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Morgenausgabe

Nr. 315

A 161

45.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag

6. Juli 1928

Groß- Berlin 10 Pi.

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261 gegen 134.

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Die Mehrheit für das Kabinett Hermann Müller .

Der Reichstag hat gestern nachmittag mit 261 gegen 134 Stimmen bei 28 Enthaltungen folgenden Antrag angenommen Der Reichstag billigt die Regierungserklärung und geht über alle anderen eingebrachten Anträge zur Tagesordnung über." Die Mehrheit, die gestern der neuen Regierung die parlamentarischen Weihen erteilte, war stattlich, die. Oppo­fition blieb hoffnungslose Minderheit. Wenige Stimmen fehlten zur Zweidrittelmehrheit, mit der man auch ver­fassungsändernde Gesetze beschließen tann. Die Mehrheit ist in hohem Grade arbeitsfähig, folange sie zusammen­hält.

Die Regierung fann mit dem gestrigen Tage zufrieden fein, nicht nur, weil sie, wie zu erwarten war, bei der Ab­ftimmung glatt gefiegt hat, sondern besonders auch, weil sie in der Debatte durch den Reichskanzler Hermann Müller und den Reichsfinanzminister Hilferding ausgezeichnet vertreten war. Endlich ein Kabinett, das man ohne Hohn als ein Kabinett der Persönlichteiten bezeichnen fann! Die Mehrheit ist von den Sozialdemokraten, den Demokraten ,, dem Zentrum, der Bayerischen und der Deutschen Bolfspartei gestellt worden. Deutschnationale, Kommunisten und Nationalsozialisten bildeten die Minderheit. Man sieht, Mehrheit und Minderheit sind mert­würdig gemischt. Ob es wirklich löblicher ist, mit Monar­chisten und Antisemiten zusammen Opposition zu spielen, als mit den Mittelparteien gemeinsam den Versuch positiver Arbeit zu wagen? Wir wollen sehen, wie mir mit der Ge sellschaft, in die wir durch den Willen der Wähler geraten find, zurechtkommen, auf keinen Fall beneiden wir die Kom munisten um die ihre..

Der ernsten Entscheidung ging eine fleine Komödie vor aus. Die Nationalsozialisten hatten einen Bertrauens antrag" für die Regierung gestellt, und das Haus mußte erst in namentlicher Abstimmung beschließen, daß dem ernst­gemeinten Antrag der Mehrheit von der nationalsozialisti schen Tricresolution der Vorrang gebüre. Dieses Theater wäre nicht möglich gewesen, wenn die Geschäftsordnung gegen die Entwürdigung des Parlaments durch derartige Manöver genügende Handhabe böte, es wäre aber auch dann nicht möglich gewesen, wenn im Reichstag nicht eine so abergläubische Angst vor ausgesprochenen Vertrauens­poten herrschen würde.

Daß Roalitionsregierungen, ja Regierungen überhaupt nur ein beschränktes und zeitlich begrenztes Ber trauen genießen tönnen, versteht sich von selbst. Die An­nahme eines Vertrauensantrags bedeutet fachlich nichts anderes als die Erteilung einer Bollmacht auf Zeit. Troß­dem fürchten alle Parteien, fie fönnten sich durch den Ge­brauch des Wortes Vertrauen" gegenüber einer dema gogischen Opposition eine Blöße geben. So hat sich der Brauch eingebürgert, die Bertrauensvoten durch Billigungs­poten zu ersehen, als ob Billigung weniger wäre als Ber­trauen! In Wirklichkeit wird es feine Partei geben, die jeden Saz und jede Nüance der sehr umfangreichen Re­gierungserflärung vorbehaltlos ,, billigt". In der sachlichen Wirkung tommt die ausgesprochene Billigung" dem er­flärten Vertrauen vollkommen gleich.

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der eine Aenderung des Etats bezweckt, dem Haushalts­ausschuß zugewiesen. Dafür stimmten auch die Sozialdemo­traten, und ihre Entscheidung war ebenso fachlich die von felbst gegebene wie tattisch die einzig zweckmäßige.

Wie liegen denn die Dinge? Die erste Baurate für das neue Kriegsschiff ist vom Reichstag bewilligt. Der Reichsrat hat, um nicht das Zustandekommen des ganzen Etats zu gefährden, seinen Einspruch zurückgezogen. Die Bürgerblod regierung hat den starten, besonders von der Sozialdemo­fratie vertretenen Bedenken gegen die Neubewilligung nur insoweit Rechnung getragen, als fie beschloß, bis zum 1. Sep­tember in eine neue Prüfung der Frage einzutreten, ob nicht aus finanziellen Gründen der Bau vertagt oder auf andere Weise eine gleichwertige Ersparnis am Reichswehretat er­zielt werden soll. Diesen Beschluß hat die neue Regierung als Erbschaft übernommen.

