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DER GELBE DIWAN
09olis@
VON V. WILLIAMS- ZEICHNUNGEN VON ADOLF LEHNERI
( 21. Fortsetzung.) Das junge Mädchen hob die Hand und fuhr sich mit einer verzweiflungsvollen Gehärde über die Stirn.
,, Niemals hat Julian diefes schauerliche Verbrechen begangen," fagte sie. ,, lind menn ich daran denfe, daß auf meine erzwungene Aussage hin seine Schuld.
Boulot schüttelte den Kopf.
,, Seine Verhaftung erfolgte einzig und allein auf Indizienbeweise hin. Ihre Aussage hat damit nicht das geringste zu tun. Aber besser haben Sie die Sache allerdings nicht gemacht, daß Sie die Polizei irrezuführen verfuchten."
Ich log doch nur, weil ich mußte, daß er schuldlos ist. Nichts auf der Belt wird mich zu dem Glauben bringen, daß der arme Junge mit dem Too meiner Schmefier irgendwie verknüpft ist. Ich dachte, wenn ich verschwieg, daß ich im Atelier war, würde es ihm leichter werden, zu erklären, was dort vorgegangen ist und
Menfigneur Quoyre hat erflärt..."
,, Daß er den Mord begangen hat?! Das glaube ich nicht ,, Nein. Seine Aussage belastet einen Mann namens Ramon, Ramon be la Bandera ."
Dolores blickte den Franzosen mit äußerstem Erstaunen an. ,, Ramon de la Bandera?" wiederholte fic.
ein Freund von Carmen
,, Sie fennen ihn?"
,, Aber das war ja
cin sehr guter Freund!"
"
Wann mar das?"
., 1911 fam ich ins Kloster und blieb dort bis zum Kriegsausbruch 1914. Dann traf ich mit Carmen in London zusammen
..Die Bekanntschaft Ihrer Schwester mit Ramon erstreckt sich
also über die Jahre von 1911 bis 1914?"
,, Ja ungefähr."
,, Und was schrieb sie über ihn?"
,, Nichts Besonderes. Er murde eben öfters in thren Briefen erwähnt. Einmal waren sie im Theater zusammen oder er ver Taufte ein Bild für sie
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, War er denn ein Maler?"
,, Ja, und er hatte sehr viel Talent nach dem, was Carmen schrieb
at sie auch später mit Ihnen über Remon gesprochen?" Hier in London eigentlich nic," antwortete das junge Mädchen zögernd. 3) brachte einmal die Rede auf ihn, aber fie brady fofort das Gespräch ab."
,, Warum?"
„ Ich weiß nicht, ich habe sie nicht gefragt. Manchmal fam es mir vor, als ob sie seinetmegen ein wenig unglüdlich gewesen märc."
"
Bar Ramon de la Bandera der Geliebte Ihrer Schwester?" Eine heiße Röte fiberzog das Geficht des jungen Mädchens. ,, Carmen liebte nie einen anderen Mann als Jim," rief fic empört. ,, Kann denn ein Mädchen nicht einen Mann gern haben, wohne daß gleich infame Schlüsse daraus gezogen werden?! Viel
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leicht hatte sie ihn einmal lieber als er sic aber ihr Geliebter-! Hätten Sie meine Schwester gefannt, Monfieur Boulot, Sie würden ihr Andenken nicht durch eine folde Frage bejleden.. ..Nicht ich habe das getan, sondern Monsieur Quayre ,, Das ist nicht wahr!"
„ Er hat ausgefagt, taß er, als er gestern nachmittag ins Atelier zurückkehrte, Ihre Schwester in den Armen dieses Ramon fand. Und erinnern Sie sich, mein Fräulein, daß er Ramon tennt und daher ein Irrtum unmöglich ist."
"
„ Ich glaube es nicht, ich fann es nicht glauben... „ Genau das, was Manderton fagte. Mein Kollege ist entrüftet über Ihren Freund, weil er versuchte, fich selbst auf Roften des guten Rufs Ihrer Schwester zu retten."
aus.
„ Sie behaupten, daß Julian Quatre das gesagt hat?" „ Das behaupts ich."
Dolores ließ den Kopf sinten und brachy in verzweifeltes Weinen
" Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll," schyluchzte sie.„ Sagen
Sie mir, was die Wahrheit iſt!"
Ich glaube nicht, daß Quanre gelogen hat."
Ein tiefer Seufzer der Erleichterung brach aus der Brust des
jungen Mädchens. Aber gleich darauf flüsterte fie traurig:„ Die arme, arme Carmen! Und der arme Jim! Ist dieser Ramon also der Mörder meiner Schwester? Was ist aus ihm geworden?" „ Er fam gestern abend in London an und nahm im Hotel Ninive ein Zimmer. Das war etwa um fünf Uhr. Dann ging er aus und fam nicht zurück."
