dem Bielparteieninstem in Deutschland , bei der Ber schiebung der Regierungsträger um die Mitte herum wird es sich vielleicht empfehlen, diese Form zu mählen. Ich habe den Geschäftsordnungsausfchuß des Reichstags bereits gebeten, die Angelegen
Die Krise der Deutschnationalen.
heit zu untersuchen und dem Hause eine ein für allemal Bekenntnis zur Monarchie. gültige Form der Abstimmung, vorzuschlagen.
Bei der Gelegenheit sei eines anderen Zwischenfalls fürz gedacht, der sich anläßlich der letzten Regierungsdebatte ereignete, der Ausweisung des nationalsozialistischen Abgeordneten Straffer aus der Sizung. Einige ultrarechte Zeitungen haben die Ordnungsmaßnahme als übertrieben weitgehend angesehen. Demgegenüber sei darauf hingemiesen, daß es der Abgeordnete Straffer mar, der in einer der letzten Sizungen des vergangenen Reichstags von dem ..Misthaufen der Republit" sprach und dafür von einem Vizes präsidenten zur Ordnung gerufen wurde. Am dritten Sigungstage des neuen Reichstags nahm sich derselbe Abgeordnete heraus, einen Abgeordneten auf der Rednertribüne zweimal mit dem Zuruf Judenlümmel" zu beschimpfen. Auch diese Ausschreitung wurde nur mit zwei Ordnungsrufen gerügt. Dann folgten die Ausfälle gegen den Reichsfinanzminister Hilferding , und es ist kein Zweifel, daß der Ton des Barlaments in Tiefen finfen müßte, wo von einer Wahrung der Würde überhaupt nicht mehr die Rede sein kann, wenn gegen einen Abgeordneten, der so systematisch die Beschimpfungen der Straße ins Parlament trägt, nicht energisch vorgegangen würde. Darüber fann ein Streit unter Männern, die überhaupt das Ansehen des Parlaments er halten wollen, meines Erachtens nicht bestehen. Es wird im Gegenteil noch peinlich dafür gesorgt werden müssen, daß der Ton der Gasse nicht im Reichstag heimisch wird!
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Sitzung des Reichskabinetts. Fortsetzung der Verhandlungen mit Polen , Kellogg Daft,
die ersten Gesetzentwürfe verabschiedet.
Das Reichstabinett trat gestern unter dem Borsiz des
Reichstanzlers Hermann Müller zu einer Sigung zufammen, in der zunächst unter Beteiligung des Reichsministers a. D. Dr. Hermes und des Gesandten Rauscher der Absendung einer Note an die polnische Regierung über die Fortsegung der deutschpolnischen Handelsvertragsverhandlungen zugestimmt wurde, die durch den Erlaß der polnischen Grenzzonenver ordnung seinerzeit eine Störung erfahren hatten. Die Erörterung imm Kabinett hat sich auf die Behandlung dieser rein formalen Frage beschränkt; die bisherigen Instruktionen für die deutsche Delegation in fachlicher Beziehung bleiben daher unverändert. In der Note wird u. a. dem Vorschlag der polnischen Regierung zugestimmt, daß die beiderseitigen Delegationsleiter beauftragt werden, das Nähere über die Fortsegung der. Berhandlungen zu vereinbaren
Das Reichskabinett nahm alsdam einen Bericht über den Kriegsächtungspaft entgegen, der heute den Ausmärtigen Ausschuß des Reichstags beschäftigen wird.
Im Anschluß hieran legte bas Reichsfabinett in großen Zügen Feinen Arbeitsplan auf Grund der Regierungserffärung feft, insbesondere murden bereits die in der Regierungserklärung angefündigten Gesetzentwürfe betreffend den Reichswirtschaftsrat, die Handmerisnonelle, das Berufsausbildungsgesek mb has Shantftättengefek noen Reidsfabinett nerabidhiebet
153.
Noch ein fozialdemokratisches Reichstagsmandat. Der 153. fozialdemokratische Reichstagsabgeordnete mith in turzer Zeit in den Ballotbau einziehen. Im Wohlfreis DR. preußen sind durch ein Bersehen beim Addieren die Stimmen aller Parteien von 50 Wahlbezirken im Landkreis Gerbauen nicht mitgezählt, darunter 4622 fozialdemokratische Stim
men, die auf die Reichslifte fallen. Dadurch erhöht sich der sozialdemokratische Stimmenreft auf der Reichslifte non 26 165 auf 30 787 demokratische Stimmenrest auf der Reichslifte von 26 165 auf 30 787 Stimmen. Da auf einen Rest von mehr als 30 000 Stimmen noch ein Mandat entfällt(§ 32 der RWG.), muß der sozialdemokratischen Reichsliste das 10. Mandat zugewiesen werden, das auf den Genoffen Faltenberg fällt. Die sozialdemokratische Frattion wird dadurch 153 Mitglieder start.