Wäre nun gestern im Reichstag über den fommunistischen Antrag abgestimmt worden, was wäre die Folge gewesen? Die Sozialdemokraten hätten sich ohne weiteres das Ber­

gnügen leisten fönnen, für den Antrag zu ftimmen, denn sie find in dieser Frage vollkommen frei. Aber Kommunisten und Sozialdemokraten wären in der Minderheit geblieben, und das Ergebnis wäre eine Bestätigung des im alten Reichstag gefaßten Beschlusses durch den neuen Reichstag gewesen.

Die Kommunisten find ja auch schlau genug, um die Wirkung ihres Antrags voraussehen zu fönnen. Sie haben ihn troßdem eingebracht und damit bewiesen, daß sie den Bau des Panzerschiffs wollen und daß er ihnen gar nicht schnell genug beginnen fann. Sie wollen ihn frei­lich nicht aus fachlichen Gründen, sie wollen ihn nur, weil sie glauben, ihn als Agitationswaffe gegen die Sozialdemokratie benüßen zu fönnen.

Da die sozialdemokratische Fraktion aus fachlichen Gründen in der Panzerschiffrage noch genau derselben Meinung ist wie im alten Reichstag, hatte sie es nicht so eilig wie die Kommunisten und verwies den Antrag dort­hin, wohin er gehört in den Haushaltsausschuß.

Hilferding und die Stabilisierung.

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Abrechnung mit der Helfferich- Legende.

Reichsfinanzminister Genoffe Hilferding Genoffe Hilferding ant wortete gestern im Reichstage auf Angriffe des deutsch nationalen Abgeordneten Oberfohren mit einer ein­drucksvollen Rede, die die deutschnationale Geschichtslegende über die Borgeschichte der Stabilisierung gründlich zerstörte. Er führte aus:

Die Ausführungen meines Borrebners über den Dames- Plan, für den er, wenn ich nicht sehr irre, selbst gestimmt hat, richten fich gegen die vorige Regierung. Sie hatte Jahre Zeit, eine große Bolitit in bezug auf den Dames- Plan aufzuziehen. Sie hat aber nicht das Geringfte getan.( Sehr wahr! bei den Goz.) Die Ausführungen über die Bermögenssteuer beziehen fich gleich falls auf einen Gefeßentwurf der vorigen Regierung und ich fand es überhaupt sehr merkwürdig, daß der Herr Vorredner in dieser Weise den Dank an die vorige Regierung abgestattet bat, den Herr Graf Bestarp von uns verlangt.

Cunos Sturz.

Nun zu meinem Berhalten während der Inflation. Ich erinnere an den Sturz des Ministeriums Cuno. Warum ist dieses Minifterium gestürzt worden? Nicht weil Sie( zu den Deutschnationalen), die Sie damals die zuverlässige Stütze dieser Re. gierung gewesen sind, dazu die Initiative genommen haben, sondern weil damals vor den Toren dieses Hauses bereits die Massen auf­marschiert waren( Unruhe und Zurufe bei den Komm.) und niemand wußte, wie es am nächsten Tage in Deutschland noch möglich sein sollte, eine Regierung aufrecht zu erhalten.( Stürmische Zurufe und andauernde Uuruhe bei den Komm.) Da war es die rettenbe Tat der Sozialdemokratie, damals die Republik und die Die Debatte bot anker den beiden Ministerreden nichts Demokratie zu sichern( lebhafte Zustimmung bei den Soz. und Dem.) Bemerkenswertes- höchstens abgesehen davon, daß gestern und ich sage: es war in diesem Moment die größte Tat der Sozial­zum erstenmal im neuen Reichstag die Ausweisung demokratie nach der Niederwerfung des Kapp. Butsches.( Anhaltende eines Abgeordneten aus dem Saale erfolgte. Der Unruhe und erregte Zurufe bei den Komm.) Die Währung ist doch negative Held dieser Affäre war der Nationalsozialist in den letzten Monaten der Regierung Cuno unaufhaltsam gesunken. Strasser, ein Bedauernswerter, der nicht anders als Es war doch so, daß die Ruhrtredite Hunderte von Millionen durch Unflätigkeiten die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken monatlich erforderten. Es war doch so, daß durch die Besetzung vermag. Bedauernswerter als er ist freilich das Parlament, das eine solche Gesellschaft ertragen muß.

