Erinnerungen der glücklichen Kindesjahre für einen kurzen Augenblick zu erhaschen.
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Nur einige, wenige Minuten dauerte das Spiel. Dann der Greis trottete müde, refignierten Schrittes an semen Platz zurück, nahm seinen Revolver, ein Schuß ertönte und alles war aus.
Kinder standen um ihn herum, mit großschauenden Kinderaugen jaben sie das ihnen Unfaßbare an. Das Spiel verstummte, um dann mit erneuter Kraft wieder zu beginnen. Das Leben ging unerbittlich weiter.
Das Glasauge des Wucherers.
IS
Monsieur N- 5., ein Pariser Bucherer, war zwar dem großen Bublifum gänzlich unbekannt, im Kreise seiner zahlreichen Schuldner aber tannte man ihn um jo besser. Er war ein moderner Syllod, cin Halsabschneider übelster Sorte. Eines Tages tam zu ihm ein junger Mann und bat ihn flehentlich um Stundung seiner Bechselschuld. Der Bucherer, der eben ein ausgezeichnetes Geschäft abgefchloffen hatte, fühlte menfhliche Regungen in sih und sprach mit falbungsvoller Stimme: Gut, ich prolongiere Shren Wechsel menn Sie erraten, welches meiner Augen aus Glas ist." Dhne Baubern erwiderte der junge Mann: Ihr rechtes Auge ist aus Glas. "„ Donnerwetter," schrie der hereingefallens Bucherer,„ Sie haben es erraten, das war aber doch nur Zufall. Gestehen Sie es!" Rein," antwortete der Befragte, hr rechtes Auge mußte aus Glas fein, weil darin mehr Sanftmut und Menschlichkeit lag als in bem linden.
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