Der Kreiswahlausschuß in Ostpreußen wirb zunächst eine neue Feststellung des Wahlresultats treffen und der Reichsmahlausschuß darauf die Reichslisten aller Parteien forrigieren, wodurch sich das mitgeteilte Resultat ergibt. Es ist Sache des Reichsinnenministeriums und und des preußischen Innenminifteriums, für die nötige Beschleunigung zu sorgen, damit Genoffe Falkenberg sein Amt in wenigen Wochen antreten famn.
Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten. Nach der Paufe treten am Dienstag der Reichstag und der Landtag zu ihrem voraussichtlich letzten Tagungsabschnitt vor den Sommerferien zusammen.
Auf der Tagesordnung der Reichstagsfigung, die um 3 1hr beginnt, steht in erster Linie der Gefeßentwurf über den Nationalfeiertag. Ferner soll die erste Beratung des Strafgesetzbuchent murfs vorgenommen werden, der erneut einem besonderen Ausschuß überwiesen werden soll. Fragen, die noch der Erledigung harren, find außerdem im Reiche vor allem die Amnestie und die EinTommensteuersentung. Ueber diese Fragen werden am Dienstag vormittag die Besprechungen mit den Barteiführern aufgenommen.
allem auf die Länder erftreden, da für eine Reichsamnestie die Bezüglich der Amnesti è werden sich die Besprechungen vor Zustimmung der Länder notwendig ist. Um 11 1hr tritt dann ber Rechtsausschuß des Reichstags zusammen, um die Beratung der Amnestiefrage zu beginnen. Ferner hält der Ausmärtige Ausschuß eine Sigung ab, die sich mit Kellogg - Batt, Sicherheits. fomitee und Bölferbundsratssigung befchäftigen wird. Im Sozialen Ausschuß steht die Frage der Krifenunterstützung zur Beratung. Die Sigung des Landtags beginnt um 1 1hr nachmittags. Auf der Tagesordnung steht zunächst die endgültige Wahl des Präsidiums, dann der Gesezentwurf über die Vereinigung aldeds mit Preußen, die Ausschußanträge zur Flaggen frage, über Unwetterfchäden und über die Amnestie,
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Hart an der Spaltung!
innerhalb der Fraffion eine deufiche Vereinigung gegründet! und die Parteiinstanzen wiffen lassen, daß diese Bereinigung Frattionsstärte habe; das bedeutet affo, daß Hugenberg fic gegebenenfalls mit den Abgeordneten Got, Bang usw. im Reichstag felbständig machen fönnte. Graf Westarp wandte fich natürlich gegen die Drohung Hugenbergs.
Das deutschnationale Regergericht über Lambach hat mit| rats Sugenberg aber nicht zufrieden. Der bgeordnete einer Berurteilung Lambachs und mit einem neuen Be Hugenberg hat fenntnis zur Monarchie geendet. Die deutschnationale Barteis vertretung hat den Spruch über den Fall Lambach mit sehr geringer Mehrheit gefaßt. Dieser Spruch wird die Beme gung, deren Stimme Lambach ist, schwerlich zum Schweigen bringen. Die Tatsache, daß die deutschnationalen Angestellten über die Frage Monarchismus anders denten als penfionierte Offiziere und Beamte und Großagrarier, mird durch eine Wiederaufwärmung der morarchistischen Säße des deutschnationalen Brogramms nicht aus der Welt geschafft. Der foziale Tatbestand ist stärker als die Ideologie des deutsch nationalen Programms.
Das neue Befenntnis zur Monarchie unterstreicht die politische und moralische Doppelzüngigkeit der Deutschnationalen.
Ihre Minister haben den Eid auf die Berfassung abgelegt. Ihre Führer haben mit Zustimmung der deutschnationalen Reichstagsfraktion die Richtlinien unterstrichen, die die Anerkennung der Republit enthielten. Die deutschnationale Reichstagsfraktion hat dem Republitschuhgeset und der Berlängerung der Berbannung Wilhelms II. zugestimmt. Ihre Barteiner tretung aber befennt sich erneut zu den monarchischen Grundfäßen. Was ist ehrlich und was ist Lüge?
So brüchig wie die deutschnationale Ehrlichkeit ist das deutschnationale Parteigefüge. Die inneren Differenzen sind durch die Beschlüffe der Parteivertretung nur notdürftig nach außen verdeckt worden, ihr Austrag ist auf den Herbst verschoben worden. Diese Differenzen sind so start, daß sie hart an die Spaltung herangeführt haben. Herr Sugen berg hat seine Anhänger gesammelt. Er hat wissen lassen, daß seine Gruppe in der deutschnationalen Reichstagsfraftion Fraftionsstärte befigt, also mehr als 15 Abgeordnete umfaßt. Die Abstimmungen auf der Parteivertretertagung haben gezeigt, daß er dort eine Mehrheit besaß.