„ Aber warum ist Julian dann verhaftet worden? Die Polizei
muß doch nach diesem Ramon fuchen?!"
" Für den Augenblick tut sie das nicht," entgegnete Boulot. In Mr. Mandertons Kopf hat sich eine bestimmte Theorie festgesetzt, und ich möchte vorläufig nichts dagegen tun, um nicht Ramon aufmertsam zu machen. Ich will ganz aufrichtig gegen Sie jein, Mademoiselle. Mir scheint es viel wichtiger, daß der Schuldige erwischt wird, als ob Ihr Freund ein oder zwei Nächte im Gefängnis zubringt. Ramon wird nicht weit kommen, meine Nachforschungen haben schon einiges zutage gefördert,..
Der Franzose zog das junge Mädchen neben sich auf den gelben
Diwan nieder.
Die letzten Worte Ihrer Schwester galten diesem Diwan," fagte er. Wir wissen, daß er schon in New Yort in ihrem Atelier stand und so bildet er das einzige Berbindungsglied mit ihrer Ber gangenheit, in die diefer Ramon de la Bandera so geheimnisvoll perstrickt ist. Warum wiederholte sie zweimal nacheinander, ehe sie starb, die Worte:„ Der gelbe Diwan, der gelbe Diman?" War das eine Erklärung? Ein Geständnis? Oder eine Warnung? Hat jie jemals Ihnen gegenüber ten Diwan in Verbindung mit ihrem Freund Ramon erwähnt?"
Dolores fchüttelte den Kopf.
Nie! Ich habe mir auch schon den Kopf zermartert wegen diefer letzten Worte der armen Carmen, aber ich habe teine Idee, mas fie damit meinte.
Boulet fuhr mit der Hand leicht über die schwere gelbe Seibe. ,, Hier liegt wohl die Lösung des dunklen Rätsels," sagte er nachdenklich, wenn wir sie nur zu lesen vermöchten! Könnte nicht dieser Diwan in irgendeiner geheimnisvollen und uns unverständ lichen Weise Ihre Schwester und Ramon wieder zusammengeführt haben? Es sieht doch so aus, als ob fie fich ins Atelier begeben hätte, um mit Ramon zusammenzutreffen. Aber trotzdem hat keinerlei
Berabredung stattgefunden, meder auf briefliichem, telegraphischem, drahtlosem Wege, noch durchs Telephon...
,, Wie fonnte dann überhaupt Carmen wissen daß Ramon in London war?" ,, Sie las es in der Zeitung, als sie sich in ihrem Klub aufhielt. Und offenbar ging fie von da direft zu Quanre. Warum?" Schrecklich zu denken, daß sich der Mann frei in London umhertreibt!"
Warum ging sie zu Quaŋre?" wiederholte Boulot wie zu sich selbst.
Julian war doch in London der einzige, den sie noch von New York her fannte..." „ Das ist wahr!"
A
, Carmen liebte nie einen anderen Mann als Jim!"
,, lind er fannte alle beide: Ramon und Carmen. Go ging vielleidt Carmen zu ihm, um Romon dort zu treffen oder seins Adreffe
„ Oder," schloß Boulot, fie hatte Angft. Bielleicht suchte sie bei Quayre Schutz vor diesem Mann, Schuß, den sie von ihrem Gatten nicht zu verlangen wagte..."
20. Schriffe im Garten.
Ohne ihn wäre es eine trübselige Mahlzeit geworden, aber er wußte so viele lustige Geschichten aus dem Parijer Leben zu erzählen, von Königen, Schwindlern, Schauspielerinnen, Staatsmännern, Künstlern und Journalisten, daß mehr als einmal ein leises Lächeln auf den traurigen Gesichtern seiner Zuhörerinnen erschien.
Gegen Schluß des Mahles brachte ihm das Mädchen ein eben eingegangenes Telegramm. Boulot las es, und in seinen Augen blizte es. Er schrieb die Antwort auf ein Blatt Papier und gab es dem Mädchen zu sofortiger Besorgung. Dann erhob er sich hastig. Entschuldigen Sie, meine Damen," sagte et, aber ich muß Sie jetzt verlassen. Bann ich zurüd sein werde, tann ich nicht jagen, aber ich habe ja ben Schlüffel und werde mich bemühen, jo leise zu jein als möglich. Also auf Wiedersehen!"
lind draußen war er.
Als Dolores die Tür zum Wohnzimmer öffnete, erhellte ein blendender Blitz den kleinen Raum. Bei seinem Licht sah sie, daß die Zeiger der Uhr auf dem Kamin auf halb zwei Uhr standen. Bon draußen tönte das unaufhörliche Klatschen des Regens. Dann rollte das Krachen des Donners über die Stadt.
