Morgenausgabe
Nr. 317
A 162
45.Jahrgang
Böchentlich 85 Big.. monatlich 3,00 m. im voraus zahlbar, Bostbezug 4,82 m. einschl. Bestellgelb, Auslandsabonne ment 6,-. pro Monat.
*
Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen",„ Frauen Stimme"," Technit", Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts".
Sonnabend
7. Juli 1928
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die ein paitige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Rieine Anzeigen" das fettge orudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwei ettgebrudte Borte), jedes weitere Bort sdn iz Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Biennig, edes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Beile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenraße 3. wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.
Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Donhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin
Vorwärts Verlag G.m. b. H.
Boftichedlonto: Berfin 37 536.- Banffonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 3
Autobusunglich am Süßowufer. Elf Todesurteile- feine Gründe!
Gegen einen Baum gefahren.-
Am Lützowufer ereignete fich gestern abend gegen 19 Uhr ein schweres Verkehrsunglüd. Ein bollbesetter Autobus der Linie 10 fuhr in vollem Tempo über den Bürgersteig und raste gegen
Eine unmögliche Urteilsbegründung.
Mostau, 6. Juli( BTB.).
In der Begründung des Urteils im Schachty - Prozeß wernären Organisation im Donez - Becken, die sich im Jahre 1924 aus den ursprünglich getrennten Gruppen der früheren Angestellten und der ehemaligen Grubenbefizer gebildet haben soll, angeführt. Diese Organisation sei
einen starken Baum. Der Autobus wurde schwer beschäden zunächst die Entwidlungsetappen der gegenrevolutiodigt, und 14 Fahrgäste erlitten mehr oder minder schwere Verlekungen. Das Rettungsamt sorgte für den Abtransport der Verlekten, während die zu Silfe gerufene Feuerwehr die Aufräumungsarbeiten vornahm.
Der Autobus, der vom Lügowplaz fam, fuhr am Lüzowufer in Richtung Potsdamer Brüde entlang. Etwa 150 Meter vor der Haltestelle Lüzowufer geriet der Autobus infolge des sehr schlüpfrigen Pflasters plöglich derart ins Schleudern, daß der Führer jede Gewalt über seinen Wagen ver 1or. Immerhin gelang es ihn, das Steuer nach der Häuserseite herumzureißen. Hierbei geriet der Autobus jedoch auf den Bürgersteig und prallte mit ungeheurer Bucht gegen einen Baum. Der Kühler wurde vollständig eingebrüdt und fämt. liche Fensterscheiben zertrümmert. Die Fahrgäste des Autobus wurden von ihren Sitzen geschleudert und erlitten zum Teil
erhebliche Verlegungen. Als ein besonderer Glücksumstand ist es zu
sofort Hilfe herbei und in kurzer Zeit fonnten sämtliche Fahrgäste bezeichnen, daß der Wagen nicht umstürzte. Bon allen Seiten eilte fofort Hilfe herbei und in furzer Zeit fonnten sämtliche Fahrgäste aus dem start demolierten Wagen geborgen werden.
Die Mehrzahl der Verunglückten, die Kopf, Bein, Arm. und Rüdenverlegungen erlitten hatten, fonnten, nachdem fie in einer Privatklinik verbunden worden waren, alsbald wieder entloffen werden. Der Straßenabschnitt am Lühowufer, in dent fich das Unglück ereignete, war einige Zeit für den Verkehr gesperrt.
Artikel 48.