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In der Stellung von Iridanträgen wollen sich freilich die Kommunisten nicht von den Nationalsozialisten übertrumpfen lassen. Also brachten sie einen Antrag ein, der Reichstag folle aus dem Etat die 9 Millionen für den Bau des Panzerschiffs A streichen und den Betrag der Kinderspeisung zuwenden. Die Kommunisten glaubten, mit diesem Antrag den Sozialdemokraten eine Falle stellen zu können, die im Wahlkampf sehr richtig die Annahme des Banzerschiffes und die Streichung von 5 Millionen für Kinderspeisung durch die Bürgerblodmehrheit fritisiert hatten. Der Antrag der Kommunisten wurde, wie jeder Antrag,

Neuentdeckte

Lassalle - Briefe.

Wir veröffentlichen in unserer heutigen Ausgabe bisher unbekannt gewesene Briete Ferdinand Lassalles an den preußischen Ministerpräsidenten von Bismarck .

des Ruhrgebietes, durch den Abwehrkampf an der Ruhr die ganze deutsche Wirtschaft in Gefahr geriet, zum Still­stand zu kommen. Glauben Sie denn, daß es damals irgendwie mög­lich gewesen wäre, von heute auf morgen die Währung zu retten?

Die Stabilisierung.

Damals ftanden fich sehr verschiedene Projekte entgegen. Ich habe aus politischen Gründen, um die Unterstügung der Landwirt­fchaft, um die Unterstügung auch der Deutschnationalen Partei hier im Haufe bei diesem Rettungswert möglichst zu erlangen, mich im wesentlichen auf ein technisches Rompromiß mit dem Bro. jett Helfferich eingelaffen. Ich habe aber das Projekt Helfferichs grundlegend geändert. Ich habe zunächst den gefährlichsten Gedanken, die Souveränität des Reiches zugunsten der industriellen und land­wirtschaftlichen Organisationen über das Geldwesen, beseitigt und habe die Souveränität des Reiches über das Geldwesen gerettet. ( Lebhafte Zustimmung bei den S03. und bei der D. Vp.) Ich habe Iweiter den zweiten gefährlichen Gedanken des Helfferichschen Pro­Der Herr Reichstanzler 2uther, mein unmittelbarer Nachfolger, jetts, die Anknüpfung des Geldwertes an den Roggenwert, beseitigt. fagt in feinem bekannten Buche: Die weitere Entwicklung( fortge­fetzte Zurufe bei den Komm.) mit dem außerordentlichen Schwanken der Roggenpreise dürfte gezeigt haben, daß die Anknüpfung an den Roggenwert höchst ungünstig gewesen wäre."( Hört! hört! und Sehr richtig! bei den Soz. und der D. Bp.) Ich möchte es noch schärfer ausdrücken:.

Die Anknüpfung an den Roggenwerf wäre ein nationales Un­glüd gewesen

und daran ändern alle lyrischen Phrasen und dergleichen nichts. In dem Helfferich- Projekt war vorgesehen, daß das Reich von der neu zu schaffenden Rentenbank einen Kredit von zwei Milliarden bekommen sollte. Das hätte nach meiner Auffassung die Gefahr einer neuen Inflation bedeuten tönnen. Ich habe diesen Krebit trotz der außerordentlich prekären Lage der Reichs. habe diesen Kredit trop der außerordentlich prefären Lage der Reichs­finanzen heruntergedrückt auf 1,2 Milliarden und die Zukunft hat gezeigt, daß das die richtige Zahl gewesen ist.

Aber das Entscheidende ist, daß feine Währung zu halten iff ohne Herstellung des Gleichgewichts im Budget. Diese Her-­ftellung des Gleichgewichts im Budget war während meiner Ministerschaft im Finanzministerium gelungen

und ich habe heute noch eine sehr dankbare Erinnerung und eine Bewunderung für die Tüchtigkeit und Energie, mit der damals die leitenden Herren mit mir zusammengearbeitet haben, darunter auch der spätere deutsch nationale Minister Herr von Schlieben

Die Droffelung der Kredite.

Der vierte und schwerwiegendste Vorwurf war in der damaligen Situation psychologisch sehr begreiflich. Es ist der Vorwurf, daß