Um elf Uhr war sie zu Bett gegangen, aber sie hatte nicht schlafen fönnen. Das Gefühl eines dumpfen Schmerzes lastete auf ihr. Es war, als wäre alles Leiden der Welt ihr allein auferlegt worden. Seit dem Gespräch mit Boulot sah sie ihre Schwester in einem neuen Licht: ein zerquältes Weib mit der beständigen Angst vor etwas Unbekanntem, die hinter dem schönen, flaffischen Gesicht verborgen schlief. Das war nicht mehr die Carmen, wie fie fie getammt hatte in ihrer strahlenden Schönheit, vergöttert von ihrem Gatten, verehrt von jedem, der in ihre Nähe fam, Doll Glück in ihrem Heim das war ein anderer Mensch, der sich die Hände blutig fchlug an den Gitterstäben einer geheimnisvollen Weit und feines heimlichen Rummers nicht ledig zu werden vermochte
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Während Dolores zu Bett lag und auf das Herannahen des Gewitters wartete, war fie plöglich einer Empfindung bewußt geworden, als müßte fie ins Wohnzimmer gehen, das ganz mit der Persönlichkeit der Ermordeten durchtränft war, um dort Antwort auf die vielen ingelösten Fragen zu finden.
Die Borhänge waren im Wohnzimmer zugezogen, aber sie drehte fein Licht an. Die Dunkelheit entsprach ihrer Stimmung, und das umunterbrochene Rauschen des Regens tat ihr gut. Sie ging zum Fenster, schob den Borhang zurüd und öffnete es halb.
Ein neuer Blig fuhr hernieber, und erschrocken zog sie sich in den Hintergrund des 3immers zurüd und feste fich auf den gelten Diwan, mit dem Rücken gegen das Fenster, wie, um nichts mehr vom Gewitter zu fehen. Es fror fie an ihren nackten Füßen, und sie nipite den fleinen elektrischen Dien an, der vor dem Ramin stand. Die in den Milchglasröhren matt ichimmernden Glühfäden warjen einen rötlichen Schein auf ihr bleiches Geficht.
Ein schwarzer, gewitterbrohender Nachthimmel hing über der fümlichen Troft. Wenn sie die Augen schloß, glaubte fie fie vor fidh Stadt.
Georg Cranmore hatte auf den Rat Mandertons hin feinen Bruder zum einstweiligen Umzug in feine eigene Wohnung bewogen, und Lettice Harbury, Dolores und Boulot speisten allein.
In Carmens eigenem 3immer zu fein, gewährte ihr einen eigenstehen zu sehen. In einem einfachen, weißen Morgenkleid im Sonnenschein, der durch das Fenster strömte oder wie sie vor dem Ausgehen ihren Schleier vor dem japanischen Spiegel, übers Geficht ang ( Fortsegung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT.
Eine neue Modekrankheit.
In der Deutschen Medizinischen Bochenschrift" berichtet ein Berliner Zugenarzt über die Folgen, die die neuerdings so beliebt gewordene ifte, die Augenbrauen zu einem dünnen Strich auszurasieren, für die Frauen haben tann. Diese fommen in stets wachsender Zahl in die Sprechstunden der Aerzte mit schweren Bindehautentzündungen, die die Arbeitsfähigkeit weitgehend ein
schränken oder gänzlich behindern. Die Fälle häufen sich, wo zu der Bindehautentzündung noch höchst schmerzhafte Abzesse, Furuntel und läftige Etzeme in der Augengegend treten, die wohl zumeist auf mangelnde Sauberteit der die Verschönerungsprozedur" vornehmenden Friseure zurückzuführen ist.
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Man vergist, daß die Augenbrauen ihre durchaus wichtige bio logische Funktion als Schugorgan des Auges haben, das sie vor Schweiß schützen; zudem sind sie, ebenso wie die Wimpern, als Staubfänger von großem Wert für das Auge. Unnüz zu sagen, daß ihnen diese Bedeutung in erhöhtem Maße bei allen in den Fabriken arbeitenden Frauen zutommt.
Aber selbst vom ästhetischen Standpunkt ist diese neue
Mode zu verwerfen, sind es doch gerade die Augenbrauen, die dem Geficht seinen charakteristischen Ausdruck verleihen. Dieser wird durch das Ausrafieren der Brauen in hohem Maße beeinträchtigt und macht das Gesicht langweilig.