sowohl von der sogenannten„ Bereinigung ehemaliger Bergindu strieller Südrußlands" wie auch von der Polnischen Vereinigung ehemaliger Grubenbefizer des Donez- Beckens" unser Führung Dworschantschits geleitet worden. Die Pariser Zentrale habe nicht allein Ausfünfte über die Arbeiten und die Zustände in den Bergwerfen eingezogen, sondern sie habe auch die Schädigungsarbeit bei der Kohlenförderung, bei der Durchführung der Einfuhrgeschäfte und bei ähnlichen Vorgängen geleitet. Während der Beratung im Jahre 1926 hätte sich die Pariser Zen trale das Ziel gesetzt, einen Bruch zwischen der Sowjetunion und Frankreich herbeizuführen und hätte die Fragen der Borbereitung eines Krieges der Intervention in Rußland , der Schädi ungsarbeit usw. erörtert. Eine analoge Rolle hätte die polnische Bereinigung gespielt, die ihre Verbindung mit der Schäbigungsorganisation nicht allein durch einzelne Angestellte der sowjetistischen Bergindustrie verwirklichte, sondern auch durch Personen, die bei einigen ausländischen Unternehmungen angestellt gewesen feien. Die Chartower Zentrale habe gemäß den ihr zugegangenen Anweisungen nicht nur die wertvollsten Bergwerte den ehemaligen Grubenbesitzern zu erhalten gesucht, sondern sie habe auch die Wirtschaft im Donez - Beden derart zu führen sich bemüht, daß der Weg für die Rückgabe der nationalifierten Unternehmungen, wenn auch nur in Geftalt von Konzeffionen angebahnt werde, die für die konzeffionäre befonders rentabel fein follten.
ist doch die ganze Ne p", die neue ,, ökonomische Politit" die von Lenin angeordnet wurde, als das SowjetRegime aus eigener Kraft wirtschaftlich nicht mehr weiter fam! War es nicht das Bestreben der Mep", die ehemaligen Besizer durch das System der Konzessionen wieder zur Mitarbeit an der russischen Boltswirtschaft heranzuziehen?
Die Ingenieure und sonstigen Spezialisten waren mun bemüht, die Betriebe, die durch das bolschewistische System zugrunge gerichtet worden wären, zu erhalten", ja besonders rentabel" zu gestalten. Seit wann ist das Sabotage, feit wann liegt darin eine Schädigung der Wirtschaft? Wäre Sowjet- Rußland damit gedient worden, daß die Betriebe vollständig verkommen und un rentabel bleiben, so daß sich überhaupt feine Reflektanten auf Konzessionen gemeldet hätten?
Das Gericht hat offenbar gemerkt, daß es auf dieser Begründung die eigene Antlage einfach totmortale aus. Auf einmal ist nämlich alles schlägt. Deshalb führt das Urteil ganz plöglich ein Salto wieder anders: Dieselben Angeklagten, denen zum Schädi- halten und besonders rentabel gemacht hätten, Rapitalverbrechen gemacht wird, daß sie die Gruben erDie hätten zugleich für den Fall eines Krieges die die hätten zugleich für den Fall eines Krieges die 3erstörung der Bergwerte" in Aussicht ge=
Zum Programm der Chartower Zentrale habe auch die Pro Die Frage der Ausführungsbestimmungen wird überprüft.paganda gegen die Sowjetunion und für eine Unterſtügung der Der Reichsinnenminister hat den Sachbearbeiter für Ber- Feinde der Sowjetunion gehört, die im Falle eines Krieges fassungsfragen im Reichsinnenministerium, Ministerialrat Dr. Raisenberg, beauftragt, eine Zusammenstellung über die bisherigen Ergebnisse der Beratungen mit den Ländern über die Ausführungsbestimmungen zum Artitel 48 vorzunehmen. Es soll festgestellt werden, ob und inwieweit eine Beschleunigung der unter der letzten Regierung sehr dilatorisch behandelten Frage möglich ist.
durch die Einstellung der Kohlenförderung, die zerstörung der Bergwerte sowie auch durch direkte feindselige Hand. lungen erfolgen sollte.. Es heißt dann weiter, die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Schädigungsorganisation auf der einen Seite von den Bereinigungen ehemaliger Grubenbesitzer sowie gewissen kapitalistischen Kreifen und andererseits von gemissen 3nftitutionen einiger Auslandsstaaten finans ziert worden sei. In den letzten drei Jahren hätte diese Drganisation mehrere hunderttausend Rubel
nommen!