Ueber die Vorgänge auf dieser Tagung berichtet der Jungbeutsche":
Der Hergang war etwa folgender: Am Sonntag faßte bie Parteivertretung zum Fall Lambach den folgenden Beschluß:
,, Die Parteinertretung tritt der dem Herrn Abgeordneten Lambach feitens der deutschnationalen Reichstagsfrattion ausge sprochenen Miß billigung in vollem Umfange bei. Die mei tere Entscheidung bleibt den sagungsmäßig 3 ständigen Stellen vorbehalten. Deshalb werden die ge stellten Ausschlußanträge dem zuständigen Landesverband als Material überwiefen. Aus diesem Anlaß bekennt die Deutschnafio. nale Partei fich erneut zu den monarchistischen Grundfähen ihres Barteiprogramms."
Dieser Beschluß bedeutet, daß die Bartelvertretung es ab Fehnt, über den Ausfluß ambas zu ver handeln. Auch der Parteivorstand hatte einen Beschluß mit allen gegen eine Stimmte gefaßt, in bem es abgelehnt wird, zu dem Aus schlußantrag gegen Bambach vom Parteinorstand aus Stellung zu nehmen. Damit mar bie Gruppe bes Geheimen Finanz
Am Montag vormittag zeigte sich dieser 3wist zwischen dem Grafen Bestarp und dem Abgeordneten Hugenberg in der Parteivertretung ganz far. Graf eft arp stellte den Antrag, daß die Parteivertretung im Fall Lambach die Entscheidung den zustän digen Barteiinstanzen überlaffe. Geheimrat ugenberg fegte diesem Antrag ein„ ein" entgegen. Er wollte fofort über den Ausschluß Lambachs verhandelt haben.
In der Abstimmung blieb Graf Westarp mit 64 gegen 67 Stimmen in der Minderheit. Er legte darauf den Parteivorsiz fofort nieder und ner ließ den Saal. Darauf faßte man einstimmig einen Beschluß, daß die Barteipertretung auch weiter zum Grafen Bestarp afs Parteiführer das Bertrauen habe. Der Abgeordnete Wallraf murde beauftragt, den Grafen Westarp zurüdzuholen. Nach einigem Zögern war dieser bereit.
In Einzelbesprechungen wurde dann ein Kompro miß gesucht. Um 1 Uhr trat die Bortetvertretung wieder zusammen. Zunächst wurde eine Entschließung gefaßt, in der die Parteis nertretung betont, daß sich derjenige außerhalb der Partei stelle, der sich gegen die Entscheidungen der zustän bigen Parteiinstanzen wende. Für die Deffentlichkeit wurde folgende Entschließung gefaßt:
Die Parteivertretung billigt einstimmig die Dppositions stellung der Reichstagsfrattion, mie fie in den Reden der Fraktionsvertreter zum Ausdrud gekommen ist, und ersucht die Fraktion, die Politik der Deutschnationalen Boltspartei auf dieser Basis meiterzuführen. Die Partei steht gegen die gemeinsamen Gegner einig bis auf den letzten Mann.
Dies ist der Wortlaut der Entschließung, wie er zuerst an die Presse herausgegeben wurde. Eine Viertelstunde später aber wurde der legte Sat:„ Die Partei steht gegen die gemeinsamen Gegner einig bis auf den legten Mann," mieber gestrichen und dieses der Bresse mitgeteilt. Die Streichung dieses Sages, an dem nach allem Borhergegangenen doch niemand ge glaubt hätte, ist ein Symbol dafür, daß die Auseinanderſegungen in der Deutschnationalen Bollspariei nur vertagt worden find."
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Die Krise besteht fort. Eine neue Tagung der Parteivertreter im Herbst soll den Gegensah Westarp- Hugenberg austragen. Bis dahin führt estarp den Borfis meiter. Hugenbergs Randidat für den Barteinorsiz ist Herr Oberfahren. Die Einheit der deutschnationalen Bolkspartei mirb nur noch mühselig behauptet. Die innere Unehrlichkeit her deutschnationalen Bolitit rächt sich!
Ausbau der Sozialpolitik.
Sozialdemokratische Anträge im Reichstag.
Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion hat im Reichs tag eine Reihe von Anträgen eingebracht, die vornehmlich dem Ausbau der Sozialpolitit dienen. Die Frattion fordert: die Reichsregierung zu ersuchen, dem Reichstag baldigft nachstehende Vorlagen zu unterbreiten:
zahlende Wochengeld ein 3ufus gewährt wird in dem Fall, daß die Schwangere während sechs Wochen vor der Niederkunft teine Beschäftigung gegen Entgelt ausübt.
Dieser Zuschuß ist bis zum Tage der Niederkunft zu zahlen in einer solchen Höhe, daß das Wochengeld zuzüglich des Bu a) Entwurf des Arbeitsschuhgefeges; einschließlich des chusses die Höhe des Grundlohnes erreicht." Bergarbeitsschuhes;
b) Entwurf einer Seemannsordnung und einer Borlage, durch die die seemännischen Arbeitnehmer in die Arbeitsgerichtsbar feit mit einbezogen werden;
c) Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes; d) Entwurf eines Hausgehilfengefeges; e) Entwurf eines Tarifvertragsgefeges;
f) Entwurf eines Arbeitsvertragsgefeges. Zum Ausbau des Schwangeren und Woche rinnenschutes wird beantragt:
bie Reichsregierung zu ersuchen, dem Reichstag
1. einen Gesezentwurf vorzulegen, durch den der im Gefeß über die Beschäftigung vor und nach der Niederkunft vorgesehene Schwangeren und Wöchnerinnenschuß ausgedehnt mird auf die& andarbeiterinnen und hausangestellten und
Abs. 1 3iffer 3 und Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung zu 2. einen Gesezentwurf vorzulegen, nach dem auf das laut§ 195a
Staatsgericht und Verfassungstag. Die Entscheidung über die Potsdamer Flaggenflage,
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Im sogenannten Potsdamer Flaggenftreit fällte der Staatsbische Berordnung vom 8. Auguft 1927 über das Beflaggen gerichtshof heute abend folgende Entscheidung: Die preuder gemeindlichen Dienst- und Schulgebäude ift mit der preuBifen Berfaffung unvereinbar.
Die Verfassungswidrigkeit liegt, wie Reichsgerichtspräsident Dr. Simons in der Begründung ausführte, darin, daß die sachlichen Voraussetzungen des Artikels 55 der preußischen Berfassung für den Erlaß einer Notverordnung infofern nicht gegeben feien, als der Inhalt der Notverordnung nicht dem mit der Berord nung verfolgten 3iele adäquat sei. Staff die Berordnung auf den eigentlichen 3wed, die Berhütung von Zwischenfällen zu beschränken, habe die preußische Regierung die Gelegenheit ergriffen, mm das gesamte Flaggenrecht zu regeln. Das bedeute aber
Auf die Sicherung der Rechte der Arbeiter und Ange ftellten in der Sozialversicherung beziehen sich die folgenden Anträge:
die Reichsregierung zu erfuchen, einen Gesezentwurf vorzus bereiten, der in der sozialen Bersicherung die Selbstvermale tung nach folgenden Richtlinien herbeiführt:
1. Den Bersicherten ist der maßgebende Einfluß eina zuräumen. Auszugehen ist dabei von dem Zweck der Bersicherung, nicht von der Art und Höhe der Beitragsleistung.
2. Das Recht der Selbstverwaltung schließt in sich, daß die Bea amten und Leiter von den Organen der Versicherungs= träger zu wählen sind.
3. Das Aufsichtsrecht des Staates darf nicht zu bureaukratischer Bevormundung führen"
den Herrn Reichsarbeitsminister zu ersuchen, die Pflichtver. auf 9600 Reichsmart festzusetzen." ficherungsgrenze in der Angestelltenversicherung
eine Berschiebung der Rechtslage, so daß die Notverordnung infolge. deffen als verfaffungswidrig vom Staatsgerichtshof anerkannt wer den mußte.
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Das Urteil des Staatsgerichtshofs bezeichnet nicht die Notverordnung an sich als verfassungswidrig, sondern ihre Flaggenfrage nicht nur einmalig für den 11. August, sondern generelle Fassung, die den Anschein erweden fonnte, als ob die preußische Regierung durch die Notverordnung die dauernd regeln wollte.
Inzwischen liegt dem Reichstag ein Gefehentwurf vor, der die Frage des Verfassungstages im Sinne der preußischen Notverordnung für das ganze Reich regeln will. Bird der Entwurf Gesez, so tönnte sich die preußische Res gierung mit Ausführungsbestimmungen begnügen. Wird er nicht Gefeß, so steht es Preußen nach dem Urteil des Staatsgerichtshofes frei, für Preußen ein eigenes Gesez einzubringen. Daß ein derartiger Entwurf in Breußen eine Mehrheit finden würde, ist nach der Zu sammenlegung des Landtages nicht zu bezweifeln,