Ein Industriekapitän
Dr. L. H.
mar gestorben und fam( vermöge guter Beziehungen zum Zentrum) Kleider abgenommen. Nur mit einem Hemd befleidet ging er einher. in den Himmel. Dort in den seligen Gefilden wurden ihm seine laufen. lnb begab sich am dritten Tage ins himmlische Telegraphen Sah sich alles an. Sah alles gleicherweise im Hemd herum amt, um folgende Drahtung an seine Aktiengesellschaft aufzugeben: ,, arbeiter bis aufs Hemd ausziehen, mehr im himmel nicht nötig stopp Krause."
Aber die eigentliche Pointe tommt nach.
Die folchermaßen informierte Gesellschaft fah fich genötigt, wie folgt zurückzudrahten:
arbeiter wollen gar nicht in himmel stopp was nun stopp Aus dem Wahren Jacob") werksverwaltung."
Zwei Menschenleben für ein Hundeleben.
Bei Boulogne- sur- Mer in Frankreich hat sich ein eigenartiger und tragischer Unfall ereignet. Daß ein treuer Hund für feinen Herrn ums Leben fam, ist schon oft dagewesen; daß aber um eines gefährdeten Hundes willen zwei Menschenleben geopfert wurden, hat man wohl noch nicht erlebt. Ein alter Mann, der am Meer spazieren ging, wollte seinem Hunde zu Hilfe kommen, der von einer Welle davongetragen wurde. Er geriét felbft in Todesnot. Ein junger Engländer, der mit seiner Mutter den Borgang beobachtete, sprang nadh, um den Mann zu retten. Es erging ihm nicht beffer. Da
wagte sich ein dritter Retter ins sturmgepeitschte Waffer. Er wurde von einer Welle gegen das fer geschleudert und schwer verwundei. Der junge Engländer fonnte nur als Leiche geborgen werden. Den alten Mann und seinen Unglücshund gab das Meer nicht wieder heraus.
Benzin statt Wasser in der Wüste.
Wagen während einer Nacht vom Wege abgekommen. Der Lenker Im Autoverkehr zwischen Bagdad , und Beiruth ist einmal ein des Wagens, ein Belgier, hatte sich hilflos in dem großen Schweigen der Wüste verloren. Als der zweite Fahrer, ein Araber, erwadie, ertannte er, daß sie irre gefahren waren. Er versuchte, den Hauptverfehrsweg zu finden. Nach zweitägiger Fahrt befand sich der Wagen in unbetretenem Gebiet. Da eine solche Irrfahrt nicht vor gefehen war, hatte man nur die nötigsten Nahrungsmittel und Wasser mitgenommen. Als das Wasser zu Ende war, mußten die Fahrer ihren Durst mit Benzin löschen. Zmei von ihnen wurden irrjinnig, einer erlitt einen Hißschlag, und die übrigen etwa 20 Passagiere wären ebenfalls umgefommen, wenn nicht durch Zufall ein Flug
deug aus Aman sie entdeckt und ihnen nach einigen Stunden Nahrungsmittel und Wasser gebracht hätte. Darm tam eine Rettungsexpetition, die sie mit nach Beiruth nahm. Alle mußten ein Kranfenhaus auffuchen, wo noch drei Schwertranfe in Behandlung blieben.
Unfall einer deutschen Akrobatengruppe.
In Redcar in England gab eine Seiltänzergruppe, das Orion Trio", auf 20 Meter hohem Seil eine Vorstellung. Zwei Männer und ein Mädchen. Als einer der Männer und das Mädchen auf dem bracht. Während sich der Mann am Seil festhalten fonnte, stürzte Geil standen, wurden sie durch eine Bö aus dem Gleichgewicht ge= das Mädchen ab und wurde bewußties in das Krankenhaus gebracht, doch wurden feinerlei innere Berlegungen oder Knochenbrüche feftgeftellt,
Ausgestorbene Zeitgenossen des Kolumbus.
Als Kolumbus die Infel San Domingo zum erstenmale betrat, empfingen. Ihn deren Bewohner mit einem Pfeilhagel als ob fie ahnten, was ihnen von den weißen Eroberern bevorstünde. Jene Einwohner waren Arawaten und Kariben. Eine Erpetition bes Smithonian- Instituts hat durch Ausgrabungen festgestellt, daß diese Ureinwohner noch lange Zeit nach der Herrschaft der Weißen die Infel bewohnten Der Ursprung diefer Indianer war in Südamerita zu fuchen. Sie famen gruppenweise nach San Domingo. Shre Kultur war primitiv, immerhin hatten sie etwas Sinn für Orna mentit, wenn auch der beliebteste Smud bei ihnen eine Rac bildung von Totenschädeln war. Unter den weißen Eroberern hatten sie furchtbar zu leiden, später scheinen sie sich stark mit den Regern vermischt zu haben, die als Silaven nach San Domingo gebracht wurden. Wahrscheinlich sind sie von der schwarzen Rassa völlig aufgefogen worden.