Eigenartige Erbefizer, die gleichzeitig hunderttaufende von Rubein" ausgegeben haben sollen, um einerfeits ihre Werke möglichst rentabel zu erhalten und andererseits, um fie eventuell zerstören zu lassen, und zwar gerade dann zu zerstören, wenn sich ihnen burch den Ausbruch eines Krieges die beste Gelegenheit wieder bieten würde, zu ihrem früheren Befigtum zu gelangen! Beim deutschen Rückzug aus Nordfrankreich im Herbst 1918 hat die Oberste Heeresleitung in frevelhafter Weise die Gruben zerstören lassen, damit sie nicht von den wiedereinziehenden Franzosen in Betrieb genommen werden konnten. Nach der Logit des Sowjetgerichts müßten umgekehrt die franzöſibaran gehabt haben, daß die Deutschen noch schnell vor ihrem hen Besizer der nordfranzösischen Gruben ein Interesse Rückzuge die Werte sprengen und erfaufen lassen! Man könnte über diesen phantastischen Unsinn nur herzlich lachen, wenn nicht im Hintergrunde fünf Menschenleben auf dem Spiele stünden, die sofort vernichtet wer den sollen, und ein Dugend weiterer Menschenleben in Gefahr stünde, durch endlose Haft in russischen
Achtstundentag und Minderheitenschutz. empfangen, wobei die Gelder entweder persönlich von den Mit- Kerkern ebenfalls ruiniert zu werden.
Kundgebungen der Völkerbundliga.
Haag, 6. Juli( Eigenbericht).
Der Kongreß der Völkerbundsgesellschaften schloß heute seine fünftägigen Beratungen mit einer Entschließung über den Acht stundentag ab. Er begrüßt mit Genugtuung die Ratifizierung der Washingtoner Konvention durch Frankreich und stellt fest, daß die Durchführung diefer Ratifizierung von der Ratifitation durch andere Staaten abhängt. Er bedauert, daß die Revisions bestrebungen den internationalen Achtstundentag und das ganze Wert des internationalen Arbeitsamtes gefährden. Der englische Gewerkschaftsführer Elvin mies als Berichterstatter auf
die Zusage der Regierung Hermann Müller
hin, das Achtstundenabkommen bald zu ratifizieren und begrüßte die Aussichten, die sich dadurch für die Ausdehnung des Achtstundentages auf die ganze Welt ergeben. Es unterliegt feinem Zweifel, daß die schnelle Ratifizierung dieses Abkommens durch die deutsche Re gierung, geeignet ist, die Gefahren der englischen Revisions politit zu beseitigen.
Zur Abrüstung, zum Kellogg - Baft und gegen den Gastrieg nahm der Kongreß einstimmig Entschließungen an nur der Italiener Giannini stimmte dagegen. Ebenso einigte sich der ganze Kongreß, sowohl die Staatsvöller, wie bie Minderheitsnationen auf die Forderung nach Einsegung einer ständigen Minderheitentom. mission beim Völkerbund, auf eine Völkerbundsuntersuchung des gesamten Minderheitenproblems und nach
Ausdehnung des Minderheitenschutzes auf alle Staaten. Auch hier isolierte sich der Faschist, indem er Einspruch erhob und erklärte, daß Italien seine bisherige Minderheitenpolitit weiter führen werde! Der Kongreß nahm schließlich noch eine Resolution an, daß das Bölferbundssekretariat, unabhängig von den Regierumgen, seine Beamten selbst wählen soll. Diese Entschließung ist gegen das Bestreben der italienischen und der spanischen Regierung gerichtet, wichtige Posten im Böllerbundssekretariat mit Faschisten und Halb. faschisten zu besetzen.
Der mit gastfreundschaftlichen Veranstaltungen etwas überlastete Kongreß ging mit einem Bankett in Amsterdam zu Ende, nach dem die Teilnehmer noch einen starten Eindrud von den in den legten fünf Jahren für 120000 Menschen gebauten Wohnungen in neuer Architettur gewonnen hatten.
Von der Militärspionage zugunsten Polens , die vor Beginn des Prozesses fategorisch von höchsten Sowjetstellen, insbesondere von Ryfom, behauptet wurde, ist wäh= rend der ganzen Berhandlungen überhaupt nicht mehr die Rede gewesen, und auch in der Urteilsbegründung sucht man vergebens nach einem solchen Hinweis. Nur am Schluß steht eine Andeutung über gelieferte Wirtschaftsinformationen und auch politische Auskünfte" an amtliche ausländische Institutionen. Was sind das für Inftitutionen", und überhaupt was versteht man in Rußland unter„, politischen Auskünften"? Ist das etwa ein Delift, das mit dem Tode bestraft werden muß? Schönes Land! Prachtvoller en muß? Schönes Land! Arbeiterstaat"!
gliedern der Organisation bei ihrer Rückkehr von dienstlichen Auslandsreisen oder mit Unterstüßung gewisser ausländischer Institutionen übermittelt worden seien. Eine der Finanzquellen feien auch die prozentualen Beiträge für die Bestellungen gewesen, die durch die Mitglieder der Organisation an deutsche Firmen vergeben wurden, wobei der Empfang der Geldmittel aus diesen Quellen in einzelnen Fällen dadurch erleichtert wurde, daß in einigen dieser Firmen leitende Boften mit ruffischen Emigran ten bejezt waren, die ihrerseits bereit gewesen seien, der Schädi gungsorganisation allseitige Unterſtüßung angedeihen zu laffen. Ferner stellte das Gericht feft, daß Anfang des Jahres 1928 die Charlower und auch die Moskauer Zentrale in Tätigkeit zu treten begannen, die die Schädigungselemente in den verschiedenen Trusten und Bolkskommissariaten vereinigen sollten. In der Be- Nebenbei bemerkt: von den deutschen Firmen, gründung der Anklage gegen Matoff, Bratanowski, Bojarinoff, die zunächst beschuldigt wurden, schlechte oder unzweckmäßige Krfchischanowski, Juffewitsch und Budny wird darauf hingewiesen, Maschinen geliefert zu haben, ist nur noch ganz beidaß diese nicht allein die tätigsten Mitglieder der Schädigungsläufig die Rede: er wird dunkel angedeutet, sie hätten organisation gewefen feien, sondern auch mit Vertretern einiger amt- prozentuale Beiträge für die Bestellun licher ausländischer Institutionen in Berbindung geftanden gen" bezahlt der Vorwurf der Beste chung wird also und ihnen neben Wirtschaftsinformationen auch politische nicht ausgesprochen, sondern nur vorsichtig uraschrieben und dadurch die Verschwörung" mit finanziert. Ausfünfte geliefert hätten.
Man liest und staunt; man liest ein zweites Mal und glaubt zu träumen; man liest ein drittes Mal und fragt sich: Wie fonnte sich das Sowjetgericht, also die Sowjet Regierung, angesichts eines furchtbaren Bluturteils die Blöße einer so läglichen, fo widerspruchsvollen, so ungeschickten Urteilsbegründung geben!
Worin bestand demnach die ganze Sabotage- Berschwörung"? Darin, daß die Angeklagten versucht hätten, die nationalisierten Bergwerke, zu erhalten", ja sie sogar besonders rentabel" rentabel" zu machen, damit die ehemaligen Besizer sie unter möglichst günstigen Bedingungen, wenn auch nur in der Gestalt von Konzessionen" zurückerhalten!
Bitte schön: so steht es schwarz auf weiß in der Urteilsbegründung geschrieben! Wo ist da die Sabotage, wo die Verschwörung, wo das Verbrechen, das mit dem Tode gefühnt werden muß?
Die ehemaligen Besizer erstrebten demnach die Kon zeffionierung ihres ehemaligen Besizes. Aber das
|
-
-
-
Da man die deutschen Angeklagten freigesprochen hat, der ,, verurteilte" GPU. - Lockspitzel Bad stieber intereffiert uns nicht, die Sowjetregierung wird ihn schon für seine Dienste belohnen konnte und durfte man nichi mehr behaupten. Uebrigens legen wir auf diesen Teil tes Urteils Ann wir und seiner Begründung nur geringen Wert. missen: auch wenn die deutschen Angeflagien schuldig gewesen wären, auch wenn die von Deutschland gelleferien Maschinen unbrauchbar gewesen wären, das Sowjet- Tribunal hätte sie doch freigesprochen, um möglichst bald wieder die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland aufnehmen 34 fönnen. Denn bei diesem Urteil war nicht das Recht obec das Unrecht, nicht die Schuld oder Unschuld maßgebend, jondern allein die politische 3 medmäßigteit.
Mozu aber überhaupt diese ganze Urteilsbegründung? Für das sowjetrussische Inland? Dieses ist ja somleso nicht mehr fähig, nach zehnjähriger Abstumpfung durch Aujhebung aller demokratischen Freiheiten, sich eine eigene fritische Ansicht zu bilden. Diesem belschemistischen Bublikum tann man ja alles vorsehen, sogar diese Urteilsbegründung,
a